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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 06.10.2003
Aktenzeichen: 7 UF 1850/03
Rechtsgebiete: VAHRG


Vorschriften:

VAHRG § 36 Abs. 1 Nr. 1
Der Wert der betrieblichen Altersversorgung der Firma S... AG steigt in (nahezu) gleicher Weise wie der Wert einer volldynamischen Versorgung (gesetzliche Rentenversicherung oder Beamtenversorgung); dies gilt sowohl für den Anwartschaftsteil als auch ab Leistungsbeginn.

Gleichwohl gebietet die Verfallbarkeit der Dynamik im Anwartschaftsstadium eine Umrechnung der Anwartschaft nach der Barwertverordnung (vgl. FamRZ 2003, 914).


7 UF 1850/03

Nürnberg, den 06.10.2 003

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers hin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg (101 F 992/02) vom 13.05.2003 in Nummer 2 Absatz 2 des Tenors abgeändert:

Zusätzlich werden vom Versicherungskonto Nr. ... des Antragstellers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf das Versicherungskonto Nr. ... der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rentenanwartschaften von monatlich 7,64 Euro, bezogen auf den 31.03.2002, übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

II. Im übrigen bleibt der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.

Hierbei hat es u.a. eine unverfallbare Anwartschaft des Ehemannes auf betriebliche Altersversorgung bei der Firma S... ausgeglichen, indem es den ehezeitbezogenen Anteil errechnet, sie als dynamisch gewertet und im Wege des erweiterten Splittings (§ 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG) ausgeglichen hat.

Gegen die Wertung der Anwartschaft als dynamisch wendet der Antragsteller sich mit seiner Beschwerde unter Hinweis auf die Auskunft der Firma S..., die ihre betriebliche Altersversorgung sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium als "statisch" bezeichnet hat.

Eine erholte weitere Auskunft der Firma S... hat ergeben, daß die Anwartschaften auf und die Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung seit dem 01.09.1990 alle drei Jahre um insgesamt 30,4 Prozentpunkte erhöht worden sind. Die letzte Erhöhung ist zum 01.09.2002 erfolgt und hat 5,4 % betragen. Die Satzung über die betriebliche Altersversorgung der Firma S... sieht keine Abweichung von der Regelung des § 2 Abs. 5 BetrAVG vor (vgl. § 11 der Richtlinien der S...-Altersfürsorge GmbH vom 01.10.1983, Stand Januar 2000).

Die am Verfahren über die Folgesache "Versorgungsausgleich" Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

II.

Die befristete Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (§ 621 e Abs. 1 und 3 ZPO) und begründet.

Die betriebliche Altersversorgung der Firma S... ist sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium als volldynamisch zu werten; denn ihr Wert ist in den letzten 15 Jahren in gleicher oder nahezu gleicher Weise wie die gesetzliche Rentenversicherung und die Beamtenversorgung gestiegen, nämlich jährlich um durchschnittlich 2,03 % (30,4 % : 15 Jahre). Damit ist sie als dynamisch zu werten (vgl. Gutdeutsch, Versorgungsausgleichs-Tabelle zur Feststellung der Volldynamik, FamRZ 2003, 737; Glockner, Bewertung von Betriebsrenten, FamRZ 2003, 1233).

Gleichwohl darf die Anwartschaft auf Betriebsrente der Firma S... wegen der Verfallbarkeit der vorhandenen Dynamik bei Ausscheiden aus der Firma vor Renteneintritt nur mit dem gesicherten Anteil der Anwartschaft ausgeglichen werden (vgl. § 2 Abs. 5 BetrAVG; Borth, Versorgungsausgleich, 3. Auflage, Rn. 424; Glockner, Die Änderungen des Betriebsrentengesetzes, FamRZ 2002, 282). Dies macht eine Umrechnung der bisher erreichten Anwartschaft mit Hilfe der (neuen) Barwertverordnung (vgl. FamRZ 2003, 914) erforderlich.

Der am 7.4.1967 geborene Antragsteller hatte zum Ende der Ehezeit (i. S. des § 1587 Abs. 2 BGB), dem 31.3.2002, eine unverfallbare Anwartschaft in Höhe von jährlich 3.399,12 Euro : 12 Monate = 283,26 Euro monatlich erworben. Dieser Betrag ist auf die Zeit vom 5.2.1987 (Eintritt in die Firma) bis (65. Geburtstag) bezogen, also auf 45 Jahre und 2 Monate oder insgesamt 542 Monate.

In die Ehezeit (vom 1.6.1990 bis 31.3.2002) fällt eine Betriebszugehörgkeit von nur 11 Jahren und 10 Monaten oder insgesamt 142 Monaten. Von der erworbenen Anwartschaft von monatlich 283,26 Euro entfällt auf die Ehezeit ein Anteil von 74,21 Euro (283,26 Euro x 142 Monate : 542 Monate).

Zum 1.9.2002 ist eine Erhöhung der Betriebsrente (sowohl der Anwartschaft als auch der Leistung) der Firma S... um 5,4 % eingetreten. Dadurch hat die ehezeitbezogene Anwartschaft von 74,21 Euro sich auf 78,22 Euro erhöht.

Der Jahresbetrag dieser Anwartschaft von 938,64 Euro (78,22 Euro x 12 Monate) ist mit Hilfe der Barwertverordnung in eine dynamische Rentenanwartschaft umzurechnen. Aus der Tabelle 1 der BarwertVO ergibt sich für den am Ende der Ehezeit (31.3.2002) 34 Jahre alt gewesenen Antragsteller (geb. ... 67) ein Umrechnungsfaktor von 2,1, der um 65 vom Hundert zu erhöhen ist, weil die Leistungsphase dynamisch ist (vgl. Anmerkung 2 zu Tabelle 1, FamRZ 2003, 916). Dies ergibt einen Vervielfacher von 3,5 (2,1 x 1,65) und einen Barwert der Anwartschaft von 3.285,24 Euro (938,64 Euro x 3,5).

Dieser Barwert ist mit dem Umrechnungsfaktor aus Nummer 5 der "Rechengrößen für den Versorgungsausgleich" für das Jahr 2002 (Ende der Ehezeit, vgl. FamRZ 2002, 293 zu vervielfältigen. Dies ergibt 0,6031 Entgeltpunkte (3.285,24 x 0,0001835894), wobei das Ergebnis auf vier Dezimalstellen auszurechnen ist (vgl. § 121 Abs. 1 SGB VI).

Die Entgeltpunkte (Werteinheiten) sind in eine Rentenanwartschaft umzurechnen, indem sie mit dem für den Zeitpunkt des Ehezeitendes (31.3.2002) maßgebenden "aktuellen Rentenwert" vervielfältigt werden (vgl. Nr. 2 der "Rechengrößen", FamRZ 2002, 292). Dieser Wert ist der Tabelle 1 der "Rechengrößen" mit 25,31406 (Euro) zu entnehmen. Die Umrechnung ergibt eine dynamisierte Rentenanwartschaft von 15,27 Euro. Die Hälfte hiervon sind 7,64 Euro (Aufrundung gemäß § 121 Abs. 2 SGB VI).

In dieser Höhe sind im Wege des erweiterten Splittings gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG von dem Versicherungskonto des Antragstellers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere) Rentenanwartschaften auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin zu übertragen. Der Monatsbetrag von 7,64 Euro ist auf das Ende der Ehezeit (31.3.2002) bezogen und gemäß § 1587 b Abs. 6 BGB in Entgeltpunkte umzurechnen.

III.

Hinsichtlich des derzeit nicht ausgleichbaren Teiles der Anwartschaften des Antragstellers auf betriebliche Altersversorgung bei der Firma S... ist der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorzubehalten. Dieser Vorbehalt bezieht sich auf den infolge der festgestellten Dynamik höher zu bewertenden Teil der Anwartschaft, den der Antragsteller zwar bereits erworben hat, der ihm bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus der Firma S... aber verloren gehen würde (vgl. § 2 Abs. 5 BetrAVG und § 11 der Richtlinien der S...-Altersfürsorge GmbH vom 01.10.1983, Stand Januar 2000).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a Abs. 1 S. 1 ZPO.

V.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 17 a Nr. 1 GKG festzusetzen.

VI.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 621 e Abs. 2, § 543 Abs. 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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