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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 11.06.2001
Aktenzeichen: 7 UF 201/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1684
Einem Antrag des Sorgeberechtigten, den anderen Elternteil gegen dessen ausdrücklichen Willen zum persönlichen Umgang mit einem gemeinsamen Kind zu verpflichten, ist nicht stattzugeben, wenn ein solcher Umgang nicht dem Interesse des Kindes dienen würde.
In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen das Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt an der Aisch vom 28. November 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

III. Der Streitwert des Rechtsmittelverfahrens beträgt

1. 30.600,00 DM bis zur teilweisen Rechtsmittelrücknahme im Termin vom 21. Mai 2001 (29.100,00 DM für die Scheidungssache + 1.500,00 DM für das Verfahren über die Umgangsregelung);

2. 1.500,00 DM für die Folgezeit.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, der jugoslawischer Staatsangehöriger ist, und die Antragsgegnerin, welche die kubanische Staatsangehörigkeit besitzt, heirateten am 24. Oktober 1995 in Deutschland. Aus ihrer Ehe stammt das am 07. Dezember 1995 geborene Kind B . Im Oktober 1999 trennten sich die Parteien. B blieb bei der Mutter.

Der Vater hat nach Ablauf des Trennungsjahres vor dem Amtsgericht Neustadt/Aisch beantragt, die Ehe zu scheiden und die elterliche Sorge für B der Mutter zu übertragen. Die Mutter hat sich einer Scheidung widersetzt. Für den Fall der Scheidung hat auch sie die elterliche Sorge für sich beansprucht. Außerdem hat sie beantragt, den Vater zum persönlichen Umgang mit dem Kind zu verpflichten und zwar an jedem Wochenende, abwechselnd am Samstag oder Sonntag von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr, sowie am ersten Weihnachtsfeiertag und am Ostermontag jeweils von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr; ferner hat sie verlangt, dem Vater für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Umgangsregelung Zwangsgeld bis zu 50.000,00 DM und ersatzweise Zwangshaft anzudrohen. Der Vater hat sich gegen eine Umgangsregelung gewendet.

Durch Urteil vom 28. November 2000 hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden, die elterliche Sorge für das Kind B der Mutter übertragen und den Antrag der Mutter auf Regelung eines Umgangs zurückgewiesen.

Die Mutter hat Berufung eingelegt. Ihr gegen den Scheidungsausspruch gerichtetes Rechtsmittel hat sie zurückgenommen, nachdem ihr der Senat hierfür keine Prozeßkostenhilfe bewilligt hat. Ihren Antrag auf Umgangsregelung verfolgt sie weiter. Der Vater beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg,

1. Der Umgang eines minderjährigen Kindes mit dem nicht zur Personensorge berechtigten Elternteil hat in erster Linie den Zweck, die elterlichen Beziehungen zwischen beiden aufrechtzuerhalten oder sie wieder aufzubauen und erneut zu verfestigen, falls durch unerwünschte Beeinträchtigungen des Eltern-Kind-Verhältnisses eine gegenseitige Entfremdung zu befürchten oder gar schon eingetreten ist. Ein Umgang dient deshalb grundsätzlich dem Wohl des Kindes und den anerkennenswerten Interessen des nicht sorgeberechtigten Elternteils. Beide haben daher ein Recht zum persönlichen Umgang. Gegenstand aller gerichtlichen Umgangsstreitigkeiten war deshalb bisher typischerweise ausschließlich, daß der Sorgeberechtigte - manchmal aus verständlichen, überwiegend aber aus sachfremden Erwägungen - versuchte, den Umgang des anderen Elternteils mit dem Kind zu unterbinden oder wenigstens zu erschweren. Dagegen konnte es streitige Verfahren über den Umgang eines Elternteils, zu dem dieser zwar berechtigt war, den er aber überhaupt nicht ausüben wollte, nicht geben; es gab sie auch nicht.

2. Nach der Neufassung von § 1684 BGB ist der Umgangsberechtigte zum Umgang jetzt aber auch verpflichtet. Diese Vorschrift erlaubt nach ihrem Wortlaut an sich, einen Umgang auch gegen den Willen des nunmehr nicht nur berechtigten, sondern zusätzlich verpflichteten Elternteils anzuordnen und den Umgang notfalls mit Zwangsmitteln durchzusetzen. Derartiges ist gesetzlich und nach allgemeiner Rechtsprechung aber nicht einmal dann möglich, wenn es nicht nur um das Umgangsrecht geht, also um eine Art von Restbefugnis, die dem nicht Sorgeberechtigten wegen seiner Elternstellung verbleiben soll, sondern wenn über die elterliche Sorge selbst zu entscheiden ist; denn obwohl jeder Elternteil gesetzlich ebenfalls das Recht und die Pflicht hat, für minderjährige Kinder zu sorgen (§ 1626 BGB), war jedenfalls bisher durchweg anerkannt, daß einem Elternteil, der nicht bereit ist, die elterliche Sorge zu übernehmen oder sie auszuüben, das Sorgerecht im Interesse des Kindes entweder nicht zu übertragen oder zu entziehen ist, weil er zur Wahrnehmung der elterlichen Sorge nicht geeignet ist (§ 1671 und § 1666 BGB). Die Zulässigkeit einer Regelung, ihm die elterliche Sorge dennoch zuzusprechen oder zu belassen und ihn dann bei Zuwiderhandlungen gegen seine elterlichen Sorgeverpflichtungen mit Zwangsmitteln zu ihrer Befolgung anzuhalten, ist wegen Abwegigkeit niemals vertreten worden.

3. Der Vater ist zu einem Umgang mit seinem Kind nicht bereit.

Er begründet dies damit, daß er schon während intakter Ehe niemals ein engeres Verhältnis zu seinem Kind gehabt habe und daß er nach der Trennung deshalb den Entschluß gefaßt habe, nähere oder gar regelmäßige Verbindungen zum Kind nicht mehr aufnehmen zu wollen, weil er hieran kein Interesse habe. Seit der Trennung sei er noch einige Male mit dem Kind zusammengetroffen, wenn sich dies zufällig ergeben habe. Er habe dem Kind auch ab und zu noch etwas gekauft oder geschenkt, ihm aus dem Urlaub geschrieben oder mit ihm telefoniert. Dies sei aber über Kontakte, die er anstandshalber und üblicherweise auch zu anderen Personen unterhalte, nicht hinausgegangen. Seit Januar 2001 seien alle Beziehungen abgebrochen. Hinzu komme, daß er beruflich schon immer über Gebühr belastet gewesen sei. Er sei alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die sich mit der Vermittlung von Arbeitskräften in den alten und neuen Bundesländern befasse und insgesamt neun Niederlassungen habe. Er müsse seinem Unternehmen, insbesondere in inzwischen wirtschaftlich schlechteren Zeiten, deshalb rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Feste Termine für einen Umgang könne er daher nicht planen und auch nicht einhalten. Im übrigen hätten weder Mutter noch Kind ein echtes Interesse an einem Umgang. Der Mutter drohe nach einer Scheidung und nach einem Ausschluß des Umgangsrechts unweigerlich die Abschiebung nach Kuba. Nur um dies zu verhindern, leite sie das Kind, das zu ihm ebenfalls keine besonderen Bindungen mehr habe, dazu an, auf ihn zuzugehen, ihn zu umarmen und freudige Gefühle über ein Wiedersehen zu bekunden.

4. Selbst wenn es zuträfe, daß die Mutter einen Umgang nur aus eigensüchtigen Motiven anstrebe und daß B den Vater mittlerweile als fremd empfinde - was nach seinem Verhalten zwar nicht verwunderlich wäre, aber den durchaus überzeugenden Angaben des Kindes vor dem Senat widerspricht, wonach es den Vater noch kennt und ihn wiedersehen möchte - muß nicht weiter erörtert werden, daß dies im Interesse des Kindes und des Vaters einem Umgang, welcher der Wiederherstellung verloren gegangener gegenseitiger Beziehungen dient, nicht entgegenstünde. Ebenso könnte ein Umgang nicht an nachrangigen wirtschaftlichen Erwägungen des Vaters scheitern.

Der Vater lehnt einen Umgang aber unverbrüchlich ab. Dies geschieht, obwohl er offen zugibt und einsieht, daß dies mit seinen elterlichen Pflichten unvereinbar ist. Gegen einen solchen unbeirrten Willen kann ein Umgang aber nicht angeordnet werden; denn eine fehlende elterliche Fürsorge und Gesinnung kann nicht per Dekret ersetzt und erzwungen werden. Wegen der starren Verweigerungshaltung des Vaters besteht auch nach Einschätzung des Jugendamts ferner die Gefahr, daß durch die Anordnung eines Umgangs beim Kind Erwartungen auf Kontakte gehegt werden, die der Vater dann enttäuscht, indem er den Umgang nicht wahrnimmt. Als Beispiel hierfür kann etwa gelten, daß der Vater noch in letzter Zeit versprach, das Kind im März 2001 zu einem Urlaub mitzunehmen, daß er diese Zusage dann aber nicht einhielt und daß das Kind deshalb vor dem Senat erklärt hat, daß es hierüber traurig gewesen sei. Ein Umgang entspricht somit nicht dem Wohl des Kindes.

5. Weil ein Antrag auf Regelung des Umgangsrechts an sich nicht einfach zurückgewiesen werden kann, sondern konkret verbeschieden werden muß, hat der Senat erwogen, ob ein Umgang, der nicht zu befürworten ist, nicht ausgeschlossen werden müßte. Ein Ausschluß eines Umgangs auf ein Rechtsmittel, mit dem allein ein Umgang des Kindes erreicht werden soll, kommt hier jedoch schon deshalb nicht in Betracht, weil es Vater und Kind dann verwehrt wäre, trotz an sich nicht zu erwartender, aber immerhin nicht völlig undenkbarer besserer Einsicht des Vaters doch wieder gegenseitige Kontakte aufzunehmen. Diese Möglichkeit kann dem Vater und dem Kind aber in ihrem beiderseitigen Interesse nicht von vorneherein abgeschnitten werden.

III.

Die Entscheidung über die Kosten und den Streitwert beruht auf § 97 Abs. 1 und 3 ZPO, § 12 Abs. 2 GKG.

Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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