Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 24.06.2004
Aktenzeichen: 7 UF 441/04
Rechtsgebiete: BGB, InsO, SüdL
Vorschriften:
BGB § 1603 II S. 1 | |
InsO §§ 304 f. | |
SüdL Nr. 10.2.1 |
2. Ein Schuldner, der minderjährigen Kindern Barunterhalt leisten muss, ist auch im Mangelfall nicht verpflichtet, ein Verbraucherinsolvenzverfahren einzuleiten, wenn der Betrag der Drittschulden relativ niedrig ist, und der betreuende Elternteil als Gesamtschuldner mithaftet.
3. Auch im Mangelfall kann nach Nr. 10.2.1 SüdL bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens für berufsbedingte Aufwendungen angesetzt werden.
4. Eine Ermäßigung des notwendigen Selbstbehalts um ca. 25 % kommt im Mangelfall auch beim Zusammenleben des Unterhaltsschuldners in einer nichtehelichen Partnerschaft in Betracht. Dabei kann es erforderlich sein, zwischen den Wohnkosten und den sonstigen allgemeinen Lebenshaltungskosten zu differenzieren.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL
Verkündet am 24.06.2004
In der Familiensache
hat der 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bischoff und die Richter am Oberlandesgericht Riegner und Kohlmann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2004
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 18.12.2003 (Az.: 111 F 878/03) wie folgt abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für das Kind P D geboren am 1989, vom 01.07.2004 bis 01.02.2007 über den durch Urkunde des Jugendamtes der Stadt N/ vom 05.03.2003 - UR-Nr. .../2003 - titulierten Unterhalt hinaus weiteren Kindesunterhalt bis 30.09.2004 bis zur Höhe von 70,4 % und ab 01.10.2004 bis zur Höhe von 88,5 % des Regelbetrages nach § 1 der Regelbetrag-Verordnung für ein Kind der Altersstufe III monatlich, monatlich im voraus zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für das Kind T D geboren am ...1997, über den durch Urkunde des Jugendamtes der Stadt N vom 05.03.2003 - Ur-Nr. .../2003 - titulierten Unterhalt hinaus ab 01.07.2004 bis 03.07.2009 einen weiteren monatlichen, monatlich vorauszahlbaren Kindesunterhalt bis 30.09.2004 bis zu 70,4 % und ab 01.10.2004 bis zu 88,5 % des Regelbetrages gemäß § 1 der Regelbetrag-Verordnung für ein Kind der Altersstufe II und ab 04.07.2009 bis 03.07.2015 für ein Kind der Altersstufe III zu bezahlen.
3. Nicht anrechenbar nach § 1612 b Abs. 5 BGB ist jeweils (Ziffer 1. und 2.) der Kindergeldanteil in der Höhe, in der der geschuldete Unterhalt 135 % des Regelbetrages unterschreitet.
4. Der Beklagte hat an die Klägerin einen Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 01.02.2003 bis 30.06.2004 für das Kind P D in Höhe von 1.403 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.09.2003 aus 903 Euro zu bezahlen.
5. Der Beklagte hat an die Klägerin einen Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 01.02.2003 bis 30.06.2004 für das Kind T D in Höhe von 727 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.09.2003 aus 494 Euro zu bezahlen.
II. Im übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben, mit Ausnahme derjenigen, die durch die Wiedereinsetzung entstanden sind; diese hat der Beklagte zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluß:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 3.182,04 Euro.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten über Kindesunterhalt.
Die Parteien haben am 05.08.1988 die Ehe geschlossen, aus der die Kinder P D, geboren am ...1989, und T D geboren am ...1997, hervorgegangen sind.
Die Parteien leben seit 12.02.2003 getrennt. Zu diesem Zeitpunkt ist der Beklagte aus der Ehewohnung ausgezogen. Die Kinder leben seitdem bei der Mutter, die wegen der Betreuung und Versorgung der Kinder derzeit nur in Teilzeit erwerbstätig ist.
Der Beklagte ist gelernter Schreiner. Er war vom 16.11.2002 bis 12.10.2003 arbeitslos. In dieser Zeit bezog er Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich 268,94 Euro (bis 28.02.2003) bzw. 221,76 Euro (seit 01.03.2003). Seit 13.10.2003 ist der Beklagte als "Schreiner/Mechaniker" bei einer Firma für Alarm- und Schließsysteme beschäftigt. Der Beklagte verdient bei einem Stundenlohn von 12 Euro brutto und einer Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche im Monat durchschnittlich 1.300,48 Euro netto.
Einen während des Zusammenlebens aufgenommenen Kredit tilgen beide Parteien derzeit mit einer monatlichen Rate von 65,30 Euro bzw. 65,31 Euro.
Der Beklagte hat sich durch Jugendamtsurkunden vom 05.03.2003 (UR-Nr. .../2003 und .../2003) verpflichtet, an die beiden Kinder zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters monatlichen Unterhalt in Höhe von jeweils 100 Euro ab 01.03.2003 zu zahlen.
Der Beklagte hat für die Zeit von April bis Juni 2003 monatlich 220 Euro, für die Zeit von Juli 2003 bis Januar 2004 jeweils 240 Euro und seit Februar 2004 monatlich jeweils 320 Euro an Kindesunterhalt bezahlt. Der Beklagte hat ferner am 03.03.2003 einen Betrag in Höhe von 300 Euro auf ein gemeinsames Girokonto der Parteien einbezahlt. Insoweit ist zwischen den Parteien streitig, ob in diesem Betrag Unterhaltszahlungen für die Kinder für den Monat März 2003 enthalten sind.
II.
Mit Schriftsatz vom 11.03.2003 hat die Klägerin Prozeßkostenhilfe für eine Klage auf Kindesunterhalt beantragt. Im Termin vom 04.12.2003 hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zur Zahlung von laufendem Kindesunterhalt über die in den Jugendamtsurkunden festgelegten Beträge hinaus bis zu 100 % des Regelbetrages ab 01.01.2004 sowie zur Zahlung eines Unterhaltsrückstandes in Höhe von 1.899 Euro für das Kind P D und in Höhe von 1.181 Euro für das Kind T D zu verurteilen.
Mit Endurteil vom 18.12.2003 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg den Beklagten verurteilt, für die beiden Kinder P und T D ab 01.01.2004 über die Jugendamtsurkunden vom 05.03.2003 hinaus einen weiteren monatlichen, monatlich vorauszahlbaren Kindesunterhalt bis zu 100 % des Regelbetrages gemäß § 1 der Regelbetrag-Verordnung für ein Kind der Altersstufe 3 (P D) bis 01.02.2007 bzw. für ein Kind der Altersstufe 2 und ab 04.07.2009 bis 03.07.2015 für ein Kind der Altersstufe 3 (T D) sowie für den Zeitraum vom 01.02.2003 bis 31.12.2003 für das Kind P D - einen Rückstand in Höhe von 1.571,76 Euro und für T D in Höhe von 995,28 Euro jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 28.04.2003 zu zahlen und zugleich ausgesprochen, daß jeweils der Kindergeldanteil in der Höhe, in der der geschuldete Unterhalt 135 % des Regelbetrages unterschreitet, nicht anrechenbar ist.
Zur Begründung ist im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Für die Zeit bis einschließlich Oktober 2003 sei vom Arbeitslosengeld des Beklagten auszugehen, da ein Verstoß gegen seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit nicht gegeben sei. Der Beklagte sei jedoch verpflichtet gewesen, während der Zeit der Arbeitslosigkeit durch eine Nebentätigkeit monatlich 165 Euro hinzuzuverdienen, da ein Einkommen bis zu diesem Betrag anrechnungsfrei sei. Für die Zeit ab November 2003 sei der Beklagte verpflichtet, neben seiner Erwerbstätigkeit zumindest 100 Euro monatlich hinzuzuverdienen, so daß von einem Einkommen von 1.400 Euro auszugehen sei. Da das Existenzminimum der Kinder nicht gesichert sei, könnten auf Seiten des Beklagten weder die Schuldentilgung mit 65 Euro monatlich noch (ab November 2003) pauschale berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 5 % abgezogen werden.
Wegen der Einzelheiten der sich aus diesen Überlegungen ergebenden Unterhaltsberechnung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
III.
Gegen dieses am 09.01.2004 zugestellte Urteil hat der Beklagte (nach Bewilligung von Prozeßkostenhilfe) mit Schriftsatz vom 26.03.2004 Berufung eingelegt mit dem Antrag, die Klage
a) für die Zeit bis 31.12.2003 insgesamt abzuweisen,
b) die Klage für die Zeit ab 01.01.2004 insoweit abzuweisen, als er - über die Jugendamtsurkunden hinaus - zur Zahlung von zusätzlich mehr als 60 Euro monatlich pro Kind verurteilt worden ist.
Zur Begründung beruft er sich im wesentlichen darauf, daß er sich während seiner Arbeitslosigkeit in ausreichendem Maße (erfolglos) um eine Aushilfstätigkeit bemüht habe. Neben seiner Erwerbstätigkeit seit November 2003 sei ihm eine Nebentätigkeit nicht zumutbar. Darüberhinaus müßten sowohl die Tilgung des Darlehens als auch pauschale berufsbedingte Aufwendungen einkommensmindernd berücksichtigt werden. Des weiteren sei eine Unterhaltszahlung in Höhe von 235 Euro für den Monat März 2003 zu Unrecht nicht berücksichtigt worden und eine Verzinsung des gesamten (angeblichen) Unterhaltsrückstandes ab 28.04.2003 ausgesprochen worden, obwohl dies zum einen von der Klägerin so nicht beantragt worden sei und der titulierte Rückstand auch keineswegs in voller Höhe bereits am 28.04.2003 fällig gewesen wäre.
Die Klägerin ist der Berufung - mit Ausnahme der Einwendungen gegen die Zinsentscheidung - entgegengetreten. Sie beruft sich im wesentlichen darauf, daß die angefochtene Entscheidung richtig sei, da der Beklagte nicht ausreichend dargelegt und unter Beweis gestellt habe, daß ihm eine Zahlung von zumindest 100 % des Regelbetrages nicht möglich sei. Der Beklagte habe auch im Monat März 2003 keinen Unterhalt gezahlt. Des weiteren habe das Amtsgericht außer Betracht gelassen, daß dem Beklagten am 10.09.2003 aus der Auflösung eines Bausparvertrages ein Betrag in Höhe von 1.317,07 Euro zugeflossen sei, was ebenfalls in eine Billigkeitsabwägung miteinfließen müsse.
Der Senat hat dem Beklagten im Termin vom 27.05.2004 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist bewilligt.
IV.
Die Berufung des Beklagten ist - nach Bewilligung der Wiedereinsetzung - zulässig. Sie hat jedoch in der Sache selbst nur teilweise Erfolg. Hierzu ist im einzelnen folgendes auszuführen:
1. Nebentätigkeit während der Dauer der Arbeitslosigkeit:
Insoweit hat der Beklagte in erster Instanz lediglich im Schriftsatz vom 22.05.2003 vorgetragen, daß er "weiterhin ebenso stets bemüht sei, eine Nebentätigkeit zu finden, wobei allerdings auch hier sämtliche diesbezüglichen Bewerbungsversuche beispielsweise hinsichtlich einer Aushilfstätigkeit an Tankstellen, gescheitert seien." Die Schriftsätze vom 25.07. und 10.09.2003 enthalten zu den Bemühungen um eine Nebentätigkeit keinerlei Sachvortrag. Dem Vorbringen des Beklagten läßt sich daher auch nicht ansatzweise entnehmen, welche Bemühungen er im einzelnen unternommen hat, um während der Dauer der Arbeitslosigkeit eine Nebentätigkeit zu finden. Der Senat geht mit dem Amtsgericht davon aus, daß es dem Beklagten bei ausreichenden Bemühungen gelungen wäre, während der Dauer der Arbeitslosigkeit anrechnungsfrei 165 Euro hinzuzuverdienen.
2. Nebentätiqkeit ab November 2003:
Ob einem Unterhaltsschuldner neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann, durch eine Nebentätigkeit weitere Einkünfte zu erzielen, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Dose (Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 6. Auflage, § 1 Rdnr. 75) interpretiert die Rechtsprechung dahingehend, daß ein vollschichtig tätiger Arbeitnehmer mit tariflichem Einkommen regelmäßig auch bei gesteigerter Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern nicht verpflichtet sei, eine zusätzliche Nebentätigkeit aufzunehmen. Er räumt allerdings ein, daß dieses im einzelnen in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte umstritten sei. Scholz (Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 6. Auflage, § 2 Rdnr. 251) vertritt demgegenüber die Auffassung, daß Eltern im Rahmen ihrer gesteigerten Unterhaltsverpflichtung nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB notfalls Überstunden leisten oder Nebenbeschäftigungen aufnehmen müssen, wenn das Existenzminimum ihrer Kinder nicht gesichert sei. Allerdings werde den Eltern nicht jeder zeitlich mögliche, sondern nur ein Einsatz abverlangt, der ihnen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zugemutet werden könne. Zu berücksichtigen seien der Gesundheitszustand des Pflichtigen sowie die körperliche und zeitliche Belastung durch den Hauptberuf. Daneben seien auch die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes zu beachten. Die Anforderungen, die die Gerichte in diesem Zusammenhang an die Erwerbsobliegenheit des barunterhaltspflichtigen Elternteils in der Vergangenheit gestellt hätten, müßten nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2003 überprüft werden. Heinle (Nebentätigkeitsverpflichtungen im Unterhaltsrecht, FamRB 2003, 260 ff.) interpretiert die gerichtliche Praxis dahingehend, daß sowohl die Rechtsprechung des BGH als auch die der meisten Oberlandesgerichte die Aufnahme einer Nebentätigkeit verlangen würden, damit der Unterhaltsschuldner seiner gesteigerten Unterhaltspflicht nachkommen könne. Bei Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 06.02.2002 (FamRZ 2002, 536 (539)) könne man allerdings im Einzelfall gleichwohl zu dem Ergebnis gelangen, daß bei nicht ausreichenden Mitteln aufgrund einer zumutbaren vollschichtigen Erwerbstätigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils gleichwohl eine Nebentätigkeit nicht verlangt werden könne. Auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2003 sei es erforderlich, im Einzelfall zu prüfen, ob und in welchem Umfang es dem betreffenden Unterhaltsverpflichteten unter Abwägung seiner von ihm darzulegenden besonderen Lebens- und Arbeitssituation sowie gesundheitlichen Belastung einerseits mit der Bedarfslage des Unterhaltsberechtigten andererseits zugemutet werden könne, eine Nebentätigkeit auszuüben. Aus der erhöhten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB könne nicht ohne weiteres auf die Zumutbarkeit einer Nebenbeschäftigung geschlossen werden. Kalthoener/Büttner/Niepmann (Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Auflage, Rdnr. 628) gehen davon aus, daß bei unzureichendem Einkommen zur Sicherung des Mindestunterhalts zudem die Verpflichtung bestehen kann, neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit einer Nebenbeschäftigung nachzugehen. Diederichsen (Palandt-Diederichsen, BGB, 63. Auflage, § 1603 Rdnr. 58) ist der Auffassung, daß die gesteigerte Erwerbsobliegenheit auch Überstunden und Nebentätigkeiten verlange.
Unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur gilt im vorliegenden Fall folgendes:
Die vom Beklagten herangezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2003 (FamRZ 2003, 661) steht einer Obliegenheit zu einer Nebentätigkeit nicht entgegen. Denn der vorliegende Fall ist mit dem Sachverhalt dieser Entscheidung nicht vergleichbar. Im Fall des Bundesverfassungsgerichts war der Unterhaltsschuldner hauptberuflich als Elektriker im Schichtdienst im Untertagebergbau beschäftigt und dadurch einer besonderen Belastung ausgesetzt. Neben diesem Umstand hat das Bundesverfassungsgericht die Unzumutbarkeit im konkreten Fall auch damit begründet, daß der Unterhaltsschuldner einen beträchtlichen Anfahrtsweg zu seinem Arbeitsplatz hat und konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen (Degeneration der Wirbelsäule sowie Arthropathien beider Kniee) vorgetragen waren. Demgegenüber liegen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beklagten oder für eine übermäßige Belastung durch seine berufliche Tätigkeit vor. Ebensowenig ist ersichtlich, daß der Beklagte überdurchschnittlich lange Anfahrtszeiten zu seinem Arbeitsplatz hätte. Aus der vom Beklagten selbst vorgelegten Bescheinigung seines Arbeitgebers ergibt sich auch klar und eindeutig, daß ihm eine Nebentätigkeit in angemessenem Umfang genehmigt würde. Angesichts einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden steht für eine Nebentätigkeit des Beklagten im Hinblick auf das Arbeitszeitgesetz allerdings nur das Wochenende zur Verfügung. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß dem Beklagten Zeit verbleiben muß, um mit seinem Sohn T Umgang zu pflegen. Nach den übereinstimmenden Erklärungen der Parteien im Termin vom 27.05.2004 hat der Beklagte jedenfalls derzeit regelmäßig einmal wöchentlich Umgang und zwar abwechselnd am Samstag oder Sonntag. Unter Abwägung aller Umstände hält es der Senat für zumutbar, daß der Beklagte zumindest an zwei Samstagen oder Sonntagen im Monat eine Nebentätigkeit für 8 Stunden ausübt. Der Senat ist des weiteren der Auffassung, daß es dem Beklagten bei entsprechenden Bemühungen auch möglich ist, eine entsprechende Nebentätigkeit zu finden und dabei mindestens 6,25 Euro netto verdienen kann. Dies ergibt für 16 Stunden einen Betrag in Höhe von 100 Euro. Auch die veröffentlichten Gerichtsentscheidungen, die eine Zumutbarkeit im Einzelfall verneint haben, stehen dieser Auffassung nicht entgegen. Das OLG Nürnberg (OLG-Report 2002, 215) hat eine Zumutbarkeit verneint, wenn bereits ohne Nebentätigkeit über die allgemeine Arbeitszeit hinaus an Sonn- und Feiertagen gearbeitet wird und hat aus den vorgelegten Gehaltsbescheinigungen, die Sonntagszuschläge, Feiertagslohn und Urlaubsentgelt auswiesen, geschlossen, daß dies der Fall war. In der Entscheidung des OLG Koblenz (FamRZ 2002, 965 ff.) wird eine Verpflichtung zur Ausübung einer Nebentätigkeit ausdrücklich nur für den Fall verneint, daß der Mindestunterhalt der Kinder gesichert ist, was im vorliegenden Fall nicht der Fall ist. Folgerichtig hat derselbe Senat des OLG Koblenz daher entschieden (FamRZ 2002, 481 f.), daß es bei einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit dem Unterhaltsschuldner trotz einer vollschichtigen Tätigkeit zumutbar sei, durch eine geringfügige (stundenweise) Nebentätigkeit ein zusätzliches Einkommen zu erzielen. Soweit das OLG Celle (FamRZ 2002, 694) eine Verpflichtung zur Nebentätigkeit neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit pauschal verneint, kann dem in dieser Allgemeinheit nicht zugestimmt werden. Es kann insbesondere auch keineswegs davon ausgegangen werden, daß eine dauerhafte Mehrarbeit in dem hier fraglichen geringen Umfang erhebliche gesundheitliche Risiken bergen würde.
Angesichts der uneinheitlichen Rechtsprechung und der Tatsache, daß der Beklagte erst im Oktober 2003 seine Stelle angetreten hat, hält es der Senat für gerechtfertigt, eine Zumutbarkeit für den Beklagten erst für die Zeit ab Oktober 2004 anzunehmen, um es ihm zu ermöglichen, sich auf die an ihn gerichteten Anforderungen einzustellen.
3. Berücksichtigung der Schuldentilgung in Höhe von monatlich 65 Euro:
Grundsätzlich sind auch beim Kindesunterhalt Verbindlichkeiten vom Einkommen abzuziehen, bevor der Unterhaltsbedarf eines Kindes aus dem bereinigten Nettoeinkommen bemessen wird. Minderjährige Kinder leiten ihre Lebensstellung von den unterhaltspflichtigen Eltern ab, nach Trennung der Eltern bezüglich der Geldrente vom barunterhaltspflichtigen Elternteil. Ist der Elternteil mit Schulden belastet, beeinträchtigt dies auch die Lebensstellung des Kindes (Wendl/Gerhardt, Unterhaltsrecht, 6. Auflage, § 1 Rdnr. 620). Dementsprechend erfolgt nach Nr. 10.4 Abs. 3 der Süddeutschen Leitlinien eine Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles, wobei bei der Zumutbarkeitsabwägung Interessen des Unterhaltsschuldners, des Drittgläubigers und des Unterhaltsgläubigers, vor allem minderjähriger Kinder, mitzuberücksichtigen sind. Zwar soll nach herrschender Meinung und Rechtsprechung (vgl. Wendl/Gerhardt, Unterhaltsrecht, 6. Auflage, § 1 Rdnr. 652 a) die nach Billigkeitsgrundsätzen vorzunehmende Abwägung bei minderjährigen Kindern regelmäßig dazu führen, daß Schulden des Unterhaltsverpflichteten nicht zu berücksichtigen sind, wenn andernfalls der Regelbetrag nicht mehr erreicht wird. Ausnahmen sind allerdings angebracht, wenn der Verpflichtete den Kindesunterhalt nur auf Kosten einer ständig weiter wachsenden Verschuldung leisten kann (vgl. Wendl/Gerhardt, a.a.O.; OLG Hamm, FamRZ 2003, 1214). Anders als im Falle der Entscheidung des OLG Nürnberg vom 30.05.2003 (OLG-Report 2003, 407) ist dem Beklagten im vorliegenden Fall auch die Einleitung eines Restschuldbefreiungsverfahrens nicht zuzumuten. Denn die Zumutbarkeit setzt insbesondere eine nachhaltige und dauerhafte Überschuldung voraus (vgl. Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 1 Rdnrn. 648 a und 648 b). Im vorliegenden Fall beträgt der Nettokreditbetrag 7.000 Euro. Das Darlehen wurde am 30.10.2002 aufgenommen und ist in 72 monatlichen Raten von 130,61 Euro zurückzuzahlen. Die letzte Rate ist am 30.11.2008 fällig. Unter diesen Umständen ist es bereits fraglich, ob hier von einer nachhaltigen und dauerhaften Überschuldung gesprochen werden kann. Entscheidend gegen eine Zumutbarkeit spricht, daß die Parteien den Kredit gemeinschaftlich aufgenommen haben und als Gesamtschuldner hieraus verpflichtet sind. Die wirtschaftliche Situation der Klägerin und der beiden Kinder würde sich daher durch einen Verbraucherinsolvenzantrag des Beklagten nicht verbessern, da die Verpflichtung der Klägerin dadurch nicht berührt würde.
4. Pauschale berufsbedingte Aufwendungen:
Nach Nr. 10.2.1 der Süddeutschen Leitlinien kann bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte eine Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens grundsätzlich auch im Mangelfall angesetzt werden. Gegenteiliges läßt sich auch der von der Klägerin herangezogenen Fundstelle (Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 6. Auflage, § 1 Rdnr. 89) nicht entnehmen. Dort wird lediglich auf die bestehenden Unterschiede zwischen den einzelnen Leitlinien hingewiesen. Aus diesen Ausführungen läßt sich nur entnehmen, daß die Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts im Mangelfall einen Einzelnachweis verlangen.
5. Auswirkungen des Zusammenlebens mit einer neuen Partnerin:
Der Beklagte lebt seit der Trennung mit seiner neuen Partnerin in der von dieser bereits früher angemieteten Wohnung zusammen und führt mit ihr einen gemeinsamen Haushalt. Er trägt insbesondere auch die Hälfte der Wohnkosten.
Eine Herabsetzung des notwendigen Selbstbehaltes ist möglich, wenn der Verpflichtete mit einem leistungsfähigen neuen Partner in einer ehelichen oder nichtehelichen Gemeinschaft lebt und es deshalb zu Ersparnissen durch eine gemeinsame Haushaltsführung kommt (vgl. Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 6. Auflage, § 2 Rdnr. 270). Die Rechtsprechung geht davon aus, daß diese Ersparnis etwa 25 % des notwendigen Selbstbehaltes beträgt (vgl. OLG Nürnberg, OLG-Report 2002, 407; OLG München, FamRZ 2004, 485).
Im vorliegenden Fall kann der notwendige Selbstbehalt von 730 Euro bzw. 840 Euro jedoch nicht ohne weiteres um 25 % gekürzt werden. Denn im notwendigen Selbstbehalt sind Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 360 Euro enthalten. Auf die sonstigen Lebenshaltungskosten entfallen somit 370 Euro bzw. 480 Euro. Im vorliegenden Fall betragen die vom Beklagten zu tragenden hälftigen Kosten für die Wohnung seiner Lebensgefährtin jedoch ca. 440 Euro. Die Ersparnis des Beklagten beträgt daher nur 25 % von 370 Euro bzw. 480 Euro, somit 92 Euro bzw. 120 Euro. Dieser Ersparnis stehen jedoch Mehrkosten für Wohnung und Heizung in Höhe von (440 Euro - 360 Euro =) 80 Euro gegenüber, ohne deren Aufwendung der Beklagte die Ersparnis nicht erzielen könnte. Für die Zeit der Arbeitslosigkeit verringert sich der notwendige Selbstbehalt daher (nur) von 730 Euro um (92 Euro - 80 Euro =) 12 Euro auf 718 Euro. Für die Zeit ab November 2003 ermäßigt sich der notwendige Selbstbehalt von 840 Euro um (120 Euro - 80 Euro =) 40 Euro auf 800 Euro.
6. Für Unterhaltszahlungen an die beiden Kinder stehen daher für die einzelnen Zeiträume folgende Beträge zur Verfügung:
a) 01.02.2003 bis 28.02.2003 (ein Monat):
1.165 Euro (Arbeitslosengeld) + 156 Euro (95 % aus 165 Euro) -65 Euro - 718 Euro = 538 Euro;
b) 01.03.2003 bis 31.10.2003 (zehn Monate):
960 Euro (Arbeitslosengeld) + 156 Euro (95 % aus 165 Euro) -65 Euro - 718 Euro = jeweils 333 Euro;
c) 01.11.2003 bis 30.09.2004 (elf Monate):
(95 % aus 1.300 Euro =) 1.235 Euro - 65 Euro - 800 Euro = jeweils 370 Euro;
d) ab 01.10.2004:
(95 % aus 1.300 Euro + 100 Euro =) 1.330 Euro - 65 Euro - 800 Euro = jeweils 465 Euro.
7. Unterhaltaberechnung:
100 % des Regelbetrages betragen derzeit in der Altersstufe 2 241 Euro und in der Altersstufe 3 284 Euro, somit zusammen 525 Euro.
Mit dem zur Verfügung stehenden Betrag können die Unterhaltsansprüche der Kinder daher derzeit in folgendem Umfang erfüllt werden:
a) ab 01.07. bis 30.09.2004:
370 : 525 X 100 = 70,4 %;
b) ab 01.10.2004:
465 : 525 X 100 = 88,5 %;
Für die Unterhaltsrückstände von Februar 2003 bis einschließlich Juni 2004 ergibt sich unter Berücksichtigung von jeweils 100 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe folgende Berechnung:
a) Februar 2003:
Die Summe des Bedarfs beträgt (269 Euro + 188 Euro =) 457 Euro. Da für den Februar 2003 538 Euro zur Verfügung stehen, können die Unterhaltsansprüche der Kinder zu 100 % erfüllt werden.
Anspruch P D:
(abzüglich 0 Euro anrechenbares Kindergeld) 269 Euro
Anspruch T D:
(abzüglich 11 Euro anrechenbares Kindergeld) 177 Euro.
b) März 2003 bis Juni 2003:
Die Summe des Bedarfs beträgt weiterhin 457 Euro. Zur Erfüllung der Ansprüche stehen 333 Euro zur Verfügung, woraus sich ein Deckungsgrad von 72,8 % ergibt.
Anspruch P D:
(72,8 % aus 269 Euro =) 196 Euro x 4 = 784 Euro
Anspruch T D:
(72,8 % aus 188 Euro =) 137 Euro x 4 = 548 Euro.
c) Juli 2003 bis Oktober 2003:
Die Summe des Bedarfs beträgt nunmehr (284 Euro + 241 Euro =) 525 Euro. Zur Erfüllung dieser Unterhaltansprüche stehen weiterhin 333 Euro zur Verfügung, woraus sich ein Deckungsgrad von 63,4 % ergibt.
Anspruch P D:
(63,4 % aus 284 Euro =) 180 Euro x 4 = 720 Euro
Anspruch T D:
(63,4 % aus 241 Euro =) 153 Euro x 4 = 612 Euro
d) November 2003 bis Juni 2004:
Die Summe des Bedarfs beträgt weiterhin 525 Euro.
Zur Erfüllung dieser Unterhaltsansprüche stehen nunmehr 370 Euro zur Verfügung, woraus sich ein Deckungsgrad von 70,4 % ergibt.
Anspruch P D:
(70,4 % aus 284 Euro =) 200 Euro x 8 = 1.600 Euro
Anspruch T D:
(70,4 % aus 241 Euro =) 170 Euro x 8 = 1.360 Euro
Der in diesem Zeitraum insgesamt geschuldete Unterhalt beträgt daher für F D 3.373 Euro und für T D -2.697 Euro.
Auf diese Ansprüche hat der Beklagte von April 2003 bis Juni 2003 monatlich 220 Euro, von Juli 2003 bis Januar 2004 240 Euro und von Februar 2004 bis einschließlich Juni 2004 320 Euro, somit insgesamt 3.940 Euro, d.h. 1.970 Euro für jedes Kind bezahlt.
Soweit der Beklagte am 03.03.2003 einen Betrag von 300 Euro in bar auf ein gemeinsames Konto der Parteien eingezahlt hat, ist nicht nachgewiesen, daß es sich hierbei um eine Unterhaltszahlung handelt. Die Klägerin behauptet, daß es sich hierbei um die Rückführung eines Betrages handele, den der Beklagte am 12.02.2003 zu Unrecht vom gemeinsamen Konto abgehoben habe. Gegen die Behauptung des Beklagten spricht insbesondere, daß von der eingezahlten Summe ein Betrag von 235 Euro auf Unterhaltsansprüche geleistet sein soll, obwohl er nur wenige Tage später Unterhaltsansprüche der Kinder in Höhe von jeweils 100 Euro anerkannt hat, und auch ansonsten nicht ersichtlich ist, wie sich ein Unterhaltsanspruch der beiden Kinder in Höhe von 235 Euro errechnen soll.
Der Rückstand für P D beträgt somit (3.373 Euro - 1.970 Euro =) 1.403 Euro und für T D (2.697 Euro - 1.970 Euro =) 727 Euro.
V.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Zinsen waren in erster Instanz zuletzt ab 01.09.2003 für die bis dahin aufgelaufenen Rückstände beantragt worden.
Geschuldet waren bis zu diesem Zeitpunkt folgende Beträge:
a) für P D:
269 Euro + 4 x 196 Euro + 3 x 180 Euro = 1.593 Euro
b) für T D:
177 Euro + 4 x 137 Euro + 3 x 153 Euro = 1.184 Euro.
Gezahlt hat der Beklagte für jedes der beiden Kinder in diesem Zeitraum (3 x 110 Euro + 3 x 120 Euro =) 690 Euro.
Zu verzinsen ist somit für P D ein Rückstand in Höhe von (1.593 Euro - 690 Euro =) 903 Euro und für T D in Höhe von (1.184 Euro - 690 Euro =) 494 Euro.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 238 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Schuldnerschutzanordnungen nach § 711 ZPO sind nicht veranlaßt, da die Voraussetzungen des § 713 ZPO vorliegen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 ZPO).
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.