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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 18.11.2003
Aktenzeichen: 7 WF 3303/03
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 4
ZPO § 278 Abs. 2
1. Die Durchführung einer Güteverhandlung nach § 278 Abs. 2 ZPO n.F. löst in der Regel eine 10/10 Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO aus.

2. Eine auf Grund einer Güteverhandlung nach § 278 Abs. 2 ZPO n.F. angefallene Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO ermässigt sich nicht nachträglich dadurch, dass der Güteverhandlung keine streitige Verhandlung folgt.


7 WF 3303/03

Nürnberg, den 18.11.2003

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluß der Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht Neustadt/Aisch vom 10.09.2003 (Az.: 1 F 112/03) dahingehend abgeändert, daß die zu erstattenden Kosten auf 1.378,78 Euro festgesetzt werden.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 328,28 Euro.

Gründe:

I.

Mit seiner Klage vom 20.02.2003 hat der Kläger gegen die Beklagte Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht in Höhe von 15.147,51 Euro nebst Zinsen geltend gemacht. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 07.04.2003 Klageabweisung beantragt.

Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 04.06.2003 wurde in diesem Termin zunächst eine Güteverhandlung durchgeführt. Die Sitzung wurde sodann unterbrochen und anschließend fortgeführt. Im weiteren Verlauf der Sitzung hat die Beklagte den Klageanspruch anerkannt, woraufhin auf entsprechenden Antrag des Klägers ein Anerkenntnisurteil erging.

Mit Schriftsatz vom 05.06.2003 hat der Kläger Kostenfestsetzung in Höhe von 1.415,26 Euro beantragt und dieser Berechnung u.a. eine 10/10-Erörterungsgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO in Höhe von 566 Euro sowie Kosten für Fotokopien bzw. Schreibauslagen in Höhe von 31,45 Euro zugrundegelegt. Mit Beschluß vom 10.09.2003 hat die Rechtspflegerin auf entsprechende Einwendungen der Beklagten die zu erstattenden Kosten auf insgesamt 1.050,50 Euro festgesetzt. Zur Begründung ist ausgeführt, daß eine 10/10-Verhandlungsgebühr nicht entstanden, sondern lediglich eine 5/10-Verhandlungsgebühr für die nicht streitigen Anträge gemäß § 33 Abs. 2 BRAGO angefallen sei und die Kosten für Kopien nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht erstattungsfähig seien.

Gegen diesen am 17.09.2003 zugestellten Beschluß hat der Kläger am 23.09.2003 Beschwerde eingelegt, soweit ihm lediglich eine 5/10-Verhandlungsgebühr für nicht streitige Anträge gemäß § 33 Abs. 2 BRAGO zuerkannt worden ist. Zur Begründung beruft er sich darauf, daß er eine 10/10-Erörterungsgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO geltend gemacht habe, die auch angefallen sei. Die nachfolgend entstandene reduzierte Verhandlungsgebühr in Höhe von 5/10 sei auf die Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 2 BRAGO anzurechnen, so daß ihm insoweit insgesamt eine 10/10-Gebühr zustehe.

Mit Beschluß vom 14.10.2003 hat die Rechtspflegerin bei dem Amtgsgericht Neustadt/Aisch der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde statthaft (§ 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO), da der Beschwerdegegenstand 50 Euro übersteigt. Die sofortige Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 ZPO) und damit zulässig.

Das Rechtsmittel hat auch in dem eingelegten Umfang in der Sache Erfolg.

Dem Kläger stehen insgesamt eine 10/10-Prozeßgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO), eine 10/10-Erörterungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO) sowie eine 5/10-Verhandlungsgebühr (§ 33 BRAGO) zu. Da die Erörterungsgebühr und die Verhandlungsgebühr denselben Gegenstand betreffen und in demselben Rechtszug entstanden sind, werden sie aufeinander angerechnet, so daß dem Kläger insgesamt 2 volle Gebühren zustehen (§ 31 Abs. 2 BRAGO). Im einzelnen ist hierzu folgendes auszuführen:

1. Der Begriff "Erörterung" findet in der BRAGO keine Legaldefinition. Die Auslegung dieses Begriffes hat sich in erster Linie am Gesetzeszweck zu orientieren. Die Erörterungsgebühr wurde durch das Kostenänderungsgesetz 1975 in die BRAGO eingefügt, um Gebührennachteile des Anwalts auszugleichen, wenn die mündliche Verhandlung nicht mit der Stellung der Anträge begonnen wird und es nach einer Erörterung z.B. wegen des nachfolgenden Abschlusses eines Vergleichs nicht mehr zu einem förmlichen Verhandeln im Sinne der ZPO kommt. Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung ist unter "Erörterung" ein Gespräch zwischen dem Gericht und den Parteien bzw. den Prozeßbevollmächtigten zu verstehen, das sich über gegensätzliche Standpunkte verhält. Die Erörterung muß in einem Termin stattfinden, wobei dies jedoch nicht zwingend der zur mündlichen Verhandlung bestimmte Termin sein muß, sondern auch eine Güteverhandlung ausreichen kann (vgl. Mümmler, Die Erörterungsgebühr, JurBüro 77, 1031; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Auflage, § 31 Rdnrn. 147 ff.; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Auflage, Stichwort "Erörterungsgebühr" 3.1 Seite 528; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Auflage, § 31 Rdnrn. 79 ff.).

Nach der Neufassung der ZPO hat der mündlichen Verhandlung grundsätzlich zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung vorauszugehen (§ 278 Abs. 2 Satz 1 ZPO). In der Güteverhandlung hat das Gericht den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden (§ 278 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ZPO).

Angesichts dieser gesetzlichen Regelung der Güteverhandlung im Zivilprozeß ist davon auszugehen, daß die Durchführung einer Güteverhandlung grundsätzlich eine Erörterung der Sache im Sinnn des § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO darstellt. Im Regelfall ist daher vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung und nach abgeschlossener Güteverhandlung ein Anspruch des Anwalts nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO in Höhe von einer 10/10-Erörterungsgebühr entstanden - unabhängig von dem Ausgang der nachfolgenden mündlichen Verhandlung.

2. Soweit in der sich anschließenden mündlichen Verhandlung eine 5/10- oder 10/10-Verhandlungsgebühr entsteht, ist diese nach § 31 Abs. 2 BRAGO auf die Erörterungsgebühr anzurechnen, d.h. wenn nachfolgend nach der Erörterung eine 5/10-Verhandlungsgebühr entsteht, ist die Verhandlungsgebühr in dieser Höhe auf die Erörterungsgebühr anzurechnen, so daß dem Anwalt insgesamt eine 10/10-Gebühr zusteht (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, a.a.O., § 31 Rdnr. 160 m.w.N.).

Die gegenteilige Auffassung von Keller (Keller in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Auflage, § 31 Rdnr. 83) überzeugt nicht, und wird auch nicht durch die von ihm für seine Auffassung zitierte Rechtsprechung gestützt. Für die Entscheidung des 14. Zivilsenats - Kostensenat - des OLG Koblenz (JurBüro 1977, 1391) ergibt sich aus der von Keller zutreffend für die gegenteilige Auffassung zitierten Entscheidung des 15. Familiensenats des OLG Koblenz (JurBüro 1987, 1187), daß der Kostensenat des OLG Koblenz jedenfalls seit 1987 an der Entscheidung aus dem Jahre 1977 nicht mehr festhalten will. Die Entscheidung des OLG Saarbrücken (JurBüro 1989, 1113) betrifft als Sonderfall die Frage, ob für einen Streithelfer im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine Erörterungsgebühr entstehen kann, wenn für ihn - weil er keinen Sachantrag stellt - keine Verhandlungsgebühr anfällt. Die Entscheidung des OLG Bamberg (JurBüro 1980, 223) betrifft als Sonderfall die Frage, ob bei einem Scheckprozeß eine 10/10-Erörterungsgebühr anfallen kann, wenn von vorneherein davon auszugehen ist, daß eine streitige Verhandlung nicht stattfinden wird, weil sich der Beklagte (nur) die Ausführung seiner Rechte für das Nachverfahren vorbehalten lassen will.

Es ist daher mit der herrschenden Meinung und Rechtsprechung daran festzuhalten, daß im Regelfall durch die Erörterung im Rahmen der Güteverhandlung eine 10/10-Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO anfällt - unabhängig davon, ob in der nachfolgenden Verhandlung (nur) eine 5/10- oder eine (volle) 10/10-Verhandlungsgebühr anfällt.

3. Auf die Beschwerde des Klägers waren die von der Beklagten zu erstattenden Kosten somit wie folgt festzusetzen:

Gegenstandswert: 15.148,00 Euro 10/10-Prozeßgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) 566,00 Euro 10/10-Erörterungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO) 566,00 Euro Auslagenpauschale (§ 26 BRAGO) 20,00 Euro Fahrtkosten/Abwesenheitsgeld (Termin vom 04.06.2003) 36,60 Euro Summe 1.188,60 Euro zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer (§ 25 Abs. 2 BRAGO) 19 0,13 Euro Gesamtbetrag 1.373,73 Euro.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren war in Höhe einer 5/10-Gebühr aus 15.147,61 Euro zuzüglich der anteilig hierauf entfallenden Mehrwertsteuer festzusetzen.

Die Voraussetzungen für eine Übertragung auf den Senat (§ 568 Nr. 2 ZPO) oder eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Aus einer einzelnen abweichenden Literaturmeinung, die - für den Regelfall - durch keine Rechtsprechung gestützt ist, ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Bestimmungen.



Ende der Entscheidung

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