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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 19.11.2002
Aktenzeichen: 7 WF 3360/02
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 121
BRAGO § 122
BRAGO § 23
Der im Rahmen der Prozeßkostenhilfe tätige Rechtsanwalt hat einen Anspruch auf eine Vergleichsgebühr, wenn er der Partei "zur Wahrung der Rechte" für den ersten Rechtszug beigeordnet ist und der Rechtsstreit durch einen unter seiner Mitwirkung zustande gekommenen außergerichtlichen Vergleich und eine sich daran anschließende Klagerücknahme erledigt wird.
7 WF 3360/02

Nürnberg, den 19.11.2002

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde des Rechtsanwaltes wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt/Aisch vom 21.10.2002 in Verbindung mit dem Beschluß des Rechtspflegers am Amtsgericht Neustadt/Aisch vom 19.08.2002 abgeändert.

II. Die dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung wird auf 806,20 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit einem am 25.05.2001 beim Amtsgericht Ansbach eingegangenen Schriftsatz vom 17.05.2001 haben die Kläger gegen den Beklagten eine letztlich auf Zahlung von Kindesunterhalt gerichtete Stufenklage eingereicht.

Auf ihren Antrag hin hat ihnen das Amtsgericht - Familiengericht - Ansbach mit Beschluß vom 31.08.2001 Prozeßkostenhilfe für den ersten "Rechtszug mit Wirkung ab Antragstellung bewilligt und ihnen "zur Wahrnehmung der Rechte" Rechtsanwalt aus beigeordnet.

Mit Beschluß vom 21.11.2001 hat sich das Amtsgericht Ansbach für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Amtsgericht Neustadt/Aisch verwiesen. Dort wurde am 02.05.2002 verhandelt.

Mit Schriftsatz vom 11.06.2002 legte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger eine außergerichtliche Vergleichsvereinbarung der Parteien vom 07. bzw. 11.06.2002 über den vom Beklagten an die Kläger zu zahlenden Kindesunterhalt vor und erklärte - in Übereinstimmung mit einer entsprechenden Klausel in dem Vergleich - die Rücknahme seiner Klage.

Mit Schriftsatz vom 22.07.2002 hat Rechtsanwalt beantragt, die ihm im Rahmen der Prozeßkostenhilfe zustehenden Gebühren auf insgesamt 806,20 Euro festzusetzen, und hat dabei u.a. eine 10/10-Vergleichsgebühr geltend gemacht.

Mit Beschluß vom 19.08.2002 hat die Rechtspflegerin am Amtsgericht Neustadt/Aisch die dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 551,58 Euro festgesetzt und dabei die Erstattung einer Vergleichsgebühr abgelehnt.

Mit am 30.08.2002 eingegangenen Schriftsatz vom 28.08.2002 hat Rechtsanwalt gegen diesen Festsetzungsbeschluß Erinnerung insoweit eingelegt, als die beantragte Vergleichsgebühr nicht mit festgesetzt wurde.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors beim Landgericht Nürnberg-Fürth hat das Amtsgericht - Familiengericht - Neustadt/Aisch mit Beschluß vom 21.10.2002 die Erinnerung des Klägervertreters gegen die Vergütungsfestsetzung im Beschluß vom 19.08.2002 als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen diesen ihm am 23.10.2002 zugestellten Beschluß hat Rechtsanwalt mit Schriftsatz vom 24.10.2002 Beschwerde eingelegt, mit der er seinen Antrag auf Erstattung der Vergleichsgebühr weiter verfolgt.

Das Amtsgericht hat dieser Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß § 128 Abs. 4 BRAGO zulässige Beschwerde des Rechtsanwaltes hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die allgemeine Frage, ob der im Prozeßkostenhilfeverfahren beigeordnete Rechtsanwalt auch dann einen Anspruch auf Zahlung einer Vergleichsgebühr gegen die Staatskasse erlangt, wenn er an einem außergerichtlichen Vergleich mitgewirkt hat, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (für eine Erstattungsfähigkeit etwa BGH, NJW 1988, 494, OLG Hamburg, FamRZ 1991, 469, OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 1096, OLG OLdenburg, JurBüro 1994, 545, Zöller/Philippi, ZPO, 23. Auflage, § 119 Rdnr. 25, Gerold/Schmidt/von Eicken, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 15. Auflage, § 122 Rdnr. 81; gegen eine Erstattungsfähigkeit etwa OLG Nürnberg vom 16.02.1990, JurBüro 1990, 1170, OLG Brandenburg, Rechtspfleger 2001, 139).

Der Senat ist der Auffassung, daß jedenfalls in dem hier zu entscheidenden Fall eine Vergleichsgebühr zu erstatten ist.

Gemäß § 121 BRAGO erhält der beigeordnete Rechtsanwalt die "gesetzliche Vergütung im Verfahren vor... den Gerichten eines Landes", soweit im 13. Abschnitt der BRAGO nichts anderes bestimmt ist. Zu den gesetzlichen Gebühren gehört grundsätzlich auch die Vergleichsgebühr "für die Mitwirkung beim Abschluß eines Vergleiches (§ 779 BGB)", § 23 BRAGO. Diese Vorschrift erfaßt, wie sich bereits aus der Verweisung auf § 779 BGB ergibt, auch den außergerichtlichen Vergleich. Aus § 121 in Verbindung mit § 23 BRAGO läßt sich daher kein Zweifel daran entnehmen, daß auch der beigeordnete Rechtsanwalt grundsätzlich einen Anspruch auf die Erstattung einer Vergleichsgebühr für seine Mitwirkung beim Abschluß eines außergerichtlichen Vergleiches hat (so insbesondere auch BGH, NJW, 1988, 494, der grundsätzlich die Erstattungsfähigkeit einer Vergleichsgebühr ausdrücklich auch für den hier vorliegenden Fall der Erledigung des Rechtsstreits durch einen außergerichtlichen Vergleich und anschließende Klagerücknahme bejaht). Eine ausdrückliche Anordnung, daß für den im Wege der Prozeßkostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt etwas anderes gelten soll, ist im 13. Abschnitt der BRAGO (§§ 121 ff) nicht zu finden.

Allerdings bestimmt sich der Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gemäß § 122 BRAGO nach dem Beschluß, durch den die Prozeßkostenhilfe bewilligt und die Beiordnung erfolgt ist. Im vorliegenden Fall ist dem Kläger Prozeßkostenhilfe "für den ersten Rechtszug" bewilligt und Rechtsanwalt "zur Wahrung der Rechte" beigeordnet. Zum Rechtszug gehören nach § 37 Nr. 2 BRAGO auch außergerichtliche Vergleichsverhandlungen. Auch aus dem im konkreten Fall ergangenen Prozeßkostenhilfebeschluß kann daher nach Auffassung des Senates keine Beschränkung der Beiordnung auf Tätigkeiten vor oder gegenüber dem Gericht entnommen werden, von denen die Mitwirkung an der Beendigung des Verfahrens durch einen außergerichtlichen Vergleich nicht erfaßt wäre.

Eine derartige Einschränkung kann nach Auffassung des Senates auch nicht aus sonstigen Gesichtspunkten hergeleitet werden.

Das Amtsgericht hat - im Anschluß an die Stellungnahme des Bezirksrevisors - die Ablehnung der Erstattung der Vergleichsgebühr damit begründet, daß ein außergerichtlicher Vergleich keinen vollstreckbaren Titel schaffe und somit die Gefahr bestehe, daß bei Nichterfüllung des Vergleiches ein erneuter Rechtsstreit geführt werden müsse, für den wieder Prozeßkostenhilfe in Anspruch genommen werde. Insoweit handelt es sich um eine fiskalische Überlegung, die in den §§ 121 ff ZPO keinen Niederschlag gefunden hat.

Dasselbe gilt für die weitere Argumentation des Bezirksrevisors in seiner Stellungnahme vom 14.10.2002, daß die Staatskasse nur bei Abschluß eines gerichtlichen Vergleiches zuverlässig erfahre, ob sich im Rahmen der Vergleichserfüllung die wirtschaftlichen Verhältnisse der bedürftigen Partei so wesentlich geändert haben, daß gemäß § 120 Abs. 4 ZPO die Anordnung weiterer Zahlungen in Betracht kommt. Im vorliegenden Fall trifft dieses Argument im übrigen auch von vorneherein deshalb nicht zu, weil der zur Hauptsacheerledigung führende Vergleich dem Gericht vorgelegt worden ist.

Aus diesem Grund bestehen im vorliegenden Fall auch keine - in anderen Fällen zwar denkbare, aber durch entsprechende Auflagen des Gerichtes überwindbaren - Probleme, festzustellen, ob ein die Gebühr nach § 23 BRAGO auslösender Vergleich überhaupt abgeschlossen worden ist.

Der Senat ist der Auffassung, daß die von ihm vertretene Lösung auch der Entlastung der Gerichte dient, weil sie für die beteiligten Rechtsanwälte keine Schlechterstellung im Fall einer außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreites mit sich bringt.

2. Die Erstattungsfähigkeit der von Rechtsanwalt geltend gemachten 10/10-Vergleichsgebühr gemäß § 23 BRAGO führt dazu, daß sich die dem Beschwerdeführer nach der gemäß § 134 anwendbaren BRAGO in der Fassung bis 31.12.2001 insgesamt zustehende Vergütung auf 1.595 DM = 815,51 Euro beläuft (445 DM Prozeßgebühr aus 10.451,99 DM + 445 DM Verhandlungsgebühr + 445 DM Vergleichsgebühr + 40 DM Auslagenpauschale + 220 DM Umsatzsteuer = 1.595,00 DM). Da der Beschwerdeführer beziffert insgesamt nur 806,20 Euro geltend gemacht hat, war ihm auch nur dieser Betrag zuzusprechen.

3. Da das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 128 Abs. 5 BRAGO), bedarf es keiner Kostenentscheidung. In § 128 Abs. 4 Satz 3 BRAGO ist ein weiteres Rechtsmittel ausdrücklich ausgeschlossen, so daß es keiner Entscheidung zur Zulassung einer Rechtsbeschwerde bedarf.

Ende der Entscheidung

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