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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 20.09.2001
Aktenzeichen: 8 U 1024/01
Rechtsgebiete: ARB 94


Vorschriften:

ARB 94 § 4 Abs. 1 a
1. Die Auslegung des Begriffs des "ersten Schadensereignisses" i.S.d. § 4 Abs. 1 a ARB 94 ist zur Vermeidung eines absurden Ergebnisses nur möglich, wenn die anerkannten Auslegungsmethoden der "gesetzesähnlichen" Auslegung angewendet werden.

2. Eine solche Auslegung ist dann zulässig, wenn sich diese zugunsten des Versicherungsnehmers auswirkt.

3. Dies ist bei der Interpretation des § 4 As. 1 a ARB 94 der Fall: Das "erste Schadensereignis" i.S. dieser Klausel ist zugunsten des Versicherungsnehmers dahin zu begrenzen, daß auf den Beginn des Pflichtverstoßes durch den haftpflichtigen Dritten (Schädiger) abzustellen ist, auf den sich der Versicherungsfall des begehrten Schadensersatz-Rechtsschutzes bezieht. Vorangehende Pflichtverstöße und Kausalbeiträge von Personen, die außerhalb dieses Haftpflicht-Verhältnisses stehen, bleiben außer Betracht.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

8 U 1024/01

In Sachen

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Endmann und die Richter am Oberlandesgericht Horn und Krauß aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.02.2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Klägerin im Kostenausspruch durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 10.000,00 abzuwenden, sofern nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Sämtliche Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland niedergelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

IV. Die Beschwer der Beklagten beträgt DM 13.804,00.

V. Gegen dieses Urteil wird die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf

DM 13.804,00

festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt eine Geflügelzucht nebst Geflügelschlachterei auf dem Anwesen in W , W . Am 01.04.1999 schloß sie mit der Beklagten einen Rechtsschutzversicherungsvertrag. Dieser umfaßte unter anderem auch den Schadensersatzrechtsschutz und Berufsrechtsschutz für Selbständige.

Am 13.12.1999 strahlte der Südwestfunk die Sendung "REPORT" aus, in deren Verlauf falsche geschäftsschädigende Äußerungen über den Betrieb der Klägerin erfolgten. Der Inhalt dieser Fernsehsendung bezog sich auf Ereignisse, die vor dem 01.04.1999 stattgefunden haben. Seit Jahren stand das Unternehmen der Klägerin in der öffentlichen Kritik wegen des von ihm ausgehenden Güllegeruchs, aber auch wegen der Art der Tierhaltung. Noch im Jahr vor Abschluß des Versicherungsvertrages demonstrierten deswegen Anwohner und Tierschützer vor dem Unternehmen der Klägerin. Die Beschwerden der Anwohner halten bis heute an.

Durch die Sendung des Südwestfunks entstanden der Klägerin vermögensrechtliche Schäden. Der Südwestfunk lehnte eine Abwendung von Schadensersatzansprüchen ab.

Die Klägerin klagt deshalb vor dem Landgericht Mainz im Verfahren 1 O 104/00 und beantragt Schadensersatz in Höhe von 100.000,00 DM, die Feststellung, daß die Beklagte (Südwestrundfunk, Anstalt des öffentlichen Rechts) verpflichtet ist, der Klägerin allen materiellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus der Berichterstattung des Südwestfunks in der Sendung "REPORT" vom 13.12.1999 über den Betrieb der Klägerin noch entstehen wird und den Südwestfunk zu verurteilen, an die Klägerin die von ihren Mitarbeitern am 10.12.1999 auf ihrem Betriebsgelände gefertigten Bilder und Filmaufnahmen über ihren Betrieb herauszugeben. Auf die von der Beklagten vorgelegte, ihr von der Klägerin übersandte Klage, wird insoweit vollinhaltlich Bezug genommen.

Die Beklagte verweigerte zuletzt mit Schreiben vom 29.09.2000 die Erteilung einer Deckungszusage (Anlage K 2), da ein vorvertraglicher Versicherungsfall vorliege.

Unstreitig hat das Landgericht Mainz im o.g. Verfahren inzwischen einen Beweisbeschluß erlassen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe gegen die Beklagte gemäß dem zum Inhalt des Versicherungsvertrags gemachten ARB 94 Anspruch auf Versicherungsschutz zu. Der Rechtsschutzfall habe sich nach Beginn des Versicherungsvertrages ereignet. Entscheidend sei nämlich die Ausstrahlung der Sendung vom 13.12.1999.

Die Klägerin hat beantragt:

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im Rahmen des Rechtsschutzversicherungsvertrages Nr. Versicherungsschutz zu gewähren für die auf Schadensersatz gerichtete Klage, die beim Landgericht Mainz unter dem Az. 1 O 104/00 geführt wird.

Die Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, das erste gemäß § 4 Abs. 1 a ARB 94 maßgebliche Ereignis, daß den Schaden der Klägerin verursacht habe, sei nicht die Fernsehsendung vom 13.12.1999, sondern die vorangegangenen zum Inhalt dieser Sendung gemachten Ereignisse. Diese lägen aber vor Abschluß des Versicherungsvertrages.

Im übrigen habe die Klage auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Endurteil vom 13.02.2001 der Klage stattgegeben.

Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, als erstes schadensverursachende Ereignis i.S.d. § 4 Abs. 1 a ARB 94 sei im Streitfall die Ausstrahlung der Sendung "REPORT" vom 13.12.1999 anzusehen. Da diese Sendung nach Abschluß des Versicherungsvertrages vom 01.04.1999 ausgestrahlt worden sei, liege ein vorvertraglicher Versicherungsfall nicht vor.

Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 543 Abs. 2 ZPO auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 15.02.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch ihre Prozeßbevollmächtigten am 14.03.2001 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 14.05.2001 (Bl. 59 d.A.) am letzten Tag der Frist begründet.

Sie wendet sich im einzelnen gegen die vom Landgericht vertretene Rechtsauffassung und verfolgt die von ihr vertretene Auslegung des § 4 Abs. 1 a ARB 94 weiter.

Die Beklagte beantragt:

I. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.02.2001 wird abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung.

Sie macht sich die Ausführungen des Ersturteils zu eigen und wiederholt im übrigen ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Im übrigen wird auf die von den Parteien vorgelegten Urkunden -zur Information- verwiesen.

(Im Berufungsverfahren hat keine Beweisaufnahme stattgefunden).

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, §§ 511 ff. ZPO

II.

In der Sache selbst hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht das Vorliegen eines vorvertraglichen Versicherungsfalles verneint und der Klage im vollen Umfang stattgegeben.

Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch.

Im einzelnen gilt folgendes:

1. Die Auslegung der hier maßgeblichen Versicherungsklausel (§ 4 Abs. 1 a ARB 94) kann sinnvoll nur im Wege einer sogenannten "gesetzesähnlichen" Auslegung erfolgen:

a) Diese Klausel ist ihrem Wortlaut nach zu weit gefaßt und führt deshalb zu unangemessenen Ergebnissen. Nach dieser Klausel soll es für die Bestimmung der Vorvertraglichkeit auf das "erste Ereignis ankommen, das den Schaden verursacht hat". Diese mit dem Schaden endende Kausalkette kann -selbst bei Berücksichtigung der Adäquanztheorie- bis in die fernste Vergangenheit zurückreichen, da der Wortlaut nicht auf einen Bezug des Ereignisses zur Person des Haftpflichtigen abstellt (vgl. Prölss-Martin, 26. Aufl., Rz. 2 zu § 4 ARB 94). Nach dem Wortlaut dieser Klausel wäre z.B. eine Vorvertraglichkeit schon dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer den Halter eines Kfz in Anspruch nimmt, dessen Bremsen in Folge eines Produktionsfehlers versagt haben. Hier läge das erste Kausalereignis schon in dem Produktionsfehler. Es wäre also vorvertraglich. Einem derartigen Ergebnis steht das Argumentum ad absurdum entgegen.

Ein sinnvolles Ergebnis für derartige Fälle kann nur erzielt werden, wenn man die anerkannten Methoden der "gesetzesähnlichen" Auslegung auch auf die Interpretation der ARB 94 anwendet (Prölss, a.a.O.).

Der entsprechende Auslegungskanon wird sich zwar dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, auf das die obergerichtliche Rechtsprechung bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen gewöhnlich abstellt (BGH VersR 2000, 1090; 2001, 489), verschließen.

Eine "gesetzesähnliche" Auslegung muß jedoch dann für zulässig erachtet werden, wenn sich diese -wie hier- zugunsten des Versicherungsnehmers auswirkt (vgl. Prölss, a.a.O., Vorbemerkung III vor § 1 VVG, Rz. 12; Lorenz VersR 2000, 1092).

Das Gebot der obergerichtlichen Rechtsprechung, AVB nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen, wird auf die Maßgeblichkeit des Empfängerhorizonts gestützt (vgl. Wolf-Horn-Lindacher, Kommentar zum AGB, 3. Aufl., Rz. 15 zu § 5 AGBG). Es dient deshalb lediglich dem Schutz des Versicherungsnehmers und soll solche Auslegungskriterien, die ihm aus seinem Verständnishorizont nicht zugänglich sind, zu seinem Nachteil ausschalten (vgl. Prölss, a.a.O., Vorbemerkung III vor § 1 VVG, Rz. 12). Es bestehen deshalb keine Bedenken an einer gesetzesähnlichen Auslegung von AVB, soweit sich dies zugunsten des Versicherungsnehmers auswirkt (vgl. Prölss, a.a.O.; Lorenz, a.a.O.; a.M.: BGH VersR 2000, 1090).

Hierfür spricht ferner folgende Erwägung:

Die Annahme der obergerichtlichen Rechtsprechung über die Maßgeblichkeit des Empfängerhorizonts hat ihren Grund darin, daß AVB keine Rechtsnormen sind, sondern Vertragsbedingungen. Das ausschließliche Abstellen hierauf läßt jedoch unberücksichtigt, daß sich die AVB nicht nur von der Rechtsnorm unterscheiden, sondern auch von Individualerklärungen. Auf den Inhalt der AVB hat nämlich der Versicherungsnehmer -im Unterschied zu einer invidiualvertraglichen Vereinbarung- keinen Einfluß.

Auch mit Rücksicht hierauf rechtfertigt sich die gesetzesähnliche Auslegung der AVB, sofern sie sich zugunsten des Versicherungsnehmers auswirkt (vgl. Lorenz, a.a.O.).

2. Die gesetzesähnliche Auslegung des § 4 Abs. 1 a ARB 94 führt aber zu den vom Landgericht gewonnenen Ergebnis:

a) Historische Auslegung (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., S. 216 f):

Bei der historischen Auslegung dieser Klausel nach der Regelungsabsicht und den Zweckvorstellungen des Bedingungsgebers (vgl. Larenz, a.a.O.) ist zunächst zu erforschen, welche Regelungsabsicht der Bedingungsgeber mit dem geänderten Wortlaut der Klausel tatsächlich verfolgt hat. Nach der alten Fassung der Bedingungen (§ 14 Abs. 1 ARB 75) galt bei Schadensersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen als Versicherungsfall der Eintritt des dem Anspruch zugrunde liegenden Schadensereignisses. Insoweit war es herrschende Meinung, daß hierbei nicht auf den zugrunde liegenden Rechtsverstoß (Kausalereignis), sondern auf den Eintritt des Schadens (Folgeereignis) abzustellen war (vgl. OLG Köln, RuS 88, 266; Prölss, a.a.O., Rz. 1 zu § 14 ARB 75). Dies führte aber in den Fällen, in denen beide Ereignisse zeitlich weiter auseinanderlagen, zu unerwünschten Ergebnissen. In den Fällen der Umwelt- und Produkthaftung war es unter der Geltung der ARB 75 dem Versicherungsnehmer möglich, auf Kosten der Versicherung zu spekulieren. Dies war etwa dann der Fall, wenn die Abnehmer eines fehlerhaften Produkts oder die Bewohner einer durch Altlasten möglicherweise verseuchten Region durch die Medien hiervon erfahren haben und vor Eintritt eines konkreten, jedoch für sich bereits mehr oder weniger absehbaren Schadens sich noch versichern konnten (vgl. Sperling, VersR 96, 140; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 6. Aufl., Rz. 3 zu § 4 ARB 94). Derartigen Manipulationsmöglichkeiten sollte aber durch die Neufassung, die nunmehr auf das Kausalereignis abstellt, vorgebeugt werden (vgl. Harbauer und Sperling, a.a.O.).

Daraus ist aber zu entnehmen, daß nach der Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 1 a ARB 94 nicht jedes vor dem Vertragsabschluß liegende Kausalereignis die Vorvertraglichkeit begründen sollte. Gemeint waren vielmehr die Fälle, in denen eine bestimmte, vom Versicherungsnehmer später auf Schadensersatz in Anspruch genommene Person bereits den in Frage stehenden Haftungstatbestand (Kausalereignis) vorvertraglich verwirklicht hatte, dessen konkrete Auswirkungen jedoch dann erst nach Vertragsschluß eingetreten sind. Dagegen müssen Verhaltensweisen dritter Personen, die außerhalb des in Frage stehenden Haftpflichtverhältnisses zwischen dem Versicherungsnehmer und dem konkreten Schädiger stehen, außer Betracht bleiben, auch wenn sie ihrerseits den Vertrags- oder Gesetzesverstoß des Haftpflichtigen mitveranlaßt haben.

Bei der Haftung eines Dritten wegen gesetz- oder vertragswidrigen Handelns, für das der geschädigte Versicherungsnehmer Rechtsschutz begehrt, ist daher auf den Beginn des Pflichtverstoßes durch den Schädiger selbst abzustellen. Dieser Handlungsbeginn oder das entsprechende pflichtwidrige Unterlassen stellt das erste Kausalereignis i.S. der Neuregelung des § 4 Abs. 1 a ARB 94 dar (vgl. Prölss, a.a.O., Rz. 4 zu § 4 ARB 94).

b) Teleologische Auslegung (Larenz, a.a.O., S. 221 f):

Allein diese Auslegung entspricht auch dem Zweck des Schadensersatzrechtsschutzes. Gemäß § 2 a ARB 94 umfaßt der Schadensersatzrechtsschutz die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, soweit diese nicht auf einer Vertragsverletzung oder einer Verletzung eines dinglichen Rechts beruhen. Gemeint sind damit alle außervertraglichen Anspruchsgrundlagen (vgl. Harbauer, a.a.O., Rz. 2 und 3 zu § 2 ARB 94). Da sich diese jedoch begrifflich stets gegen eine bestimmte Person als Schädiger richten und damit ein Schuldverhältnis i.S.d. § 241 BGB begründen, muß auch der Zweck des Schadensersatzrechtsschutzes auf dieses konkrete Schuldverhältnis bezogen werden. Verhaltensweisen dritter Personen, die diesem Schuldverhältnis vorausgegangen sind und dieses möglicherweise veranlaßt haben, haben für die Frage der Vorvertraglichkeit außer Betracht zu bleiben, soweit nicht vom Versicherungsnehmer auch gegen diese Personen Schadensersatzrechtsschutz in Anspruch genommen wird. Dies entspricht dem Grundsatz der Relativität des Schuldverhältnisses der Einwendungen des Schuldners aus einem Rechtsverhältnis zu Dritten dem Gläubiger gegenüber ausschließt (vgl. Palandt-Heinrichs, 60. Aufl., Einl. zu § 241 ff BGB, Rz. 3). Wegen der Akzessorietät des Schadensersatzrechtsschutzes gilt dies dann auch für Einwendungen der Beklagten gegen den Deckungsschutzanspruch des Klägers.

c) Zum selben Ergebnis führt auch die sogenannte "systematische" Auslegung (vgl. Larenz, a.a.O., Rz. 212 f):

Bei der Auslegung nach dem systematischen Zusammenhang der ARB 94 ist zu berücksichtigen, daß diese selbst in § 4 Abs. 1 c -also außerhalb des Schadensersatzrechtsschutzes- für die Frage der Vorvertraglichkeit auf den Zeitpunkt abstellt, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer ein Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Auch hier ist also der Beginn des Pflichtverstoßes maßgeblich, der gerade Gegenstand des konkreten Deckungsschutzanspruches ist. Da aber vielfach der aktive Schadensersatzrechtsschutz i.S.d. § 4 Abs. 1 a ARB 94 Fälle der gesetzlichen Verschuldungshaftung betrifft (z.B. § 823 f BGB), ist das dann maßgebliche Kausalereignis identisch mit dem Rechtsverstoß i.S.d. § 4 Abs. 2 c ARB 94 (so ausdrücklich Harbauer, a.a.O., Rz. 2 zu § 4 ARB 94). Im Sinne einer gleichstimmigen Auslegung der für die Vorvertraglichkeit maßgeblichen Klausel des § 4 Abs. 1 ARB 94 ist es deshalb geboten, auch in Fällen des Schadensersatzrechtsschutzes nur auf den Beginn des Pflichtverstoßes abzustellen, den der vom Versicherungsnehmer später in Anspruch genommene Haftpflichtige selbst begangen hat.

d) Eine andere Auslegung würde sich zudem zu der zwingenden (§ 34 a VVG) gesetzlichen Regelung der §§ 16 ff VVG in Widerspruch setzen. Bestand nämlich bereits vorvertraglich eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit, daß der spätere Schädiger wegen eines vorausgegangenen und ihn zu seiner Handlung stimulierenden Verhaltens Dritter nach Vertragsschluß haftpflichtig werden würde, so handelt es sich hierbei um einen Umstand, der ausschließlich der Regelung der §§ 16 ff VVG unterliegt (vgl. Prölss, a.a.O., Rz. 8 zu § 1 VVG). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Versicherungsnehmer bereits bei Vertragsschluß davon ausgeht und ausgehen kann, daß aufgrund des Verhaltens der außerhalb des Haftpflichtverhältnisses stehenden Dritten der Versicherungsfall mit Sicherheit eintreten werde (vgl. Prölss, a.a.O., Rz. 7 zu § 1 ARB 94).

3. Überträgt man diese Rechtsgrundsätze auf den Streitfall, so hat das Landgericht eine Vorvertraglichkeit zu Recht verneint:

Abzustellen ist auch nach der Rechtsauffassung des Senats nicht auf das vorvertragliche Verhalten von Demonstranten und der Kritiker des klägerischen Unternehmens, die nicht dem hier klagegegenständlichen Haftpflichtverhältnis angehören, auch wenn diese den späteren Gesetzesverstoß der Schädigerin (Südwestfunk) veranlaßt haben. Aufgrund dieser Vorkommnisse war der hier in Frage stehende Haftpflichtprozeß nicht schon mit Sicherheit zu erwarten. Entscheidend ist deshalb allein der Beginn des zugrunde liegenden Gesetzesverstoßes, hier also die Sendung "REPORT" vom 13.12.1999. Diese lag aber unstreitig nach Abschluß des Versicherungsvertrages.

4. Auf mangelnde Erfolgsaussicht vermag sich die Beklagte nicht mehr mit Erfolg zu berufen, nachdem sie zunächst den Deckungsschutz nur wegen behaupteter Vorvertraglichkeit abgelehnt hat (vgl. OLG Düsseldorf VersR 2001, 233).

5. Damit hat das Landgericht der Deckungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das hiergegen gerichtete Rechtsmittel der Beklagten ist als unbegründet zurückzuweisen.

III.

Kosten: § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

V.

Gemäß § 546 Abs. 1 Ziffer 1 und 2 ZPO ist gegen das Urteil des Senats die Revision zuzulassen.

Die Rechtssache hat wegen der bisher in der obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärten Auslegung des § 4 Abs. 1 a ARB 94 grundsätzlich Bedeutung.

Zudem weicht der Senat mit seinem Urteil von der Entscheidung des BGH in VersR 2000, 1090 f ab.



Ende der Entscheidung

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