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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 28.06.2004
Aktenzeichen: 8 U 202/03 BSch
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
1. Der Segelsport, auch wenn er wettkampfmäßig in Form einer Regatta betrieben wird, gehört nicht zu den Sportarten, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Wettkampfregeln oder bei geringfügigen Regelverletzungen die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht.

2. Bei Segelwettfahrten besteht deswegen keine Haftungsfreistellung der Teilnehmer untereinander.


Schifffahrtsobergericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

8 U 202/03 BSch

Verkündet am 28. Juni 2004

In Sachen

wegen Forderung,

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg -Schifffahrtsobergericht- durch den Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Amtsgerichts -Schifffahrtsgericht - Starnberg vom 23. Dezember 2002 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.797,29 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 30.07.2002 zu bezahlen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers sowie die Berufung des Beklagten werden zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte 7/10 und der Kläger 3/10.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.064,10 EUR festgesetzt.

Von der Darstellung der Tatsachengrundlagen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

Gründe:

Die Berufungen der Parteien sind zulässig, insbesondere sind die Rechtsmittel form- und fristgerecht bei dem Schifffahrtsobergericht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO). Das Schifffahrtsobergericht Nürnberg ist zur Entscheidung über das Rechtsmittel gemäß § 11 des Gesetzes vom 27.09.1952 über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrts- und Rheinschifffahrtssachen i. V. m. § 27 Nr. 8 der Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Staatsministeriums der Justiz vom 02.02.1988 zuständig.

In der Sache bleibt das Rechtsmittel des Beklagten ohne Erfolg. Die Berufung des Klägers ist dagegen teilweise begründet. Dem Kläger stehen über den ihm vom Schifffahrtsgericht Starnberg bereits zuerkannten Betrag hinaus weitere 1.112,57 EUR nebst Zinsen zu. Insoweit ist das Urteil des Schifffahrtsgerichts Starnberg abzuändern. Soweit der Kläger darüberhinaus die Verurteilung des Beklagten zu weiteren 1.266,81 EUR begehrt, ist sein Rechtsmittel unbegründet; insoweit verbleibt es bei der erstinstanzlichen Klageabweisung.

1. Das Schifffahrtsgericht hat einen Haftungsausschluß wegen des Wettkampfcharakters der Segelregatta, während der es zu dem streitgegenständlichen Schadensfall kam, verneint. Dem schließt sich der Senat an. Nach der Rechtsprechung des BGH nimmt zwar der Teilnehmer an einem sportlichen Kampfspiel grundsätzlich Verletzungen in Kauf, die auch bei regelgerechtem Spiel nicht zu vermeiden sind, weshalb es gegen das Verbot treuwidrigen Selbstwiderspruchs verstößt, wenn der Geschädigte den Schädiger in Anspruch nimmt, obschon er eben so gut in die Lage hätten kommen können, in der sich nun der Schädiger befindet, sich dann aber dagegen gewehrt haben würde, diesem trotz Einhaltens der Spielregeln Ersatz leisten zu müssen (BGH NJW 1975, 109; VersR 75, 155; NJW 1976, 2161). Neuerdings hat der BGH ausgesprochen, dass die Grundsätze zur Inkaufnahme von Schädigungen bei regelgerechtem Kampfspiel allgemein für Wettkämpfe mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential gelten, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Wettkampfregeln oder geringfügiger Regelverletzung die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht; demnach verstößt bei solchen Wettkämpfen die Inanspruchnahme des Mitspielers -sofern keine nennenswerte Regelverletzung vorliegt- jedenfalls dann gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, wenn für die Schadenszufügung kein Versicherungsschutz besteht (BGH NJW 2003, 2018).

Der Segelsport, auch wenn er wettkampfmäßig in Form einer Regatta betrieben wird, ist nach Auffassung des Senats mit den Wettkampfarten, die bislang Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung waren, nicht vergleichbar. Bei Einhaltung der Regattaregeln und Beachtung der allgemein erforderlichen Sorgfalt eines Segelbootsführers sind Kollisionen durchaus vermeidbar. Die Wettkampfregeln beinhalten -wie das Schifffahrtsgericht ausgeführt hat- eindeutige Ausweichregeln; der Ausweichpflichtige hat es in der Hand, dem Konkurrenten -auch bei Wendemanövern- genügend Raum zu geben, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Dazu muss er auch nicht -wie bei vielen Wettkampfarten- in Sekundenbruchteilen Entscheidungen treffen. Der Senat schließt sich deshalb der Auffassung des OLG Hamm (NJW-RR 1990, 925) an, dass bei Segelwettfahrten keine Haftungsfreistellung der Teilnehmer untereinander besteht, zumal der vom Beklagten eingeräumte Fahrfehler nicht auf einer wettkampftypischen Situation beruht, vielmehr der Beklagte den vor seinem Boot liegenden Raum nicht ausreichend auf bevorrechtigte Fahrzeuge hin im Auge behalten hatte. Eine solche Situation kann jederzeit auch außerhalb einer Regatta eintreten. Die Parteien tragen auch nicht vor, dass Wassersporthaftpflichtversicherungen bei Schädigungen durch schuldhaftes Verhalten während eines Segelwettkampfes nicht eintrittspflichtig seien, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt kein Anlass besteht, von einem generellen Willen der Teilnehmer zum gegenseitigen Haftungsverzicht -sofern kein gewichtiger Regelverstoß vorliegt- auszugehen.

Der Beklagte haftet dem Kläger deshalb aus § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz.

2. Der Meinung des Schifffahrtsgerichts, dem Kläger falle ein -wenn auch geringfügiges- Mitverschulden zur Last, kann sich der Senat nicht anschließen. Allein aus der Teilnahme an der Regatta folgt ein Mitverschulden des Klägers nicht. Nimmt man -mit der vom Beklagten vorgelegten Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 05.05.2000- an, bereits die Teilnahme an einer Wettkampfveranstaltung beinhalte eine Einwilligung in Schädigungen durch andere Regattateilnehmer, hätte bereits die Haftung eines Schädigers dem Grunde nach auszuscheiden, so dass sich die Frage nach einen Mitverschulden nicht stellen könnte. Eine vorwerfbare Selbstgefährdung, die allerdings zur Anwendung des § 254 BGB führen könnte, kann in der Teilnahme an einer Segelregatta nicht gesehen werden.

Für die Annahme eines Mitverschuldens wegen fehlerhaften Manövrierens in der konkreten Unfallsituation -so das Schifffahrtsgericht- finden sich im Sachvortrag der Parteien, insbesondere des hierfür darlegungsbelasteten Beklagten, keine Anhaltspunkte. Vorgetragen ist lediglich, dass der Beklagte, weil er auf Steuerbordbug fuhr, dem auf Backbordbug fahrenden Boot des Klägers hätte ausweichen müssen und dies -aus Unachtsamkeit- nicht getan hat, was einen Verschuldensvorwurf zu Lasten des Beklagten begründet. Wann der Kläger bei der auch von ihm zu verlangenden Aufmerksamkeit hätte erkennen können, daß der Beklagte auf Kollisionskurs fuhr und das erforderliche Ausweichmanöver nicht einleiten werde, und ob dem Kläger in diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit verblieben war, durch eigenes Manövrieren die Kollision zu verhindern, ist nicht dargelegt; insbesondere hat der Beklagte, der sein eigenes Fahrverhalten vor der Kollision nicht weiter darstellt, sich nicht gegen die vom Kläger geäußerte Vermutung gewandt, wonach der Beklagte unmittelbar vor der Kollision eine schnelle Wende gefahren und dabei das Boot des Klägers übersehen habe. In einem solchen Fall liegt die Annahme nahe, der Kläger habe die Kollisionsgefahr erst unmittelbar vor dem tatsächlichen Zusammenstoß überhaupt erkennen können, so dass er seinerseits nicht mehr reagieren konnte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines sogenannten Manövers des letzten Augenblicks. Dabei handelt es sich nicht etwa -wie das Schifffahrtsgericht anzunehmen scheint- um eine Verpflichtung des an sich bevorrechtigten Schiffsführers, gegen die der Kläger verstoßen haben könnte, sondern gerade umgekehrt um eine Entschuldigungserwägung zugunsten dessen, der durch schuldhaftes Verhalten eines anderen Schiffsführers in eine gefährliche Situation gebracht wird und in einer solchen Notsituation unter Zeitdruck eine objektiv unzweckmäßige Maßnahme zur Vermeidung der Kollision trifft; dies begründet dann nicht den Vorwurf eines Mitverschuldens (BGH VersR 1971, 339; VersR 1964, 650; Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt vom 16.12.1991, ZfB 1992, 1144). Im vorliegenden Fall können solche Erwägungen nicht angestellt werden.

3. Gleichwohl hat die Berufung des Klägers nicht in vollem Umfang Erfolg.

a) Auch der Senat ist der Auffassung, dass hinsichtlich des Starboot-Mastes ein Abzug von den Neubeschaffungskosten nach den Regeln des Vorteilsausgleichs vorzunehmen ist. Wie der Sachverständige ausgeführt hat, unterliegen solche Masten an sich nahezu keiner gebrauchsbedingten (Substanz-) Abnutzung, sofern sie sachgerecht behandelt werden, allerdings tritt durch die Benutzung eine äußerliche Abnutzung ein, auch ist mit Verbiegungen zu rechnen, so dass ein Boot, das mit einen neuem Mast ausgestattet ist, im Verkehr höher bewertet wird als ein gebrauchtes Boot mit einen ebenfalls gebrauchten Mast. Der Senat schließt sich dabei der Schätzung des Sachverständigen an, der den Wertzuwachs mit 25 % des Mastpreises angenommen hat, so dass sich bei einem Neupreis des Mastes von rund 3.330,00 EUR ein Abzug "Neu für Alt" von rund 830,00 EUR ergibt.

b) Hinsichtlich der bei dem Unfall zerstörten Brille des Klägers können die Mitglieder des Senats aus eigener Sachkenntnis beurteilen, dass die durchschnittliche Nutzungsdauer einer solchen Sehhilfe erheblich über den 4 1/2 Jahren liegt, die seit dem Kauf der zerstörten Brille verstrichen waren. Der Schätzung des Schifffahrtsgerichts, das den Vorteil des Klägers durch die Erneuerung der Brille auf die Hälfte des Anschaffungspreises bemessen hat, schließt sich der Senat an. Es verbleibt daher bei dem vom Schifffahrtsgericht vorgenommenen Abzug von 315,00 EUR.

c) Die Erneuerung der Wantenspanner hat der Sachverständige als sinnvoll bezeichnet, so dass dieser Posten (180,01 EUR) zu ersetzen ist. Da es dem Kläger -so der Sachverständige- nicht zumutbar wäre, die Mastfußrolle und den Masthebelbeschlag des neuen Mastes gegen die vorhandenen Altteile zu tauschen, sind auch die in der Anschaffungsrechnung für den neuen Mast gesondert ausgewiesenen Beträge für die beiden Zubehörteile zu ersetzen (76,88 EUR).

d) Nicht zu ersetzen sind die Kosten für so genannte Wantenrutscher (Rechnung der Firma vom 24.06.2002 über 121,90 EUR), da es an jeglichem Sachvortrag des Klägers fehlt, inwieweit diese beschädigt worden seien, zumal selbst der Sachverständige nicht angeben konnte, um welche Teile des Bootes es sich hierbei handeln soll.

e) Die Transportkosten in Höhe von 220,00 EUR bleiben außer Ansatz, da sie von der Haftpflichtversicherung des Beklagten ersetzt worden sind.

Insgesamt sind dem Kläger deshalb -unter Berücksichtigung des Vorteilsausgleichs- 3.383,61 EUR zu ersetzen, so dass nach Abzug der von der Haftpflichtversicherung des Beklagten hierauf geleisteten 663,20 EUR (ohne Transportkosten) ein Betrag von 2.797,29 EUR verbleibt, zu dessen Zahlung der Beklagte unter teilweiser Abänderung der Entscheidung des Schifffahrtsgerichts zu verurteilen ist.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO (§ 26 Nr. 8 EGZPO).

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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