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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 08.03.2006
Aktenzeichen: 8 U 2651/05
Rechtsgebiete: LugÜ/EuGVVO


Vorschriften:

LugÜ/EuGVVO Art. 5 Nr. 3
Internationale Zuständigkeit für eine Schadensersatzanklage nach einer grenzüberschreitenden Kapitalanlage.

1. Erleidet ein Anleger einen Vermögensschaden dadurch, dass sein im Ausland befindliches Anlagekonto durch treuwidriges Verhalten entwertet wird, befindet sich der "Erfolgsort" in dem Staat, in dem sich das Anlagekonto befindet; dass der Anleger sein Vermögen allgemein gemindert sieht, begründet nicht einen weiteren "Erfolgsort" an seinem Lebensmittelpunkt.

2. Wenn - wie beim Betrug - der Schadenseintritt selbst zum Tatbestand der Rechtsgutverletzung gehört, ist "Begehungsort" der Ort des Schadenseintritts, das heißt der Ort, an dem die Transaktionen zu Lasten des Kontos des Anlegers vorgenommen werden.

3. Bei Geltendmachung eines Gefährdungsschadens auf Grund eines Eingehungsbetruges bestimmt sich die internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 LuGÜ/EuGVVO.


8 U 2651/05 Oberlandesgericht Nürnberg

Nürnberg, den 8.3.2006

In Sachen

wegen: Forderung,

Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.10.2005 durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg bietet, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und schließlich weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat zu Recht eine internationale Zuständigkeit für eine Klage gegen den in der Schweiz wohnhaften Beklagten verneint.

Eine hiesige Zuständigkeit ist - wie auch zwischen den Beteiligten unstreitig - nur eröffnet, wenn die Voraussetzungen des besonderen Gerichtsstandes der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 des LugÜ (Lugano Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09.1988) gegeben sind, der nach dem vom EuGH zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ (jetzt: EuGVVO) entwickelten Grundsätzen auszulegen ist.

1. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte - oder dieser gleichzustellende - Handlung den Gegenstand des Verfahrens bildet, sofern in dem anderen Mitgliedsstaat das schädigende Ereignis eingetreten ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist der in Art. 5 Nr. 3 (LugÜ/EuGVÜ) verwendete Begriff "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" so zu verstehen, dass er sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch den Ort des ursächlichen Geschehens meint, so dass der Beklagte nach Wahl des Klägers sowohl am Erfolgsort als auch am Handlungsort verklagt werden kann (EuGH, Urteil vom 10.06.2004, Rs.C-168/02 i.S. Kronhofer, IPRax, 05, 32, Nr. 16).

2. Erleidet ein Anleger von Geldbeträgen einen Vermögensschaden dadurch, dass sein im Ausland befindliches Anlagekonto - im vorliegenden Fall in der Schweiz - durch treuwidriges Verhalten der Zugriffsberechtigten entwertet wird, befindet sich der "Erfolgsort" in dem Staat, indem sich das Anlagekonto befindet. Dass der Anleger sein Vermögen allgemein gemindert sieht, begründet nicht einen weiteren "Erfolgsort" an seinem Lebensmittelpunkt (OLG Stuttgart, NJW RR 99, 138; ebenso EuGH, a.a.O., Nr. 21).

3. Dementsprechend wendet sich die Berufung der Klägerin auch "nur" dagegen, dass das Landgericht einen Handlungsort im Inland verneint hat. Der Beklagte habe nicht nur veruntreuende Handlungen in der Schweiz begangen, indem er "absprachewidrig" "mit den Geldern der Klägerin höchst riskante Devisentermingeschäfte" ausgeführt habe. Der Beklagte habe auch - in mittelbarer Täterschaft - Täuschungshandlungen am Wohnsitz der Klägerin ausgeführt, indem er dieser durch den Anlagevermittler M als absichtsloses Werkzeug bei Vertragsschluss falsche Tatsachen vorgespiegelt habe. Der Klägerin sei verschwiegen worden, dass die angelegten Gelder nicht vertragsgemäß verwendet würden, weil der Beklagte - als Portfoliomanager - hochspekulative Devisentermingeschäfte vorgenommen und - zusammen mit anderen - ein betrügerisch aufgebautes Schneeballsystem betrieben habe; die Gelder seien "gezielt zweckentfremdet und für Verluste der GVP Unternehmensgruppe, Betriebsausgaben und/oder zu persönlichen Zwecken der Angeklagten verbraucht" worden.

a) Selbst wenn man anlässlich der Vermittlungsgespräche eine Täuschungshandlung gegenüber der Klägerin bejahen würde, wird damit deren Wohnsitz nicht zum Handlungsort i.S.d. Art. 5 Nr. 3 LuGÜ/EuGVÜ.

Wenn nämlich - wie beim Betrug - der Schadenseintritt selbst zum Tatbestand der Rechtsgutverletzung gehört, ist Begehungsort der Ort des Schadenseintritts (BayObLG ZIP 2003, 1863 - zu § 32 ZPO, der im wesentlichen Art. 5 Nr. 3 LugÜ entspricht). Die Schädigung des Vermögens der Klägerin hat sich jedoch in der Schweiz verwirklicht, wo der Beklagte Transaktionen zu Lasten des dort geführten Konto der Klägerin vorgenommen hat (vgl. EuGH, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.).

b) Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, ihr Vermögen sei bereits durch einen im Rahmen der Vermittlungsgespräche begangenen Eingehungsbetrug gefährdet worden.

Als Eingehungsbetrug wird der Eintritt eines Gefährdungsschadens durch betrügerische Begründung einer Verbindlichkeit bezeichnet (vgl. z.B. Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 263 Rn. 103). Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ kann jedoch eine Zuständigkeit nicht begründen, wenn eine Haftung des Beklagten geltend gemacht wird, die an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ anknüpft, d.h. Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ/LugÖ ist gegenüber Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ nur subsidiär anzuwenden (Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., Art. 5 EuGVVO, Rn. 17 m.w.N.). Da die vertraglich geschuldete Dienstleistung - Vermögensverwaltung - in der Schweiz zu erfüllen war, lässt sich aus Art. 5 Nr. 1 EuGVVO eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth nicht ableiten.

c) Der Vortrag der Klägerin ist auch im übrigen nicht geeignet, den Eintritt eines Gefährdungsschadens im Zusammenhang mit den Vermittlungsgesprächen schlüssig darzutun.

Bei Anlagegeschäften kann zwar ein Gefährdungsschaden angenommen werden, wenn der Täter - wie die Klägerin vortragen lässt - von vornherein beabsichtigt, die eingezahlten Gelder nicht vertragsgemäß zu verwenden, sondern beabsichtigt, sie im Rahmen eines "Schneeballsystems" zu verbrauchen oder absprachewidrig hochspekulative Devisentermingeschäfte vorzunehmen.

aa) Selbst wenn man unterstellt, dass der Anlagevermittler als Werkzeug des Beklagten bei den Vermittlungsgesprächen handelte, kann nicht angenommen werden, dass der Beklagte der Klägerin in Täuschungsabsicht die Durchführung eines Schneeballsystems verschweigen ließ. Dies wurde zwar von der Klägerin behauptet. Dieser Vortrag ist jedoch nicht schlüssig, weil die Klägerin gleichzeitig die als Anlagen K 10 und K 11 vorgelegten urteile des Landgerichts Darmstadt zum Gegenstand ihres Vertrags machte. In dem Urteil des Landgerichts Darmstadt (Az. 610 Js 3353/99), in dem der Beklagte im Hinblick auf den Tatkomplex "S Bank." wagen Untreue verurteilt wurde ist jedoch ausgeführt, dass dieser keine Kenntnis hatte von dem von den anderweitig verfolgten Angeklagten G und J betriebenen Schneeballsystem (siehe Anlage K 11, Seite 13, 14).

bb) Soweit die Klägerin eine Gefährdung ihres Vermögens - entsprechend den Ausführungen im Urteil des Landgerichts Darmstadt gegen die Angeklagten G und J, Az. 9 KLs 610 Js 3353/99 (Anl. K 10) - darin sieht, dass nach der Anlagestrategie des Beklagten hochspekulative Devisentermingeschäfte ausgeführt werden sollten, vermag dies ebenfalls keine Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 3 EuGVÜ/LugÜ in Deutschland begründen. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin handelte der Beklagte insofern "absprachewidrig" und "entgegen der Weisung im Innenverhältnis" (s. LG Darmstadt, Urteil betreffend den Beklagten, Anl. K 11, S. 9), also vertragswidrig. Bei einem vertragswidrigen Verhalten (i. S.d. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ) greift die demgegenüber subsidiäre Vorschrift des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ nicht ein (s.o. 1. b).

4. Es lässt sich nicht feststellen, ob der Umstand, dass die Klägerin keine Kontoauszüge erhält, auf eine Täuschungshandlung des Beklagten zurückzuführen ist. Dies dürfte darauf beruhen, dass die Kontoauszüge "Banklagernd" aufbewahrt werden sollten. Dass dies nicht den Vereinbarungen mit der Klägerin entsprach, hat diese nicht (schlüssig) vorgetragen.

5. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch die Klägerin gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 WPHG, der die Verletzung von besonderen Verhaltensregeln eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens gegenüber einem Kunden regelt, macht deutlich, dass die Ansprüche der Klägerin an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ anknüpfen, so dass die demgegenüber subsidiäre Vorschrift des Art., 5 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ keine Anwendung findet.

6. Der abweichenden Auffassung in den von der Klägerin vorgelegten Entscheidungen des Landgerichts Heidelberg und des Landgerichts Potsdam vermag sich der Senat aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht anzuschließen. Die Klägerin wird damit nicht rechtsschutzlos gestellt; ihr bleibt die Möglichkeit entsprechend dem auch in Art. 2 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ verankerten, allgemeinen Grundsatz, dass die Gerichte desjenigen Vertragsstaates zuständig sind, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat.

II.

Das eingelegte Rechtsmittel der Klägerin, wird demzufolge keinen Erfolg haben. Der Senat legt deshalb zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 522 Abs. 2 und 3 ZPO und aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe, denn in diesem Falle ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (GKG-KV Nr. 1222).

Vor einer Entscheidung des Senates wird der Klägerin Gelegenheit gegeben binnen 2 Wochen nach Zustellung zu diesem Hinweis Stellung zu nehmen.

Ende der Entscheidung

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