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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 09.03.2000
Aktenzeichen: 8 U 3929/99
Rechtsgebiete: AGBG, AVB, EntgeltfortzG


Vorschriften:

AGBG § 9 Abs. 2
AVB § 1 Abs. 2 S. 1
EntgeltfortzG § 3 Abs. 1 S. 2
Zur Wirksamkeit einer in AVB vereinbarten Wartefrist für die Zahlung einer Arbeitsunfähigkeitsrente, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer Erkrankung infolge desselben Grundleidens beruht, dessentwegen der Versicherer bereits früher Arbeitsunfähigkeitsrente bezahlt hat.
Oberlandesgericht Nürnberg

IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

Verkündet am 09. März 2000

8 U 3929/99 9 O 8365/98 LG Nürnberg-Fürth

In Sachen

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03. Februar 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufungen beider Parteien gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21. September 1999 werden zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 7/10, die Beklagte 3/10.

III. Die Kosten erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil, ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Beschwer des Klägers beträgt 5.310,00 DM, die der Beklagten 2.124,00 DM.

Beschluß:

Der Steitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.434,00 DM festgesetzt.

Tatbestand

von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

(Im Berufungsverfahren hat keine Beweisaufnahme stattgefunden).

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, § 511 ff. ZPO.

II.

In der Sache selbst sind beide Rechtsmittel unbegründet.

1. Berufung des Klägers:

Das Landgericht hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Arbeitsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 19. Januar bis 01. Juli 1999 zu Recht als unbegründet erachtet.

a) Der Anspruch des Klägers scheitert schon daran, daß er diesen nicht rechtzeitig geltend gemacht hat. Gemäß § 1 Abs. 2 der AVB der Beklagten (Bedingungen für die Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung) entsteht der Anspruch auf Arbeitsunfähigkeitsrente nach Ablauf von 2 Monaten nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Wird diese aber später als 3 Monate nach ihrem Eintritt schriftlich gemeldet, so entsteht der Anspruch erst mit dem Beginn des Monats der Mitteilung (§ 1 Abs. 2 S. 2 AVB). Diese Klausel ist wirksam. Sie hält der Kontrolle nach dem AGB-Gesetz stand (vgl. für die entsprechende Klausel in 1 Nr. 3 BB-BUZ: BGH VersR 95, 82).

b) Im Streitfall hat der Kläger die Arbeitsunfähigkeit erst am 30. Dezember 1997, also verspätet gemeldet.

Das Schreiben vom 28. Januar 1997, mit dem der Kläger bereits eine entsprechende Meldung abgegeben haben will, ist der Beklagten nicht nachweislich zugegangen. Der Zeuge R P hat einen Zugang dieses Schreibens bei der N-Bank als zuständige Empfangsstelle (Ziffer 3.4 der tariflichen Bestimmungen der Beklagten) nicht bestätigt (vgl. Protokoll des Landgerichts NürnbergFürth vom 03. August 1999, Seite 123 ff.). Einen weiteren Beweis hat der Kläger nicht angetreten. Sein Beweisangebot auf Vernehmung der Zeugin H (Schriftsatz vom 26. November 1998, Seite 6, Bl. 31 d.A.) ist unbehelflich, weil die bloße Absendung eines Schreibens nicht zugleich dessen Zugang beweist. Auch ein Anscheinsbeweis besteht insoweit nicht (vgl. Palandt-Heinrichs, 59. Aufl., RZ 21 zu § 130 BGB).

Auf mangelndes Verschulden (BGH VersR 95, 82) kann sich der Kläger nicht berufen. Mit dem Verlust von Postsendungen ist zu rechnen. Zudem hätte der Kläger bei der Beklagten alsbald nachfragen müssen, nachdem eine Reaktion auf seine Meldung nicht erfolgte.

Da der Anspruch des Klägers somit insoweit unbegründet ist, hat das Landgericht die Klage in diesem Punkt zu Recht abgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers ist als unbegründet zurückzuweisen.

2. Berufung der Beklagten:

Dieses Rechtsmittel ist ebenfalls unbegründet.

Das Landgericht hat dem Kläger für seine Krankenzeit vom 10. Januar bis 12. Juli 1995 zu Recht eine weitere Arbeitsunfähigkeitsrente in Höhe von 2.124,00 DM zugesprochen.

Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch. Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß das Landgericht insoweit die Wartefrist aus § 1 Abs. 2 Satz 1 AVB der Beklagten nicht beachtet habe. Diese Klausel hält nämlich der Kontrolle nach dem AGBG nicht stand und ist gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 AGBG nichtig.

a) § 1 Abs. 2 S. 1 AVB der Beklagten unterliegt der Inhaltskontrolle, weil er das in § 1 Abs. 1 AVB gegebene Hauptleistungsversprechen wieder einschränkt (BGH NJW 99, 2280; Wolf-Horn-Lindacher, BGB-Gesetz, 3. Aufl., RZ 498 zu § 23 AGBG).

b) Bei der von der Beklagten angebotenen Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung handelt es sich - wie auch die Beklagte nicht in Abrede stellt - um eine sogenannte "Verdienstausfallversicherung". Ihre Zweckbestimmung liegt in erster Linie darin, dem Versicherungsnehmer die durch den Ausfall seiner Arbeitskraft entstehenden Vermögensnachteile auszugleichen (vgl. für die Krankentagegeld-Versicherung, Bach/Moser, private Krankenversicherung, 2. Aufl., RZ 1 zu § 1 MB/KT, m.w.N.). Die versicherte Vermögenseinbuße besteht hier im Anfall des Arbeitsentgeltes, im Verzug mit den einzelnen Kreditraten und den hieraus weiter erwachsenden Vermögensnachteilen. Dies soll durch Zahlung einer monatlichen Arbeitsunfähigkeitsrente in Höhe der Kreditraten ausgeglichen werden (§ 1 Abs. 1 AVB der Beklagten und Ziffer 3.2 der zugehörigen tariflichen Bestimmungen).

In der Krankentagegeld-Versicherung kommt der Charakter als Verdienstausfallversicherung sehr deutlich in den Arbeiter- und Angestelltentarifen zum Ausdruck. Diese sehen überwiegend vor, daß ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit - also direkt im Anschluß an die Lohn- bzw. Gehaltsfortzahlung des Arbeitgebers - das Tagegeld in der vereinbarten Höhe gezahlt wird. Das Krankentagegeld hat hier also die Funktion eines unmittelbaren Lohn- bzw. Gehaltsersatzes (vgl. Bach/Moser, a.a.O., RZ 2 zu § 1 MB/KT). Aus diesem Sinn und Zweck der Verdienstausfallversicherung wird deshalb für die Krankentagegeldversicherung gefolgert, daß für den Fall, daß dem Versicherungsnehmer durch seine Krankheit keinerlei Verdienstausfall entsteht für eine Versicherungsleistung kein Bedürfnis besteht und eine solche deshalb auch rechtlich nicht bejaht werden kann (vgl. OLG Köln, VersR 88, 593). Umgekehrt ist jedoch aus diesem versicherungswirtschaftlichen Zweck der Verdienstausfall-Versicherung zu folgern, daß der Versicherungsnehmer stets dann und insoweit Versicherungsschutz genießen muß, als ihm ein Verdienstausfall tatsächlich entsteht. Zu erwarten ist demnach ein möglichst lückenloser Deckungsschutz in der Weise, daß die Arbeitsunfähigkeits-Versicherung der Beklagten stets in dem Zeitpunkt eingreift, zu dem der Anspruch des versicherten Arbeitnehmers - um den es sich hier handelt - nach den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes endet (vgl. § 3 EntgeltfortzG). Dies ergibt sich unmittelbar aus der Lohnersatzfunktion der Arbeitsunfähigkeits-Versicherung. Nur eine derartige Folgerung entspricht dem Grundsatz der interessengerechten Auslegung und der Redlichkeit. Eine Auslegung, die diese Grundsätze nicht beachten würde, würde wesentliche Rechte des Versicherungsnehmers, wie sie sich aus der konkreten Natur des Vertrages ergeben, so einschränken, daß die Erreichung des Versicherungszwe Eine AGB-Klausel, die über diese Grenzen hinausgeht, ist deshalb gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG unwirksam (vgl. zum Grundsatz: BGH NJW 90, 2388).

c) Unbegründet ist demgegenüber der Einwand der Beklagten, daß dieser - vom Senat dargestellte Versicherungszweck - für den einzelnen Versicherungsnehmer nicht erkennbar und deshalb nicht zu berücksichtigen sei. Zwar ist es zutreffend, daß allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen darf (vgl. BGH NJW 93, 2369; NJW-RR 92, 469). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (BGH, a.a.O.). Dies schließt jedoch nicht generell aus, daß die mit einer Versicherung verfolgten versicherungswirtschaftlichen Zwecke berücksichtigt werden. Dies gilt problemlos insoweit, als diese dem aufmerksamen und verständigen Durschhittsversicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. BGH VersR 96, 500; Prölss/Martin, 26. Aufl., Vorbem. III RZ 2 m.w.N.). Auch ohne diese Erkennbarkeit sind die konkreten Zwecke aber in die Auslegung einzubeziehen, soweit dies für den Versicherungsnehmer lediglich günstig ist (vgl. BGH VersR 95, 83; Prölss, a.a.O., RZ 2 und RZ 12). Letzteres ist hier der Fall, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen.

d) In bezug auf die Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung der Beklagten wird der durchschnittliche, versicherungsjuristisch nicht vorgebildete Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennen, daß die ihm versprochene monatliche Arbeitsunfähigkeitsrente zur Deckung der jeweiligen Kreditraten Lohnersatzfunktion hat und die ihm durch den Verlust seiner Arbeitskraft entstehenden Lohnnachteile ausgleichen soll. Er erwartet deshalb, daß die ihm zugebilligte Rente in zeitlicher Hinsicht komplementär zum Verlust seiner Lohnbezüge verläuft und insoweit eine Deckungslücke möglichst nicht entsteht.

Eine derartige Deckungslücke besteht nach den AVB der Beklagten bereits insoweit, als nach dem EntgeltfortzG (§ 3 Abs. 1) ein Anspruch des versicherten Arbeitsnehmers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur für die Dauer einer Arbeitsfähigkeit von 6 Wochen besteht, § 1 Abs. 2 AVB der Beklagten den Anspruch auf die Arbeitsunfähigkeitsrente aber erst mit Ablauf des zweiten Monats nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entstehen läßt. Diese Deckungslücke hat allerdings noch nicht die Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel zur Folge. Sie ist nämlich noch durch berechtigte Interessen der Beklagten gedeckt. Im Gegensatz zur Krankentagegeld-Versicherung handelt es sich bei der vorliegenden Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung um eine akzessorische Versicherung, die die regelmäßige Zahlung der Kreditraten des Versicherungsnehmers abdecken soll. Diese Raten entstehen aber regelmäßig am Beginn eines Monats, so daß bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Lauf des Monats bei Zahlung einer Teilrente seitens der Beklagten der Verzug für diesen Monat nicht mehr völlig geheilt werden könnte, da dies stets die völlige Erfüllung der verzögerten Leistung voraussetzt, auch wenn dem Gläubiger gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 VerbrKG bei Teilzahlungskrediten nicht das Zurückweisungsrecht aus § 266 BGB zusteht (vgl. Staudinger, 13. Aufl., RZ 79 zu § 284 BGB). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte den zeitlichen Beginn der Arbeitsunfähigkeitsrente auf den Monatsersten verlegt, der dem Monat, in dem die 6-wöchige Lohnzahlung nach dem EntgeltfortsetzG endet, folgt. Tritt aber die Arbeitsunfähigkeit am Ende eines Monats ein, so entspricht dies einem Beginn der Arbeitsunfähigkeitsrente mit Ablaufdes zweiten Monats nach deren Eintritt. Anders liegt der Fall zwar, wenn die Arbeitsunfähigkeit zum Monatsersten eines Kalendermonats beginnt. Wegen der notwendigen typisierenden Betrachtungsweise ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte die hier getroffene, erweiternde Regelung gewählt hat.

e) Im Streitfall besteht jedoch eine weitere Deckungslücke deshalb, weil nach der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 EntgeltfortzG bei Erkrankungen infolge desselben Grundleidens die 6-Wochen-Frist des § 3 Abs. 1 Satz 1 EntgeltfortzG nicht - wie in der Regel (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EntgeltfortzG) - bei jeder neuen Arbeitsunfähigkeit neu zu laufen beginnt. Vielmehr verliert nach dieser ergänzenden gesetzlichen Regelung der Arbeitnehmer den Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von 6 Wochen nur dann nicht, wenn:

1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens 6 Monate nicht infolge derselben Grunderkrankung arbeitsunfähg war

2. seit Beginn der ersten Unfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von 12 Monaten abgelaufen ist.

Allein für diese Fälle wird also der "Fortsetzungszusammenhang" für Erkrankungen infolge desselben Grundleidens zu Gunsten des Arbeitnehmers unterbrochen (vgl. BAG DB 83, 233; Zöllner, Arbeitsrecht, 5. Aufl., S. 233).

Dies hat zur Folge, daß die Beklagte mit Rücksicht auf die arbeitsrechtliche Komplementarität ihrer Zusatzversicherung ihren Deckungsschutz dem unterbrochenen Fortsetzungszusammenhang anzupassen hat.

f) Dies bedeutet:

Für die Fälle, in denen der Fortsetzungszusammenhang wegen desselben Grundleidens gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 EntgeltfortzG unterbrochen ist, dem Arbeitnehmer, also ein Anspruch auf Lohnfortzahlung zusteht, ist eine erneute Wartefrist bei wiederholter Erkrankung gerechtfertigt. Soweit allerdings eine Unterbrechung des Fortsetzungszusammenhangs nicht in Betracht kommt, kann der Arbeitnehmer erwarten, daß ihm der dadurch entstehende Lohnausfall durch die Beklagte ersetzt wird.

g) Diese notwendige Differenzierung hat die Beklagte in ihren AVB nicht berücksichtigt. Nach dem eindeutigen Wortlaut in § 1 Abs. 2 AVB entsteht der Anspruch auf Arbeitsunfähigkeitsrente generell erst mit Ablauf des zweiten Monats nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Die genannten Fälle des Zortsetzungszusammenhangs sind nicht handelt.

h) Dies führt zur Unwirksamkeit der Klausel. Aus dem Erfordernis der konkreten tatbestandlichen Ausformung einer AGB-Klausel ergibt sich nämlich für den Klauselhersteller das Gebot der Differenzierung, wenn für verschiedenartige typische Fallgestaltungen unterschiedliche Beurteilungen hinsichtlich der Angemessenheit zu treffen sind. Eine einheitliche Regelung für alle Fallgruppen ist dann unangemessen, wenn die erforderliche Differenzierung unterlassen wird und deshalb eine Fallgruppe nicht mehr interessengerecht geregelt ist (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 92, 444; BGH NJW 85, 320; 90, 2388; Wolf in Wolf, Lindacher Horn, a.a.O., RZ 152 zu § 9 AGBG). Ein Aufrechterhalten der Klausel im übrigen im Wege einer teleologischen oder geltungserhaltenden Reduktion kommt hier nicht in Betracht (vgl. BGH ZiP 96, 700; Wolf, a.a.O., RZ 31 zu § 9 AGBG).

Die Klausel in § 1 Abs.2 Satz 1 AVB der Beklagten verfällt somit insgesamt der Nichtigkeit.

i) Insoweit entsteht allerdings eine Vertragslücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist. Es ist anerkannt, daß eine ergänzende Vertragsauslegung im Rahmen des § 6 Abs. 2 AGBG dann zulässig ist, wenn dispositive Gesetzesvorschriften fehlen und die ersatzlose Streichung der Klausel keine angemessene Lösung für die beteiligten Interessen mehr bietet (vgl. BGH NJW 89, 3010; Wolf, a.a.O., RZ 30 zu § 9 AGBG und RZ 15 ff. zu 6 AGB G).

So liegt der Fall hier. Der redliche Versicherungsnehmer kann nicht erwarten, daß ihm die Beklagte auch für die Zeiten, für die er Anspruch auf Lohnfortzahlung hat, Versicherungsschutz bietet (so ausdrücklich für die Krankengeldtagegeld-Versicherung und OLG Köln VersR 88, 593). Der Abschluß einer Versicherung soll - zumindest in der hier vorliegenden Schadensversicherung - nicht zu einer Bereicherung des Versicherungsnehmers führen (vgl. Prölss, a.a.O., RZ 28 zu § 1 VVG und RZ 1 ff. zu § 55 VVG).

Bei dieser Sach- und Interessenlage ist § 1 Abs. 2 Satz 1 AVB der Beklagten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend zu interpretieren, daß der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Arbeitsunfähigkeitsrente grundsätzlich nach Ablauf von 2 Monaten nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entsteht. Eine Ausnahme besteht jedoch für die in § 3 Abs. 1 Satz 2 EntgeltfortzG genannten Fälle des unterbrochenen Fortsetzungszusammenhangs (Erkrankungen infolge desselbenGrundleidens). Für diese Fälle entsteht der Versicherungsschutz - ohne Wartefrist - für alle Erkrankungen innerhalb von 6 Monaten nach Ablauf der letzten Krankheit bzw. innerhalb von 12 Monaten seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit. Für diese Alternativen steht dem Versicherungsnehmer abweichend vom Grundsatz des § 3 Abs. l Satz 1 EntgeltfortzG - kein Anspruch auf Lohnfortzahlung zu, so daß insoweit die Lohnersatzfunktion der Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung der Beklagten eingreifen muß.

k) Dies bedeutet für den Streitfall:

Durch die Auskünfte der behandelnden Ärzte des Klägers vom 02. Juli 1995 und 23. März 1999 ist erwiesen, daß die klagegegenständliche Erkrankung des Klägers vom 10. Januar bis 12. Juli 1995 sowie dessen Vorerkrankung vom 12. April bis 20. Oktober 1994 auf demselben Grundleiden beruhen (Verengung der Herzkranzgefäße). Da der Kläger nach Ende der Vorerkrankung (20. Oktober 1994) bis zur erneuten Erkrankung am 10. Januar 1995 nicht mindestens 6 Monate arbeitsfähig war, steht ihm gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EntgeltfortzG ein Anspruch auf Lohnfortzahlung gegen seinen Arbeitgeber nicht zu. Dies bedeutet, daß er nunmehr für diese Erkrankung - ohne Wartefrist - Versicherungsschutz aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung beanspruchen kann.

1) Das Landgericht hat somit dem Kläger zu Recht den Anspruch auf Zahlung zweier weiterer Monatsrenten in Höhe von insgesamt 2.124,00 DM zuerkannt. Die klagegegenständliche Arbeitsunfähigkeit des Klägers erstreckte sich nicht über 6 Monate. Da unter diesem Umstand - wie ausgeführt - eine Wartefrist nicht Platz greift, ist der Kläger kalendermäßig zu entschädigen. Nachdem die Beklagte - unstreitig - bislang lediglich 4 Monatsraten bezahlt hat, stehen dem Kläger noch die restlichen zwei Monatsraten zu.

Das Rechtsmittel der Beklagten gegen das stattgebende Ersturteil ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

III.

Kosten: § 92 Abs. 1, 91 a ZPO.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben (4.248,00 DM) hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen (§ 91 a Abs. 1 ZPO) zu tragen, weil der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit für den klagegegenständlichen Zeitraum vom 10. Januar bis 11. Juli 1995 erst im Laufe des Prozesses nachgewiesen hat (Auskunft der Ärzte Dr. Sch und B vom 23. März 1999; vgl. OLG Nürnberg, VersR 987, 1130).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Festsetzung der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 ZPO.

VI.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 546 Abs. 1 ZPO)

Ende der Entscheidung

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