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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 22.09.2003
Aktenzeichen: 8 U 632/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGZPO, VVG, VAG, AVB


Vorschriften:

BGB § 126 b
BGB § 247
BGB § 306
BGB § 812 Abs. 1 S. 1
BGB § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt.
ZPO § 313 a Abs. 1, S. 1
ZPO § 540 Abs. 2
EGZPO § 26 Nr. 8
VVG § 5 a
VVG § 5 a Abs. 1
VVG § 5 a Abs. 2
VVG § 5 a Abs. 2 S. 1
VAG § 10 a
AVB § 6 Abs. 1
AVB § 6 Abs. 2
AVB § 17 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

8 U 632/03

Verkündet am 22. September 2003

In Sachen

wegen Forderung,

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Richter am Oberlandesgericht Rebhan als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht Nußstein und den Richter am Landgericht Mager aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin zu 1) gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16.01.2003 wird zurückgewiesen.

II. 1. Auf die Berufung des Klägers zu 2) wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16.01.2003 abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2) 4.307,30 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinsatz gemäß § 247 BGB seit dem 26.04.2002 zu zahlen.

3. Im übrigen wird die Berufung des Klägers zu 2) zurückgewiesen.

III. Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 1) 11 %, der Kläger zu 2) 26 % und die Beklagte 63 %.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin zu 1) 11 %, der Kläger zu 2) 26 %.

Die Beklagte trägt 30 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1).

Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe:

A.

Von der Darstellung der Tatsachengrundlagen wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1, S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

B.

Die Berufungen der Klageparteien sind zulässig, insbesondere sind sie rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§§ 511, 517, 519, 520 Abs. 2 ZPO).

In der Sache hat das Rechtsmittel der Klägerin zu 1) keinen Erfolg, die Berufung des Klägers zu 2) ist zum großen Teil erfolgreich.

I. Ein Rückzahlungsanspruch der Klageparteien nach § 5 a Abs. 1 VVG i.V.m. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB ist nicht gegeben.

Die Zahlungen der Kläger erfolgten nicht rechtsgrundlos, sondern auf Grund eines jeweils zwischen den Parteien gemäß § 5 a Abs. 1 VVG nach dem sogenannten Policemodell zustandegekommenen Rentenversicherungsvertrages.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält das Schreiben der Kläger vom 14.12.2001 eine formgerechte Widerspruchserklärung i.S.d. § 5 a VVG (in der seit dem 01.08.2001 geltenden Fassung), obwohl dieses Schreiben nur eine Unterschrift trägt.

Das Schreiben wahrt die Textform des § 126 b BGB, die erklärenden Personen ergeben sich aus dem Briefkopf.

Die Erklärung wird zwar lediglich durch die Unterschrift der Klägerin abgeschlossen, die Beklagte hat jedoch die fehlende Unterschrift des Klägers, also die von der Klägerin mit ihrer Unterschrift behauptete Vertretungsmacht des im Briefkopf gleichfalls aufgeführten Klägers - dessen Vertragsnummer neben der der Klägerin im Betreff des Schreibens genannt war - bei der Entgegennahme des Schreibens nicht beanstandet (§ 180 BGB). Die Schreiben der Beklagten vom 17.01.2002 an beide Klageparteien (Anl. K 12 und K 13) zeigen vielmehr, daß die Beklagte von einen Widerspruch beider Klageparteien ausgegangen ist. Der nachfolgende Schriftverkehr sowie die Klageerhebung belegen überdies, daß die von der Klägerin unterzeichnete Widerspruchserklärung vom 14.12.2001 auch dem Willen des Klägers zu 2) entsprochen hat oder jedenfalls von ihm genehmigt worden ist (§ 177 Abs. 1 BGB).

2. a) Die Widerspruchserklärungen vom 14.12.2001 sind jedoch verspätet, da die Kläger (unstreitig) nicht innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Versicherungsunterlagen mit Schreiben vom 08.01.2001 an die Klägerin und mit Schreiben vom 06.03.2001 an den Kläger - jeweils unter Hinweis auf die 14-tägige Widerspruchsfrist - widersprochen haben (§ 5 a Abs. 1 S. 1 VVG).

b) Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, daß die Versicherungsunterlagen nicht vollständig übermittelt worden seien und damit die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei (§ 5 a Abs. 2 S. 1 VVG).

Die Kläger haben unstreitig die gemäß § 5 a Abs. 1 VVG i.V.m. § 10 a VAG erforderlichen Unterlagen erhalten.

Die vom Kläger unter Berufung auf die Entscheidungen des BGH vom 09.05.2001 (VersR 2001, 839 und 841) behauptete Intransparenz der Versicherungsbedingungen, insbesondere von § 6 der verfahrensgegenständlichen AVB, stellt keine Unvollständigkeit i.S.d. § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG dar.

Der Senat schließt sich insofern der herrschenden Meinung in der Literatur an (vgl. van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 2. Aufl., § 13 Rn 45; Werber, VersR 2003, 148 ff; Wandt, VersR 2001, 1449; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 5 a Rn 41 a.e.). Für diese Auffassung spricht bereits der Gesetzeswortlaut, in dem lediglich auf das Unterlassen der Verbraucherinformation bzw. auf die fehlende Übergabe der Versicherungsbedingungen abgestellt wird. Sinn und Zweck des § 5 a VVG sprechen zudem gegen eine Gleichsetzung von Fällen, in denen wegen Intransparenz unwirksame Klauseln übergeben worden sind, mit Fällen der Unvollständigkeit von Unterlagen. Letzteres kann nur angenommen werden, wenn die Verbraucherinformation fehlt oder völlig inhaltslos ist. § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG stellt die zivilrechtliche Sanktionierung einer aufsichtsrechlich gebotenen Verbraucherinformation sicher. Eine Sanktionierung von Verstößen gegen das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nicht Ziel der Vorschrift. Für diesen Fall bestimmt § 306 BGB die notwendigen Rechtsfolgen, danach richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften.

Für eine erweiternde Auslegung des Widerspruchsrechts nach § 5 a Abs. 2 VVG auf Fällen von unwirksamen Klauseln besteht deshalb keine Veranlassung; zudem ist bei den vorliegenden Verträgen -unstreitig- eine Vertragsanpassung, d.h. eine Umgestaltung der bisherigen AGB erfolgt (van Bühren, a.a.O.; Landgericht Stuttgart, Urteil vom 07.07.2003, Az.: 22 O 101/03; OLG Celle, VersR 2003, 1113).

3. Überdies sind die verfahrensgegenständlichen AVB, insbesondere die Bestimmungen zum Rückkaufswert, zu den Abschlußkosten und zur Beitragsfreistellung (§§ 6, 17 AVB sowie § 3 der vertragsgegenständlichen Tarifbedingungen für Tarif NFR 2110) nicht intransparent.

Der BGH hat zwar in den bereits erwähnten Entscheidungen vom 09.05.2001 ausgeführt, bei Lebensversicherungsverträgen sei eine klare und durchschaubare Darstellung des Rückkaufswertes, am besten in Form einer Tabelle, geboten, die deutlich macht, daß in den ersten beiden Jahren nach Vertragsschluß kein Rückkaufswert besteht; außerdem müsse - ebenfalls am besten in Form einer Tabelle - deutlich gemacht werden, daß und in welcher Weise das Anwachsen des Kapitals durch Abschlußkosten belastet wird.

Diese Entscheidungen des BGH befassen sich aber mit kapitalbildenden Lebensversicherungen. Bei. fondsgebundenen Rentenversicherungen wie im vorliegenden Fall ist jedoch die Erstellung einer Tabelle zum Rückkaufswert nicht möglich, da bei derartigen Lebensversicherungen wegen des täglich wechselnden Kurswerts der Fondsanteile eine genaue Festlegung des Wertes der Anteile und damit des Rückkaufswertes nicht möglich ist. Demzufolge stellt es bei fondsgebundenen Lebensversicherungen eine ausreichende Verbraucherinformation dar, wenn in. § 6 Abs. 4 der vertragsgegenständlichen AVB ausgeführt ist, daß die Wertentwicklung des Vertrags in ihrer Höhe von den Erträgen der Anlagestöcke ... abhängig ist und verbindliche Angaben über die künftigen Rückkaufswerte und beitragsfreien Werte daher nicht möglich sind. In § 17 Abs. 3 AVB wird der Versicherungsnehmer zudem darauf hingewiesen, daß in der Anfangszeit der Versicherung kein Rückkaufswert und keine beitragsfreien Werte vorhanden sind. Eine nähere Präzisierung bezüglich der Rückkaufswerte ist bei fondsgebundenen Lebensversicherungen typenbedingt nicht machbar.

II. Die verspätet abgegebenen, also unwirksamen Widerspruchserklärungen der Klageparteien können jedoch in ordentliche Kündigungserklärungen umgedeutet werden (§ 140 BGB), was dazu führt, daß zwar der Klägerin zu 1) trotz § 3 Abs. 1 der Tarifbedingungen NFR 2110 ein Rückkaufswert nicht zusteht, dem Kläger jedoch nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ein Betrag in Höhe von 4.307,30 EUR.

1. a) Eine derartige Umdeutung ist ebenso möglich wie bei einer unzulässigen außerordentlichen Kündigung (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 8 Rn 8 ff; OLG Hamm VersR 86, 759; OLG Düsseldorf, NVersZ 2001, 571). Entscheidend ist der mutmaßliche Wille des Versicherungsnehmers; es muß sich feststellen lassen, daß der Erklärende den rechtlich zulässigen Weg gewählt hätte, wenn er die Nichtigkeit des Erklärten erkannt hätte.

Unter dieser Prämisse kann davon ausgegangen werden, daß die Kläger, die eine rückwirkende Auflösung ihrer Versicherungsverträge wünschten, sich für eine ordentliche Kündigung entschieden hätten, wenn sie erkannt hätten, daß ihr Widerspruch unzulässig ist. Die Kündigung führt nämlich annähernd zu dem selben Erfolg, lediglich der Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungsverhältnisses ist unterschiedlich. Die Kündigung bewirkt gemäß § 6 Abs. 1 AVB die Beendigung des Vertragsverhältnisses zum Schluß der im Zeitpunkt der Erklärung laufenden Versicherungsperiode, also zum 31.01.2002; Versicherungsbeginn war nämlich der 01.02.2001. Das Ersatzgeschäft reicht also in seinen rechtlichen Wirkungen nicht weiter als der Widerspruch.

Der Erklärung der Klageparteien im Schriftsatz vom 14.12.2001 läßt sich deren mutmaßlicher Wille zur Kündigung der Verträge entnehmen. Dies ergibt sich vor allem daraus, daß sie die Auflösung des Versicherungsverhältnisses, und die Rückerstattung der bereits erbrachten Zahlungen wünschten. Wenn sie schon wegen verspäteter Widerspruchserklärungen keine Auflösung des Vertragsverhältnisses von Anfang an erreichen konnten, muß jedenfalls der Wille der Klageparteien unterstellt werden, sich zu einen möglichst frühzeitigen Zeitpunkt aus den Versicherungsverhältnissen zu lösen, also gemäß § 6 Abs. 1 AVB zum 31.01.2002, um (wenigstens) die Auszahlung des Rückkaufswertes nach § 6 Abs. 2 AVB i.V.m. § 3 Abs. 1 der Tarifbedingungen NFR 2110 bzw. des Guthabens auf dem Beitragsdepot zu erreichen.

b) Diesem Willen der Klageparteien wird die von der Beklagten vorgenommene Umdeutung der Widerspruchserklärungen vom 14.12.2001 in eine Beitragsfreistellung, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 14.07.2003 zum Ausdruck gebracht, nicht gerecht.

2. Nach § 6 Abs. 2 AVB i.V.m. § 3 der Tarifbedingungen steht dem kündigenden Versicherungsnehmer der Rückkaufswert vermindert um evtl. rückständige Beiträge zu.

a) Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten besteht für beide Verträge nach Ablauf des ersten Versicherungsjahres -abgesehen von den bereits an die Klägerin in März 2002 zurückerstatteten 190,22 EUR - kein Rückkaufswert.

b) Dennoch stehen dem Kläger zu 2) nach Kündigung des Versicherungsvertrages zum 31.01.2002 gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB 4.307,30 EUR zu.

Der Kläger zu 2) hat nämlich am 22.02.2001 auf ein Beitragsdepot bei der Beklagten 12.000,00 DM einbezahlt.

Von diesem Depot wurden für die Dauer des Vertragsverhältnisses, also bis 31.01.2002, die Beiträge in Höhe von monatlich 300,00 DM abgebucht. Der Kläger zu 2) kann also Rückzahlung des noch nicht verbrauchten Guthabens, das die Beklagte in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat -unbestritten- auf 4.289,43 EUR beziffert hat, verlangen. Da davon auszugehen ist, daß entsprechend dem Schreiben der Beklagten vom 08.03.2001 (siehe Anlage K 5) die Zinsgutschrift zum Jahresende 2001 erfolgt ist, also in dem Betrag von 4.289,43 EUR enthalten ist, sind diesem Betrag lediglich noch entsprechend dem vorgenannten Schreiben der Beklagten 5 % Zinsen für Januar 2002, also 17,87 EUR hinzuzurechnen, so daß sich die Gesamtforderung des Klägers gegen die Beklagte auf 4.307,30 EUR beläuft. Die Beklagte ist somit unter entsprechender Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Zahlung von 4.307,30 EUR nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe (§ 288 BGB) an den Kläger zu verurteilen. Die weitergehende Berufung des Klägers sowie die Berufung der Klägerin sind unbegründet.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 97, 100 Abs. 1 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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