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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 19.12.2001
Aktenzeichen: WS 1418/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 458 Abs. 3
StPO § 462 Abs. 3
StPO § 463 Abs. 1
Lehnt das Gericht eine vorläufige Maßnahme nach § 458 Abs. 3 StPO ab, ist dagegen die (sofortige) Beschwerde unstatthaft.
WS 1418/01

Nürnberg, den 19. Dez. 2001

In der Maßregelvollzugssache

wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.

hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Ablehnung der Unterbrechung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung,

erläßt der Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing vom 25.10.01 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe:

... wurde mit Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 03.06.1997 - 1 KLs 8 Js 6082/96 - wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in vier selbständigen Fällen in Tatmehrheit mit Verbreitung pornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Die Strafe wurde bis 25.11.00 in der Justizvollzugsanstalt vollstreckt, seit 26.11.00 wird dort die Sicherungsverwahrung vollzogen.

Mit Beschluß vom 14.06.01 hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing festgestellt, daß der Zweck der im Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 03.06.1997 angeordneten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung den Vollzug der Maßregel noch erfordert.

Mit Beschluß vom 07.09.01 hat der Senat auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten den Beschluß vom 14.06.01 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Mit Beschluß vom 25.10.01 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing den Antrag des Verurteilten vom 18.10.01, die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung gem. § 458 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 StPO zu unterbrechen, zurückgewiesen.

Gegen diesen am 30.10.01 zugestellten Beschluß hat der Verurteilte zur Niederschrift des Amtsgerichts Straubing am 31.10.01 sofortige Beschwerde eingelegt und diese mit Schreiben vom 09.11.01, eingegangen bei Gericht am 13.11.01, begründet.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Nürnberg beantragt, die sofortige Beschwerde des Verurteilten als unbegründet zu verwerfen.

Die sofortige Beschwerde ist nicht statthaft und damit als unzulässig zu verwerfen.

Bei den Entscheidungen des Gerichts nach § 458 Abs. 3 StPO, der für die Vollstreckung von Maßregeln der Sicherung über § 463 Abs. 1 StPO anzuwenden ist, handelt es sich um vorläufige Anordnungen, mit denen das Gericht, wenn nicht bereits die Vollstreckungsbehörde wegen der Zweifelhaftigkeit der Vollstreckung entsprechende Maßnahmen getroffen hat, auf Antrag oder von Amts wegen den Aufschub oder die Unterbrechung der Vollstreckung anordnen kann (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage, § 458 Rn 13; KK-Fischer, StPO, 4. Auflage, § 458 Rn 20; KMR-Paulus, § 458 Rn 29). Damit handelt es sich nicht um endgültige Entscheidungen des Gerichts nach § 458 Abs. 1 u. 2 StPO i.S.d. § 462 Abs. 1 S. 1 StPO, die gem. § 462 Abs. 3 S.1 StPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind (vgl. KMR-Paulus, a.a.O., § 458 Rn 31; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 458 Rn 16). Die Vorschrift des § 462 Abs. 3 S. 2 StPO ist dahingehend auszulegen, daß nur gegen die vorläufige Anordnung des Gerichts, mit der die Vollstreckung der Strafe oder Maßregel unterbrochen wird, die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde hat und diesem aufschiebende Wirkung zukommt. Damit soll verhindert werden, daß ein rechtskräftig zu einer Strafe oder Maßregel Verurteilter im Wege einer vorläufigen Anordnung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug ohne eine Überprüfungsmöglichkeit durch ein Beschwerdegericht bis zur endgültigen Entscheidung freikommt. Im Vollstreckungs- und Maßregelvollzugsverfahren gilt hinsichtlich der Anfechtbarkeit gerichtlicher Entscheidungen das Enumerationsprinzip, d. h. Vollstreckungsentscheidungen sind nur in den Fällen einer Anfechtung zugänglich, in denen der Gesetzgeber die Rechtsmittel ausdrücklich zur Verfügung stellt (OLG Hamm, NStZ 1989, 443; OLG Stuttgart, NStZ 1989, 492). Deshalb ist die Vorschrift des § 462 Abs. 3 StPO einengend im vorerwähnten Sinn auszulegen und § 304 Abs. 1 StPO nicht anwendbar. Würde man auch ein Rechtsmittel gegen eine vorläufige Entscheidung, mit der die Unterbrechung der Vollstreckung abgelehnt wird, als statthaft ansehen, so könnte gerade die Prüfung des Gerichts nach § 67 c Abs. 1 StGB durch entsprechende Anträge und Rechtsmittel des Verurteilten und damit die zwingend zu treffende Entscheidung in der Sache hinausgezögert werden. Der vom Oberlandesgericht Düsseldorf vertretenen Gegenmeinung (StV 1994, 260), die - soweit ersichtlich - ohne nähere Begründung von einer Zulässigkeit des Rechtsmittels des Verurteilten ausgeht, kann aus den vorerwähnten Gründen nicht gefolgt werden.

Die sofortige Beschwerde wäre im übrigen auch unbegründet, wenn man der Gegenmeinung zur Zulässigkeit des Rechtsmittels folgen würde.

Da das Rechtsmittel des Verurteilten unstatthaft ist, kommt es nicht darauf an, ob nur dann im Wege der vorläufigen Anordnung die Strafvollstreckungskammer den Vollzug der durch Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 03.06.1997 angeordneten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unterbrechen kann, wenn Zweifel daran bestehen, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 458 Rn 13). Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 42, 1 ff.) beruht der Vollzug der Sicherungsverwahrung in der Zeit zwischen dem Strafende und der Entscheidung nach § 67 c Abs. 1 StGB auch in diesem Falle auf einem förmlichen Gesetz (Art. 2 Abs. 2 S. 3, 104 Abs. 1 S.1 GG) und einer richterlichen Entscheidung (Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG). Denn Grundlage dieses Freiheitsentzuges ist die gem. § 66 StGB getroffene Anordnung der Sicherungsverwahrung im Urteil des erkennenden Gerichts, die ausreicht, den Vollzug der Sicherungsverwahrung bis zur Entscheidung der Strafvollstreckungskammer verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Die Gefährlichkeitsprognose des erkennenden Gerichts - ungeachtet des Zeitpunkts, für den sie gestellt ist -, bleibt zunächst so lange maßgebend, bis die Strafvollstreckungskammer unter Berücksichtigung der Entwicklung des Verurteilten während des Strafvollzuges darüber entschieden hat, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Bei diesem Verständnis der gesetzlichen Regelung steht die dem Strafurteil zugrunde liegende Gefährlichkeitsprognose gewissermaßen unter der " auflösenden" Bedingung einer abweichenden Beurteilung durch das Vollstreckungsgericht, dem die Möglichkeit eingeräumt ist, die bei Urteilsfällung gestellte Prognose aufgrund der zwischenzeitlichen Entwicklung nachträglich zu revidieren (BVerfG, a.a.O.). Nur dies ist Gegenstand des Überprüfungsverfahrens der Strafvollstreckungskammer nach §§ 463 Abs. 3; 454 Abs. 1 bis 4 StPO und der nach § 67 c Abs. 1 StGB zu treffenden Entscheidung. Es ist jedoch nicht Aufgabe der Strafvollstreckungskammer in diesem Verfahren zu prüfen und festzustellen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung zwischen dem Strafende und der Entscheidung nach § 67 c Abs. 1 StGB ihn dann in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt, wenn die Strafvollstreckungskammer entweder bei Strafende mit der ihr obliegenden Prüfung ohne vertretbaren Grund noch nicht begonnen hat oder aber trotz rechtzeitig eingeleiteter Prüfung die Entscheidung infolge vermeidbarer Fehler und Verzögerungen nicht binnen angemessener Frist zu treffen vermag (BVerfGE, a.a.O.): Damit käme eine vorläufige Unterbrechung des Maßregelvollzuges nur dann in Betracht, wenn während des Überprüfungsverfahrens konkrete Zweifel bestehen, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert, und es nicht gerechtfertigt wäre, bis zur Entscheidung nach § 67 c Abs. 1 StGB den Verurteilten im Maßregelvollzug zu belassen (a.A. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Nach dem nicht einmal im Haftprüfungsverfahren eine verspätete Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht und damit eine verspätete Entscheidung dieses Gerichts eine Pflicht zur Haftentlassung begründen kann und einer weiteren Haftfortdauer nicht entgegensteht, obwohl für den Untersuchungsgefangenen die Unschuldsvermutung streitet, kann bei vergleichbarer Sachlage erst recht nicht ein rechtskräftig zur Sicherungsverwahrung Verurteilter vom Vollzug dieser Maßregel verschont bleiben (BVerfGE, a.a.O.). Da insbesondere nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. vom 12.11.01 keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß die bei der Urteilsfällung gestellte Prognose aufgrund der zwischenzeitlichen Entwicklung nachträglich zu revidieren ist, hat im übrigen auch die Strafvollstreckungskammer zu Recht eine vorläufige Unterbrechung des Maßregelvollzugs abgelehnt. Nur am Rande ist deshalb festzustellen, daß wesentliche Verfahrensverzögerungen durch den Verurteilten selbst verursacht worden sind. So beantragte er nicht nur selbst am 07.07.00 und 17.08.00 die Erstellung eines Gutachtens durch Prof. Dr., dessen Arbeitsbeanspruchung als Sachverständiger ihm als damaliger Strafgefangener der Justizvollzugsanstalt hinreichend bekannt gewesen sein dürfte. Vielmehr begehrte er nach Mitteilung des schriftlichen Gutachtens vom 13.02.01 auch die Verlegung des Anhörungstermins vom 29.03.01 um mindestens 1 Monat, wobei er behauptete, die Begutachtung habe nur durch Dr. und nicht durch Prof. Dr. stattgefunden. Nachdem der Senat mit Beschluß vom 07.09.01 den Beschluß der Strafvollstreckungskammer vom 14.06.01 aufgehoben und ausgeführt hatte, daß nach Beiziehung der Unterlagen der sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt Würzburg der Sachverständige Prof. Dr. zu dem Gutachten vom 13.02.01 anzuhören ist, hat der Verurteilte die Erholung eines neuen schriftlichen Gutachtens beantragt und einen Befangenheitsantrag gegen Prof. Dr. gestellt, weil nicht zu erwarten sei, daß dieser zu einem anderen Ergebnis käme als zuvor ein Kollege seiner eigenen Abteilung. Nachdem die Strafvollstreckungskammer mit Beschluß vom 25.10.01 die Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. für begründet erklärt hatte, ging am 26.10.01 eine, Stellungnahme des Prof. Dr. vom 22.10.01 ein, wonach er Dr. als Hilfskraft bei der Gutachtenserstattung eingesetzt und sich durch eine eigene Exploration des Verurteilten sehr wohl persönlich Klarheit über diesen und die von Dr. erstellten Erhebungen verschafft habe. Obwohl damit die Behauptung des Verurteilten, nur Dr. und nicht Dr. habe ihn exploriert, widerlegt worden war, mußte die Strafvollstreckungskammer wegen der stattgegebenen Ablehnung des Prof. Dr. ein neues Gutachten bei dem Sachverständigen Dr. erholen, entsprechend dem Antrag des Verurteilten ihm eine entsprechend angemessene Äußerungsfrist einräumen und den bereits auf 08.11.01 anberaumten Anhörungstermin zunächst auf 06.12.01 und dann auf Antrag des Verurteilten auf 17.01.02 verlegen. Der Verurteilte hat sich deshalb vor allem selbst zuzuschreiben, daß bisher noch nicht eine rechtskräftige Entscheidung nach § 67 c Abs. 1 StGB getroffen ist.

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 S. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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