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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 26.09.2001
Aktenzeichen: Ws 1065/01
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 67 g Abs. 1 Nr. 1
Trunkenheit im Verkehr ist weder nach Art noch Gewicht der schweren Brandstiftung vergleichbar und kann nicht als Hinweis auf die Wiederkehr der früheren gefährlichen Verhaltensweise und Grund für den Widerruf der Aussetzung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus herangezogen werden.
Ws 1065/01 750 VRs 65104/00 (750) StA Nbg.-Fth.

Nürnberg, den 26. Sep. 2001

In der Maßregelvollzugssache

wegen einer im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen schweren Brandstiftung;

hier: Sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung des Widerrufs der Aussetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus,

erläßt der Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen den Beschluß der 13. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 03.09.2001 wird als unbegründet verworfen.

II. Die Kosten der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft und die dem Verurteilten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:

I.

Mit Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16.01.2001 wurde die Unterbringung des Beschuldigten R F in einem psychiatriscnen Krankenhaus angeordnet. Zugleich wurde die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt. Zugrunde lag, daß der Verurteilte, der an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt ist, am 28.01.2000 nach einer Auseinandersetzung mit seiner Bekannten, diese mit der flachen Hand ins Gesicht schlug und sich weigerte, die Wohnung von Frau zu verlassen. Als die Geschädigte daraufhin zu einer Nachbarin flüchtete, um die Polizei zu verständigen, zündete der Verurteilte in der Wohnung von Frau die sich in einem Mehrfamilienhaus befindet, den Vorhang über der Wohnzimmertüre an, um die Wohnung zu zerstören. Das Feuer, das sich in der gesamten Wohnung ausbreitete, konnte durch die Polizei gelöscht werden.

Mit Bewährungsbeschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16.01.2001 wurde der Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Daneben wurde ihm die Auflage erteilt, sich einmal im Monat nach Weisung seines Betreuers bei der psychiatrischen Ambulanz im Klinikum in vorzustellen und sich untersuchen zu lassen.

Am 09.05.2001 wurde der Verurteilte wegen Trunkenheit im Verkehr und Fahrens ohne Fahrerlaubnis erneut straffällig. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth stellte das Verfahren mit Verfügung vom 05.09.2001 wegen nichtausschließbarer Schuldunfähigkeit des Verurteilten ein.

Am 15.05.2001 meldete sich der Verurteilte erstmals bei seiner Bewährungshelferin, nachdem diese zuvor vergeblich versucht hatte, mit ihm Kontakt aufzunehmen.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft, die Maßregelbewährung zu widerrufen, erließ die 13. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth mit Beschluß vom 18.07.2001 gegen den seit 12.06.2001 vormundschaftsgerichtlich im Klinikum in untergebrachten Verurteilten einen Unterbringungsbefehl gemäß § 453 c StPO.

Mit Beschluß vom 03.09.2001 hob die 13. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth nach Anhörung des Verurteilten den Unterbringungsbefehl wieder auf und wies den Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft zurück. Zugleich wurde der Verurteilte angewiesen, im Klinikum zu bleiben, bis für ihn eine Wohnung gefunden ist und eine Entlassung in die Wohnung ärztlicherseits befürwortet wird. Darüber hinaus wurde dem Verurteilten die Weisung erteilt, nach Entlassung aus der Klinik sofort seine Wohnung zu beziehen und regelmäßig Kontakt zu Betreuer und Bewähruhgshelferin zu halten.

Gegen diesen am 04.09.2001 zugestellten Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 07.09.2001, eingegangen bei Gericht am 10.09.2001.

II.

Die zulässige Beschwerde (§§ 462 Abs. 3, 463 Abs. 5, 306, 311 StPO) hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 67 g Abs. 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht die Aussetzung einer Unterbringung, wenn der Verurteilte während der Dauer der Führungsaufsicht eine rechtswidrige Tat begeht und sich daraus ergibt, daß der Zweck der Maßregel seine Unterbringung erfordert. Die erneut begangene rechtswidrige Tat muß im Hinblick auf künftige rechtswidrige Tagen eine schlechte Prognose begründen, die in ihrer Qualität, d. h. im Hinblick auf Art und Schwere der befürchteten Taten, der Anordnungsprognose entspricht (Leipziger Kommentar zum StGB, 10. Aufl., § 67 g Rn 17). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar ist der Verurteilte während der Dauer der Führungsaufsicht wegen Trunkenheit im Verkehr und Fahrens ohne Fahrerlaubnis erneut straffällig geworden. Der Zweck der Maßregel erfordert den widerruf der Aussetzung zur Bewährung aber nur, wenn von dem Verurteilten infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Das ist hier nicht der Fall. Bei der vom Verurteilten begangenen Trunkenheit im Verkehr handelt es sich zwar angesichts der gefährdeten Rechtsgüter nicht lediglich um eine Verfehlung von ganz geringem Gewicht. Gleichwohl ist die Tat nicht symptomatisch für die Gefahr, die bei der Anordnung der Maßregel zugrunde gelegt worden ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Unterbringungsanordnung ein allgemein gefährliches Verbrechen von ganz erheblichem Gewicht, nämlich eine schwere Brandstiftung, zugrunde lag. Demgegenüber ist die Trunkenheit im Verkehr weder nach ihrer Art noch nach ihrem Gewicht der schweren Brandstiftung vergleichbar und kann nicht als Hinweis auf die Wiederkehr der früheren gefährlichen Verhaltensweise gewertet werden.

Auch nach § 67 g Abs. 1 Nr. 3 StGB kommt ein Widerruf der Bewährung nicht in Betracht. Danach ist die Aussetzung der Unterbringung zu widerrufen, wenn der Zweck der Maßregel die Unterbringung erfordert, weil sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung durch den Bewährungshelfer beharrlich entzieht. Die widerrufsbegründenden Fakten müssen in Verbindung mit" einer Würdigung des Verhaltens des Verurteilten und seinen früheren Taten ergeben, daß bei weiterem Verbleiben auf freiem Fuß weitere Taten von einem dem Maßregelzweck entsprechenden Gewicht zu besorgen sind (Karlsruhe, MDR 80, 71). Der Umstand, daß sich die Herstellung des ersten Kontaktes zu seiner Bewährungshelferin 2 Monate hinauszögerte, da der - unter seiner Anschrift nicht erreichbare - Verurteilte es vorzog, sich in der freien Natur bzw. in Mülltonnen aufzuhalten, genügt im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht für einen Widerruf. Zum einen ist bereits zweifelhaft, ob dieses Verhalten als "beharrlicher Verstoß" im Sinne des § 67 g Abs. 1 Nr. 3 StGB gewertet werden kann. Zum anderen läßt der Weisungsverstoß nicht den Schluß zu, daß er symptomatisch für den Hang des Verurteilten zur Begehung erheblicher rechtswidriger Taten ist.

Soweit die Staatsanwaltschaft darauf hinweist, daß beim Verurteilten die psychotische Symptomatik nach wie vor fortbestehe, er weder krankheits- noch schuldeinsichtig sei und er regelmäßig Alkohol zu sich nehme, was seine Gefährlichkeit steigere, vermag dies auch nicht einen Widerruf nach § 67 g Abs. 2 StGB zu begründen. Danach widerruft das Gericht die Aussetzung einer Unterbringung, wenn sich während der Dauer der Führungsaufsicht ergibt, daß von dem Verurteilten infolge seines Zustandes rechtswidrige Taten zu erwarten sind und deshalb der Zweck der Maßregel seine Unterbringung erfordert. Für den Widerruf kommt es nicht allein auf die Entwicklung des Krankheitsbildes an. Entscheidend ist vielmehr, daß der veränderte psychische Zustand die dringende Befürchtung begründet, daß der Verurteilte aufgrund seines neuen Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Hierfür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Die psychische Erkrankung des Verurteilten besteht schon seit vielen Jahren und ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl - vom Betreuer veranlagter - stationärer Aufenthalte des Verurteilten in verschiedenen psychiatrischen Kliniken. Allein die fehlende Krankheitseinsicht des Verurteilten sowie sein regelmäßiger Alkoholkonsum lassen aber keine zwingenden Rückschlüsse auf ein künftiges schwerwiegendes strafbares Verhalten des Verurteilen zu.

Im Ergebnis schließt sich daher der Senat der positiven Prognose der 13. Strafkammer an, deren Erkenntnisse auf dem persönlichen Eindruck des Verurteilten sowohl in der Hauptverhandlung als auch bei seiner mündlichen Anhörung beruhten.

Der Senat weist den Verurteilten jedoch darauf hin, daß im Falle eines erneuten Verstoßes gegen die Bewährungsweisungen, insbesondere wenn er sich jeglicher Kontrolle und Beeinflussung durch die Bewährungshelferin entzieht, nur der Widerruf der Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung die Folge sein kann.

Kosten: § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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