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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 15.09.2006
Aktenzeichen: 1 W 50/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 890
1. Ist der Schuldner in einem Wettbewerbsprozess zur Unterlassung verurteilt worden (Unterlassung von "Wildplakatierungen"), obliegt es ihm bei von ihm veranlasster Einschaltung dritter Personen alle nach den Umständen möglichen, erforderlich erscheinenden und ihm zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um eine Verletzung der titulierten Unterlassungsverpflichtung sicher auszuschließen. Kommt der Schuldner dem nicht hinreichend nach, ist das für eine Ordnungsgeldfestsetzung nach § 890 ZPO erforderliche Verschulden gegeben und im Fall des Verstoßes ein Ordnungsgeld gegen ihn festzusetzen.

2.Die titulierte Verpflichtung zur Unterlassung von "Wildplakatierungen" und die darauf bezogenen obigen Sorgfaltspflichten treffen den Schuldner insbesondere auch, wenn er mit einem Dritten die Durchführung einer Musikveranstaltung vereinbart und in dem dazu geschlossenen Vertrag als Vermieter die Räume zur Verfügung zu stellen hat, weitere Leistungen übernimmt, er sich Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Veranstaltung sowie die Werbung hierfür sichert und er an Einnahmen der Veranstaltung beteiligt ist.

Er wird dann der gebotenen Sorgfalt, die ihn als Mitveranstalter trifft, nicht gerecht, wenn er dem Partner die Plakatierung für die Veranstaltung überlässt und sich lediglich auf eine (mündliche) Zusage des Partners über angeblich vorliegende Plakatierungsgenehmigungen verlässt.


Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss

1 W 50/06

In der Beschwerdesache

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...

am 15.9.2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 1.6.2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Durch Anerkenntnisurteil des Landgerichts Oldenburg vom 7.4.2004 wurde die Schuldnerin auf Antrag der Gläubigerin verurteilt, es unter Androhung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, selbst oder durch Dritte Werbeplakate für Waren, Dienstleistungen oder Veranstaltungen unbefugt auf solchen Flächen zu befestigen, aufzustellen oder aufzuhängen, für die ein Werbenutzungsrecht nicht besteht.

Im März 2006 wurde im Stadtgebiet von B... mit Plakaten für einen Auftritt des amerikanischen Künstlers "N..." geworben; diese Veranstaltung fand am 17.3.2006 in den Räumlichkeiten des von der Schuldnerin betriebene "G..." in H... statt. Nach unwidersprochen gebliebener Darlegung der Gläubigerin wurde dabei in verschiedenen Straßen und Stellen plakatiert, für die eine Plakatierungsbefugnis nicht vorlag.

Die Schuldnerin hat geltend gemacht, dass sie selbst die Plakatierung nicht vorgenommen habe, nach einem Veranstaltungsvertrag vom 3.2.2006 dies ausschließliche Aufgabe der T... Projekt, Inhaber G..., gewesen sei und dieser in einem Gespräch, nachdem die Problematik eines Wildplakatierens und das Vorhandensein des Unterlassungstitels angesprochen worden sei, mitgeteilt habe, dass er die erforderliche Genehmigung für die Plakatierungen habe.

Das Landgericht hat auf Antrag der Gläubigerin wegen des Plakatierens im März 2006 ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, festgesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Entscheidung und des dabei zu Grunde gelegten Sachverhalts wird auf den Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 1.6.2006 Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde; das Landgerichts hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Schuldners ist nach §§ 797, 567 ZPO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Schuldnerin (erneut) gegen die titulierte Unterlassungsverpflichtung verstoßen hat.

Die hier relevante Plakatierung für die Veranstaltung am 17.3.2006 mit dem amerikanischen Künstlers "N..." lag im Zuständigkeits- und Verantwortungsbereichs der Schuldnerin.

Dem Veranstaltungsvertrag "S..." ist zu entnehmen, dass die genannte Veranstaltung ein gemeinsames Projekt der Schuldnerin und von T... Projekt (Inhaber G...) war. Nach diesem Vertrag erschöpfte sich die Rolle der Schuldnerin nicht in der eines Vermieters, der lediglich die Veranstaltungsräume gegen Entgelt zur Verfügung stellte. Vielmehr ergibt sich aus diesem Vertrag, dass die Schuldnerin für die genannte Veranstaltung eine Reihe weiterer Leistungen zu erbringen hatte. Andererseits war die Schuldnerin an den im Zusammenhang mit der Veranstaltung entstehenden Kosten und den dabei erzielten Einnahmen beteiligt. Die bei der Veranstaltung erzielten Getränkeeinnahmen sollte die Schuldnerin sogar insgesamt erhalten. Die Programmgestaltung sollte zwar T... Projekt obliegen. Es war jedoch eine Abstimmung mit der Schuldnerin vorgesehen. Dies sicherte ihr eine Einflussnahme auf den Inhalt des Programms.

Dass es sich um ein gemeinschaftliches Projekt der Schuldnerin und ihres Vertragspartners handelte, kommt auch in § 7 des Vertrags zum Ausdruck, der die Werbung für die betreffende Veranstaltung betraf. Die Werbemittel, insbesondere auch Plakate für eine vorgesehene Plakatierung, sollten danach zwar vom Vertragspartner T... Projekt bereitgestellt werden. Die Entwürfe der Werbemittel sollten jedoch nach inhaltlicher Absprache mit der Schuldnerin erstellt werden. Die im Zusammenhang mit der Werbung verwendeten Drucksachen sollten von der Schuldnerin Korrektur gelesen werden. Schließlich war der Schuldnerin vorbehalten worden, weitere, eigene Werbemittel herzustellen und einzusetzen.

Wenn es sich hier - wie den zuvor behandelten Vertragsregelungen entnommen werden muss - um ein Gemeinschaftsprojekt handelte, auf dessen Durchführung die Schuldnerin einen erheblichen, partnerschaftlichen Einfluss hatte, korrespondierte damit auch eine entsprechende Verantwortung.

Verpflichtungen, die die Schuldnerin hinsichtlich der Durchführung solcher Veranstaltungen und der Werbung hierfür übernommen hatte, galten dann auch für das von der Schuldnerin und ihrem Partner vereinbarte gemeinsame Veranstaltungsprojekt am 17.3.2006. Dies betraf insbesondere auch die titulierte Unterlassungsverpflichtung hinsichtlich des unbefugten Plakatierens, zumal die Tenorierung in dem hier maßgeblichen Anerkenntnisurteil auch ausdrücklich die unbefugte Plakatierung durch beauftragte Dritte einschloss.

Dass die titulierte Unterlassungsverpflichtung des Wildplakatierens auch entsprechende Plakatierungen bei Gemeinschaftsveranstaltungen der Schuldnerin mit einem Dritten erfasste, muss auch die Schuldnerin zutreffend erkannt haben. Hierfür spricht jedenfalls die Regelung in § 7 des Veranstaltungsvertrags, wonach wegen Schwierigkeiten in der Vergangenheit die unbefugte Plakatierung in den Städten H... und B... (auch dem Partner) ausdrücklich verboten war, sowie der von der Schuldnerin behauptete Hinweis an ihren Vertragspartner, dass ihr aufgrund eines bestehenden Titels Wildplakatierungen unter Ordnungsgeldandrohung verboten waren.

Dass danach auch für die gemeinsame Veranstaltung am 17.3.2006 geltende Verbot der Wildplakatierung ist nach dem unstreitigen Sachverhalt objektiv verletzt worden.

Der Gläubiger hat mit Schriftsatz vom 16.8.2006 im Einzelnen detailiert dargelegt, dass für die von ihm beanstandeten Plakatierungen in B... (S... Str., WB...Str., D...Str., A...Str./F...Str., W...Str./ Wi...Str.) keine Plakatierungserlaubnis der hier Verfügungsberechtigten vorlag. Dies hat die Schuldnerin in ihrem Schriftsatz vom 29.8.2006 nicht bestritten. Sie beruft sich lediglich darauf, dass ihr Geschäftspartner ihr mitgeteilt gehabt habe, dass er die erforderliche Genehmigung für die Plakatierungen in B... habe, sie sich auf diese Angaben verlassen habe, ihr Geschäftspartner als seriös bekannt gewesen sei und es mit ihm zuvor noch nie diesbezügliche Schwierigkeiten gegeben habe und sie schließlich nicht gewusst habe, dass in Wirklichkeit keine Genehmigungen für die Plakatierungen vorlagen.

Auch nach diesem Vorbringen der Schuldnerin ist jedoch davon auszugehen, dass ihr die unbefugten Plakatierungen zuzurechnen sind und sie auch für die darin liegenden Verstöße gegen die titulierte Unterlassungsverpflichtung subjektiv verantwortlich ist.

Für die Verhängung eines Ordnungsgeldes ist zwar, da es hier zumindest auch um eine repressive Sanktion für individuelles Fehlverhalten geht, nach heute allseitiger Auffassung ein Verschulden des Schuldners erforderlich (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 890 ZPO, Rn. 5). Ein Fehlverhalten von Hilfspersonen oder sonstigen Dritten ist dabei dem Schuldner nicht zuzurechnen. Es kommt vielmehr auf ein eigenes, zumindest fahrlässiges Fehlverhalten des Schuldners an. Bei einer juristischen Person - wie hier - ist dabei auf entsprechendes schuldhaftes Fehlverhalten der Organe abzustellen. Allerdings sind nach der Rechtsprechung strenge Anforderungen an die vom Schuldner zu verlangenden Vorkehrungen und die dabei anzuwendende Sorgfalt zu stellen; insbesondere geht es dabei darum, den Schuldner möglichst effektiv daran zu hindern, über Schlupflöcher, insbesondere durch Einschaltung dritter Personen, das Unterlassungsverbot zu unterlaufen (vgl. Ahrens/Spätgens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 64, Rn. 70, m.w.N. aus der Rspr. in Fn. 46).

Wenn der Schuldner Maßnahmen veranlasst, die in den Anwendungsbereich der Unterlassungsverpflichtung fallen und bei Vorliegen oder Fehlen bestimmter Umstände einen Verstoß begründen können, und er dazu dritte Personen einschaltet, hat er jedenfalls alle nach den Umständen möglichen, erforderlich erscheinenden und ihm zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um eine Verletzung der Unterlassungsverpflichtung sicher auszuschließen (vgl. Ahrens/Spätgens, a.a.O., Rn. 69 f.; Zöller/Stöber, a.a.O.). Dazu gehört, dass er die eingeschalteten Personen entsprechend informiert, konkrete, klare Weisungen mit nachhaltigen Sanktionsandrohung an eingeschaltete Personen erteilt und effektive Überwachungsmaßnahmen ergreift. Bei selbständigen Dritten, die aufgrund eines mit dem Schuldner geschlossenen Vertrags tätig werden, ist ggf. auch durch mögliche und zumutbare Vertragsregelung eine Verletzung der titulierten Unterlassungsverpflichtung zu unterbinden.

Diese Pflichten und Sorgfaltsanforderungen hat die Schuldnerin bzw. haben ihre Organe nicht hinreichend erfüllt.

Nach bereits vorausgegangenen wiederholten Wettbewerbsverstößen war die Schuldnerin gehalten, eine erneute Verletzung der titulierten Unterlassungsverpflichtung sicher auszuschließen und hierzu mit der gebotenen Sorgfalt geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Wenn sie die Plakatierung für die Gemeinschaftsveranstaltung am 17.3.2006 schon nicht selbst übernahm, was ihr eine unmittelbare Kontrolle der Plakatierung ermöglicht hätte, sondern nach der internen Aufgabenverteilung ihrem Partner überließ, musste sie sich jedenfalls effektive Kontrolle und Möglichkeiten vorbehalten und hiervon auch tatsächlich Gebrauch machen. Eine effektive, sichere Kontrolle der Plakatierung war aber nicht gewährleistet, wenn sie sich lediglich auf die Zusage ihres Vertragspartners über angeblich vorliegende Plakatierungsgenehmigungen verließ. Wie ausgeführt, kann nicht zugelassen werden, dass der Schuldner die Verantwortung hinsichtlich der Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung auf einen Dritten verlagert, der dann sanktionslos gegen die Verpflichtung verstoßen kann. Damit würde die Strafbewehrung der Unterlassungsverpflichtung ausgehöhlt und letztlich umgangen.

Die Schuldnerin hätte sich eine effektive Kontrollmöglichkeit bereits vertraglich vorbehalten müssen. Dies hätte hier etwa in der Weise geschehen können, dass sie mit ihrem Partner vereinbart hätte, dass entsprechende schriftliche Plakatierungsgenehmigungen oder die mit den zuständigen kommunalen Trägern geführte Korrespondenz über die Genehmigung der Plakatierung der Schuldnerin vorgelegt wurden. Es ist auch nicht anzunehmen, dass dies die Geschäftsbeziehung zu ihrem Partner hätte unzumutbar belasten müssen, zumal die Schuldnerin sich nach der gemeinsamen Vereinbarung ja auch die Entwürfe der verwendeten Plakate vorlegen ließ.

Auch wäre der Schuldnerin eine kontrollierende Nachfrage bei den für Plakatierungsgenehmigungen zuständigen kommunalen Stellen ohne weiteres möglich und nach Einschätzung des Senats auch zumutbar gewesen. Dies hätte - wenn der Vertragspartner davon Kenntnis erhalten hätte - von der Schuldnerin dahingehend nachvollziehbar erläutert werden können, dass entsprechende Nachfragen nicht durch persönliches Misstrauen motiviert gewesen seien, sondern dies allein im Hinblick auf den vorliegenden strafbewehrten Unterlassungstitel und die daraus sich ergebenden Pflichten geschehen sei.

Im vorliegenden Fall hat die Schuldnerin dies alles nicht getan. Sie hat sich mit einer Vertragsregelung in § 7 begnügt, wonach im Hinblick auf dubiose, im Vertrag nicht näher bezeichnete Schwierigkeiten das Wildplakatieren in H... und B... unterlassen werden sollte. Darauf bezogene Kontrollmaßnahmen und Sanktionen sind nach dem Vertragswortlaut offen gelassen worden.

Die weitere Regelung, dass in anderen Städten der Vertragspartner die Kosten des Wildplakatierens zu tragen habe, konnten von diesem durchaus so verstanden werden, dass er dort ruhig "wild plakatieren" durfte, wenn er nur die damit verbundenen Kosten (die sich möglicherweise auf den Aufwand des Anbringens der Plakate beschränkten) übernahm.

Es war danach ohne weiteres erkennbar, dass dies nicht ausreichte, um ein Wildplakatieren seitens des Vertragspartners mit der gebotenen Sicherheit auszuschließen.

Danach ist von einem der Schuldnerin zuzurechnenden, verschuldeten Verstoß gegen die titulierte Unterlassungsverpflichtung auszugehen.

Das Landgericht hat nach alledem zu Recht ein Ordnungsgeld gegen die Schuldnerin verhängt.

Auch ansonsten ist die Ordnungsgeldfestsetzung des Landgerichts nicht zu beanstanden.

Die Höhe des Ordnungsgeldes erscheint unter Berücksichtigung eines bereits vorausgegangenen Verstoßes insgesamt angemessen; nach Einschätzung des Senats ist ein Ordnungsgeld von 5.000 € zumindest nicht zu hoch bemessen.

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und die Festsetzung des Beschwerdewerts auf §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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