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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 03.01.2006
Aktenzeichen: 1 Ws 1/06
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 81
Die Unterbringung zur Beobachtung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 81 StPO ist nicht verhältnismäßig und deshalb unzulässig, wenn sie keinen Erfolg verspricht. Das ist der Fall, wenn der zu Untersuchende jede Kooperation mit einem Psychiater verweigert und keien tatsächlichen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er während einer Unterbringung seine Einstellung ändern wird.
Oberlandesgericht Oldenburg 1. Strafsenat Beschluss

1 Ws 1/06

In dem Strafverfahren

gegen Herrn W...,

geboren am ... 1956 in W...,

wohnhaft ...,

wegen Verdachts der versuchten gefährlichen Körperverletzung u.a.

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 3.Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am ... beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts Aurich vom 15. November 2005, soweit durch diesen die Unterbringung des Angeklagten zur Vorbereitung eines Gutachtens über seinen psychischen Zustand gemäß § 81 StPO angeordnet worden ist, aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und insoweit dem Angeklagten erwachsene notwendige Auslagen fallen entsprechend § 467 Abs. 1 StPO der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Der Angeklagte war früher für einen längeren Zeitraum in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden. Einige spätere Strafverfahren wurden wegen Schuldunfähigkeit eingestellt. Im vorliegenden Verfahren wird dem Angeklagten zur Last gelegt, am 4. Dezember 2003 in D... den Zeugen G. mit einem festen Griff am Hals gepackt und versucht zu haben, ihn mit einem Messer zu verletzen.

Das Landgericht hat nach § 81 StPO zur Beobachtung des Beschuldigten seine befristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

Die Voraussetzungen der Anordnung einer zwangsweisen Unterbringung des Angeklagten zur Beobachtung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 81 StPO liegen nicht vor.

Eine solche ist nicht verhältnismäßig, weil sie zur Aufklärung des psychischen Zustandes des Angeklagten ungeeignet ist. Der Angeklagte ist von dem Sachverständigen Prof. Dr. T... untersucht worden. Dabei hat der Angeklagte kategorisch die Beantwortung aller für die Aufklärung seines psychischen Zustandes wesentlichen Fragen verweigert. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass sich der Angeklagte während eines künftigen erzwungenen Aufenthaltes in einem psychiatrischen Krankenhaus kooperativer zeigen würde, sind nicht erkennbar. Der Angeklagte, der auch bei seiner medizinischen Behandlung seit langem ärztliche Ratschläge missachtet, weiß sich ersichtlich zu behaupten und seine Verweigerungshaltung konsequent durchzuhalten.

Der Sachverständige hat dem Gericht zwar mitgeteilt, es könnte sein, dass im Rahmen einer stationären Aufnahme Beobachtungen gemacht würden, die eine bessere Beurteilung des Geisteszustandes des Angeklagten erlaubten, ganz sicher sei er sich diesbezüglich jedoch nicht; bei weiterer konsequenter Verweigerung des Angeklagten, über sich und sein inneres Erleben Aussagen zu machen, sei die Datenbasis für eine sichere Beurteilung "sehr schmal"; er sei "unsicher" bezüglich der Notwendigkeit und des Erkenntnisgewinns einer Unterbringung nach § 81 StPO (Bl. 127, 128).

Bei dieser Sachlage verspricht eine Maßnahme nach § 81 StPO nicht in einem Maße Erfolg, dass der Eingriff in die persönliche Freiheit des Angeklagten gerechtfertigt wäre. Die Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Beobachtung muss unerlässlich sein, vgl. MeyerGoßner, StPO, 48. Aufl., § 81 Rdn 8 m.w.Nachw.. Sie darf nicht erfolgen, wenn der zu Untersuchende sich weigert bei ihr mitzuwirken, soweit die Untersuchung - wie hier - eine freiwillige Mitwirkung voraussetzt, um erfolgreich sein zu können, vgl. BVerfG NJW 2002, 283 (284). Die nicht auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützte vage Möglichkeit, der Angeklagte würde, wenn er erst einmal untergebracht sei, kooperieren, kann den in der Unterbringung liegenden Grundrechtseingriff nicht rechtfertigen.

Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Anordnung einer Unterbringung nach § 81 StPO ist ferner zu beachten, dass keine anderen ausreichenden Erkenntnisquellen vorliegen dürfen, die bereits eine Beurteilung des psychischen Zustandes des Angeklagten erlauben, vgl. MeyerGoßner a.a.O. m.w.Nachw.. Vorliegend sind aber bereits wesentliche Erkenntnisse über den psychischen Zustand des Angeklagten verfügbar. Das gilt namentlich für die im vormundschaftsgerichtlichen Betreuungsverfahren eingeholten fachärztlichen Gutachten von Dr. H... und Dr. T... (Niedersächsisches Landeskrankenhaus W...) und von Dr. W... vom sozialpsychiatrischen Gesundheitsdienst des Gesundheitsamtes der Stadt W.... In beiden wird die Diagnose einer seit langem zu Tage getretenen dauerhaften endogenen Psychose des Angeklagten mit Aggressionstendenzen gestellt. Auch aus früher gegen den Angeklagten geführten Strafverfahren und seinen Unterbringungen nach dem PsychKG dürften sich erhebliche Erkenntnisse über seinen psychischen Zustand gewinnen lassen.

Ende der Entscheidung

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