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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 18.03.2009
Aktenzeichen: 1 Ws 162/09
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 36 Abs. 1 | |
StPO § 36 Abs. 2 | |
StPO § 454 |
Oberlandesgericht Oldenburg 1. Strafsenat Beschluss
In der Strafvollstreckungssache
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 18. März 2009 durch die unterzeichnenden Richter beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stade wird festgestellt, dass die förmliche Zustellung des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg vom 8. Januar 2009, mit dem die Vollstreckung der noch nicht verbüßten Reststrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Langen vom 27. Juni 2007 und des Amtsgerichts Bremerhaven vom 20. Dezember 2001 zur Bewährung ausgesetzt worden sind, auf Anordnung des Vorsitzenden zu erfolgen hat.
Gründe:
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stade richtet sich gegen Verfügungen der ersten kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg vom 8. Januar 2009 und 22. Januar 2009, durch die es die Strafvollstreckungskammer abgelehnt hat, den Beschluss vom 8. Januar 2009, mit dem die Vollstreckung noch nicht verbüßter Reststrafen zur Bewährung ausgesetzt worden ist, dem Verurteilten zuzustellen und sie die Zustellung der Staatsanwaltschaft übertragen hat.
Die Staatsanwaltschaft Stade ist der Auffassung, gemäß § 36 Abs. 1 StPO habe die förmliche Zustellung jenes Beschlusses auf Anordnung des Vorsitzenden zu erfolgen, was dieser jedoch unter Berufung auf § 36 Abs. 2 StPO ablehne.
Auf die gegen die Ablehnung gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist festzustellen, dass die Anordnung der förmlichen Zustellung des die bedingte Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft gemäß § 454 StPO i. V. m. § 57 StGB anordnenden Beschlusses gemäß § 36 Abs. 1 StPO dem Vorsitzenden obliegt und diese Aufgabe - entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer - nicht durch Übergabe des Beschlusses gemäß § 36 Abs. 2 StPO an die Staatsanwaltschaft ersetzt werden kann.
Die Rechtsfrage, ob die Zustellung eines Aussetzungsbeschlusses vom Vorsitzenden des Gerichts oder aber von der Staatsanwaltschaft zu bewirken ist, ist in Rechtsprechung und Lehre streitig, vgl. die Darstellung des Meinungsstandes bei Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. § 36 Rdn. 10-12 und Karlsruher Kommentar zu StPO, 6. Aufl., § 36 Rdn. 10. Einigkeit besteht indessen darüber, dass die geltende Neufassung des § 36 StPO durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts (1. StVRG) vom 9. Dezember 1974 im Gegensatz zu dem früheren Recht klarstellen soll, wann das Gericht und wann die Staatsanwaltschaft Zustellung und Vollstreckung zu veranlassen haben, indem die Zuständigkeit für die Zustellung gerichtlicher Entscheidungen und ihre Vollstreckung getrennt wird. die Zustellung obliegt dem Gericht, die Vollstreckung (mit Ausnahme der in § 36 Abs. 2 Satz 2 StPO genannten Entscheidungen über die Ordnung in den Sitzungen) der Staatsanwaltschaft, vgl. dazu insbesondere die Ausführungen des OLG Saarbrücken NStZ-RR 1986, 470 m. w. Nachw. und der Anmerkung von Wendisch.
Daraus folgt, dass grundsätzlich der Gerichtsvorsitzende die Zustellung aller gerichtlichen Entscheidungen anzuordnen hat. Soweit aus § 36 Abs. 2 Satz 1 StPO eine Zustellungszuständigkeit der Staatsanwaltschaft abzuleiten ist, stellt dies eine Ausnahme dar, die wegen des oben dargestellten Regelungszwecks auf das Unerlässliche zu begrenzen ist. Deshalb ist der in dieser Norm gebrauchte Begriff "Vollstreckung" nicht im Sinne der Erforderlichkeit irgendeiner über die bloße Zustellung hinausgehenden weiteren Veranlassung zu verstehen mit der Folge, dass in all solchen Fällen die Zustellung der Staatsanwaltschaft obläge. Die sich aus § 36 Abs. 2 Satz 1 StPO ergebende Zustellungszuständigkeit der Staatsanwaltschaft beschränkt sich vielmehr auf vollstreckbare gerichtliche Entscheidungen, deren Umsetzung bei vorheriger Zustellung durch das Gericht gefährdet wäre oder vereitelt würde, wie dies etwa bei Haftbefehlen, Unterbringungsbefehlen, Durchsuchungsbeschlüssen oder Beschlagnahmeanordnungen der Fall ist. Nur in solchen Fällen muss sichergestellt werden, dass Bekanntmachung und Vollstreckung zusammenfallen, was nur gewährleistet ist, wenn beides in der Hand der Staatsanwaltschaft liegt, so auch OLG Saarbrücken NStZ 1986, 470 sowie Meyer-Goßner, a. a. O., Rdn. 10 m. w. Nachw..
Mithin besteht keine Zustellungszuständigkeit der Staatsanwalt für solche Beschlüsse, durch die Zwangsmaßnahmen (beispielsweise Haft- und Unterbringungsbefehle, Beschlagnahmebeschlüsse) aufgehoben werden oder durch die der Vollzug eines Haftbefehls nach § 116 StPO ausgesetzt wird, und auch nicht für Beschlüsse des Gerichts des ersten Rechtszuges oder der Strafvollstreckungskammer über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung oder die erst nach Rechtskraft der Entscheidung wirksame Aussetzung des Strafrestes nach § 454 StPO i. V. m. § 57 StGB, vgl. Meyer-Goßner, a. a. O. § 36 Rdn. 12 m. w. Nachw. auch zur Gegenansicht.
Soweit der - inzwischen mit Strafverfahrensbeschwerden nicht mehr befasste - 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg früher eine abweichende Auffassung vertreten hat (vgl. Beschluss 2 Ws 306/80 vom 4.8.1980), wird daran nicht mehr festgehalten. Das dort angeführte Bedenken, die geteilte Zuständigkeit könne zu einer unnötigen Verzögerung der Freilassung des Verurteilten führen, falls die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel einzulegen beabsichtigt, greift nicht durch. Denn in diesen Fällen kann die Staatsanwaltschaft - ungeachtet der zuvor vom Gericht in die Wege geleiteten Zustellung der Entscheidung - sogleich die Freilassung anordnen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Ende der Entscheidung
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