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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 06.05.2009
Aktenzeichen: 1 Ws 241/09
Rechtsgebiete: StGB, EG-Abf-VerbrVO, VO (EG) Nr 1774/2002


Vorschriften:

StGB § 326 Abs. 2
EG-Abf-VerbrVO Art. 6
VO (EG) Nr 1774/2002 Art. 8
Die Genehmigung, deren Fehlen eine Abfallverbringung nach § 326 Abs. 2 StGB strafbar sein lässt, muss eine abfallrechtliche sein. das Nichtvorliegen einer aus anderen - etwa hygiene- oder tierseuchenrechtlichen - Gründen erforderlichen behördlichen Genehmigung reicht zur Erfüllung des Straftatbestandes nicht aus.
Oberlandesgericht Oldenburg 1. Strafsenat Beschluss

1 Ws 241/09

In der Strafsache

wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die unterzeichnenden Richter

am 6. Mai 2009

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 10. März 2009, mit dem die Anklage der Staatsanwaltschaft Osnabrück vom 6. November 2007 nicht zugelassen und das Hauptverfahren nicht eröffnet worden sind, wird auf Kosten der Staatskasse, die auch insoweit entstandene notwendige Auslagen der Beschuldigten zu tragen hat, verworfen.

Gründe:

Den Beschuldigten wird mit Anklage der Staatsanwaltschaft Osnabrück vom 6. November 2007 ein gemeinschaftlich begangener unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen (§ 326 Abs 2. Abs. 1 Nr. 4 StGB) zur Last gelegt, den sie dadurch begangen haben sollen, dass sie in der Zeit vom 5. November 2003 bis zum 18. Januar 2004 in 193 Fällen LKW-Ladungen mit Hühnertrockenkot (im Folgenden: HTK) ohne die erforderliche abfallrechtliche Genehmigung nach Deutschland verbrachten.

Das Landgericht Osnabrück hat mit Beschluss vom 10. März 2009 die Anklage nicht zugelassen und das Hauptverfahren nicht eröffnet, weil das angeklagte Verhalten seit dem Entfallen der Notifizierungspflicht für das Verbringen solcher Abfälle nicht mehr strafbar sei. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft Osnabrück mit der sofortigen Beschwerde, der die Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg beigetreten ist.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht eine Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, weil seit Entfallen der abfallrechtlichen Notifizierungspflicht durch das Inkrafttreten der EG Verordnung 1013/2006 von einem jetzt noch strafbaren ungenehmigtem Abfallverbringen im Sinne von § 326 Abs 2. Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht mehr ausgegangen werden kann.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu u. a. ausgeführt:

"Fraglich ist allerdings, ob die Angeklagten diese Abfälle ohne die erforderliche Genehmigung grenzüberschreitend auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verbracht haben (§ 326 Abs. 2 StGB). Die Strafkammer hat in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt, dass das Notinfizierungsverfahren nach Art. 6 ff. EGAbfVerbrVO inzwischen aufgehoben worden ist und deshalb insoweit eine Strafbarkeit nach § 326 Abs. 2 StGB entfällt. Die Staatsanwaltschaft weist in der Beschwerdebegründung aber zutreffend darauf hin, dass die Versendung von tierischen Nebenprodukten der Kategorie 2 (u.a. Gülle, Art. 5 Abs. 1 a) der VO (EB) Nr. 1774/2002) in einen anderen EU-Mitgliedstaat der Genehmigung des Bestimmungsmitgliedstaats bedarf (Art. 8 Abs. 1 und 2 der VO (EG) Nr. 1774/2002). Eine solche Genehmigung lag in den angeklagten Fällen ersichtlich nicht vor. Es bedarf einer grundsätzlichen obergerichtlichen Klärung der Rechtsfrage, ob die tierseuchen und hygienerechtliche Genehmigung gem. Art. 8 Abs. 1 und 2 der VO (EG) Nr. 1774/2002 von dem Tatbestand des § 326 Abs. 2 StGB erfasst wird. Auch hierbei handelt es sich um eine spezielle Genehmigung zur Ein und Ausfuhr, wenngleich nicht ausschließlich von Abfällen, sondern allgemein von nicht für den menschlichen Verzehr bestimmten tierischen Nebenprodukten. Auch dieser Genehmigungsvorbehalt verfolgt den Zweck, den Gefahren, die mit einem unkontrollierten grenzüberschreitenden Transport von möglicherweise toxischen Abfallprodukten verbunden sind, zu begegnen."

Dem stimmt der Senat insoweit zu, als die Generalstaatsanwaltschaft auf den Fortfall der abfallrechtlichen Notifizierungspflicht und einer wegen eines Verstoßes hiergegen begründeten Strafbarkeit abstellt.

Insoweit kann deshalb dahinstehen, ob es sich bei HTK auch nach Besitzerlangung durch die Beschuldigten, die zum Zwecke des Weiterverkaufs als anerkanntes und handelsfähiges Düngemittel erfolgte, noch um Abfall im strafrechtlichen Sinne handelte, wofür sprechen könnte, dass die Verwertung noch nicht abgeschlossen war, vgl. BVerwG NVwZ 2007, 338. Ebenso kann insoweit offen bleiben, ob HTK als gefährlicher Abfall im Sinne von § 326 Abs. 1 Nr. 4 StGB einzustufen ist, was in Hinblick auf seine prinzipiell zulässige Verwendung als Düngemittel mindestens nicht unzweifelhaft ist.

Die Strafkammer hat das Hauptverfahren aber - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin und der Generalstaatsanwaltschaft - auch in Hinblick auf eine fehlende Genehmigung nach der europäischen Tierseuchen und Hygieneverordnung (Verordnung EG Nr. 1774/02) zu Recht nicht eröffnet.

Insoweit dürfte es schon an einer angeklagten Tat fehlen. Gegenstand der Anklage ist der in der Anklageschrift als strafbares Tun bezeichnete Lebenssachverhalt. Das sind hier allerdings nicht die dort aufgeführten Verbringungsfahrten nach Deutschland als solche, sondern nur die Durchführung dieser Transporte ohne die im sog. Notifizierungsverfahren zu erteilenden Genehmigungen für einen grenzüberschreitenden Abfalltransport. Das Transportieren des HTK ohne erforderliche sonstige behördliche Genehmigungen, wie etwa zoll-, straßen- oder güterverkehrsrechtlicher, aber auch tierseuchen oder hygienerechtlicher Art, ist nicht Bestandteil des angeklagten Lebenssachverhaltes.

Darüber hinaus teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass der Straftatbestand des § 326 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 StGB durch das Fehlen einer von der Tierseuchen und Hygieneverordnung (Verordnung EG Nr. 1774/02) geforderten Genehmigung nicht erfüllt wird. Dies ist nur beim Fehlen einer speziell für das grenzüberschreitende Verbringen von Abfall erforderlichen Genehmigung der Fall, vgl. Schönke-Schröder, StGB, 27. Auflage, § 326 Rdn 12c. Zwar wird das Genehmigungserfordernis in § 326 Abs. 2 StGB nur mit den Worten bezeichnet "ohne die erforderliche Genehmigung", ohne dass deren Art dort näher spezifiziert wird. Allerdings ergibt sich schon aus dem Gebrauch der Einzahl ("die erforderliche Genehmigung") dass nicht irgendeine, sondern die nach dem in Bezug genommenen Absatz 1 der Norm erforderliche Genehmigung gemeint ist. Das ist aber nur eine speziell auf den Umgang mit Abfällen bezogene, wie sich insbesondere aus der Beschreibung der möglichen Tathandlungen in § 326 Abs. 1 StGB ergibt ("wer unbefugt Abfälle ... außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage oder unter wesentlicher Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren behandelt, lagert, ablagert, ablässt oder sonst beseitigt.").

Diese vom Wortlaut der Norm ausgehende Auslegung entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers. Dieser bezweckte mit Schaffung des jetzigen Absatz 2 von § 326 StGB die Bekämpfung des grenzüberschreitenden "Abfalltourismus" (vgl. BT Drucksache 12/192 S. 20). Als Genehmigungen im Sinne von § 326 Abs. 2 StGB sah er solche an die "speziell die Ein und Ausfuhr von Abfällen betreffen", a.a.O. S. 21.

Im Übrigen spricht auch schon die unterschiedliche Zielsetzung der Genehmigungspflicht nach Abfallrecht einerseits und nach der Tierseuchen und Hygieneverordnung andererseits gegen eine Gleichstellung im Rahmen von § 326 Abs. 2 StGB. Erstere knüpft allein an die Abfalleigenschaft des Transportgutes an, ohne dass es auf Aspekte der Hygienegefährdung oder einer Tierseuchenabwehr ankommt. das Genehmigungserfordernis nach der Tierseuchen und Hygieneverordnung, die ihrerseits keinen Umweltschutz, sondern einen Gesundheitsschutz bezweckt (vgl. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung), stellt nur auf diese Gesichtspunkte ab, wobei es unerheblich ist, ob Abfall transportiert wird.

Zudem stände einer Strafbarkeit wegen unerlaubten Umgangs mit gefährlichem Abfall nach § 326 Abs. 2 StGB, sofern keine abfallrechtliche, sondern nur eine andere behördliche Genehmigung fehlt, auch das strafrechtliche Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG. § 1 StGB) entgegen. Das Genehmigungserfordernis in § 326 Abs. 2 StGB bezieht sich - wie aus dem Normwortlaut abzuleiten (s. o.) ist - nur auf eine abfallrechtliche Genehmigung. Ein Erstrecken auf das Fehlen anderer Genehmigungen weitete die Strafbarkeit über den Gesetzestext hinausgehend zu Ungunsten von Tätern aus und ist deshalb unzulässig, vgl. BVerfG NJW 1995, 2776.

Die Kostenentscheidung entspricht § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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