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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 31.10.2006
Aktenzeichen: 1 Ws 528/06
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 68c Abs. 1 S. 2
StGB § 68f Abs. 1 S. 1
StGB § 68f Abs. 2
StPO § 453 Abs. 2 S. 1
StPO § 463
Auch bei einer nach Vollverbüßung einer Freiheitsstrafe kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht kann deren Höchstdauer vorab reduziert werden. Eine dahingehende Entscheidung kann vom Beschwerdegericht nur auch Gesetzwidrigkeit hin überprüft werden.
Oberlandesgericht Oldenburg 1. Strafsenat Beschluss

1 Ws 498/06 1 Ws 528/06

In der Strafvollstreckungssache

betreffend Herrn E..., geboren am ... 1948 in V...,

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 31. Oktober 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ...

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Osnabrück, Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Lingen, vom 18. September 2006, durch den angeordnet worden ist, dass mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Strafvollzug aufgrund des Urteils des Landgerichts Landshut vom 23. Oktober 2003 die - in bestimmter Weise ausgestaltete - gesetzliche Führungsaufsicht gemäß § 68 f Abs. 1 StGB eintritt, wird auf Kosten des Verurteilten verworfen.

2. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Landshut gegen den oben bezeichneten Beschluss wird auf Kosten der Staatskasse, die auch insoweit entstandene notwendige Auslagen des Verurteilten zu tragen hat, als unbegründet verworfen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt, dass nach vollständiger Vollstreckung der gegen den Verurteilten verhängten Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten kraft Gesetzes Führungsaufsicht eintritt, ihre Dauer auf 3 Jahre festgesetzt und sie durch Weisungen an den Verurteilten näher ausgestaltet.

Die hiergegen eingelegten Rechtsmittel des Verurteilten und der Staatsanwaltschaft sind ohne Erfolg.

1.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten ist nicht begründet. Die Führungsaufsicht ist zu Recht angeordnet worden. Wird - wie hier - ein Verurteilter nach einer wegen einer vorsätzlichen Straftat voll verbüßten Freiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren aus der Strafhaft entlassen, so tritt grundsätzlich kraft Gesetzes Führungsaufsicht ein, § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB. Nur in Ausnahmefällen ist von dieser Regelfolge gemäß § 68f Abs. 2 StGB abzusehen, wenn nämlich zu erwarten ist, dass der Verurteilte auch ohne Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird. Davon kann hier aber schon wegen des Fehlens einer den Verurteilten nach seiner Entlassung ausreichend stützenden sozialen Eingliederung nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgegangen werden.

2.

Das als sofortige Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist als zulässige (einfache) Beschwerde zu behandeln (§§ 68f, 68c StGB, §§ 463 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1; §§ 453 Abs. 2 Satz 1; 300 StPO). In der Sache unterliegt die von der Staatsanwaltschaft allein angegriffene Festsetzung der Dauer der Führungsaufsicht der Prüfung durch das Beschwerdegericht nur daraufhin, ob sie gesetzwidrig ist (§§ 463 Abs. 2; 453 Abs. 2 Satz 2 StPO). Gesetzwidrigkeit in diesem Sinne wäre gegeben, wenn die Anordnung im Gesetz nicht vorgesehen, ermessensmissbräuchlich oder unverhältnismäßig wäre (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 453 Rdn. 12). Keine dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt.

Insbesondere ist eine Festsetzung der Dauer der Führungsaufsicht unterhalb der gesetzlichen Höchstgrenze bei kraft Gesetzes eingetretener Führungsaufsicht nicht regelmäßig verfehlt, weil grundsätzlich zunächst die Dauer der Führungsaufsicht bei der gesetzlichen Höchstdauer zu belassen und bei günstigem Verlauf ihre vorzeitige Beendigung anzuordnen sei. Diese Ansicht wird vom OLG Koblenz (NStZ 2000, 92) vertreten und von der beschwerdeführenden Staatsanwaltschaft offenbar geteilt. Ihr kann indessen in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Namentlich trifft es nicht zu, dass dem Gericht im Zeitpunkt des Beginns der Führungsaufsicht eine zuverlässige Prognose wegen "der Natur der Sache" grundsätzlich nicht möglich sei. Eine prognostische Gefährlichkeitseinschätzung ist in vielen Fällen von Gerichten vorzunehmen, in Strafvollstreckungssachen insbesondere bei den häufigen Entscheidungen über eine Strafrestaussetzung nach § 57 StGB. Es ist nicht ersichtlich, warum dies bei der hier in Rede stehenden Entscheidung grundsätzlich nicht möglich sein sollte. Auch zeigt der Umstand, dass der Verurteilte die Strafe voll verbüßt hat, nicht zwingend eine fortbestehende Gefährlichkeit in einem Maße an, dass nur die Höchstdauer der Führungsaufsicht in Betracht kommt. Dass zuvor keine Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung bewilligt wurde, kann auch andere Gründe haben, etwa den im vorliegenden Fall gegebenen, dass der Verurteilte einer vorzeitigen Entlassung nicht zugestimmt hatte.

Es ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das zuständige Gericht nach Anhörung der Beteiligten unter Abwägung aller Umstände des Falles einschließlich insbesondere der vom Verurteilten voraussichtlich künftig ausgehenden Gefahr in Anwendung von § 68c Abs. 1 Satz 2 StGB von vorneherein eine kürzere Höchstdauer der Führungsaufsicht festsetzt. Im vorliegenden Fall hat das Gericht nach persönlicher Anhörung des Verurteilten wegen seiner unbefriedigenden sozialen Einbindung aus präventiven Gründen seine Überwachung nur "für eine Übergangszeit" von 3 Jahren für erforderlich gehalten. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1; Abs. 2 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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