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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 10.12.2009
Aktenzeichen: 1 Ws 679/09
Rechtsgebiete: StPO, JGG
Vorschriften:
StPO § 112a Abs. 1 Nr. 2 | |
JGG § 16 |
Oberlandesgericht Oldenburg 1. Strafsenat Beschluss
In der Strafsache
wegen gemeinschaftlich begangener räuberischer Erpressung,
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 10. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ... beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Angeklagten werden der Haftbefehl des Amtsgerichts Oldenburg vom 28. Juli 2009 und der Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Oldenburg vom 9. November 2009 aufgehoben.
Der Angeklagte ist in dieser Sache aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zu Last.
Gründe:
Der Angeklagte ist am 30. Juli 2009 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Oldenburg vom 28. Juli 2009 vorläufig festgenommen worden und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt O.... Mit dem Haftbefehl wird dem Angeklagten zur Last gelegt, gemeinschaftlich mit den gesondert Verfolgten R... M... und E... G... am 15. Juli 2009 in W... eine schwere räuberische Erpressung tateinheitlich mit einer gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des A... W... begangen zu haben.
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat unter dem 30. September 2009 gegen den Angeklagten und die Mitangeklagten M... und E... G... sowie den weiteren Mittäter A... L... Anklage wegen gemeinschaftlich begangenen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung erhoben, der die im Haftbefehl genannte Straftat zugrunde liegt.
Das Landgericht Oldenburg hat mit Eröffnungsbeschluss vom 12. November 2009 den Haftbefehl aufrechterhalten. Die Hauptverhandlung ist auf den 11. und 14 Januar 2010 anberaumt. Mit Beschluss vom 9. November 2009 hat das Landgericht Oldenburg den Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls zurückgewiesen. Es hat der dagegen gerichteten Beschwerde des Angeklagten mit Beschluss vom 1. Dezember 2009 nicht abgeholfen.
Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet. Es führt zur Aufhebung des Haftbefehls des Amtsgerichts Oldenburg und der Haftfortdauerentscheidung des Landgerichts Oldenburg.
Es kann dahinstehen, ob ein dringender Tatverdacht gegeben ist. Denn es fehlt jedenfalls an einem Haftgrund. Als solcher wird vom Amts und Landgericht nach § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO Wiederholungsgefahr angenommen.
Dieser Haftgrund setzte zum einen voraus, dass der Angeklagte dringend verdächtig wäre, wiederholt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat begangen zu haben. Da die Katalogtaten nach § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO generell schwerwiegender Natur sind, ist das Merkmal 'die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigend' den Haftgrund einschränkend zu verstehen. Es können daher nur Taten überdurchschnittlichen Schweregrades und Unrechtsgehaltes in Betracht kommen, vgl. OLG Thüringen, NStZRR 2009, 143, 144.
Das Amtsgericht hat den Haftgrund der Wiederholungsgefahr neben der verfahrensgegenständlichen Tat auf die letzte Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Oldenburg - Jugendschöffengericht - vom 13. Oktober 2008 im Verfahren 19 Ls 524 Js 24361/08 (57/08) wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie versuchter Nötigung gestützt. In diesem Verfahren wurde gegen den Angeklagten jedoch lediglich ein vierwöchiger Dauerarrest verhängt. Mangels Schwere der Schuld oder schädlicher Neigungen i. S. des § 17 Abs. 2 JGG ist gegen den Angeklagten keine Jugendstrafe verhängt worden. Die Anordnung nur eines Zuchtmittels zeigt, dass ein überdurchschnittlicher Schweregrad einer Tat i. S. des § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht vorlag.
Gleiches gilt für die vom Landgericht zusätzlich herangezogene Verurteilung vom 30. September 2005 zu 2 Freizeitarresten.
Zum anderen liegen auch keine bestimmten Tatsachen vor, die die Gefahr begründen, der Angeklagte werde vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten begehen, wie dies § 112a Abs. 1 StPO erfordert.
Die wegen Wiederholungsgefahr angeordnete Untersuchungshaft stellt kein Mittel der Verfahrenssicherung, sondern - als Ausnahme im System der Strafprozessordnung - eine vorbeugende Maßnahme zum Schutz der Rechtsgemeinschaft dar. Die Vorschrift ist deshalb und weil sie in besonderem Maße Grundrechte tangiert (vgl. BVerfGE 19, 349) eng auszulegen. Insbesondere sind strenge Anforderungen an die Voraussetzungen zu stellen, die zur Annahme einer Wiederholungsgefahr berechtigen, vgl. KK, 6. Aufl., § 112a Rdn. 16.
Die Wiederholungsgefahr muss durch bestimmte Tatsachen begründet werden. Diese müssen eine so starke innere Neigung des Beschuldigten zu einschlägigen Taten erkennen lassen, dass die Besorgnis begründet ist, er werde die Serie gleichartiger Taten noch vor einer Verurteilung wegen der Anlasstat fortsetzen, vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 112a Rn. 14 mit weiteren Nachweisen. Weder im Haftbefehl des Amtsgerichts noch im Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts sind diese dargetan.
Eine starke innere Neigung des Angeklagten zu einschlägigen Straftaten, wie sie eine Wiederholungsgefahr im Sinne von § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO voraussetzt, kann insbesondere den Verurteilungen des Angeklagten aus den Jahren 2005 und 2008 zu Arresten, nicht entnommen werden, zumal auch bei der letzten Verurteilung gerade keine schädlichen Neigungen des Angeklagten bejaht wurden.
Die Kostenentscheidung entspricht § 467 StPO.
Ende der Entscheidung
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