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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 01.10.2007
Aktenzeichen: 11 UF 67/07
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG 3 Abs. 4 Vorbem.
Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr entfällt nicht deshalb, weil auf die Erstattung der Geschäftsgebühr kein materiellrechtlicher Anspruch besteht.
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Im Namen des Volkes Urteil

11 UF 67/07

Verkündet am 01.10.2007

In der Familiensache

hat der 11. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterinnen am Oberlandesgericht ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 5.6.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 192,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.4.2007 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die in erster Instanz entstandenen Kosten des Verfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte. die Kosten des Berufungsrechtszuges werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt jedoch nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.)

Die Parteien streiten um die Höhe einer vom Beklagten dem Kläger zu erstattenden Verfahrensgebühr.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 9.5.2006 forderte der Kläger den Beklagten, seinen Vater, unter Fristsetzung bis zum 1.6.2006 auf, statt bislang gezahlter monatlich 220, € nunmehr einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 316, € zu bezahlen. Als der Beklagte darauf nicht reagierte, beantragte der Kläger unter dem 23.2.2007 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine entsprechende gegen den Beklagten gerichtete Klage. Nach dem Zugang des Prozesskostenhilfegesuchs erkannte der Beklagte den geltend gemachten Anspruch an und ließ ihn beim Jugendamt der Stadt O... titulieren.

Die Parteien streiten jetzt noch über die Berechtigung des Klägers, 381,99 € im Prozesskostenhilfeverfahren entstandene anwaltliche Kosten ersetzt zu verlangen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die angefochtene Entscheidung, mit der die Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil zugelassen worden ist, Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.

Er meint, dem Kläger seien durch die vorprozessuale Einschaltung seines Prozessbevollmächtigten Kosten in Höhe von 392,66 € entstanden, die er nicht zu ersetzen habe, da er, der Beklagte, durch das anwaltliche Schreiben erst in Verzug gesetzt worden sei. Durch den nachfolgenden Prozesskostenhilfeantrag seien weitere 381,99 € entstanden. Zu ersetzen habe er, der Beklagte, hiervon 192,48 €, da die für die vorgerichtliche Tätigkeit angefallene Geschäftsgebühr in Höhe einer 0,65 Gebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei. Danach verbleibe ein Verzugsschaden von höchstens 192,48 €.

Der Beklagte beantragt,

Das angefochte Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit er verurteilt worden sei, an den Kläger mehr als 192,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % (gemeint: Prozentpunkten) über dem Basiszinssatz seit dem 4.4.2007 zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.)

Die zulässige Berufung ist in der Sache begründet. Denn der Kläger kann von dem Beklagten nicht mehr als 192,48 € ersetzt verlangen.

Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers damit beauftragt war, den Beklagten in Verzug zu setzen, hatte er durch das Absetzen seines Schreibens vom 9.5.2006 ausgehend von einem Geschäftswert von (12 x 316, € =) 3.792, € einen Anspruch auf eine 1,3 Geschäftsgebühr von 318, € oder 392,66 € inklusive Mehrwertsteuer erworben.

Für seine Tätigkeit im Prozesskostenhilfeverfahren ist ausgehend von einem Wert von nunmehr 4.752, € - es waren mittlerweile werterhöhende Rückstände aufgelaufen - grundsätzlich eine Verfahrensgebühr in Höhe von 301, € entstanden.

Auf diese erfolgt jedoch gemäß Vorbem. 3 IV zu Nr. 3100 VV zum RVG die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr, höchstens in Höhe von 0,75, wenn wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr entsteht. Die Identität des Verfahrensgegenstandes kann hier nicht zweifelhaft sei, weshalb die Verfahrensgebühr von 301, € um (318, € : 2 =) 159,25 € zu reduzieren ist.

Diese Anrechnung entfällt nicht deshalb, weil der Kläger gegen den Beklagten keinen materiellrechtlichen Anspruch auf Erstattung der Geschäftsgebühr hat. Dieser besteht vorliegend deshalb nicht, weil der Beklagte durch das Schreiben vom 9.5.2006 überhaupt erst in Verzug gesetzt worden ist. Die anfallende Geschäftsgebühr war somit im Gegensatz zu den Kosten, die mit dem Prozesskostenhilfeverfahren verbunden waren, nicht Folge des Verzuges.

Die gegenteilige Rechtsansicht findet in dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Norm der Vorbem. 3 IV RVG keinen Widerhall, da nach ihm die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet wird, nicht umgekehrt. Auch der BGH hat sich der gegenteiligen Ansicht nicht angeschlossen, sondern in seiner Entscheidung vom 7.3.2007 auf den Wortlaut der Norm verwiesen (BGH NJW 2007, 2049. vgl. auch Streppel, MDR 2007, 929).

Sinn der Vorschrift der Vorbem. 3 IV RVG ist es, dass der Anwalt nicht wegen derselben Tätigkeit doppelt vergütet werden soll. Damit gelangt die Verfahrensgebühr in Höhe der Anrechnung überhaupt nicht erst zum Entstehen.

Es kann auch nicht maßgeblich darauf abzustellen sein, ob die Geschäftsgebühr im Hauptverfahren tituliert oder unstreitig außergerichtlich beglichen ist (so: KG RVG-report 2007, 352. BayVGH NJW 2007, 170). Denn im Allgemeinen wird die Verfahrensgebühr mit der Kostenfestsetzung tituliert. Es widerspricht aber dem Sinn und Zweck des Kostenfestsetzungsverfahrens, wenn dort zu prüfen wäre, ob ein außerhalb des Verfahrens entstandener Anspruch tituliert oder erfüllt ist. Im Übrigen wäre nicht einzusehen, weshalb sich etwas anderes ergeben sollte, wenn der Anspruch noch nicht tituliert oder erfüllt ist. Im vorliegenden Fall hätte der Kläger es dann in der Hand, durch frühzeitiges Zahlen an seinen Prozessbevollmächtigten die Anrechnung der Geschäftsgebühr zu verhindern. Verfügt er hingegen nicht über die erforderlichen Mittel, um Zahlung leisten zu können, unterbliebe die Anrechnung mit der Folge seiner eigenen Schlechterstellung. Die Entscheidung der Frage, ob eine Anrechnung zu erfolgen hat oder nicht, kann aber nicht von bloßen Zufällen abhängig sein.

Auch das Gerechtigkeitsargument des Amtsgerichts verfängt nicht. Denn der Kläger hat die entstandene Geschäftsgebühr angesichts des Umstandes, dass ein materiellrechtlicher Erstattungsanspruch nicht besteht, selbst zu tragen. Er kann diese Verpflichtung nicht dadurch, dass er die im Gesetz vorgesehene Verrechnung nicht vornimmt, auf den Beklagten verlagern. Der Beklagte wird auch nicht entlastet, weil die Verfahrensgebühr in Höhe des anzurechnenden Betrages nicht entsteht.

Da der Kläger somit keinen Anspruch auf Erstattung von mehr als 192,48 € hat, war das amtsgerichtliche Urteil auf die Berufung des Beklagten entsprechend zu ändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10 und 11, 711 ZPO.

Da entschiedene Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat und weil der Senat von der Rechtsprechung anderer Obergerichte abgewichen ist, war die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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