Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 13.03.2000
Aktenzeichen: 11 WF 175/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1577 Abs. 2

Entscheidung wurde am 09.10.2001 korrigiert: amtlicher Leitsatz eingefügt
Erzielt der Unterhaltspflichtige wegen der Betreuung eines gemeinsamen minderjährigen Kindes sein Einkommen aus einer überobligatorischen Tätigkeit, so kann eine Billigkeitsabwägung dazu führen, dass

-bei der Bestimmung des nacheheli-chen Betreuungsunterhalts neben den konkret anfallenden Kosten der Fremd-betreuung auch ein Ausgleich für die -trotz teilweiser Fremdbetreuung be-stehenden- Mehrbelastung (Betreuungs-bonus) zu berücksichtigen ist,

- bei Fortfall von Fremdbetreuungskosten infolge Übernahme der Betreuung durch die Lebensgefährtin des Unterhaltspflichtigen die Anrechnung eines Betreungsbonus gerechtfertigt ist,

- der Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle (Einsatzbeträge) sich nach dem Einkommen vor Abzug des Betreuungsbonus bestimmt

- von dem so verbleibenden Einkommen vorrangig der Kindesunterhalt (Einsatzbeträge) in vollem Umfang abzusetzen ist und der Ehegattenunterhalt sich nach dem dann verbleibenden, den Selbstbehalt übersteigenden Betrag bestimmt, ohne dass bei Unterschreitung des der Ehefrau grundsätzlich zustehenden Mindestbedarfs eine Mangelfallberechnung vorzunehmen ist.


Beschluß

In der Familiensache

hat der 11. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg

durch die unterzeichneten Richter

am 13. März 2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück vom 12.10.1999 geändert.

Der Klägerin wird Prozeßkostenhilfe bewilligt, soweit sie folgenden monatlichen Betreuungsunterhalt begehrt:

Juni 1999 312,- DM

Juli - Dezember 1999 211,- DM

Januar und Februar 2000 356,- DM

ab März 2000 601,- DM.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Klägerin wird Rechtsanwalt xxx, beigeordnet.

Die gerichtliche Gebühr wird auf 1/2 ermäßigt; außergerichtliche Kosten werden

nicht erstattet.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Amtsgericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für nachehelichen Betreuungsunterhalt von monatlich 949,- DM für die Zeit von Februar bis Juni 1999 und von 909,03 DM ab Juli 1999 zurückgewiesen mangels Leistungsfähigkeit des Beklagten. Es hat ausgeführt, er sei wegen der Betreuung des gemeinsamen Sohnes Dxxx, geb. 21.7.1993, zu einer Erwerbstätigkeit überhaupt nicht verpflichtet. Bei entsprechender Anwendung von § 1577 Abs. 2 BGB sei ein Großteil seines Einkommens von 3.509,15 DM anrechnungsfrei. Das verbleibende Einkommen liege unter dem Selbstbehalt.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin hat teilweise Erfolg.

1. Der Bedarf der Klägerin bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen, die durch das Erwerbseinkommen des Beklagten, Steuererstattungen sowie ehebedingte Verbindlichkeiten geprägt waren.

2. Sein Erwerbseinkommen erzielt der Beklagte allerdings aus überobligatorischer Tätigkeit, so dass sich die Frage stellt, ob und wenn ja in welcher Weise es anzurechnen ist.

Dabei ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Klägerin das gemeinsame Kind Mxxx, geb. am. 1.9.1995 betreut und für ihren Lebensbedarf auf Unterhalt angewiesen ist. Sie hat keine Arbeitseinkünfte, weil sie einer Berufstätigkeit wegen der Betreuung von Mxxx nicht nachgeht. Hierzu ist sie in Anbetracht des Alters des Kindes auch nicht verpflichtet. Der Beklagte seinerseits erfährt seit Anfang des Jahres eine Entlastung durch das Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin.

a. Nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Oldenburg (V 2 a cc) bräuchte ein Unterhaltsberechtigter - hier die Klägerin - gar keiner Arbeit nachzugehen, solange er ein Kind unter 8 Jahren betreut. Tut er es gleichwohl wird das Einkommen aus dieser überobligatorischen Tätigkeit gemäß § 1577 Abs. 2 BGB nur nach Billigkeit angerechnet.

b. In der Rechtsprechung sind bisher unterschiedliche Lösungen für den Fall gefunden worden, daß der dem Grunde nach unterhaltspflichtige Ehegatte - hier der Beklagte - ein Kind betreut und deshalb an sich keiner Berufstätigkeit nachgehen muß. Teilweise ist das volle Einkommen für die Bestimmung des eheangemessenen Bedarfs herangezogen worden, andererseits sind dem Unterhaltspflichtigen aber die Mittel anrechnungsfrei belassen worden, die er zur Fremdbetreuung eingesetzt oder - bei unentgeltlicher Betreuung durch Dritte - einsetzen durfte (BGH NJW 82, 2664, der diese Lösung aber offenbar nicht als die einzig denkbare ansieht; OLG Düsseldorf, FamRZ 80, 685). Nach neuerer Rechtsprechung (vgl. Born, "Ist der Fleißige der Dumme?" in FamRZ 97, 129, 130) werden die Grundsätze des § 1577 Abs. 2 BGB sowohl bei der Bestimmung des Bedarfs als auch der Leistungsfähigkeit sinngemäß angewendet, d.h. daß überobligatorische Einkünfte auch des Unterhaltspflichtigen nur nach Billigkeit anzurechnen sind (OLG Hamm, FamRZ 80, 255; 94, 1036 und NJW-RR 97, 9xx; OLG Köln FamRZ 81, 3xx und 93, 1115; KG FamRZ 81, 869 und 82, 386; Senat - Beschluß vom 31.5.1990 - 11 WF 34/90 - und 16.6.1998 - 11 WF 44/98 - und Urteil vom 14.11.1997 - 11 UF 186/96 -; ebenso Born, a.a.O.).

c. Eine Billigkeitsabwägung führt hier zu dem Ergebnis, daß der Beklagte zunächst bis Dezember 1999 die Kosten für die Fremdbetreuung von Dxxx iHv 400,- DM von seinem Einkommen absetzen kann. Nach den ergänzenden Ausführungen der Parteien im Beschwerdeverfahren fallen diese Kosten jetzt nicht mehr an, weil der Beklagte "inzwischen" mit seiner Lebensgefährtin zusammengezogen ist und sie Dxxx seither gemeinsam mit ihrem eigenen, aus einer anderen Beziehung stammenden Kind von 1 1/2 Jahren betreut. Der Senat geht -mangels präziserem Vortrag - davon aus, dass das seit Anfang diesen Jahres der Fall ist. Bis dahin hält er zum Ausgleich der - trotz teilweiser Fremdbetreuung bestehenden - Mehrbelastung des in Wechselschicht tätigen Beklagten aus Berufstätigkeit und verbleibender eigener Betreuung in der übrigen Zeit einen weiteren Abzug von 200,- DM für gerechtfertigt. Ab Januar 2000 erfolgt die Betreuung und Versorgung des Kindes durch die Lebensgefährtin des Beklagten. Die zuvor bestehende Mehrbelastung ist entfallen. Die Situation entspricht von der Rollenverteilung - der Mann arbeitet außer Haus, die Frau verrichtet die im Haus anfallende Arbeit einschließlich der Kinderbetreuung - derjenigen zu Zeiten des Zusammenlebens der Parteien. Das hat aber nicht zur Folge, dass das Arbeitseinkommen des Beklagten nunmehr in voller Höhe anzurechnen ist. Denn seine Berufstätigkeit bleibt nach wie vor überobligatorisch.Eine Verpflichtung zur Betreuung von Dxxx hat die Lebensgefährtin des Beklagten nämlich trotz der gewählten Rollenverteilung - anders als die Klägerin als Mutter in der Zeit, als die Parteien noch zusammengelebt haben - nicht. Daher ist ab Januar 2000 die Anrechnung eines Betreuungsbonus gerechtfertigt. Das gilt unabhängig davon, ob für die Betreuung tatsächlich ein Entgelt gezahlt wird. (vgl BGH FamRZ 82, 779, 780; 86, 790, 791; NJW 91, 697, 698; OLG Frankfurt FamRZ 96, 888; OLG Hamm FamRZ 96, 866; OLG Oldenburg FamRZ 88, 724, 725; Senat - Urteil vom 29.7.1997 - 11 UF 37/97 - ; ferner Kalthoener/Büttner, 6. Aufl. Rn.. 921). Dabei wird im allgemeinen, so auch hier, ein Betrag von 300,- DM ausreichend und angemessen sein.

Von dem verbleibenden Einkommen ist vorrangig der Kindesunterhalt (Einsatzbeträge) abzusetzen. Die Einordnung in die Düsseldorfer Tabelle erfolgt nach Abzug der realen Betreuungskosten von 400,- DM für 1999. Ein Abzug des Betreuungsbonus von 200,- DM für 1999 und 300,- DM für 2000 kommt bei der Bemessung des Unterhalts für die Kinder - anders als beim Ehegattenunterhalt - nicht in Betracht. Denn ein solcher Vorwegabzug berücksichtigte nicht, dass sich Kindesunterhalt stets strikt nach den tatsächlichen Einkünften bemißt. Für Erwägungen nach § 1577 Abs. 2 BGB ist hier kein Raum. Sie greifen im Rahmen der Bemessung des Ehegattenunterhalts. Das führt dazu, daß die Klägerin den nach Abzug des Betreuungsbonus und des dem Beklagten zu belassenden großen Selbstbehalts verbleibenden freien Restbetrag erhält. Damit ist ihr Mindestunterhaltsbedarf von 1.300,- DM (bis 12/1999) bzw 1.400,- DM (ab 1/2000) nicht gedeckt. Von der Durchführung einer Mangelfallberechnung abzusehen, hält der Senat hier unter den besonderen Umständen des Falles gleichwohl für gerechtfertigt. Eingeflossen in seine Erwägungen ist auch, dass zwar der Beklagte Unterhalt für Mxxx an die Klägerin zahlt, er aber von ihr keinen Unterhalt für Dxxx erhält, und daß die Berufung auf überobligatorische Einkünfte gegenüber Kindesunterhalt nie zum Tragen kommen kann. Aus Billigkeitsgründen muss es dem Beklagten gestattet sein, den Kindesunterhalt ungeschmälert zu bedienen und gleichwohl - zusätzlich zu dem Betreuungsbonus - einen dem großen Selbstbehalt entsprechenden Betrag zur Deckung des Eigenbedarfs zu behalten. Andernfalls würde nach Ansicht des Senats der überobligatorische Einsatz des Beklagten nur unzureichend honoriert.

d. Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage war vom substantiierten und unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin auszugehen, daß sie in keiner nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt. Etwaige fiktive Einkünfte waren daher bedarfsmindernd im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen.

3. Das ergibt folgende Berechnung :

Der Beklagte verfügt ausweislich der Abrechnung 12/98 über ein monatlich bereinigtes Nettoeinkommen von (41.110,93 DM : 12 abzügl. 5 %) 3.254,61 DM.

Hinzu kommen Steuererstattungen (1/12) in Höhe von 254,54 DM.

Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, daß im Juli 1998 für das Steuerjahr 1997 eine Erstattung in der genannten Höhe erfolgt ist. Der Senat geht davon aus, daß auch in den Folgejahren Erstattungen in vergleichbarer Höhe fließen.

Abzusetzen ist der ehebedingte Kredit mit monatlich - 301,- DM.

Der Beklagte hat den im April 1996 aufgenommenen

Kredit, der ursprünglich mit monatlich 403,- DM über

42 Monate zurückgezahlt werden sollte, am 10.3.1998

umgeschuldet. Die Restschuld betrug zu diesem Zeitpunkt

7.123,71 DM. Die neu vereinbarte Ratenhöhe von 301,- DM

ist bis zum Ende der Laufzeit, die bei regelmäßiger Rückführung zum 29.2.2000 endet, zu berücksichtigen.

Abzusetzen sind weiter die tatsächlich - bis 12/99 - - 400,- DM.

angefallenen Betreuungskosten

Für den Unterhalt der Kinder sind bei Einkünften von

1999 1+2/2000 ab 3/2000

2.808,-- DM 3.208,-- DM 3.508,-- DM

vorab in Abzug zu bringen für

2-6/1999 7-12/1999

Dxxx: 398,- DM 492,- DM 522,-- DM 552,-- DM

Mxxx: 398,- DM 405,- DM 430,-- DM 455,-- DM

Nach Abzug von Betreuungsbonus und Selbstbehalt

200,-- DM 300,-- DM 300,-- DM

Selbstbehalt 1.500,- DM 1.600,-- DM 1.600,-- DM

__________________________________________________________

verbleiben 312,- DM 211,- DM 356,- DM 601,-- DM.

Die Klägerin kann den Unterhalt allerdings erst ab Juni 1999 verlangen. Denn für einen davorliegenden Zeitraum hat sie den Beklagten nicht in Verzug gesetzt. Das Schreiben vom 15.2.1999 enthält lediglich die Aufforderung an den Beklagten zur Auskunftserteilung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Eine dringliche Leistungsaufforderung zur Zahlung eines bestimmten betragsmäßig genannten Unterhalts enthält es nicht; ebensowenig eine - für die spätere Geltendmachung bezifferten Unterhalts ausreichende - Stufenmahnung.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 1952 der Anlage I zum GKG, § 127 Abs. 4 ZPO.



Ende der Entscheidung

Zurück