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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 01.03.2005
Aktenzeichen: 12 U 116/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 426
BGB § 1360B
Werden während einer bestehenden Ehe die Belastungen für das von der Familie bewohnte Einfamilienhaus von einem Ehegatten über mehrere Jahre allein übernommen, lässt dies auch dann auf eine anderweitige Bestimmung im Sinn von § 426 BGB schließen, wenn das Hausgrundstück im Alleineigentum des anderen Ehegatten steht und die Eheleute bei der Übertragung des Miteigentums zuvor eine gegenteilige Vereinbarung getroffen hatten.

Soweit mit diesen Leistungen der Wohnbedarf der Familie gedeckt wird, steht § 1360 b BGB auch dann einer Rückforderung entgegen, wenn durch die Tilgung von Krediten zugleich das Vermögen des anderen Ehegatten vermehrt wird.


OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Im Namen des Volkes Urteil

12 U 116/04

Verkündet am 1.03.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie der Richter am Oberlandesgericht ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06. Oktober 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aurich geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien sind verheiratet und leben seit September 2003 getrennt. Bereits im Dezember 1995 kam es zu einer vorübergehenden Trennung. Seinerzeit vereinbarten die Parteien mit notariellem Vertrag der Notarin W ... vom 22. Dezember 1995 (UR.Nr. 386/1995) mit sofortiger Wirkung Gütertrennung. Unter Ziff. 8 dieses Vertrages trafen sie eine Unterhaltsregelung für die Trennungszeit und vereinbarten, dass die Beklagte näher aufgeführte Belastungen für das Hausgrundstück in einem Gesamtumfang von seinerzeit rund 1.185 DM (605 EUR) monatlich übernahm. Ferner übertrug der Kläger seinen Miteigentumsanteil an dem gemeinsamen Hausgrundstück auf die Beklagte. Die Parteien versöhnten sich und lebten in diesem Haus ab Januar 1996 wieder zusammen.

Bis August 2003 wurden die Hausabgaben und Finanzierungsbeiträge zunächst von dem gemeinsamen Konto und in den letzten Jahren von einem durch den Kläger auf seinen Namen eingerichteten Konto bezahlt. Nach endgültiger Trennung der Parteien begehrt der Kläger die Erstattung dieser von ihm mit insgesamt 79.223,77 EUR bezifferten Aufwendungen.

Mit dem am 06. Oktober 2004 verkündeten Urteil hat der Einzelrichter der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aurich der Klage hinsichtlich eines Betrages von 39.611,89 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 38.863,33 EUR seit dem 30. April 2004 und auf weitere 748,56 EUR seit dem 25. August 2004 stattgegeben.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung.

Sie macht geltend, dass dem Ausgleichsverlangen § 1360b BGB entgegenstehe und beantragt,

das Urteil des Landgerichts Aurich vom 06. Oktober 2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das vorgetragene Vorbringen der Parteien sowie die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Weitere tatsächliche Feststellungen hat der Senat nicht getroffen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger einen Ausgleich für die von diesem bis zur endgültigen Trennung der Parteien erbrachten Zahlungen für Hausabgaben und -finanzierung zu leisten. Für einen solchen Anspruch fehlt jede rechtliche Grundlage.

Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung kommen bereits deshalb nicht in Betracht, weil alle von dem Kläger in der Zeit des Zusammenlebens erbrachten Zahlungen ihren Rechtsgrund in der Ehe haben (Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts 3. A. Rn. 333 m.w.N). Dies gilt für alle von dem Kläger erbrachten Leistungen, ohne dass es auf die Vereinbarung über eine abweichende Lastenverteilung ankäme. Denn mit den tatsächlichen Zahlungsvorgängen ist zugleich eine Zuwendung an den anderen Ehegatten verbunden, die ausschließlich nach familienrechtlichen Regeln auszugleichen wäre.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese Vorschrift ist auf die verlangten Gemeindeabgaben ohnehin nicht anwendbar, da sie den Grundstückseigentümer als Alleinschuldner treffen und es folglich an einem Gesamtschuldverhältnis fehlt. Soweit der Kläger einen Zahlungsanspruch auf die von ihm erbrachten Zins und Tilgungsleistungen für die zur Hausfinanzierung aufgenommenen Darlehen stützt, trifft es zwar zu, dass die Parteien hinsichtlich dieser Verbindlichkeiten Gesamtschuldner sind. Insoweit steht einem Ausgleichsanspruch aber eine von den Parteien nach Abschluss des notariellen Vertrages getroffene anderweitige Bestimmung entgegen. Es steht den Eheleuten grundsätzlich frei, eine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Lastenverteilung zu vereinbaren, wie dies im notariellen Vertrag vom 22. Dezember 1995 geschehen ist. Eine solche einmal getroffene Absprache kann von ihnen jedoch auch jederzeit wieder an veränderte Verhältnisse angepasst werden, ohne dass es dafür einer förmlichen Vertrages bedürfte.

So verhält es sich im vorliegenden Fall. Mit Ausnahme der Übertragung der Haushälfte haben die Parteien ihre Trennungsvereinbarung nie in die Praxis umgesetzt. Die Parteien hatten sich bereits im folgenden Monat ausgesöhnt und ihre Ehe fast 8 Jahre lang fortgesetzt, ohne dass sich an den vor der Trennung bestehenden Verhältnissen etwas verändert hätte. Bis in das Jahr 2000 hinein wurden sämtliche Zahlungen von dem gemeinsamen Haushaltskonto getätigt. Auf dieses flossen sowohl die Bezüge des Klägers aus seiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer als auch die Einnahmen der nebenberuflich als Dozentin bei der Volkshochschule tätigen Beklagten. Wie der Kläger selbst darlegt, war der Anteil ihrer Einnahmen am Familieneinkommen gering, so dass die Beklagte gar nicht in der Lage gewesen wäre, hiervon die in dem notariellen Vertrag vereinbarten Zahlungspflichten zu erfüllen. Erst die Zahlung des Trennungsunterhalts hätte die damals über kein ausreichendes Einkommen verfügende Beklagte in die Lage versetzt, der übernommenen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Dieser Zusammenhang ergibt sich auch unmittelbar daraus, dass die konkrete Zahlungsverpflichtung nicht im Zusammenhang mit der Übertragung des Miteigentums geregelt wurde, sondern sich unter Ziff. 8 bei den Vereinbarungen zum Trennungsunterhalt findet. Die Parteien haben nach ihrer Aussöhnung die Lastenverteilung nicht wie vertraglich vereinbart gehandhabt, sondern die von ihnen bis dahin praktizierte Bezahlung ihrer Verbindlichkeiten beibehalten. Daran änderte sich sachlich auch nichts, als der Kläger die Zahlungen später von einem auf seinen Namen eingerichteten Konto vornahm. Die Parteien haben ihre jeweiligen Leistungen für die eheliche Lebensgemeinschaft faktisch als weiterhin gleichgewichtige Beiträge behandelt. Unter diesen Umständen rechtfertigt das Verhalten der Parteien den sicheren Schluss auf eine stillschweigend zustande gekommene Abänderung des notariellen Vertrages mit dem Inhalt, dass der Kläger weiterhin die im notariellen Vertrag bezeichneten Verbindlichkeiten übernimmt, ohne dafür später einen Ausgleich zu verlangen.

Diese anderweitige Bestimmung im Sinne von § 426 Abs. 1 S. BGB hindert einen Ausgleichsanspruch des Klägers. Hiervon ist zunächst der als mietähnliche Belastung unmittelbar der Deckung des Wohnbedarfs zuzurechnenden Zinsaufwand für die bestehenden und nachträglich gemeinsam aufgenommenen Darlehen betroffen. Gleiches gilt aber auch für die bis zur Trennung aufgebrachten Tilgungsbeiträge und zwar unabhängig vom Güterstand. Denn auch bei vereinbarter Gütertrennung tragen die wechselseitigen Leistungen beider Ehegatten ihrer angemessenen Beteiligung an dem in der Ehe gemeinsam Erreichten Rechnung (BGH FamRZ 1990, 855; Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 3 A. Rn. 250; Kleinle FamRZ 1997, 8, 10).

Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit den allgemein familienrechtlichen Grundsätzen. Ohne besondere Vereinbarung kommt ein Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB nicht in Betracht, weil das Gesamtschuldverhältnis während der bestehenden Lebensgemeinschaft durch diese überlagert wird (st. Rspr. BGH FamRZ 1983, 795; FamRZ 1993, 676; FamRZ 1995, 216; FamRZ 2002, 739 mit zustimmender Anm. Wever). Die in einer intakten Ehe praktizierte tatsächliche Handhabung der Schuldentilgung rechtfertigt die Annahme, dass der die Verbindlichkeiten bedienende Ehegatte einen auf ihn entfallenden Beitrag zum Familienunterhalt leistet, ohne hierfür nachträglich einen Ausgleich zu verlangen (Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 3 A. Rn. 249; Haußleiter/Schulz Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung 4. A. Kap. 6, Rn. 16f). Dies folgt aus § 1360 S. 2 BGB, wonach die für die Lebensgemeinschaft erbrachten Beiträge der Ehegatten unabhängig von jeder monetären Bewertung als grundsätzlich gleichgewichtig anzusehen sind, und entspricht dem Rechtsgedanken des § 1360b BGB. Diese Norm begründet nach allgemeiner Ansicht eine gesetzliche Vermutung, dass ein Ehegatte von dem anderen auch dann keinen Ersatz verlangen will, wenn er einen höheren als den ihm eigentlich obliegenden Beitrag zum Familienunterhalt leistet. Damit knüpft die Vorschrift an die allgemeine Lebenserfahrung an, dass die innerhalb eines Familienverbandes wechselseitig für den Familienunterhalt erbrachten Leistungen ohne Bindung an bestehende Einkommensverhältnisse und sonstige Umstände erfolgen und später kein Ausgleich tatsächlicher oder vermeintlicher Mehrleistungen erfolgen soll (BGH FamRZ 2002, 739, 740). Die ehelichen Lebensverhältnisse werden durch gleichgewichtige Beiträge beider Ehegatten bestimmt und jeder Ehegatte würde sich in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten setzen, wenn er nach einem Scheitern der Ehe eine Abrechnung seiner von ihm zuvor für den Familienunterhalt erbrachten Leistungen verlangen würde. Abgesehen davon, dass eine solche Verrechnung an der Unaufklärbarkeit aller erheblichen Vorgänge scheitern muss, können dabei leicht Beträge erreicht werden, welche die Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten übersteigen. Es entspricht daher einem allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsatz, dass für die Vergangenheit in der Regel weder Unterhalt gefordert, noch eine Zuvielleistung zurückgefordert werden kann.

Zwar betrifft diese Beschränkung nur Unterhaltsleistungen. Der Begriff des Unterhalts ist aber nicht auf Ausgaben zum laufenden Bedarf beschränkt, sondern umfasst nach Sinn und Zweck der Vorschrift alle Leistungen, die einen Bezug zum Familienunterhalt haben. Es ist dabei unerheblich, woher die eingesetzten Mittel stammen, ob es sich um einmalige oder laufende Zahlungen handelt und welcher der Ehegatten im Außenverhältnis zur Leistung verpflichtet ist. Dies schließt nicht nur die vom Kläger gezahlten Grundstücksabgaben, sondern auch Leistungen auf Kreditverpflichtungen oder andere Verbindlichkeiten ein, sofern es sich nicht um voreheliche oder geschäftliche Schulden handelt. Es genügt, wenn hierdurch zugleich ein Bedarf der Familie gedeckt wird. Denn mit ihren in der Ehe geleisteten Beiträgen verbinden die Ehegatten typischerweise nicht die Vorstellung, einen dem Verhältnis ihrer jeweiligen Einkommen entsprechenden Anteil zum Familienunterhalt aufzubringen (AnwKommKaiser § 1360b Rn. 10). Hierfür bestimmend sind vielmehr die innerfamiliäre Aufgabenverteilung und die tatsächliche finanzielle Verfügungsmacht. Auch soweit bei vereinbarter Gütertrennung die Leistungen zugleich zu einem güterrechtlich nicht auszugleichenden Vermögenszuwachs für den anderen Ehegatten führen, ist für den Regelfall davon auszugehen, dass sie ihre Geschäftsgrundlage in der Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft haben und eine Beteiligung am Ergebnis des gemeinsam Erreichten bilden (BGH NJW 1994, 2545, 2546). Bei der vermögensrechtlichen Zuordnung setzen sich die güterrechtlichen Regeln durch.

Eine Korrektur unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage käme nach ständiger Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn die Beibehaltung der geschaffenen Vermögenslage einen Ehegatten in einer nach Treu und Glauben unzumutbaren Weise benachteiligen würde (BGH FamRZ 1990, 855, 856). Dafür ist nichts vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich. Vielmehr handelt der Kläger selbst treuwidrig, wenn er unter Berufung auf seine formale Rechtsposition nachträglich einen Vermögensausgleich verlangt, obwohl er der Beklagten zuvor die im selben Vertrag vereinbarte Zahlung der zur Leistung notwendigen Beträge vorenthalten hat.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es bestehen keine Gründe, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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