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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: 12 UF 49/06
Rechtsgebiete: BGB, EStG, DA-FamEStG


Vorschriften:

BGB § 1353
EStG § 70
DA-FamEStG
Wird die Festsetzung des Kindergeldes rückwirkend geändert, ist der kindergeldberechtigte Elternteil verpflichtet, unter Verwendung des Anhangs 14 zur DA-FamEStG die Weiterleitung an ihn zu bestätigen, soweit das Kindergeld von dem früher berechtigten Elternteil wirtschaftlich in einer Weise verwendet worden ist, die einer Auszahlung an ihn gleichkommt.

Eine dem übereinstimmenden Willen der Eltern entsprechende Verwendung des Kindergeldes steht einer Auszahlung an den kindergeldberechtigten Elternteil gleich. Auf eine persönliche Auszahlung an diesen kommt es nicht an.


OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Im Namen des Volkes Urteil

12 UF 49/06

verkündet am 19. September 2006

In der Familiensache

hat der 12. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 05. September 2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ..., des Richters am Oberlandesgericht ... und der Richterin am Amtsgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Juni 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lingen geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, durch Abgabe eines von ihr ausgefüllten und unterschriebenen Formblattes "Anhang 14 zur Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs (DAFamEStG)" gegenüber der Agentur für Arbeit, Familienkasse Osnabrück, zum Aktenzeichen xxx der vormaligen Familienkasse Nordhorn zu erklären, dass das Kindergeld für das Kind N. in den Monaten März und April 2002 an sie weitergeleitet worden ist.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien waren miteinander verheiratet und hatten sich im Juli 2001 getrennt. Die gemeinsame Tochter N., geb. am 25. Januar 1984, lebte nach der Trennung im Haushalt der Beklagten.

Auch nach der Trennung zahlte die Familienkasse das gesetzliche Kindergeld für Nicole auf das laufende Konto Nr. xxx bei der Sparkasse E.

Die Beklagte nahm den Kläger für die Zeit ab September 2001 im Verfahren 21 F 2005/06 Amtsgericht Lingen auf Unterhalt für sich und das Kind in Anspruch. In einem in diesem Rechtsstreit am 20. Februar 2002 geschlossenen Vergleich vereinbarten die Parteien, dass der Kläger ab März 2002 Kindesunterhalt in Höhe von 343 Euro auf das Konto der Tochter zahlt und das Kindergeld ebenfalls auf dieses Konto gezahlt werden solle. Die Geltendmachung rückständigen Kindesunterhalts behielt sich die Beklagte vor. Ferner stellte der Kläger die Beklagte von jedweder Inanspruchnahme wegen der Überziehung des Kontos xxx im Innenverhältnis frei und verpflichtete sich, eine Haftentlassung zugunsten der Beklagten beizubringen sowie bis Juni 2002 die Lasten in Höhe von (umgerechnet) 1.099, 28 Euro für das im gemeinsamen Eigentum der Parteien stehende Hausgrundstück zu tragen.

Nachdem die Beklagte anschließend beantragt hatte, ihr rückwirkend ab August 2001 das Kindergeld zu zahlen, hob die Familienkasse die zugunsten des Klägers erfolgte Festsetzung des Kindergeldes auf und verlangte von diesem Rückzahlung der in der Zeit von August 2001 bis April 2002 gezahlten Beträge in Höhe von insgesamt 1.306,24 Euro. Einspruch und Klage gegen diesen Bescheid blieben erfolglos, da der Kläger keine Bestätigung der Beklagten über die Weiterleitung des Kindergeldes vorlegen konnte. Über die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Finanzgerichts ist noch nicht entschieden. Der Beklagte zahlt auf den Rückforderungsbetrag monatliche Raten von 60 Euro.

Mit dem Vorbringen, das Kindergeld habe mit dem Eingang auf dem gemeinsamen Konto für den Familienunterhalt zur Verfügung gestanden und die Beklagte habe hierüber auch verfügen können, begehrt der Kläger die Bestätigung, dass das Kindergeld der Beklagten für den streitigen Zeitraum vollständig zugeflossen sei.

Durch das am 25. April 2006 verkündete Urteil hat das Amtsgericht - Familiengericht - Lingen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass angesichts der Einzahlung auf ein gemeinsames Konto nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Beklagte über das Kindergeld allein habe verfügen können. Zudem sei die Zahlung für März und April 2002 ohnehin auf das Konto der gemeinsamen Tochter erfolgt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung.

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und beantragt

das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lingen vom 25. April 2006 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, unter Verwendung des Vordrucks "Bestätigung zur Vorlage bei der Familienkasse" gegenüber der Agentur für Arbeit, Familienkasse Osnabrück, zum Aktenzeichen xxx der vormaligen Familienkasse Nordhorn zu erklären, dass ihr das Kindergeld von August 2001 bis April 2002 zugeflossen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung.

Weitere tatsächliche Feststellungen hat der Senat nicht getroffen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Familienkasse zu bestätigen, dass das Kindergeld für die gemeinsame Tochter N. in den Monaten März und April 2002 an sie weitergeleitet worden ist.

Aus dem Wesen der Ehe folgt für beide Ehegatten die - aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB abgeleitete - Verpflichtung, den anderen Teil nach Möglichkeit vor finanziellen Lasten zu bewahren, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist (BGH FamRZ 2005, 182). Dazu gehört es auch, die Erklärungen abzugeben, die zur Herbeiführung einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Rechtslage erforderlich sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn als Folge des eigenen Handelns dem anderen Ehepartner ohne die verlangte Erklärung sachlich nicht gerechtfertigte Nachteile drohen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend für die Monate März und April 2002 gegeben. Obwohl sich die Parteien im Vergleich vom 20. Februar 2002 über die Zahlung des künftigen Kindesunterhalt verständigt und sich auch über die Modalitäten für die Auszahlung des Kindergeldes geeinigt hatten, hat die Beklagte ohne jede Einschränkung den Bezug des Kindergeldes rückwirkend für die Zeit ab Trennung der Parteien beantragt. Formal war sie dazu zwar als vorrangig bezugsberechtigter Elternteil legitimiert, sie setzte sich damit aber in Widerspruch zu der zuvor von den Parteien zum Kindesunterhalt getroffene Vereinbarung. Der Antrag hatte die zwangsläufige Folge, dass die zugunsten des Klägers erfolgte Festsetzung des Kindergeldes aufgehoben und die an ihn gezahlten Beträge zurückgefordert wurden (§ 70 Abs. 2 EStG, DAFamEStG 64.4 Abs. 3). Im Verhältnis der Eheleute untereinander belastet diese Rückforderung den Kläger zu Unrecht, weil die Parteien zuvor eine Absprache über den vom jetzigen Kläger künftig zu zahlenden Unterhalt getroffen hatten. Bestandteil dieser Vereinbarung war die Auszahlung des auf das gemeinsame Konto der Parteien geflossenen Kindergeldes an das gemeinsame Kind. Da der Kläger diese Zahlung unbestritten vorgenommen hat, ist der Zustand eingetreten, der nach dem Willen der beiden Parteien erreicht werden sollte. Wenn die Beklagte nunmehr darauf beharrt, das Kindergeld nicht persönlich erhalten zu haben, setzt sie sich in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten.

Da für die Familienkasse eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen den Eltern unbeachtlich ist, kann eine der Sache nach nicht berechtigte Rückforderung nur durch Vorlage einer Bestätigung über die sog. "Weiterleitung an den Berechtigten" verhindert werden (Schmidt, Einkommensteuergesetz 66. Aufl. § 64, Rn. 3). Der Abgabe der von dem Kläger verlangten Erklärung steht dabei nicht entgegen, dass es nie zu einer direkten Auszahlung an die Beklagte gekommen war. Denn die Weiterleitung an den Kindergeldberechtigten ist nicht im Sinn einer körperlichen Übergabe des Geldes, sondern als Rechtsbegriff zu verstehen, der auch eine andere Art der Erfüllung gestattet. Dies folgt unmittelbar aus der Funktion der von der Familienkasse verlangten Bestätigung.

Bei mehreren Berechtigten ist für die Familienkasse der sich aus dem Obhutsprinzip ergebende Vorrang maßgeblich. Nach ständiger Rechtsprechung der Finanzgerichte ist es unerheblich, ob das Kindergeld in der Vergangenheit auf ein gemeinsames Konto gezahlt wurde, auf das beide Elternteile zugreifen konnten. Zivilrechtliche Vereinbarungen über die Verwendung des Kindergeldes hat sie nicht zu überprüfen (BFH Urteil v. 14. Oktober 2003, VIII R 35/02 nv.). Nur bei Vorlage einer Bescheinigung nach Anhang 14 DAFamEStG kann die Familienkasse von der Durchsetzung des Rückforderungsanspruchs absehen. Damit soll eine für die Kasse eindeutige Rechtslage geschaffen werden, die es ausschließt, dass die Leistungen für denselben Zeitraum doppelt erbracht werden müssen. Demgemäss liegt der entscheidende Inhalt auch nicht darin, die Weiterleitung des Kindergeldes zu bescheinigen, sondern in der damit verbundenen Erklärung, dass der Kindergeldberechtigte seinen "Anspruch auf Kindergeld für den o.g. Zeitraum als erfüllt" ansieht.

Für die Monate März und April 2002 folgt die Weiterleitung daher unmittelbar aus dem Vergleich der Parteien. Denn die vereinbarte Auszahlung des Kindergeldes auf das Konto der Tochter hat keine andere Wirkung, als wenn die Beklagte der Kindergeldkasse eine entsprechende Zahlungsanweisung erteilt hätte. Auch damit wäre ihr Kindergeldanspruch erfüllt (BFH/NV 2004, 1218). Für diese zivilrechtliche Folge ist es unerheblich, dass der Kläger im Verhältnis zur Kindergeldkasse weiterhin als Empfänger der Leistung galt.

Daher ist die Beklagte verpflichtet, für die Monate März und April 2002 die von dem Kläger verlangte Erklärung abzugeben. Die dabei zu wahrende Form ergibt sich aus den seitens der Familienkasse gestellten Anforderungen. Ob die Erklärung noch geeignet ist, einen teilweisen Erlass des Erstattungsanspruchs zu bewirken, ist im Rahmen der zivilrechtlichen Auseinandersetzung nicht zu prüfen (vgl. BGH FamRZ 2005, 182).

Unbegründet ist die Klage hingegen für den Zeitraum bis einschließlich Februar 2002. Zwar ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass die "Weiterleitung" auch durch ausreichend hohe Leistungen zum Familienunterhalt bewirkt werden kann. Ein Anzeichen hierfür ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kläger trotz seiner Arbeitslosigkeit bis Juni 2002 allein die hohen Belastungen für das im Eigentum beider Parteien stehende Hausgrundstück übernommen hatte und er den Negativsaldo des gemeinsamen Kontos vereinbarungsgemäß allein ausgleichen sollte. Zudem hat die Beklagte in diesem Rechtsstreit ausgeführt, dass es bei dem Verlangen nach einer formularmäßigen Erklärung um eine reine Förmelei handele. Aus ihren auf keine weiteren Tatsachen gestützten Erklärungen lässt sich gleichwohl nicht schließen, dass mit der getroffenen Vereinbarung alle Ausgleichsansprüche für die Vergangenheit erledigt sein sollten. Einer so weit reichenden Folge steht entgegen, dass die Parteien den Anspruch auf rückständigen Kindesunterhalt ausdrücklich ausgeklammert hatten. Die Beklagte hielt den Kläger folglich zu weiteren Zahlungen für verpflichtet. Ein Verzicht auf eine Auszahlung eines ihr zustehenden Kindergeldanspruchs wäre damit nicht zu vereinbaren. Immerhin hatte die Beklagte in dieser Zeit den von Leistungen des Klägers nicht gedeckten Bedarf des Kindes getragen. Der Senat vermag daher nicht festzustellen, dass mit dem Vergleich alle Zahlungsansprüche erledigt sein sollten. Eine Erfüllung jeglicher Ansprüche ergibt sich auch nicht aus den Abhebungen der Beklagten zu Lasten des gemeinsamen Kontos. Zu diesen anlässlich der Trennung vorgenommenen Verfügungen sah sich die Beklagte aus anderen Gründen als berechtigt an. Die weitere Abhebung von 500 DM im September war keineswegs ausreichend, um den vollständigen Bedarf zu befriedigen. Damit überwiegt der Gesichtspunkt, dass die Parteien in dem Vergleich vom 20. Februar 2002 nicht alle Zahlungsansprüche erledigt hatten. Die sich daraus ergebenden Zweifel wirken zu Lasten des Klägers, der für eine der Weiterleitung des Kindergeldes an die Beklagte entsprechende Leistung beweisbelastet ist.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 710 ZPO.

Es bestehen keine Gründe, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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