Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 10.05.2005
Aktenzeichen: 12 UF 9/05
Rechtsgebiete: SGB I, BeamtVG


Vorschriften:

SGB I § 53
BeamtVG § 57
Ein Unterhaltsschuldner hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Unterhaltsberechtigte zur Erstattung von Unterhaltszahlungen verpflichtet ist, sofern sich sein Einkommen gemäß § 57 Abs. 1 BeamtVG deshalb aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs verringert, weil die rückwirkende Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente zu erwarten ist.

Der Erstattungsanspruch kann durch eine Abtretung künftiger Nachzahlungsansprüche gesichert werden. Dem steht § 53 Abs. 1 SBG I nicht entgegen.


OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Im Namen des Volkes Urteil

12 UF 9/05

In der Familiensache

hat der 12. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. Dezember 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Oldenburg geändert und der Tenor insgesamt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für den Fall einer Rentennachzahlung dem Kläger den Betrag zu erstatten, der sich für die Zeit ab Mai 2004 daraus ergibt, dass sich ihr Rentenanspruch aufgrund des zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Klägers beim Regierungspräsidium M... durchgeführten Versorgungsausgleichs erhöht, begrenzt durch den Kürzungsbetrag, um den sich die an den Kläger ausgezahlten Versorgungsbezüge verringern.

2. Die Beklagte wird verurteilt, zur Sicherung des Erstattungsanspruchs des Klägers ihren Nachzahlungsanspruch in dem sich aus Ziff. 1 des Tenors ergebenden Umfang an den Kläger abzutreten.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die 1988 geschlossene Ehe der Parteien wurde durch Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Oldenburg vom 22. Mai 2002 geschieden.

In einer vor dem Notar X. in Y. am 04. Juli 2000 geschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarung regelten die Parteien u.a. unter wechselseitigem Verzicht auf weitere Ansprüche die Auseinandersetzung ihres Vermögens und vereinbarten die Zahlung eines zunächst bis zum 30. Juni 2005 befristeten Ehegattenunterhalts in Höhe von 2.500, DM (Ziff. 5) sowie die Zahlung von 700, DM Kindesunterhalt einschließlich anteiligen Kindergeldes (Ziff. 6). Die Regelung des Ehegattenunterhalts sollte nur dann abänderbar sein, wenn das mit 220.000, DM zugrunde gelegte steuerpflichtige Jahreseinkommen unter 150.000, DM sinkt.

Ferner enthält der Vertrag unter Ziff. 7 folgende Vereinbarung:

"Bei den vorstehenden Regelungen sind wir davon ausgegangen, dass A. Z. seinen vollen Anspruch auf Versorgungsbezüge ungeachtet eines etwaigen Versorgungsausgleichs solange behält, wie B. Z. aus dem Versorgungsausgleich keine Rente erhält."

Der Kläger bezieht aus seiner von Oktober 1991 bis Februar 1994 dauernden Tätigkeit als Regierungssprecher der Landesregierung des Landes S. eine monatliche Versorgung in Höhe von rund 2.500 EUR ausgezahlt. Die Beklagte hat am 07. Mai 2004 Rentenantrag gestellt, über den noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Mit Bezug der Rente ist eine Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers um rund 558 EUR zu erwarten.

Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihm für den Fall der Rentennachzahlung verpflichtet ist, ihm die ab Mai 2004 erhaltene Rentenachzahlung zu erstatten und ihm zur Sicherung seines Zahlungsanspruchs den Anspruch auf Rentennachzahlung abzutreten. Die Beklagte ist dem Begehren entgegengetreten und hat dazu ausgeführt, dass der Kläger auch bei Bewilligung einer Rente verpflichtet sei, den vereinbarten Unterhalt ungekürzt zu leisten.

Durch das am 29. Dezember 2004 verkündete Urteil hat das Amtsgericht - Familiengericht - Oldenburg der Klage hinsichtlich des Feststellungsbegehrens insoweit stattgegeben, als die Rentennachzahlung auf dem Versorgungsausgleich beruht und die weitergehende Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren jeweils fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufungen, mit denen sie ihre erstinstanzlich vertretenen Rechtsstandpunkte weiter verfolgen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und

1. festzustellen, dass die Beklagte für den Fall der Rentengewährung verpflichtet ist, dem Kläger den Teil der Rentennachzahlung ab Mai 2004 zu erstatten, der auf den Versorgungsausgleich zurückzuführen ist sowie

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Fall der Rentennachzahlung zur Sicherung des sich aus dem Urteilsausspruch zu 1) ergebenden Zahlungsanspruch des Klägers den Rentennachzahlungsanspruch der auf den Versorgungsausgleich zurückzuführen ist, an den Kläger abzuführen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und auf ihre eigene Berufung das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Weitere tatsächliche Feststellungen hat der Senat nicht getroffen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet, während sich das Rechtsmittel der Beklagten als erfolglos erweist.

Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat bereits vor einer endgültigen Entscheidung über den Rentenantrag der Beklagten ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung hinsichtlich eines dann in Betracht kommenden Erstattungsanspruchs, da zwischen den Parteien Streit über die Folgen dieses Anspruchs auf den vertraglich vereinbarten Unterhalt besteht.

Dieses Begehren ist auch begründet. Denn sollte die Beklagte aufgrund ihres Antrags ab Mai 2004 eine Rente erhalten, ist sie verpflichtet, dem Kläger den Unterhalt zu erstatten, den dieser aufgrund der vertraglichen Vereinbarung nicht zu erbringen braucht. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass eine Kürzung dieses Unterhaltsanspruchs davon abhängig sei, ob sich das zu versteuernde Einkommen des Klägers unter 150.000 DM (76.693 EUR) vermindere. Diese Frage stellt sich nach dem Inhalt der zum Ehegattenunterhalt getroffenen Vereinbarung nicht. Die Parteien haben in Ziff. 5 des notariellen Vertrages vom 04. Juli 2004 den vom Kläger bis einschließlich Juni 2005 zu zahlenden Unterhalt auf 2.500 DM (1.278,23 EUR) festgelegt. Die Höhe des Anspruchs besteht zwar unabhängig von sonstigen Einkünften der Beklagten. Eine Abänderung dieses Betrages kommt aber nicht nur bei einer allgemeinen Verringerung des klägerischen Einkommens in Betracht, sondern auch dann, wenn zu Lasten dieses Einkommens an die Beklagte eine Rente ausgezahlt wird.

Dass die Höhe der vereinbarten Unterhaltsverpflichtung durch die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs beeinflusst werden kann, folgt unmittelbar aus Ziff. 7 des Vertrages. Diese Regelung bezieht sich nicht auf den zweiten Absatz von Ziff. 5, sondern umfasst alle zum Unterhalt getroffenen Vereinbarungen. Dies zeigt die gewählte Pluralform und erschließt sich darüber hinaus aus dem übrigen Zusammenhang. Die Vereinbarung erhält ihren Sinn erst aus den Wechselwirkungen des Versorgungsausgleichs zum Einkommen von Unterhaltsberechtigtem und -verpflichtetem. Sollte eine Abänderung des Zahlbetrages von einem sinkenden Einkommen im Sinne von Absatz 2 der Ziff. 5 abhängen, wäre die Regelung schlicht überflüssig. Denn wenn sich das Einkommen des Klägers aufgrund der Durchführung des Versorgungsausgleichs entsprechend verringerte, konnte jederzeit eine Anpassung verlangt werden, ohne dass es auf den Grund angekommen wäre. Der Zusammenhang ist ein anderer: Die Beklagte sollte zu Lasten des Einkommens des Klägers über einen Zeitraum von 6 Jahren einen unabänderlichen Unterhalt in Höhe von 2.500 DM erhalten. Für die Höhe dieses Betrages kam es abgesehen von der in Absatz 2 genannten Ausnahme nicht darauf an, wie sich das verfügbare Nettoeinkommen des Klägers entwickelte und welchen Verdienst die Beklagte in diesem Zeitraum erzielte. Demgegenüber regelt Ziff. 7 einen spezifischen Ausnahmefall, wenn die Beklagte eine Rente erhält und sich das Einkommen des Klägers deshalb vermindert, weil er aus diesem Grund gemäß § 57 Abs. 1 S. 2 BeamtVG eine Kürzung seines Ruhegehalts hinnehmen muss. Es gibt keine andere Fallgestaltung, für die Ziff. 7 sonst bedeutsam sein könnte. Die wirtschaftlichen Folgen einer solchen Veränderung sind nicht anders zu beurteilen, als wenn die Beklagte den vereinbarten Unterhalt weiterhin aus dem Einkommen des Klägers erhält. Damit regelt Ziff. 7 einen Sonderfall der Einkommensveränderung, ohne das von den Parteien angestrebte Ziel eines ansonsten einkommensunabhängig geschuldeten Unterhalts von 2.500 DM zu beeinflussen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt Ziff. 7 auch keine eigenständige Bedeutung für die Zeit ab dem 1. Juli 2005 zu. Die Vereinbarungen zum Ehegattenunterhalt wirken nicht über diesen Zeitpunkt hinaus.

Sollte der Rentenantrag der Beklagten Erfolg haben, ist sie daher zu einer Erstattung eines vom Kläger zu hoch gezahlten Unterhalts verpflichtet (vgl. Wendl/Staudigl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis 6. Aufl. § 1 Rn. 450 m.w.N.). Der Höhe nach ist dieser Erstattungsanspruchs allerdings auf den Teil der Rente beschränkt, der mit den zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Klägers begründeten Anrechten korrespondiert. Da der Unterhaltsanspruch der Beklagten im übrigen einkommensunabhängig ausgestaltet ist, kann er auch nicht höher ausfallen, als der sich für den Kläger ergebende Kürzungsbetrag. In diesem Sinn konkretisiert der Tenor den Umfang der Verpflichtung, ohne aber damit hinter dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch zurück zu bleiben.

Im Umfang seines berechtigten Feststellungsbegehren kann der Kläger auch eine Abtretung des Nachzahlungsanspruchs zur Sicherung seines eigenen Zahlungsanspruchs verlangen.

Da die Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers während eines laufenden Rentenverfahrens fortbesteht, kann ihm der Unterhaltsschuldner für diese Zeit ein zunächst zins und tilgungsfreies Darlehen anbieten, welches für den Fall der Rentenbewilligung durch die zu erwartende Nachzahlung zu tilgen ist (BGH FamRZ 1983, 574). Auf nichts anderes lief die Aufforderung des Klägers in der vorprozessualen Korrespondenz hinaus, nämlich die teilweise Umwandlung des geschuldeten Unterhalts in ein Darlehen unter Verzicht auf eine Rückzahlung für den Fall der Ablehnung des Rentenantrags. Nachdem die Beklagte mit ihrem Rentenantrag selbst die Situation geschaffen hat, dass der Kläger eine nachträgliche Verringerung seines Einkommens befürchten muss, handelt sie treuwidrig, wenn sie sich auf dieses sachgerechte Angebot nicht einlässt. Unter diesen Umständen erweist sich auch das Sicherungsinteresse des Klägers als berechtigt, der anderenfalls befürchten muss, seine Erstattungsansprüche nicht durchsetzen zu können. Es bedarf keiner Vertiefung, ob nicht bereits das Klageziel eine teilweise Umwandlung des Unterhalts in ein Darlehen einschließt. § 53 SGB I steht der begehrten Abtretung deshalb nicht entgegen, weil § 53 Abs. 2 Nr. 1 SGB I über seinen Wortlaut hinaus auch auf andere Fälle von vorschussweise geleisteten Zuwendungen anzuwenden ist (Mrozynski SGB I § 53 Rn. 23f) und darüber hinaus die Fortsetzung der Unterhaltszahlung bis zur endgültigen Entscheidung über den Rentenantrag dem wohlverstandenen Interesse der Beklagten dient. Dementsprechend ist die Beklagte antragsgemäß zur Abgabe der Abtretungserklärung zu verurteilen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO

Es bestehen keine Gründe, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück