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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 26.11.2001
Aktenzeichen: 13 U 91/01
Rechtsgebiete: BNotO, BGB


Vorschriften:

BNotO § 19
BGB § 680
Zur Frage der Haftung einer Notariatsangestellten, die als Auflassungsbevollmächtigte einer Vertragspartei auftritt, obwohl die Voraussetzungen, auf Grund der die Auflassung erklärt werden darf, noch nicht vorliegen.
IM NAMEN DES VOLKES! URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2001 unter Mitwirkung des

Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ...

und der Richter am Oberlandesgericht ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 15. Juni 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aurich wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.500, DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 50.000, DM festgesetzt.

Die Revision wird gemäß § 546 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugelassen.

Tatbestand:

Am 30.09.1999 schlossen die Kläger vor dem Notar V... einen notariellen Grundstückskaufvertrag mit ihrer Schwiegertochter, Frau R.... Diese hatte für das Grundstück den Klägern einen Kaufpreis von 50.000, DM zu zahlen. Der Kaufpreis sollte auf ein Konto der Kläger eingezahlt werden. Die Auflassung sollte nach § 5 des notariellen Vertrages nach Vorliegen der Abschreibungsunterlagen des Katasteramtes und nach Zahlung des Kaufpreises erfolgen. Der Beklagten, Bürovorsteherin der Kanzlei V... und Partner, und ihrer Kollegin W... wurden von beiden Vertragsparteien unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB Auflassungsvollmacht erteilt. Die Bevollmächtigten sollten weiter ermächtigt sein, alle zur Durchführung des Vertrages etwa noch notwendig werdenden Erklärungen für die Beteiligten allen Behörden gegenüber abzugeben.

Am 01.12.1999 erklärte die Beklagte vor dem Notar V... die Auflassung (URNr. .../...). Zu diesem Zeitpunkt war der Kaufpreis noch nicht bezahlt. Am 23.12.1999 bewilligte die Käuferin zugunsten der ... die Eintragung zweier Grundschulden über 50.000, DM und 25.000, DM. Die Eintragung des Eigentumsübergangs und der Grundschulden erfolgte am 11.01.2000.

Die Kläger haben zunächst im Verfahren 3 0 486/00 LG Aurich den Notar V... auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Ihre Klage wurde rechtskräftig abgewiesen, weil nicht festgestellt werden konnte, dass keine anderweitige Ersatzmöglichkeit vorhanden war.

Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Urteil Bezug genommen.

Die Kläger begehren nun in diesem Verfahren Schadensersatz von der Beklagten. Sie haben dazu vorgetragen, von ihrer ehemaligen Schwiegertochter, die sich von ihrem Sohn inzwischen getrennt habe, sei keine Zahlung zu erwarten, sie sei hochverschuldet. Auf Antrag der ... sei zwischenzeitlich die Zwangsversteigerung des Grundstücks angeordnet worden. Die Kläger haben gemeint, die Beklagte hätte überprüfen müssen, ob die Kaufpreiszahlung erfolgt sei. Sie habe als Auflassungs und Vollzugsbemächtigte auch den Antrag zur Umschreibung nicht stellen dürfen.

Das Landgericht Aurich hat mit dem am 15.06.2001 verkündeten Urteil die auf Zahlung von 50.000, DM Zug um Zug gegen Abtretung der Schadensersatzansprüche gegen die Käuferin gerichtete Klage abgewiesen, da die Beklagte nicht die Pflicht getroffen habe, die Voraussetzungen der Auflassung zu überprüfen. Das sei Angelegenheit des Notars gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf dieses Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung beantragen die Kläger, die dem Notar Väterlein den Streit verkündet haben,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 50.000, DM nebst 5 % Zinsen seit dem 25.03.2000 Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Kläger aus dem notariellen Kaufvertrag vom 30.09.1999 gegen Frau E... geb. R..., zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger tragen vor, es habe bürointern zu den Aufgaben der Beklagten gehört, den Eingang des Geldes zu überwachen, so dass es ihr auch möglich gewesen sei, die Weisung des Klägers, wann die Auflassung erfolgen sollte, zu beachten. Die Kläger hätten auch das Grundstück von der ... nicht zurückerwerben und die Grundschulden nicht ablösen können.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Kläger können die Beklagte nicht wegen einer schuldhaften Verletzung des der Vollmacht zugrundeliegenden Auftragsverhältnisses auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.

Mit dem Landgericht geht der Senat davon aus, dass zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis bestanden und die Beklagte aufgrund dieses Verhältnisses von der Vollmacht Gebrauch gemacht hat. Er geht ferner angesichts des Wortlauts des § 5 des Kaufvertrages davon aus, dass die Beklagte erst nach Zahlung des Kaufpreises von der Vollmacht Gebrauch machen durfte, so dass sie gegen die Pflichten aus dem Auftragsverhältnis verstoßen hat und danach grundsätzlich eine Haftung aus positiver Vertragsverletzung in Betracht kommt.

Dennoch können die Kläger die Beklagte nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, da, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, von einem stillschweigend vereinbarten Haftungsausschluss auszugehen ist. Dieser stillschweigend vereinbarte Haftungsausschluss folgt für den Senat aus folgenden Umständen:

Den Klägern war es gleich, wer für sie handelte; das ergibt sich aus der Tatsache, dass sie nicht nur der Beklagten, sondern auch der Fachangestellten W... unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB eine Auflassungsvollmacht erteilt haben. Für sie war nur entscheidend, dass im Rahmen der weiteren notariellen Abwicklung jemand für sie unter Federführung des Notars auftrat. Ein besonderes Vertrauensverhältnis in Bezug auf die Beklagte haben sie nicht in Anspruch genommen. Wenn die Vollmachterklärung, so wie es der Vertreter der Kläger im Termin angedeutet hat, ausschließlich im Interesse des beurkundenden Notars erfolgt wäre, weil dieser ein Interesse an der zügigen Abwicklung gehabt hatte, dann läge es bereits nahe, ein Auftragsverhältnis insgesamt zu den Klägern zu verneinen.

Die Kläger gingen bei Vollmachterteilung erkennbar davon aus, dass die Ausübung der Vollmacht unentgeltlich und ohne Vergütung für irgendwelche Auslagen erfolgte. Die Beteiligten des Auftragsverhältnisses gingen ferner davon aus, dass die Kläger, wenn sie denn im Rahmen der notariellen Vertragsabwicklung einen Schaden erlitten, der von einem Dritten nicht ersetzt werden konnte, einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Notar gemäß § 19 Abs. 1 BNotO hatten, wenn dieser nur in irgendeiner Form schuldhaft handelte. Für eine danebenstehende Haftung der Beklagten im Rahmen der normalen Abwicklung des Kaufvertrages bestand danach keine Veranlassung.

Wenn jedoch davon auszugehen wäre, dass ein stillschweigend vereinbarter Haftungsausschluss daran scheitert, dass die Beklagten nicht an einen möglichen Schaden durch das Handeln der Beklagten gedacht haben, führt die ergänzende Vertragsauslegung des Auftrags zu dem gleichen Ergebnis.

Die Beauftragung der Beklagten ging nach dem notariellen Vertrag von den Klägern aus; die Beklagte sollte unentgeltlich handeln und Gedanken über eine mögliche Haftung der Beklagten haben sich die Parteien nicht gemacht. Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte mit der Annahme des Auftrags durch Ausübung der Vollmacht, damit einverstanden war, für fahrlässiges Handeln die Haftung zu übernehmen, solange eine Haftung des Notars gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO in Betracht kam. Danach kann die Annahme des weiter bestehenden Auftragsangebots nicht als Einverständniserklärung mit der Übernahme einer derartigen Haftung verstanden werden, so dass eine Regelungslücke vorhanden ist. Angesichts der bereits dargestellten Interessenlage und der vollen Absicherung der Kläger durch einen Anspruch gegen den Notar, ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung entweder von einem völligen Entfallen der Haftung im Rahmen der Haftung des Notars auszugehen oder der Beklagten muß der bei auftragloser Geschäftsführung geltende Schutz des § 680 BGB zugute kommen. In beiden Fällen ist eine Haftung nicht gegeben.

Schließlich kommt, wenn den vorherigen Ausführungen nicht gefolgt werden sollte, eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht, weil es an dem notwendigen Zurechnungszusammenhang zwischen der fahrlässigen Handlung der Beklagten und dem eingetretenen Schaden fehlt. Zwar stellt der Schaden der Kläger eine adäquate Folge der Pflichtverletzung der Beklagten dar, weil ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umstände zur Herbeiführung des Erfolges geeignet war (vgl. BGH NJW 1990, 2282, 2283). Es liegt nicht außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit, dass ein Notar nach Beurkundung der Auflassung die Auflassungserklärung dem Grundbuchamt ohne weitere Prüfung, ob die Vollmacht zur Auflassung ausreichend war, einreicht, so dass eine Umschreibung erfolgen kann.

Der eingetretene Schaden liegt aber außerhalb des Schutzbereichs der Haftungsnorm der positiven Vertragsverletzung des Auftrags.

Angesichts der bestehenden Haftung des Notars für Beurkundungen von Auflassungen in Fällen, in denen die Voraussetzung der Abgabe der Auflassungserklärung für den Bevollmächtigten nicht vorliegen, bedarf es nicht eines besonderen Schadensersatzanspruchs des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer, zumal anderenfalls die subsidiäre Haftung des Notars gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO dauernd unterlaufen würde, weil der Notar aufgrund arbeitsrechtlicher Verpflichtung seine Arbeitnehmerin im Falle des fahrlässigen Verstoßes von der Haftung freistellen müßte, während er sich selbst, würde er denn in Anspruch genommen werden, gegenüber dem Geschädigten auf die Subsidiarität seiner Haftung berufen könnte. Deshalb reicht in derartigen Fällen die Haftung des Notars aus, wenn denn nicht Ersatzansprüche gegenüber weiteren Personen bestehen.

Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Haftung des Personals soweit diese als Auflassungs oder Vollzugsbevollmächtigte der Notariatsparteien handeln (vgl. Haug, Die Amtshaftung des Notars, 2. Aufl., Rdz. 156 f) die Revision zugelassen. Die vom Oberlandesgericht Celle (DNotZ 1973, 503, 504) getroffene Entscheidung greift im vorliegenden Fall nicht ein.

Die Nebenentscheidungen im übrigen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 und 546 ZPO.

Ende der Entscheidung

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