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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 19.08.2009
Aktenzeichen: 13 W 31/09
Rechtsgebiete: AufenthG
Vorschriften:
AufenthG § 106 Abs. 2 Satz 2 |
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Beschluss
In der Abschiebungshaftsache
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ...
am 19. August 2009
beschlossen:
Tenor:
Das Oberlandesgericht Oldenburg erklärt sich für unzuständig und verweist das Verfahren über die sofortige weitere Beschwerde an das Oberlandesgericht Celle.
Gründe:
I.
Auf Antrag des beteiligten Landkreises ordnete das Amtsgericht Lingen (AZ. 16 XIV 2465 B) am 08.06.2009 gem. § 11 FEVG die einstweilige Freiheitsentziehung des Betroffenen an. Nach der Festnahme des Betroffenen am 23.06.2009 wurde gegen ihn vom Amtsgericht Lingen (AZ. 16 XIV 2465 B) durch Beschluss vom selben Tage Sicherungshaft für die Dauer von 2 Tagen angeordnet. Die Abschiebung des Betroffenen am 24.6.2009 konnte nicht durchgeführt werden, weil der Betroffene sich weigerte, seinen Sitzplatz im Flugzeug einzunehmen und deshalb der Pilot des Fluges die Beförderung des Betroffenen ablehnte.
Auf weiteren Antrag des Landkreises vom 25.06.2009 ordnete das Amtsgericht Lingen (AZ. 16 XIV 2470 B) am 25.06.2009 gegen den Betroffenen Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bis längstens 24 Uhr am 01.08.2009 an. Nachdem der Betroffene gegen diesen Beschluss am 26.06.2009 sofortige Beschwerde eingelegt hatte, hob das Amtsgericht Lingen mit Beschluss vom 26.06.2009 seinen Beschluss vom 25.06.2009 auf und wies den Antrag des Beteiligten auf Anordnung der Sicherungshaft zurück. Der Betroffene wurde am 25.06.2009 aus der Sicherungshaft entlassen. Seine sofortige Beschwerde vom 26.06.2009 gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 25.06.2009, mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Inhaftierung in Abschiebungshaft festzustellen, beschied das Landgericht Osnabrück bisher nicht.
Auf die nunmehr vom Landkreis eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 26.06.2009, hob das Landgericht Osnabrück mit Beschluss vom 21.07.2009 nach Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme zur Haftfähigkeit des Betroffenen den vorgenannten Beschluss des Amtsgerichts auf und ordnete gegen den Betroffenen Sicherungshaft bis zum 01.08.2009 mit der Begründung, die Anordnung der Abschiebehaft sei nicht unverhältnismäßig, da der als haftfähig einzuschätzende Betroffene durch sein eigenes Verhalten am 24.06.2009 die Abschiebung verhindert habe, an.
Die für den 23.07.2009 geplante Abschiebung des erneut inhaftierten Betroffenen konnte nicht durchgeführt werden, da er infolge tagelanger Verweigerung der Essensauf und Medikamenteneinnahme von dem Anstaltsarzt der JVA L... am 22.07.2009 unter Diagnostizierung einer posttraumatischen Belastungsstörung, schwerer Duodenalbulbitis und hämorraghischer Gastritis als aktuell nicht reisefähig eingestuft wurde. Am 29.07. 2009 leitete der Landkreis die erneute Abschiebung und Verlängerung des Passersatzpapieres ein.
Der Betroffene hat am 23.07.2008 gegen den Beschluss des Landgerichts vom 21.07.2009 weitere sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 28.07.2009 hat das Amtsgericht Lingen das Verfahren gemäß § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG an das Amtsgericht Hannover abgegeben, weil die Abschiebungshaft im Bezirk des dortigen Gerichts vollzogen wird.
Auf die Übersendungsverfügung des Landgerichts Osnabrück sind die Akten beim Oberlandesgericht Oldenburg am 29.07.2009 eingegangen. Der Senat hat den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer beabsichtigten Verweisung an das Oberlandesgericht Celle gegeben.
Das Amtsgericht Hannover - Az. 44 XIV 82/09 - hat auf weiteren Antrag des Landkreises vom 28.07.2009 mit Beschluss vom 30.07.2009 die Verlängerung der Abschiebungshaft für die Dauer von weiteren 3 Monaten angeordnet. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht Hannover mit Beschluss vom 11.08.2009 den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 30.07.2009 aufgehoben, worauf der Betroffene am selben Tag aus der Haft entlassen worden ist. Weitergehend hat das Landgericht auf Antrag des Betroffenen die Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung ab dem 28.07.2009 mit der Begründung festgestellt, das Eintreten der Abschiebungshindernisse habe der Betroffene aufgrund der durch den Anstaltsarzt diagnostizierten Erkrankungen nicht zu vertreten. Entgegen der Ausführungen des nervenärztlichen Gutachters Prof. Dr. Vogel vom 29.07.2009 sei eine vorliegende psychische Störung nicht auszuschließen. Soweit der Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhaftierung für die Zeit vor dem 28. Juli 2009 beantragt hat, hat das Landgericht den Antrag unter Verneinung seiner örtlichen Zuständigkeit zurückgewiesen.
Der Betroffene meint, der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG habe nicht bestanden. Er sei nach der Haftentlassung am 26.06.2009 nicht untergetaucht, habe sich einer Abschiebung nicht entzogen, sei vielmehr zum Anhörungstermin im Landgericht Osnabrück erschienen.
Es liege ein Verstoß gegen das auch in Abschiebehaftsachen geltende Beschleunigungsgebot vor, da nicht ersichtlich sei, welche Maßnahmen der Landkreis nach seiner erneuten Inhaftierung zwecks Abschiebung bis zum 01.08.2009 unternommen habe.
Die nicht erfolgte Abschiebung habe er krankheitsbedingt nicht zu vertreten. Das eingeholte Gutachten Prof. Dr. Vogels weise erhebliche methodische Mängel auf, sei tendenziös.
Zur Meidung von Wiederholungen wird auf die in den Schriftsätzen vom 23.07., 06.08., 11.08. und 14.08.2009 erfolgten Ausführungen Bezug genommen.
Der Betroffene beantragt,
die Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung festzustellen.
Der Landkreis Emsland beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Er meint, es habe ein Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vorgelegen. Der Betroffene habe über Jahre hinweg über seine Identität getäuscht, eine Identitätsklärung verweigert, die Abschiebung am 24.06.2009 durch sein Verhalten verhindert.
Der Beschleunigungsgrundsatz sei nicht verletzt worden. Direkt nach Erlass des Beschlusses vom 25.06.2009 sei die Abschiebung eingeleitet worden. Als die für den 23.07.2009 geplante Abschiebung nicht durchgeführt werden konnte, sei am 29.07.2009 die erneute Abschiebung und Verlängerung des Passersatzpapieres eingeleitet worden.
Dass die Abschiebung am 23.07.2009 nicht habe erfolgen können, habe der Betroffene als Folge der Nahrungs- und zeitweisen Medikamentenverweigerung zu vertreten. Eine Traumatisierung sei in dem Gutachten vom 29.07.2009 verneint worden.
II.
Das Verfahren war an das Oberlandesgericht Celle als das dem jetzt verfahrensführenden Amtsgericht Hannover übergeordnete Gericht zu verweisen. Denn nach Abgabe des Verfahrens durch das Amtsgericht Lingen wechselt auch die Zuständigkeit für die Entscheidung über die zulässig beim Landgericht Osnabrück eingelegte sofortige weitere Beschwerde vom Oberlandesgericht Oldenburg zum Oberlandesgericht Celle (vgl. Bayrisches Oberstes Landesgericht Beschluss vom 22.3.2004 zu 3 Z BR 053/04 für den Bereich der Bereuerbestellung und ebenso Jansen/Briesemeister, FGG, 3. Aufl., § 19 Rn. 41. Bumiller/Winkler, FGG 9. Aufl. § 4 Rn. 13. Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 15. Aufl., § 19 Rn. 43. Bassenge/Roth, FGG, 11. Aufl. § 19 Rn. 35). Nach einer (wie hier uneingeschränkten) Abgabe gemäß § 106 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist das Verfahren so anzusehen, als läge ein von Anfang an beim Amtsgericht Hannover anhängig gewesenes Verfahren vor. Denn dem Wortlaut des § 106 Abs. 2 AufenthG kann nicht entnommen werden, dass das Verfahren an das Amtsgericht des Haftortes nur insoweit abgegeben werden darf, als über die Fortdauer von Zurückweisungs- oder Abschiebungshaft zu entscheiden ist. Vielmehr bezieht sich das Wort 'Verfahren' in § 106 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 AufenthG nicht auf den ersten Halbsatz, sondern auf das in § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zitierte 'Verfahren bei Freiheitsentziehungen'. Damit geht auch bei den Entscheidungen nebst deren Überprüfung, die das ursprüngliche Verfahren betreffen, die Zuständigkeit vom Erstgericht auf das Amtsgericht bzw. das Landgericht und das Oberlandesgericht des Bezirks, in dem die Haft vollzogen wird, über. Dieses Verständnis der Vorschriften verhindert es zudem, dass Fortsetzungsfeststellungsanträge trotz vor und nach Abgabe unveränderter Sachlage unterschiedlich bewertet werden. Dieser Vorteil wiegt gewisse praktische Probleme, nämlich wenn dann eine Unzuständigkeit des Beschwerdegerichts während des Beschwerdeverfahrens entsteht, auf.
Soweit der Senat früher (OLG Oldenburg, Beschluss vom 19. März 2007 zu 13 W 14/07, InfAuslR 2007, 246) die Auffassung vertreten hat, nach der Regelung des § 106 Abs. 2 AufenthG dürfe das Verfahren nur insoweit an das Amtsgericht des Haftortes abgegeben werden, wie über die Fortdauer von Abschiebehaft zu entscheiden ist, hält er nicht mehr an dieser Auffassung fest (vgl. die zutreffende Kritik OLG München Beschluss vom 30.06.2009 zu 34 WX 24/09).
Ende der Entscheidung
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