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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: 14 U 123/05
Rechtsgebiete: EEG


Vorschriften:

EEG § 3 Abs. 4
EEG § 21 Abs. 1 Nr. 3
Zur Inbetriebnahme einer Biogasanlage.
Oberlandesgericht Oldenburg Im Namen des Volkes Urteil

14 U 123/05

Verkündet am 30.03.2006

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und der Richter am Oberlandesgericht ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 25. November 2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 13.535,73 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. August 2005 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für den in der Biogasanlage der Kläger am Standort F..., erzeugten und bei der Beklagten eingespeisten Strom ab Juli 2005 die in § 8 Abs. 1 EEG in der heutigen Fassung festgelegte Mindestvergütung zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe:

Die Kläger erzeugen Strom in einer Biogasanlage und speisen ihn in das Netz der Beklagten ein. Die Parteien streiten darüber, ob die Biogasanlage der Kläger schon im Jahr 2003 oder erst danach in Betrieb genommen wurde. Die Übergangsbestimmung des § 21 Abs. 1 Nr. 3 EEG sieht für Biomasseanlagen, die nach dem 31.12.2003 in Betrieb genommen wurden, ab 01.08.2004 Vergütungssätze vor, die den Klägern günstiger sind.

Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung der Mehrvergütung abgewiesen. Durch die Stromeinspeisung im November sei die Anlage 2003 in Betrieb genommen worden. Es sei auf den Beginn der Stromeinspeisung, also die Inbetriebnahme der stromerzeugenden Einheit abzustellen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung machen die Kläger geltend, der Probebetrieb im November 2003 falle nicht in den Anwendungsbereich des EEG, das gemäß §§ 2, 3 EEG nur auf Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien anwendbar sei. Bei dem im Probebetrieb verwendeten Erdgas handele es sich weder um erneuerbare Energien noch um eine technisch notwendige Zünd oder Stützfeuerung, die der Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien gleichgestellt sei. Der Betrieb des Heizblockkraftwerks stelle keine Inbetriebnahme der Anlage dar, weil der Anlagenbegriff in § 3 Abs. 2 EEG die gesamte Anlage einschließlich des Fermenters umfasse. Für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage komme es darauf an, dass die Anlage in der Lage sei, bei ungestörtem Verlauf aus sich heraus Biogas zu produzieren und Strom einzuspeisen.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.535,73 Euro nebst Zinsen hieraus seit Klagerhebung in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen und weiter festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für den in der Biogasanlage der Kläger am Standort F..., erzeugten und bei der Beklagten eingespeisten Strom ab Juli 2005 die in § 8 Abs. 1 EEG in der heutigen Fassung festgelegte Mindestvergütung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

Den Klägern steht gemäß der Übergangsbestimmung des § 21 Abs. 1 Nr. 3 EEG (2004) ab 01.08.2004 ein Anspruch auf Vergütung nach den Vergütungssätzen des § 8 Abs. 1 EEG zu, da die Inbetriebnahme der Anlage erst nach dem 01.01.2004 erfolgte. Die von den Klägern auf dieser Grundlage errechnete Mehrvergütung ist der Höhe nach unstreitig.

Die Inbetriebnahme im Sinn des § 3 Abs. 4 EEG setzt die ausschließliche Verwendung erneuerbarer Energien voraus. Dies ergeben Wortlaut, Systematik des Gesetzes sowie dessen Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten. Die im Rahmen des § 21 EEG maßgebliche Inbetriebnahme ist in § 3 Abs. 4 definiert als die erstmalige Inbetriebsetzung der Anlage nach Herstellung ihrer technischen Betriebsbereitschaft. Anlage meint gemäß § 3 Abs. 2 EEG die selbständige technische Einrichtung zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien oder aus Grubengas. Wegen der in § 3 Abs. 2 EEG enthaltenen Zweckbestimmung, "Strom aus erneuerbaren Energien" zu erzeugen, ist das im November 2003 ausschließlich betriebene Blockheizkraftwerk, das für sich genommen nicht der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien dient, keine Anlage im Sinn des § 3 Abs. 2 EEG.

Das Landgericht ist insoweit der engen Ansicht von Oschmann (in Danner-Theobald, Kommentar zum Energierecht, RdNr. 28 zu § 3 EEG) gefolgt, wonach Anlage lediglich die eigentliche stromerzeugende Anlage wie Generator, Brennstoffzelle oder Solarzelle sei und Energie aus Biomasse durch den Motor einschließlich Turbine bzw. Generator erzeugt werde. Bauliche Anlagen wie der Fermenter einer Biogasanlage oder der Turm einer Windenergieanlage dienten nicht unmittelbar der Stromerzeugung und seien kein Bestandteil der Einzelanlage.

Diese Auffassung ist zu eng. Bei der Klärung des Anlagebegriffs ist auf den Regelungszweck Rücksicht zu nehmen. Hier geht es im EEG 2004 um die Bemessung der Vergütungshöhe für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien. Aus der bei Salje, EEG, 3. Aufl., RdNr. 63 f zu § 3 dargestellten Gesetzesgeschichte ist zu entnehmen, dass der ursprünglich in § 3 Abs. 2 Satz 1 des Regierungsentwurfs enthaltene Satzteil "... sämtliche technisch für den Betrieb erforderlichen Installationen, Geräte und baulichen Anlagen" zwar weggefallen ist, aber nur um den Gesetzeszweck zu straffen und deshalb die Gesetzesbegründung, dass "für den Betrieb erforderlich sind auch die Einrichtungen zur Gewinnung und Aufbereitung des jeweiligen Energieträgers wie die Fermenter von Biogasanlagen" (Bundestagsdrucksache 15/2864, Seite 51, abgedruckt bei Salje, a.a.O.) ihre Bedeutung behalten hat. Auch aus § 3 Abs. 2 Satz 2 EEG folgt, dass es auf die betriebstechnische Erforderlichkeit der Einrichtung ankommt und dass zu den ausdrücklich als betriebstechnisch nicht erforderlich bezeichneten "Wege, Netzanschlüsse, Mess, Verwaltungs- und Überwachungsanlagen" ein Fermenter nicht gehört. Schließlich stellt auch Absatz 4 der Vorschrift für die Inbetriebnahme ab auf die Herstellung ihrer technischen Betriebsbereitschaft zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien. Nach der Gesetzesbegründung (abgedruckt bei Salje, aaO, RdNr. 130) gehört dazu insbesondere, "dass die technischen Voraussetzungen der Anlage für die erstmalige Einspeisung in das Netz nach den anerkannten Regeln der Technik erfüllt sind. Außerdem muss die Anlage alle allgemein anerkannten technischen sowie die gesetzlichen Anforderungen an einen Dauerbetrieb einhalten". Auf einen Probebetrieb oder eine Mitwirkung des Netzbetreibers kommt es zur Bestimmung des Zeitpunkts nicht an.

Die Gesamtanlage der Kläger incl. des Fermenters war zum Zeitpunkt der Stromeinspeisung im November 2003 nicht betriebsbereit. Zwar stand der Umstand, dass der Fermenter noch unbefüllt war, einer Betriebsbereitschaft nicht entgegen. Allerdings war im November 2003 der Fermenter noch nicht auf seine Dichtigkeit überprüft worden. Da diese Überprüfung nach dem Stand der Technik zwingende Voraussetzung für die Befüllung mit Biomasse zur Erzeugung des Biogases ist, war der Fermenter und damit die Gesamtanlage im November 2004 noch nicht betriebsbereit.

Da im EEG 2000 der Begriff der Inbetriebnahme noch nicht definiert war und gefolgert wurde, dass die Inbetriebnahme die erstmalige Zulieferung von Strom an den aufnahmepflichtigen Netzbetreiber bedeute, während die bloße bauliche Fertigstellung ebenso wie ein Probebetrieb nicht zur Inbetriebnahme führen sollten (vgl. Salje, Anm. 128), kann auf die Inbetriebnahme gemäß Fertigstellungsanzeige von November 2003 nicht abgestellt werden. Denn auch nach dem alten Recht kam es auf die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien an und der wurde im November nicht erzeugt, wie die Kläger durch Vorlage der Rechnungen und Protokolle aus dem ersten Quartal 2004 bewiesen haben, so dass die Inbetriebnahme im November zutreffend von den Klägern als Probebetrieb bezeichnet wird. Die "Anlage" war nicht "betriebsbereit".

Dass die Inbetriebnahme "zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien" erfolgen muss, ergibt sich auch aus der systematischen Betrachtung. Dem Begriff der Inbetriebnahme kommt maßgebliche Bedeutung für die Bestimmung der Vergütungshöhe zu, § 12 Abs. 3 EEG. Die Anwendung dieser Regelung setzt jedoch das Bestehen einer Vergütungspflicht gemäß § 5 EEG voraus. Für die Vergütungspflicht im Sinn des § 5 gilt das Ausschließlichkeitsprinzip: Sie besteht nur für Strom, der ausschließlich aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Hieraus ergibt sich, dass die Erzeugung von Strom aus konventionellen Energien keine Inbetriebnahme im Sinn der §§ 12, 3 Abs. 4 EEG darstellt, denn die Vergütungspflicht logische Voraussetzung für die Bestimmung der Vergütungshöhe - wird hierdurch nicht ausgelöst.

Der Gesetzeszweck, die Erhöhung des Anteils an Strom aus erneuerbaren Energien an der Gesamtstromversorgung wird nur erreicht, wenn die gesetzliche Mindestvergütung auf Strom beschränkt ist, der unter ausschließlicher Verwendung erneuerbarer Energien erzeugt wird.

Diese einschränkende Auslegung berücksichtigt auch die Interessen der Beteiligten. Um den Netzbetreibern keine zusätzlichen Nachprüfungspflichten aufzuerlegen, bleibt es bei der allgemeinen Beweislastverteilung. Demnach obliegt es dem Anlagenbetreiber nachzuweisen, wann und unter Verwendung welcher Energiequelle er erstmals Strom erzeugt hat. Dies entspricht auch dem Interesse des Anlagenbetreibers, dem durch den Nachweis über 20 Jahre ein gleichbleibender Vergütungssatz garantiert ist. Der Anlagenbetreiber ist mit dem Nachweis auch nicht übermäßig belastet, zumal die Bonusvergütung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 EEG ebenfalls einen konkreten Nachweis der verwendeten Energiequellen gegenüber dem Netzbetreiber voraussetzt.

Das bei dem Betrieb im November 2003 eingesetzte Erdgas ist ein fossiler Brennstoff, der gemäß § 3 Nr. 1 Biomasseverordnung ausdrücklich keine Biomasse darstellt. Bei dem Einsatz des Erdgases im November 2003 handelte es sich auch nicht um eine technisch notwendige Zünd oder Stützfeuerung, die gemäß § 4 Abs. 2 Biomasseverordnung der Biomasse gleichgestellt ist. Der Probebetrieb im November 2003 war weder geeignet noch bestimmt in den regulären Betrieb mit Biomasse überzugehen. Die Stromerzeugung wurde vielmehr nach kurzfristigem Betrieb und Erzeugung einer unbedeutenden Menge Strom wieder eingestellt, ohne dass es zu einer Befeuerung mit Biomasse kam oder kommen sollte.

Wenn die Beklagte unter Verzicht auf den Nachweis / das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Strom vergütet, bei dem bereits aufgrund der geringen Menge offensichtlich ist, dass er nicht im Rahmen des üblichen Hochfahrens der Anlage erzeugt wurde, so liegt das in ihrer Risikosphäre. Eine gesetzliche Vergütungspflicht nach EEG bestand nicht.

Das einverständliche Zusammenwirken der Parteien mit dem Zweck, den Klägern den Vergütungssatz 2003 zu sichern, führt auch nicht dazu, dass das klägerische Begehren treuwidrig ist. Das Vertrauen der Beklagten in die Gültigkeit der Vereinbarung ist nicht schutzwürdig. Zwar schließt die gesetzliche Regelung eine Vereinbarung über die Vergütung von Strom aus konventionellen Energien nicht aus. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Privilegierung erneuerbarer Energien sind jedoch nicht disponibel. Die einverständliche Behandlung des konventionell erzeugten Stroms als Strom aus erneuerbaren Energien war daher rechtlich unwirksam. Soweit die Einigung der Parteien über eine bloße Vergütungsvereinbarung für den konventionellen Strom hinausging, durfte die Beklagte auf die Gültigkeit der Vereinbarung nicht vertrauen.

Nach alledem ist der Feststellungsantrag ebenfalls begründet.

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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