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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 26.11.2009
Aktenzeichen: 14 UF 149/09
Rechtsgebiete: FamFG, BGB


Vorschriften:

FamFG § 7
FamFG § 158
BGB § 1629
BGB § 1796
Minderjährige Kinder sind in allen ihre Person betreffenden Verfahren Beteiligte gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.

Sind beide Eltern in einem die Person des Kindes betreffenden Verfahren selbst Beteiligte, können sie bei gegensätzlichen Interessen ein Kind im selben Verfahren nicht gesetzlich vertreten

Als Beteiligte müssen sie in diesen Verfahren gesetzlich vertreten sein. Sind die Eltern als gesetzliche Vertreter nach §§ 1629 Abs. 2, 1795, 1796 BGB von der Vertretung ausgeschlossen, bedarf es der Bestellung eines Ergänzungspflegers. Der Verfahrensbeistand ist nicht gesetzlicher Vertreter.


OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Beschluss

14 UF 149/09

In der Familiensache

betreffend die Bestellung eines Ergänzungspflegers für ein minderjähriges Kind

hat der 14. Zivilsenat - 5. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg

am 26. November 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Oldenburg vom 9. Oktober 2009 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen.

Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren: 3.000,00 Euro

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 2. und 3. sind geschiedene Eheleute und üben die elterliche Sorge für ihre im Dezember 1992 geborene Tochter, die Beteiligte zu 1), gemeinsam aus.

Nachdem der Beteiligte zu 3) infolge seiner Arbeitslosigkeit keinen Kindesunterhalt mehr leistete, erwirkte die Beteiligte zu 2) zugunsten der bei ihr lebenden Beteiligten zu 1) sowie deren seinerzeit noch minderjährigen Bruder ein Urteil über Kindesunterhalt. Sie ließ für die Kinder mehrere Sicherungshypotheken auf dem Grundstück des Beteiligten zu 3) eintragen und beantragte im Mai 2009 für beide Kinder die Zwangsversteigerung aus zwei Sicherungshypotheken über jeweils 2.528,00 Euro. Das Amtsgericht Oldenburg - Zwangsversteigerungsgericht - ordnete durch Beschluss vom 19. Mai 2009 die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes an.

Der Beteiligte zu 3) hat mit einem am 7. September 2009 beim Amtsgericht - Familiengericht - Oldenburg eingegangenem Schriftsatz beantragt, für die Beteiligte zu 1) einen Ergänzungspfleger für das Zwangsversteigerungsverfahren zu bestellen.

Er bringt vor, seine Tochter sei ebenso wie ihr mittlerweile volljähriger Bruder mit der Zwangsversteigerung nicht einverstanden. Im Übrigen gefährde die Zwangsversteigerung das Erbe der Kinder.

Mit Beschluss vom 9. Oktober 2009 hat das Amtsgericht Oldenburg durch die Rechtspflegerin der Beteiligten zu 2) gemäß § 1629 Abs. 2 S. 3 i.V.m. §1796 BGB das Recht zur Vertretung der Beteiligten zu 1) "im Zwangsversteigerungsverfahren in das Grundstück des Kindesvaters" entzogen, die Ergänzungspflegschaft angeordnet und einen Ergänzungspfleger bestellt.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihrer fristgerecht beim Amtsgericht - Familiengericht - Oldenburg eingegangenen Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses, hilfsweise die Zurückverweisung an das Amtsgericht begehrt.

II.

Die nach § 11 RPflG i.V.m. § 58 FamFG statthafte sowie form und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangene Endentscheidung hat insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache auf den Hilfsantrag zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist (§ 69 Abs. 1 S. 3 FamFG).

Das Kind ist in dem Verfahren nicht seiner verfahrensrechtlichen Stellung entsprechend als Beteiligter hinzugezogen worden. Aufgrund dieses Verfahrensfehlers fehlt dem angefochtenen Beschluss eine tragfähige Grundlage. Er ist daher aufzuheben und das Verfahren an das erstinstanzliche Gericht zurück zu verweisen, damit dieses die notwendigen verfahrensrechtlichen Maßnahmen und tatsächlichen Feststellungen nachholen kann.

Es handelt sich um eine Kindschaftssache, an der die fast 17 Jahre alte Beteiligte zu 1) formell zu beteiligen und persönlich anzuhören ist (§§ 7 Abs. 2 Nr. 1, 159 Abs. 1 FamFG). Gemäß § 151 Nr. 5 FamFG gehören zu den Kindschaftssachen Verfahren, die die Entziehung der gesetzlichen Vertretungsbefugnis und die Bestellung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1909 BGB betreffen (Stößer in Prütting/Helms § 151 FamFG Rn. 10. vgl. auch BTDrs. 16/6308, S. 234). Zuständig für die Entscheidung ist unverändert der Rechtspfleger (§§ 14, 3 Nr. 2 a) RPflG).

Ein Kind ist in allen Kindschaftssachen, welche die Entziehung oder auch nur Einschränkung der elterlichen Sorge betreffen, Verfahrensbeteiligter i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG.

Nach dieser Vorschrift sind diejenigen als Beteiligte hinzuzuziehen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Erforderlich aber auch ausreichend für die Hinzuziehung ist, dass der Verfahrensgegenstand ein Recht des zu Beteiligenden betrifft. Einer Prognose, ob es voraussichtlich zu einem rechtsbeeinträchtigenden Verfahrensausgang kommt, bedarf es dabei nicht (BTDrs. 16/6308, S. 178. Prütting in Prütting/Helms, FamFG, § 7 Rn. 27). Mit dem Inkrafttreten des FamFG sind materiell Betroffene im Verfahren nicht mehr nur anzuhören. Vielmehr erweitert § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG die formelle Beteiligung generell auf alle Personen, die von dem Verfahren materiell in ihren Rechten betroffen sind (BTDRs. 16/6903 S. 165). Das Gesetz hat sich bewusst von der früheren Rechtslage gelöst und die Beteiligtenstellung - den Regeln der ZPO entsprechend - an das formelle Recht angelehnt (BTDrs. 16/6309 S. 178. Prütting in Prütting/Helms, FamFG, § 7 Rn. 12). Mit diesem Systemwechsel bezweckt das Gesetz eine effektive Beteiligung der in ihren materiellen Rechten betroffenen Personen am Verfahren. Sie sollen ihre Rechte in einer festen Rechtsposition als Verfahrenssubjekt wahrnehmen können (BTDrs. 16/6308, S. 165. vgl. auch Jacoby, FamRZ 2007, 1703, 1704).

Diese Grundsätze gelten für die am Verfahren beteiligten Kinder in gleicher Weise wie für andere Beteiligte. Daran ändert nichts, dass das Gesetz in den Kindschaftssachen zwar explizit die Kindesanhörung regelt, es aber - abweichend von anderen Verfahren - für diese Verfahren keine katalogartige Aufzählung der zu beteiligenden Personen gibt. Denn die Beteiligtenkataloge ergänzen lediglich die Grundregel des § 7 FamFG (BTDrs. 16/6309 S. 166), schließen ihre Anwendung aber nicht aus und können demgemäß den Kreis der hiernach Beteiligten auch nicht einengen. Soweit Kinder in ihren Rechten materiell betroffen sind, sind sie in allen familiengerichtlichen Verfahren formell als Beteiligte hinzuzuziehen (Schael, FamRZ 2009, 265. Keidel/Zimmermann FamFG § 7 Rn. 11, 36. Schöpflin in Schulte-Brunert/Weinreich, FamFG, § 7 Rn. 17. DIJuF-Rechtsgutachten vom 28. Oktober 2009, www.dijuf.de).

Eine solche Rechtsbetroffenheit besteht bereits im Verfahren auf Bestellung eines Ergänzungspflegers. Es handelt sich um eine Maßnahme, die als teilweise Entziehung der Vertretungsbefugnis unmittelbar einen Teilbereich der elterlichen Sorge berührt. Die elterliche Sorge ist nicht nur Recht und Pflicht der Eltern. Ihre Entziehung oder Einschränkung wirkt sich zugleich auf die Kindesrechte aus (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 26. Oktober 2009, 18 WF 229/09 - juris. s. auch Zöller/Philippi, ZPO, 17. Aufl. § 621e ZPO Rn. 14a). Wenn auch die Bestellung eines Ergänzungspflegers darauf ausgerichtet ist, eine interessengerechte Vertretung des Kindes zu gewährleisten, so greift die Entscheidung gleichwohl in die Eltern-Kind-Beziehung ein. Damit betrifft sie unmittelbar subjektive Rechte des Kindes.

Voraussetzung für eine aktive Teilnahme am Verfahren ist zunächst, dass das Kind in geeigneter Form informiert und durch das Gericht angehört wird. Die Anhörung dient sowohl der Wahrung des rechtlichen Gehörs, als auch der Klärung des Sachverhalts. Eine solche Anhörung ist bislang unterblieben. Von einer Anhörung des Kindes konnte auch nicht deshalb nach § 159 Abs. 1 S. 2 FamFG abgesehen werden, weil es sich letztlich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt. Als Ausnahmevorschrift wäre die Anwendung ohnehin in jedem Einzelfall zu prüfen. Bei Heranwachsenden ist eine - zumindest schriftliche - Anhörung in der Regel geboten (Zorn in Bork/Jacoby/Schwab § 159 FamFG Rn. 9). Da der Beteiligte zu 3) geltend gemacht hat, das Kind habe sich ihm gegenüber mit dem Versteigerungsverfahren nicht einverstanden erklärt bestand zudem ein konkreter Anlass für eine solche Anhörung. Die dann gemäß § 164 FamFG erfolgte Zustellung des Beschlusses ist nicht geeignet, die zuvor unterbliebene Verfahrensbeteiligung nachzuholen.

Da die Beteiligte zu 1) bisher nicht in der gebotenen Form beteiligt worden ist, ist der angefochtene Beschluss unter Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundsätze ergangen. Er ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurück zu verweisen.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

Nicht selbst verfahrensfähige Kinder müssen im Verfahren durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten werden (§ 9 Abs. 2 FamFG). Dieses sind zunächst die Eltern bzw. ein allein sorgeberechtigter Elternteil. Besteht indes zwischen den Eltern oder im Eltern-Kind-Verhältnis ein erheblicher Interessengegensatz, kann die Vertretungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB zu entziehen sein. In diesen Fällen genügt es nicht, zur Wahrnehmung der Kindesinteressen einen Verfahrensbeistand zu bestellen, da dieser nach gegenwärtigem Recht als gesetzlicher Vertreter ausdrücklich ausgeschlossen ist (§ 158 Abs. 4 S. 6 FamFG). Wenn auch der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG (FamRZ 2004, 86) nach dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs die Bestellung eines Verfahrensbeistandes für den Regelfall als ausreichend angesehen hat, vermag dieses Konstrukt die Notwendigkeit der gesetzlichen Vertretung des nunmehr formell am Verfahren beteiligten Kindes - mit allen daraus folgenden Verfahrensrechten - nicht zu ersetzen (Stößer in Prütting/Helms FamFG § 158 Rn. 25. Zorn in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 158 Rn. 21). Der Verfahrensbeistand kann für das Kind weder rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben noch entgegennehmen. Anders als ein Verfahrensbevollmächtigter hat er keine Zustellungsvollmacht (vgl. § 15 FamFG, § 170 Abs. 1 ZPO). Rechtsmittel kann er nur im Interesse des Kindes, nicht aber für das Kind einlegen (vgl. Stößer in Prütting/Helms FamFG § 158 Rn. 24. Zorn in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 158 Rn. 21. Keidel/Engelhardt § 158 FamFG, Rn. 39). Als in gleicher Weise unmittelbar Beteiligte mit gegensätzlichen Interessen können wiederum die Eltern ein Kind im selben Verfahren nicht gesetzlich vertreten (Jacoby in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 9 Rn. 12. Zorn in Bork/Jacoby/Schwab FamFG § 158 Rn. 21. Wagner in Bassenge/Roth FamFG § 158 Rn. 19. DIJuF-Rechtsgutachten vom 28. Oktober 2009, www.dijuf.de, einschränkend OLG Stuttgart Beschluss vom 26. Oktober 2009, 18 WF 229/09 - juris. Schael FamRZ 2009, 265, 269. vgl. auch BVerfG FamRZ 2006, 1261, 1262. FamRZ 2005, 1657, 1658). Bei gemeinsamer elterlicher Sorge wäre nur eine gemeinsame Vertretung zulässig (§ 1629 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Ausnahmen der §§ 1629 Abs. 3, 1687 Abs. 1 S. 2 BGB gelten nicht für andere gerichtliche Verfahren. Bei den das Kind betreffenden Konflikten zwischen den Eltern ist zudem die Gefahr eines Interessengegensatzes zu den Kindesbelangen nicht auszuschließen, der auch bei alleiniger elterliche Sorge einer Vertretung im Verfahren entgegenstehen kann. Abweichend von der Intention des Gesetzgebers wird daher in der Mehrzahl der gerichtlichen Verfahren nicht auf die Bestellung eines Ergänzungspflegers verzichtet werden können. Ist das Kind durch einen geeigneten Ergänzungspfleger vertreten, bedarf es wiederum nicht unbedingt der Bestellung eines Verfahrensbeistandes (§ 158 Abs. 5 FamFG. DIJuF-Rechtsgutachten vom 28. Oktober 2009). Mit dieser Verfahrensweise verbundene Erschwernisse sind die zwangsläufige Folge aus der seit dem 1. September 2009 vorgeschriebenen formellen Beteiligung von Kindern am Verfahren. Eine dies korrigierende Auslegung übersteigt die Befugnisse der Rechtsprechung.

Abweichend von diesen Grundsätzen sind die Eltern jedoch noch nicht im Verfahren zur Bestellung eines Ergänzungspflegers von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen. Da die Vertretung im Verfahren nicht die in § 1795 BGB bezeichneten Gegenstände betrifft, führt selbst ein Interessenkonflikt nicht kraft Gesetzes zum Verlust der Vertretungsbefugnis. Zustellungen und Ladungen an das Kind können daher weiterhin zu Händen eines Elternteils erfolgen (§§ 15 Abs. 1 FamFG, 170 Abs. 3 ZPO § 1629 Abs. 1 BGB,). Im Regelfall wird die fortbestehende elterliche Sorge die Vertretung in dem vorgeschalteten Verfahren zur Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht hindern, zumal die Entscheidung älteren Kindern selbst zuzustellen ist und ihnen ein eigenes Beschwerderecht zusteht (§§ 60, 164 FamFG). Soweit es die Wahrung der Kindesinteressen bereits in diesem Verfahren erfordert, ist die Bestellung eines Verfahrensbeistandes zu erwägen.

In der Sache ergeben sich die Voraussetzungen für die Bestellung eines Ergänzungspflegers aus § 1629 Abs. 2 Satz 3 iVm § 1796 BGB. Danach kann das Familiengericht einem allein sorgeberechtigten Elternteil oder den gemeinsam sorgeberechtigten Eltern die Vertretungsbefugnis für einzelne Angelegenheiten entziehen, wenn das Interesse des Kindes zu dem Interesse seines gesetzlichen Vertreters oder einer der in § 1795 Nr. 1 bezeichneten Personen in erheblichem Gegensatz steht. Hierfür genügt die konkrete Gefahr, der gesetzliche Vertreter werde bei seiner Entscheidung das Kindeswohl nicht mit der gebotenen Zielstrebigkeit verfolgen. Ob die Voraussetzungen der §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB vorliegen, ist im Einzelfall konkret festzustellen. Das Gericht hat diese Entscheidung selbst zu treffen und darf die abschließende Prüfung nicht dem Pfleger überlassen (Münchener Kommentar/Wagenitz, BGB 5. Aufl. § 1796 Rn. 5). Bei dieser Beurteilung kommt es auch nicht allein auf wirtschaftliche Gesichtspunkte an (vgl. Palandt/Diederichsen § 1629 Rn. 24. Münchener Kommentar/Huber, BGB 5. Aufl. § 1629 Rn. 68), zumal sich vorliegend die Vollstreckung auf vor längerer Zeit aufgelaufene Unterhaltsrückstände bezieht.

Ende der Entscheidung

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