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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 10.05.2004
Aktenzeichen: 15 U 13/04
Rechtsgebiete: GmbHG, InsO
Vorschriften:
GmbHG § 64 Abs. 2 | |
InsO § 133 Abs. 1 |
Oberlandesgericht Oldenburg IM NAMEN DES VOLKES! Urteil
Verkündet am 10.5.2004
In dem Rechtsstreit
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 19. Januar 2004 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Osnabrück geändert.
Der Beklagte zu 1. wird gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 2. verurteilt, an den Kläger 37.835,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.9.2003 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Rückgewähransprüche der Insolvenzschuldnerin, Firma R... ...gesellschaft mit beschränkter Haftung, gegen die durch streitgegenständliche Zahlungen vom 29.3.2001 über 28.000,- DM, vom 2.4.2001 über 17.000,- DM und vom 10.12.2001 über 29.000,- DM begünstigte Firma M... GmbH .
Dem Beklagten zu 1. bleibt vorbehalten, einen Anspruch, der sich aus einer Zahlung an den Kläger aufgrund dieses Urteils ergibt, im Insolvenzverfahren der Firma R... Gesellschaft mit beschränkter Haftung zur Insolvenztabelle anzumelden.
Die Beklagte zu 2. wird gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1. verurteilt, an den Kläger 37.835,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.9.2003 zu zahlen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 4.8.2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der R... Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im folgenden Insolvenzschuldnerin), deren geschäftsführender Gesellschafter der Beklagte zu 1. war. Zugleich ist der Beklagte zu 1. Geschäftsführer und zu 1/3 Gesellschafter der Zweitbeklagten. Mit seiner Klage begehrt der Kläger von dem Beklagten zu 1. aus § 64 Abs. 2 GmbHG Erstattung der im Jahre 2001 von der späteren Insolvenzschuldnerin zugunsten der Zweitbeklagten geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 74.000,- DM (37.835,60 €), weil durch die Zahlungen die Haftungsmasse der Insolvenzschuldnerin zum Nachteil der übrigen Gläubiger geschmälert worden sei. Die Beklagte zu 2. hält der Kläger als Anfechtungsschuldnerin für verpflichtet, die zu Unrecht erhaltenen Beträge zurückzugewähren.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 37.835,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.9.2003 zu zahlen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil vom 19.1.2004 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Mit ihrer frist- und formgerecht erhobenen Berufung erstreben die Beklagten die Abweisung der Klage.
Der Kläger beantragt nunmehr,
unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Osnabrück vom 19.1.2004
a. den Beklagten zu 1., D..., gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 2., Firma M... GmbH, zu verurteilen, an den Kläger 37.835,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Rückgewähransprüche der Insolvenzschuldnerin Firma R...-Gesellschaft mit beschränkter Haftung, gegen die durch die streitgegenständlichen Zahlungen vom 29.3.2001 über 28.000,- DM, vom 2.4.2001 über 17.000,- DM und vom 10.12.2001 über 29.000,- DM begünstigte Firma M... GmbH, ..., dem Beklagten zu 1. bleibt vorbehalten, den Anspruch, der sich aus seiner Zahlung an den Kläger aufgrund dieses Urteils ergibt, im Insolvenzverfahren der Firma R...-Gesellschaft mit beschränkter Haftung zur Insolvenztabelle anzumelden;
b. die Beklagte zu 2., Firma M... GmbH, wird gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1., D..., verurteilt, an den Kläger 37.835,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise beantragt der Kläger eine Verurteilung des Beklagten zu 1. ohne Zug-um-Zug-Leistung.
Die Berufung der Beklagten bleibt im wesentlichen ohne Erfolg. Sie führt lediglich zur Änderung des angefochtenen Urteils in dem sich aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 1. als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin gem. § 64 Abs. 2 GmbHG zum Ersatz der unstreitig im März und Dezember 2001 an die Beklagte zu 2. geleisteten Zahlungen verpflichtet ist, weil die Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der R...-Gesellschaft erfolgt sind und sie nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar waren.
Nach den Feststellungen befand sich die Insolvenzschuldnerin seinerzeit in einer wirtschaftlichen Situation, in der ein GmbH-Geschäftsführer bei Meidung seiner Ersatzpflicht gem. § 64 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich keine masseschmälernden Zahlungen mehr leisten durfte. Für den Beginn dieses Verbots genügt die bestehende Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung).
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Insolvenzschuldnerin zur Zeit der Zahlungen bereits zahlungsunfähig war. Wie sich den Bilanzen entnehmen lässt, war die Entwicklung der Geschäfte rückläufig. Die Geschäfte der seit 1979 bestehenden Insolvenzschuldnerin, die den In- und Export von Waren aller Art betrieb und deren alleiniger Mitarbeiter der Beklagte zu 1. war, wurden von der Beklagten zu 2. fortgeführt. Wie sich aus den von den Parteien vorgelegten Unterlagen ergibt, war die Insolvenzschuldnerin im Jahre 2001 nicht in der Lage, die auf über 140.000,- DM angewachsene titulierte Forderung der Firma L... GmbH zu begleichen. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 28.10.1999 ging ins Leere, weil Ansprüche der R...-Gesellschaft gegen die C.., nicht bestanden. Die Pfändung hatte allerdings zur Folge, dass die C... der Insolvenzschuldnerin die Kredite kündigte und einen Betrag in Höhe von 231.000,- DM nebst Zinsen und Kosten zum 18.2.2000 fällig stellte. Während die Forderung der C... durch die Beklagte zu 2. beglichen wurde, blieb die bereits titulierte und bilanzierte unstreitige Forderung der Firma L... GmbH offen. Zur Begleichung dieser Forderung war die Insolvenzschuldnerin dauerhaft nicht in der Lage. Jeder ordentliche Kaufmann hätte in dieser Situation entweder zusätzliche Zahlungsmittel beschafft oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Angesichts der Situation der R...-Gesellschaft, wie sie sich anhand der vorgelegten Unterlagen darstellt, reicht die Nichtzahlung der erheblichen Schuld gegenüber der Firma L... GmbH zur Begründung der Zahlungsunfähigkeit aus. Die vorgelegten Bilanzen, die Kontoauszüge und die rückläufigen Geschäfte ergeben, dass nicht lediglich eine vorübergehende Zahlungsstockung vorliegt, sondern eine Unfähigkeit, fällige Schulden zu begleichen. Eigene alte Forderungen der Insolvenzschuldnerin konnten seinerzeit nicht mehr durchgesetzt werden und wurden in den Bilanzen fortgeschrieben. Das Konto bei der S... wurde durch die Zahlungen an die Beklagte zu 2. bis auf ca. 500,- DM geräumt. Dass im Jahr 2001 noch erhebliche Gelder eingegangen sind und andere Zahlungsverpflichtungen - mit Ausnahme der Steuerberatungskosten - erfüllt wurden, ist nicht ersichtlich. Das Vorliegen eines nicht ausgeschöpften Kreditrahmens behaupten die Beklagten selbst nicht. Das Beklagtenvorbringen, die bilanzierten Verbindlichkeiten seien geringer, Forderungen der R...-Gesellschaft bestünden, ist unerheblich und im übrigen nicht mit der Tatsache vereinbar, dass sowohl Verbindlichkeiten als auch Forderungen in den Bilanzen bis zum Jahre 2002 immer wieder fortgeschrieben worden sind. Konkreter Vortrag dazu, dass die angeblich versehentlich nicht bilanzierte Forderung gegen einen holländischen Kunden seinerzeit durchgesetzt wurde und zu Geldzuflüssen geführt hat, fehlt. Bezeichnenderweise weist bereits die C... in ihrem Schreiben vom 21.1.2000 darauf hin, dass angesichts des voraussichtlichen Totalausfalls einer Forderung aus einer Lieferung an einen holländischen Abnehmer sowie angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung der Firma kein ausreichendes Haftungskapital vorhanden sei. Dafür, dass seinerzeit kurzfristig zu realisierende Außenstände vorgelegen hätten, spricht nichts.
Hat aber der Beklagte zu 1. als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin die Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleistet, wird vermutet, dass er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat. Zweck des § 64 Abs. 2 GmbHG ist es nämlich, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu deren Nachteil gehende bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern.
Der Beklagte zu 1. kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, Rechtsanwalt T... habe ihm mitgeteilt, es bestehe kein Grund für einen Insolvenzantrag. Das Vorbringen der Beklagten ist insoweit unsubstantiiert, denn der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass weder mitgeteilt wird, wann die behauptete Auskunft erteilt worden ist noch welchen Erkenntnisstand Rechtsanwalt T... hatte. Allein die Behauptung, der Rechtsanwalt habe Kenntnis von der Forderung gegen den holländischen Kunden gehabt, reicht nicht aus. Im übrigen besaß der Beklagte zu 1. als promovierter Volkswirtschaftler und alleiniger Geschäftsführer der R...-Gesellschaft selbst ausreichende Kenntnisse, um zu erkennen, dass die vorhandenen Zahlungsmittel nicht mehr ausreichten, die unstreitig fälligen Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu begleichen.
Auf das Vorbringen der Beklagten zur Frage der Überschuldung braucht nicht näher eingegangen zu werden, da die Haftung des Beklagten zu 1. auf die Zahlungsunfähigkeit gestützt worden ist. Dass es sich bei dem angeblichen Darlehen der Beklagten zu 2. mangels maßgeblicher Beteiligung des Beklagten zu 1. an der Beklagten zu 2. nicht um ein Eigenkapital ersetzendes Darlehen gehandelt hat, ist für die Entscheidung unerheblich (zur Rechtslage vgl. BGH, GmbHR 1999, 916) da davon die Haftung der Beklagten nicht abhängt.
Die Zahlungen des Beklagten zu 1. an die Beklagte zu 2. haben zu Lasten der Gesamtheit der Gläubiger der Insolvenzschuldnerin zu einer Masseverkürzung geführt. Der Beklagte zu 1. hat die ihm obliegende Pflicht zur Erhaltung der Masse verletzt und ist deshalb gem. § 64 Abs. 2 GmbHG, da er die gegen ihn sprechende Vermutung nicht widerlegt hat, zur Zahlung des ausgeurteilten Betrages verpflichtet. Der gegen den Beklagten zu 1. gerichtete Anspruch ist seiner Natur nach darauf gerichtet, das Gesellschaftsvermögen wieder aufzufüllen, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht. Der Beklagte zu 1. kann sich nicht darauf berufen, der Kläger müsse zunächst versuchen, die Masse durch Anfechtung wieder herzustellen und der Erstattungsanspruch sei im Voraus um den Betrag zu kürzen, den der durch die verbotene Zahlung begünstigte Gläubiger erhalten hätte. Der Beklagte zu 1. kann jedoch analog § 255 BGB von dem Insolvenzverwalter die Abtretung des Erstattungsanspruchs der Masse gegen den Zahlungsempfänger verlangen, Zug um Zug gegen Wiederherstellung der durch die verbotene Zahlung verkürzten Masse. Außerdem ist ihm vorzubehalten, nach Erstattung an die Masse seine Rechte gegen den Insolvenzverwalter verfolgen zu können, wobei sich der ihm zustehende Anspruch nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte (vgl. BGH NJW 2001, 1280 ff).
Der Beklagte zu 1. war demgemäß entsprechend dem neugestellten Antrag zu verurteilen.
Die Haftung der Beklagten zu 2. hat das Landgericht zutreffend aus den §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO hergeleitet. Der Beklagte zu 1. als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten zu 2. kannte zur Zeit der Zahlungen die Finanzlage der R...-Gesellschaft. Angesichts der dargelegten Umstände ist davon auszugehen, dass er in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt hat, er also bewusst die Beklagte zu 2., an der er als Gesellschafter zu 1/3 beteiligt war, zu Lasten der Gesamtheit der Gläubiger bevorzugt hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 1. konkrete Vorstellungen davon gehabt hätte, in absehbarer Zeit alle Gläubiger befriedigen zu können, er also die wirtschaftliche Situation der R... ...gesellschaft positiv beurteilt hätte, sind weder ersichtlich noch vorgetragen worden. Die Äußerungen des Beklagten zu 1. anlässlich der Besprechung mit dem Insolvenzverwalter sprechen vielmehr dafür, dass er bereits seinerzeit die wirtschaftliche Situation der späteren Insolvenzschuldnerin richtig eingeschätzt hat.
Die Beklagte zu 2. ist somit zu Recht zur Rückgewähr der empfangenen Geldbeträge verurteilt worden.
Dem Urteil gegen die Beklagte zu 2. steht nicht entgegen, dass gleichzeitig ein Urteil gegen den Beklagten zu 1. ergeht, denn solange der Erfolg der Vollstreckung ungewiß ist und die Masseverkürzung fort besteht, kann der Insolvenzverwalter beide Beklagte nebeneinander in Anspruch nehmen, wobei allerdings zwecks Vermeidung einer Bereicherung der Masse keine doppelte Befriedigung verlangt werden kann. Eine Bereicherung der Insolvenzmasse scheidet dadurch aus, dass der Beklagte zu 1. nur zur Zug-um-Zug-Zahlung verurteilt worden ist. Damit wird sichergestellt, dass letztlich der Zustand hergestellt wird, der bestehen würde wenn der Beklagte zu 1. die masseschmälernden Zahlungen nicht vorgenommen hätte.
Da der Kläger lediglich eine Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner beantragt hat, war entsprechend dem Antrag zu erkennen, obwohl eine Gesamtschuldnerschaft nicht vorliegt (ne ultra petita).
Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 286, 288 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Da der Erfolg der Berufungen nicht ins Gewicht fällt, kommt eine Kostenquotelung nicht in Betracht.
Ein Anlaß, die Revision zuzulassen, bestand nicht.
Ende der Entscheidung
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