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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 22.10.2007
Aktenzeichen: 15 U 49/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 830 Abs. 1 S. 2
Entsteht ein Feuer dadurch, dass Benzin, das aus einer zufällig umgefallenen Flasche ausgelaufen war, durch eine weggeworfene Zigarettenkippe entzündet wird so haftet von den dabei anwesenden rauchenden Personen auch nach § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB derjenige nicht für die Brandschäden, bei dem nicht feststeht, dass die von ihm zu Boden geworfene Zigarette noch gebrannt hat.
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Im Namen des Volkes Urteil

15 U 49/07

Verkündet am 22.10.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 28.06.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Oldenburg geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG auf Zahlung von Schadensersatz wegen Verursachung eines Brandes in Anspruch. Sie hat als Haftpflichtversicherer Leistungen für einen Brandschaden erbracht, den der Sohn ihrer Versicherungsnehmerin, R..., verursacht hat. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte an der Entstehung des Brandschadens beteiligt war.

Der Klage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 17.02.2005 rauchten R... und der am ...1990 geborene Beklagte in der zum Haus G... Str. ... in S... gehörenden Garage jeweils 1 Zigarette. Dabei saßen sie an einem Tisch, auf dem sich unter anderem eine unverschlossene Flasche mit OttoKraftstoff befand. Nachdem R... seine Zigarette aufgeraucht hatte, warf er sie vor sich auf den Garagenboden, ohne sie zuvor auszutreten. Beim anschließenden Aufstehen stieß er gegen den Tisch, so dass die Flasche mit dem OttoKraftstoff umfiel und der Kraftstoff sich auf dem Boden ausbreitete. Kurz darauf entwickelte sich in der Garage ein Brand, der zu Schäden an den Wohnhäusern G... Str. ... und K... Weg ... führte. In dem Haus K... Weg ... wurde die Einrichtung in der Wohnung von Frau W... durch den Brand zerstört. Nachdem die Hausratsversicherung der Frau W... den Hausratsschaden vollständig reguliert hatte, nahm sie die Versicherungsnehmerin der Klägerin, die Mutter von R..., auf Zahlung von 21.968,55 € in Anspruch. Die Klägerin hat den der Höhe nach unstreitigen Schaden ausgeglichen und verlangt vom Beklagten aus übergegangenem Recht Erstattung der Hälfte des Schadens. Sie behauptet, auch der Beklagte habe seinerzeit am Tisch sitzend seine nicht gelöschte Zigarette auf den Garagenboden geworfen und diese vor dem Brand auch nicht ausgetreten. Da sich nicht mehr klären lasse, wessen nicht gelöschte Zigarette die brennbare Flüssigkeit entzündet habe, hätten der Beklagte und R... den entstandenen Brandschaden als Gesamtschuldner zu ersetzen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 10.984,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.04.2007 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, er habe vor dem Brand seine Zigarette in einem zerschlagenen Glasgefäß, das auf dem Tisch gestanden habe, ausgedrückt.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen und Beiziehung der Akten 274 Js 19321/05 StA Oldenburg (= 7 Ds 191/05 Amtsgericht Jever) zu Beweiszwecken durch das am 28.06.2007 verkündete Urteil der Klage stattgegeben.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen der erstinstanzlichen Feststellungen sowie im Übrigen Bezug genommen wird, richtet sich die form und fristgerechte Berufung des Beklagten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme stehe nicht fest, dass eine von ihm stammende noch brennende Zigarette den Brand verursacht habe. Davon gehe offenbar auch das Landgericht aus, da es im Urteil heiße, es steht nicht fest, ob der Beklagte seine Zigarette bereits ausgetreten hatte, als es zum Brand gekommen sei (Blatt 4 des Urteils). Der Beklagte meint, die Entscheidung beruhe auf einer Rechtsverletzung, denn das Landgericht habe zu Unrecht die Schadensersatzverpflichtung auf § 830 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB gestützt, denn eine schadensursächliche Handlung seinerseits liege nicht vor. Der Brand sei vielmehr allein auf das Verhalten des Zeugen R... zurückzuführen, der durch das Umkippen der Kraftstoffflasche den Brand herbeigeführt habe.

Die Klägerin wiederholt demgegenüber ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt die Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Wegen des Berufungsvorbringens der Parteien wird im Übrigen auf den vorgetragenen Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Berufung des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Änderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Der Klägerin steht aus übergegangenem Recht kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 426, 823 Abs. 1,830 Abs.1 Satz 2, 840 Abs.1 BGB, § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG zu, denn es steht nicht fest, dass der Beklagte durch sein Handeln den Brand (mit) verursacht hat. Zwar geht das Landgericht aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass der Beklagte seine Zigarettenkippe ebenso wie der Zeuge R... auf den Garagenboden "hingeschnippt" hat. Das Landgericht hat aber trotz der Aussagen der Zeugen R... und der Zeugin S... nicht feststellen können, dass der Beklagte eine noch brennende Zigarette auf den Boden geworfen hat und/oder er diese vor dem Umfallen der Kraftstoffflasche und dem Entstehen des Brandes nicht ausgedrückt hatte. Die entgegenstehende Annahme der Klägerin, dass Landgericht habe auch festgestellt, dass die Zigarette des Beklagten noch gebrannt habe, findet im angefochtenen Urteil keine hinreichende Grundlage. Steht aber nicht fest, dass die Zigarette des Beklagten zur Zeit des Brandausbruchs noch brannte, kann eine Haftung des Beklagten nicht aus § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB hergeleitet werden. Diese Vorschrift setzt nämlich voraus, dass sich mehrere Personen deliktisch verhalten haben, dass also bis auf die Ursächlichkeit für den Verletzungserfolg sämtliche haftungsbegründenden Voraussetzungen erfüllt sind (BGH VersR 1989,1051,1053 Anl.2. OLG Hamm VersR 2000,55,Anl. 5). Allein das Rauchen einer Zigarette durch den Beklagten stellte entgegen der Ansicht der Klägerin noch keine unerlaubte Handlung dar. Eine nicht mehr brennende Zigarette des Beklagten konnte den Brand nicht herbeiführen. Den Beweis dafür, dass auch eine brennende Zigarette des Beklagten als Brandursache in Betracht kam, hat die Klägerin zu führen. Diesen Beweis hat sie angesichts der Bekundungen der Zeugen R... und S... auch unter Berücksichtigung der zu Beweiszwecken beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Oldenburg - 274 Js 19321/05 - nicht erbracht. Der Zeuge R... hat nämlich bekundet, der Beklagte habe seine Zigarette auf den Boden geworfen, er, der Zeuge, könne aber nicht bestätigen, dass er diese nicht ausgemacht habe. Die Zeugin S... konnte nicht bestätigen, dass der Beklagte seinerzeit ihr gegenüber zugegeben habe, dass er eine brennende Zigarette auf den Boden geworfen habe. Soweit das Landgericht dennoch die Haftung aus § 830 I S.2 BGB herleitet und annimmt, der Beklagte habe den Entlastungsbeweis nicht geführt, kann ihm nicht gefolgt werden. Die Anwendung der Beweislastregel des § 830 I S.2 BGB setzt nämlich voraus, dass zunächst ein deliktisches Verhalten des Beklagten nachgewiesen wird (s.o.). Daran fehlt es hier. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Zeuge R... seine Zigarette vor sich auf den Boden geworfen hat und er durch das von ihm verursachte versehentliche Umkippen der Kraftstoffflasche den Brand allein herbeigeführt hat. Dafür sprechen auch die von dem Zeugen im Ermittlungsverfahren gefertigte Skizze sowie seine am 18.02.2005 tatnah gemachten Angaben, die im Brandursachenermittlungsbericht vom 14.03.2005 wiedergegeben worden sind. Ein Beweisnotfall im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt nicht vor, denn die Haftung des Zeugen R... steht außer Frage. Auch der Senat geht davon aus, dass das Beweisergebnis nicht ausreicht, dem Beklagten ein haftungsbegründendes Handeln im Hinblick auf die Brandverursachung nachzuweisen.

Da nicht feststeht, dass der Beklagte für den entstandenen Schaden neben dem Zeugen R... verantwortlich ist, haftet er auch nicht gem. § 840 Abs.1 BGB als Gesamtschuldner.

Auf die Berufung des Beklagten war somit - unter Änderung des angefochtenen Urteils - die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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