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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 21.07.2000
Aktenzeichen: 2 U 124/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 3
1. Hat der Auftraggeber beim VOB-Vertrag nach Ablauf der Gewährleistungsfrist eine Gewährleistungsbürgschaft wegen noch vorhandener Gewährleistungsansprüche nur Zug um Zug gegen Hergabe einer Bürgschaft in geringer Höhe herausgegeben, so ist auf den Wert des Gewährleistungsanspruchs ohne sogenannten Druckzuschlag abzustellen.

2. Der Streitwert einer Klage auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde bestimmt sich nicht nach dem Wert der gesicherten Forderung, sondern nach dem Herausgabeinteresse des Klägers, das nach § 3 ZPO zu schätzen ist (hier angenommen mit 20 % der gesicherten Forderung; ebenso BGH Beschluß vom 04.01.2001 - VII ZR 352/00 - nach Zurücknahme der Revision).


URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES!

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2000 durch die Richter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13. April 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin die Mängelgewährleistungsbürgschaftsurkunde Nr. ........ der .................................... vom 15. Dezember 1993 über 225.365, DM herauszugeben Zug um Zug gegen Übergabe einer unbefristeten und selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft eines in den Europäischen Gemeinschaften zugelassenen Kreditinstituts oder Kreditversicherers über 15.000, DM.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagten 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug beträgt 45.000, DM.

Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 60.000, DM.

Tatbestand:

Mit Werkvertrag vom 21.10.1991 beauftragten die Beklagten die Klägerin mit der Durchführung von Arbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung einer Wohnanlage mit 168 Wohneinheiten in L........... Die Parteien vereinbarten die Geltung der VOB/B. Zur Sicherung etwaiger Gewährleistungsansprüche übersandte die Klägerin der Beklagten eine ihr von der ................................... am 15.12.1993 erteilte unbefristete Mängelgewährleistungsbürgschaftsurkunde über 225.365, DM. Die Klägerin begehrt nach Ablauf der Gewährleistungsfrist die Herausgabe dieser Bürgschaftsurkunde.

Die Beklagten verweigern die Herausgabe der Bürgschaft, weil in dem von der Klägerin erstellten Mauerwerk Risse vorhanden sind. Die Parteien streiten darüber, wer für diese Mängel verantwortlich ist.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klägerin zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung verurteilt. Auf das am 13.04.2000 verkündete Urteil wird Bezug genommen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagten zu verurteilen, an sie die Mängelgewährleistungsbürgschaftsurkunde Nr. 93403637 der .................................... vom 15.12.1993 über 225.365, DM herauszugeben,

hilfsweise,

die Beklagten zu verurteilen, die genannte Urkunde gegen Übergabe einer unbefristeten, selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft eines in den Europäischen Gemeinschaften zugelassenen Kreditinstituts oder Kreditversicherers über 5.000, DM herauszugeben.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vortrags im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat in erkanntem Umfang Erfolg. Die Beklagten sind gemäß § 17 Nr. 8 VOB/B zur Herausgabe der Gewährleistungsbürgschaft verpflichtet, jedoch nur Zug um Zug gegen Hergabe einer auf 15.000, DM herabgesetzten Bürgschaftserklärung.

1. Gemäß § 17 Nr. 8 VOB/B ist eine Sicherheit spätestens nach Ablauf der Verjährungsfrist für die Gewährleistung zurückzugeben. Diese Voraussetzungen liegen hier unstreitig vor.

Soweit jedoch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist Mängel vorhanden sind oder durch während der Gewährleistungsfrist auftretende Mängel eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist für die Mängelbeseitigungsleistungen erfolgt ist, regelt § 17 Nr. 8 Satz 2 VOB/B, daß der Auftraggeber einen entsprechenden Teil der Sicherheit zurückbehalten darf. Im Fall der Sicherheit durch Bürgschaft bedeutet dies, daß ein Austausch der Bürgschaft Zug um Zug gegen Hergabe einer herabgesetzten Bürgschaftserklärung vorzunehmen ist (HeiermannRiedlRusam, VOB, 8. Aufl., B § 17.8 RdNr. 47). Auf eine mögliche Verjährung des Gewährleistungsanspruchs kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, wenn der Auftraggeber - wie dies vorliegend unstreitig der Fall ist - die zugrundeliegenden Mängel in unverjährter Zeit gerügt hat (BGH BauR 1993, 335; HeiermannRiedlRusam a.a.O.).

2. Die Werkleistung der Klägerin weist Mängel auf. In dem von ihr errichteten Mauerwerk sind zahlreiche Risse vorhanden. Wegen der Einzelheiten wird auf die insoweit jedenfalls in der Berufungsinstanz unstreitigen Feststellungen des Sachverständigen K.... in seinem im ersten Rechtszug erstellten Gutachten vom 04.05.1999 Bezug genommen.

Diese Mängel hat die Klägerin zu vertreten, so daß dem Grunde nach ein Nachbesserungsanspruch der Beklagten gemäß § 13 Nr. 5 Satz 1 VOB/B besteht; allerdings muß die Beklagte sich ein hälftiges Mitverschulden gemäß § 254 BGB anrechnen lassen:

a) Die festgestellten Risse haben ausweislich des schriftlichen Sachverständigengutachtens und der mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen im Termin vor dem Landgericht am 24.02.2000 folgende Ursache: Es handelt sich zum einen um Schwundrisse, die auf die Verwendung wenig bzw. hier nicht geeigneter KalksandsteinPlanElemente zurückzuführen sind. Weiterhin sind setzungsbedingte Risse vorhanden. Auch für diese ist - was die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung übersieht - nach den eindeutigen Ausführungen des Sachverständigen die Verwendung der aufgrund der gegebenen Gründungsvoraussetzungen als ungeeignet anzusehenden KalksandsteinPlanElemente verantwortlich (vgl. Seite 7 unten des schriftlichen Sachverständigengutachtens).

Erhebliche andere Ursachen lassen sich nicht feststellen. Zwar hat der Sachverständige vor dem Landgericht ausgeführt, daß er nicht ausschließen könne, daß die Risse auch durch das spätere Aufstellen von Kränen und den Straßenbahnverkehr verursacht seien. Eindeutige Feststellungen lassen sich in dieser Hinsicht jedoch - so der Sachverständige - nicht treffen.

Im Ergebnis liegt mithin die entscheidende Mängelursache in der Verwendung der ungeeigneten KalksandsteinPlanElemente. Gründe zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens gemäß § 412 ZPO sind nicht dargetan oder ersichtlich. Die Ausführungen des Sachverständigen sind eindeutig. Zweifel an seiner Sachkunde bestehen nicht.

b) Die Klägerin ist für die festgestellten Mängel verantwortlich. Zwar erfolgte die Verwendung der KalksandsteinPlanElemente auf Weisung des Architekten der Beklagten. Gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B hat ein Auftragnehmer jedoch auch die Planung als Fachmann selbst zu prüfen und dem Bauherrn Bedenken mitzuteilen. Insbesondere ist es Aufgabe des Unternehmers, die Planungsunterlagen dahingehend zu überprüfen, ob sie zur Verwirklichung des geschuldeten Leistungserfolgs geeignet sind. Für eine unterlassene Prüfung und Mitteilung ist der Auftragnehmer verantwortlich, wenn er Mängel mit den bei einem Fachmann seines Gebiets zu erwartenden Kenntnissen hätte erkennen können (BGH NJWRR 1989, 721; BGH NJWRR 1991, 276; WernerPastor, Der Bauprozeß, 9. Aufl., RdNr. 1522 ff.).

Die Klägerin hat vorliegend ihre Prüfungspflicht fahrlässig verletzt. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Ungeeignetheit der KalksandsteinPlanElemente erkennen können und müssen. Dies steht aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen insbesondere bei seiner Anhörung vor dem Landgericht fest.

Die Klägerin hat auch keinen Hinweis gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B erteilt, der sie entlasten könnte. Insbesondere befassen sich ihre Schreiben vom 15.11. und 18.12.1991 lediglich mit der von ihr erkannten Gründungsproblematik. Ein Hinweis auf die Ungeeignetheit der verwandten Elemente ist nicht erfolgt.

c) Allerdings muß ein Auftragnehmer, wenn er die gebotene Prüfung und Mitteilung unterläßt, für die daraus folgenden Schäden nicht allein verantwortlich sein. Vielmehr können Mängel der Planung ein Mitverschulden des Auftraggebers gemäß § 254 BGB begründen, wobei der Auftraggeber die Fehler seiner Architekten und Sonderfachleute sich als die seiner Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen muß (BGH BauR 1970, 57, 59; BGH NJWRR 1991, 276). Ist der Auftraggeber - wie vorliegend - durch einen Sonderfachmann vertreten, muß unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls eine Abstufung hinsichtlich der Art und des Umfangs der Verletzung der Prüfungs und Unterrichtungspflicht vorgenommen werden (IngenstauKorbion, VOB, 13. Aufl., B § 4 Nr. 3 RdNr. 190; WernerPastor, RdNr. 1994 u. 1995; Soergel, ZfBR 1995, 165, 167). Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheint vorliegend eine hälftige Haftung der Parteien angemessen.

3. Die Rechtsfolge eines bestehenden Nachbesserungsanspruchs gegenüber dem Anspruch auf Rückgabe einer Sicherheit liegt nach der ausdrücklichen Regelung in § 17 Nr. 8 Satz 2 VOB/B darin, daß der Auftraggeber die Sicherheit zurückbehalten darf, soweit er sie noch benötigt; dies hat zur Folge, daß eine Bürgschaft Zug um Zug gegen Hergabe einer entsprechend herabgesetzten Bürgschaftserklärung - und nicht etwa gegen Mängelbeseitigung - herauszugeben ist (HeiermannRiedlRusam, B § 17 RdNr. 47; Beck'scher VOB KommentarMotzke, § 17 Nr. 8 RdNr. 6).

Dem Sicherungsbedürfnis der Beklagten genügt vorliegend eine Bürgschaft in Höhe von 15.000, DM. Die Mängelbeseitigungskosten betragen nach den Ausführungen des Sachverständigen voraussichtlich 30.000, DM. Wie dargelegt ist die Klägerin im Ergebnis nur für die Hälfte dieser Mängelbeseitigungskosten verantwortlich.

Der Senat berücksichtigt bei der Bemessung des herabgesetzten Bürgschaftsbetrags zugunsten der Beklagten keinen sog. Druckzuschlag. Denn während das Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Werklohnanspruch des Auftragnehmers über die Sicherung des Anspruchs hinaus den Zweck verfolgt, Druck auf den Auftragnehmer auszuüben, damit dieser die ihm obliegenden Leistungen umgehend erbringt, dient die Bürgschaft lediglich der Sicherstellung des Gewährleistungsanspruchs (BGH BauR 1982, 579). Die Bürgschaft ist mithin ohne Berücksichtigung eines Druckzuschlags nur anhand der voraussichtlich noch zu sichernden Mängelbeseitigungskosten zu bemessen (a. A. IngenstauKorbion, § 17 Nr. 8 RdNr. 6; Beck'scher VOB KommentarMotzke, § 17 Nr. 8 RdNr. 17).

4. Der Streitwert beträgt gemäß § 3 ZPO 45.000, DM. Er bemißt sich bei einem Anspruch auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde nicht nach der gesicherten Forderung, sondern nur nach dem Herausgabeinteresse des Klägers, welches nach § 3 ZPO zu schätzen ist (Schneider, Streitwertkommentar, 11. Aufl., RdNr. 945 ff.). Vorliegend kommt angesichts der nach Ablauf der Gewährleistungsfrist noch vorhandenen Mängel nur noch eine relativ geringfügige Inanspruchnahme aus der Bürgschaft in Betracht, so daß es angemessen ist, den Streitwert mit knapp 20 % der Bürgschaftsforderung zu bemessen.

Im übrigen beruhen die Nebenentscheidungen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 1 und 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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