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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 09.02.2000
Aktenzeichen: 2 U 272/99
Rechtsgebiete: VVG, AUB
Vorschriften:
VVG § 12 Abs. 2 | |
AUB § 13 Abs. 3 a (61) |
Entscheidung wurde am 09.10.2001 korrigiert: amtlicher Leitsatz und Rechtskraft eingefügt, Vorschriften geändert
2. § 13 Abs. 3 a AUB 61 verstößt weder gegen § 3 noch gegen § 9 AGBG.
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES!
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2000 durch die Richter , und
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 20. Oktober 1999 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 15.000, DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
Der Wert der Beschwer und der Streitwert für den zweiten Rechtszug betragen 156.000, DM.
Tatbestand:
Der Kläger macht einen Anspruch aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Unfallversicherung geltend.
Am 08.04.1991 trat dem Kläger, der damals als Landwirt tätig war, eine Kuh gegen das rechte Knie. Das - nach Anspruchsanmeldung seitens des Klägers - von der Beklagten eingeholte ärztliche Gutachten vom 21.06.1993, auf das wegen aller Einzelheiten verwiesen wird, gelangte zu dem Ergebnis, daß unfallbedingt eine Minderung der Gebrauchsfähigkeit des rechten Beins in Höhe von 1/5 eingetreten sei. Die Beklagte errechnete aufgrund dieses Gutachtens einen Anspruch des Klägers in Höhe von insgesamt 15.960, DM und zahlte an ihn, nachdem sie bereits zuvor einen Vorschuß in Höhe von 5.000, DM geleistet hatte, im Juli 1993 10.960, DM aus.
Daraufhin meldete der Kläger sich bei der Beklagten erstmals wieder im Juli 1998 und reichte kommentarlos eine ärztliche Bescheinigung vom 16.03.1998 ein, die eine stationäre Behandlung vom 17.04. bis zum 02.05.1997 betraf. Die Beklagte wies ihn mit Schreiben vom 06.08.1998 darauf hin, daß hinsichtlich des Unfalls sämtliche Fristen der vereinbarten Allgemeinen UnfallversicherungsBedingungen (AUB 61) verstrichen seien, und berief sich auf Verjährung.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die geleistete Entschädigung sei zu niedrig, und dazu im einzelnen vorgetragen.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und sich darauf berufen, daß die Dreijahresfrist gemäß § 13 Abs. 3 a AUB 61 verstrichen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das am 20.10.1999 verkündete Urteil wird wegen aller Einzelheiten verwiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.
Er beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 156.000, DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.06.1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Dem Kläger steht kein über den an ihn bereits gezahlten Betrag in Höhe von 15.960, DM hinausgehender Anspruch aus der bei der Beklagten unterhaltenen Unfallversicherung zu. Soweit er die Richtigkeit des Gutachtens des Dr. H vom 21.06.1993 bestreitet und einen höheren als den im Gutachten festgestellten Invaliditätsgrad behauptet, kommt es darauf im Ergebnis nicht an. Denn ein möglicher Anspruch des Klägers auf eine weitere Entschädigung ist auf jeden Fall gemäß § 12 Abs. 1 VVG verjährt. Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Neufestsetzung gemäß § 13 Abs. 3 a AUB 61, da die in der Klausel bestimmte Dreijahresfrist abgelaufen ist.
I. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil kann der Kläger allerdings unabhängig vom Ablauf der Dreijahresfrist des § 13 Abs. 3 a AUB 61 die Unrichtigkeit der Feststellungen des Dr. H im Gutachten vom 21.06.1993, auf dessen Grundlage die Beklagte im Juli 1996 nach zuvor gezahltem Vorschuß von 5.000, DM weitere 10.960, DM geleistet hat, geltend machen. Denn § 13 Abs. 3 a AUB 61 betrifft ausschließlich den Fall der Neufestsetzung der Invalidität, ohne die Möglichkeit des Angriffs der vorangegangenen Festsetzungen einzuschränken (OLG Hamm VersR 1990, 965). Die Klausel ist lediglich materiellrechtlich in der Weise zu berücksichtigen, daß sie den Zeitpunkt für die Prognose, welchen Umfang ein Dauerschaden hat, verbindlich festlegt (BGH r + s 1988, 281; OLG Hamm a.a.O.; Grimm, Unfallversicherung, 2. Aufl., § 11 Rdn. 26). Der Geltendmachung der Unrichtigkeit des Gutachtens steht auch nicht die Sechsmonatsfrist gemäß § 12 I Abs. 2 AUB 61 entgegen, da nicht festgestellt werden kann, daß die notwendige Belehrung durch die Beklagte gemäß § 12 I Abs. 3 Satz 2 AUB 61 erfolgt ist.
Ein möglicher Anspruch des Klägers ist jedoch auf jeden Fall gemäß § 12 Abs. 1 VVG verjährt. Die zweijährige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluß des Jahres, in dem die Leistung nach § 11 VVG fällig wird. Hier ist die Fälligkeit spätestens im Juli 1993 eingetreten. Gemäß § 13 Abs. 1 AUB 61 wird die Entschädigung nämlich fällig nach ihrer Feststellung; d.h. es kommt darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Versicherer seine Feststellungen - mögen diese inhaltlich auch unrichtig sein - abgeschlossen hat (OLG Hamm a.a.O.; Grimm a.a.O. § 11 Rdn. 17). Dies ist hier mit Eingang des Gutachtens vom 21.06.1993 geschehen, ausweislich dessen eine Invalidität in Höhe von 1/5 des rechten Beinwerts festgestellt worden ist; damit mußte die Beklagte die geschuldete Leistung erbringen.
Gemäß § 12 Abs. 2 VVG ist die Verjährung nach der - hier erfolgten - Anmeldung des Anspruchs durch den Versicherungsnehmer allerdings bis zum Eingang der schriftlichen Entscheidung des Versicherers gehemmt. Es muß sich bei dieser Entscheidung um eine eindeutige, abschließende Stellungnahme des Versicherers zu Grund und Umfang der Leistungspflicht handeln (BGH VersR 1991, 179, 180; Römer/Langheid, VVG, § 12 Rdn. 24). Ob der Kläger eine solche Erklärung der Beklagten erhalten hat, ist zweifelhaft. Die bloße Zahlung des Restbetrags von 10.960, DM im Juli 1993 dürfte den Anforderungen an eine eindeutige Stellungnahme nicht genügen. Die Beklagte behauptet zwar, sie habe dem Kläger einen Scheck mit einem fest angehefteten Abrechnungsschreiben übersandt. Dieser bestreitet dies jedoch und trägt vor, die Zahlung - ob durch Scheck oder Überweisung, läßt er offen - sei kommentarlos erfolgt.
Das Vorbringen des Klägers kann als richtig unterstellt werden; denn unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ist eine - mögliche - Hemmung der Verjährung spätestens mit Ablauf des Jahres 1996 entfallen. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 12 Abs. 2 VVG ist es, den Versicherungsnehmer vor allem für den Fall langandauernder Verhandlungen mit dem Versicherer zu schützen und ihn, solange seine Ansprüche noch in der Schwebe sind, vor dem Weiterlaufen der Verjährung zu bewahren (Römer/Langheid a.a.O. § 12 Rdn. 20). Dieser Schutzgedanke hat aber auch ohne Bescheid des Versicherers nach Treu und Glauben keine Berechtigung mehr, wenn für den Versicherungsnehmer kein Schutzbedürfnis mehr besteht. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn der Versicherungsnehmer die von ihm zunächst angemeldeten Ansprüche inzwischen offensichtlich nicht mehr weiterverfolgt und daher auf einen endgültig ablehnenden Bescheid des Versicherers gar nicht mehr wartet (BGH VersR 1977, 335, 336 zur vergleichbaren Regelung in § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG; OLG Hamm r + s 1991, 289; OLG Düsseldorf r + s 1999, 397 - rechtskräftig durch Nichtannahme der Revision, BGH IV ZR 101/98; Römer/Langheid a.a.O. § 12 Rdn. 25; BK/Gruber, § 12 VVG Rdn. 30).
So liegt es hier. Zwischen den Parteien hat vom Unfalltag, dem 08.04.1991, an bis zumindest Juli 1998 kein Streit hinsichtlich der Höhe der geschuldeten Entschädigung bestanden. Die Beklagte hat in unmittelbarem zeitlichen Anschluß an die gutachterliche Untersuchung des Klägers vom 17.06.1993 und das Gutachten vom 21.06.1993 im Juli 1993 eine restliche Entschädigung in Höhe von 10.960, DM gezahlt. Angesichts dieses zeitlichen Ablaufs und des ersichtlich genau berechneten Betrags mußte es sich bereits im Juli 1993 auch ohne Abrechnungsschreiben für den Kläger zumindest aufdrängen, daß die Beklagte eine abschließende Zahlung vornehmen wollte. In der Folgezeit hat weder die Beklagte sich um weitere Feststellungen bemüht, noch hat der Kläger solche auch nur angeregt oder gar weitere Zahlungen verlangt. Damit war aus objektiver Sicht - spätestens - Ende 1996, also rund 3 1/2 Jahre nach der Zahlung der Beklagten, für beide Parteien eindeutig, daß der Versicherungsfall endgültig abgewickelt sein sollte und der Kläger keine Ansprüche mehr geltend machen wollte.
Unerheblich ist, ob - wie der Kläger behauptet - ein Vertreter der Beklagten ihm telefonisch erklärt hat, die Beklagte werde die zur Feststellung der Invalidität notwendigen Arztgutachten einholen. Diese Tatsache wäre jedenfalls nicht geeignet, nach der im Juli 1993 erfolgten Zahlung eine Hemmung der Verjährung für die Zeit nach Ablauf des Jahres 1996 zu begründen oder die Berufung auf den Eintritt der Verjährung als treuwidrig erscheinen zu lassen. Denn der Kläger behauptet nicht etwa, daß die angebliche telefonische Erklärung nach der Zahlung im Juli 1993 oder nach Erstellung des Gutachtens vom 21.06.1993 erfolgt sei, und der Zusicherung, die notwendigen Gutachten einzuholen, ist die Beklagte durch Beauftragung des Sachverständigen Dr. Heidemann nachgekommen. Dessen Feststellungen gaben entgegen der Auffassung des Klägers aus der Sicht der Beklagten auch nicht den geringsten Anlaß, ein weiteres Gutachten einzuholen. Der Gutachter hatte sich nämlich umfassend zum Gesundheitszustand des Klägers geäußert und bei seiner Bewertung der Invalidität auch die schon seinerzeit vorhandene rezidivierende Unterschenkelthrombose berücksichtigt.
Die Verjährung hat mithin spätestens mit Beginn des Jahres 1997 wieder zu laufen begonnen, so daß durch die im Mai 1999 eingereichte Klage keine Unterbrechung der Verjährung mehr erfolgen konnte.
II. Eine Neufeststellung nach § 13 Abs. 3 a AUB 61 ist nicht mehr möglich, da die in der Klausel enthaltene Dreijahresfrist bereits am 08.04.1994 abgelaufen ist. § 13 Abs. 3 a AUB 61 verstößt entgegen der Auffassung der Berufung weder gegen § 3 noch gegen § 9 AGBG. Soweit ersichtlich ist, bestehen nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der der Senat folgt, keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel (BGH r + s 1988, 281; BGH VersR 1994, 971; OLG Hamm VersR 1990, 965; OLG Köln ZfS 1993, 165; Grimm a.a.O. § 11 Rdn. 17). Gegen eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers spricht bereits, daß die Klausel auch dem Versicherer nach Ablauf der Frist das Recht auf Neufestsetzung abschneidet. Zudem haben beide Vertragsparteien ein schützenswertes Interesse daran, den Versicherungsfall innerhalb angemessener Zeit endgültig abzuschließen, ohne daß der Versicherer auf unabsehbare Zeit mit Nachforderungen oder der Versicherungsnehmer mit der Rückforderung bereits ausgezahlter Versicherungssummen zu rechnen hat. Angesichts der Ausgewogenheit dieser Regelung bedarf es auch keiner Belehrungspflicht auf seiten des Versicherers, sondern es ist dem Versicherungsnehmer wie in der Regel aus Anlaß des Versicherungsfalls zuzumuten, sich von den Versicherungsbedingungen selbst Kenntnis zu verschaffen.
III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 546 ZPO.
Ende der Entscheidung
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