Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 31.10.2006
Aktenzeichen: 2 U 28/06
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 167
ZPO § 204 Abs. 2
ZPO § 270 Abs. 3 a.F.
ZPO § 691 Abs. 2
ZPO § 693 Abs. 2 a.F.
ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 540 Abs. 1 Ziff. 1
EGBGB Art. 229 § 5
BGB § 193 a. F.
BGB § 204 Abs. 1 Ziff. 1 n. F.
BGB § 638 a. F.
BGB § 638 Abs. 2 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Im Namen des Volkes Urteil

2 U 28/06

Verkündet am 31.10.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 15.08.2006 durch die Richter am Oberlandesgericht ..., ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 09.03.2006 verkündete Teilurteil des Landgerichts Oldenburg wie folgt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 620.463 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger haben von der Beklagten in einem von ihr in W... errichteten Gebäudekomplex, dem sogenannten H..., liegende Eigentumswohnungen erworben. Sie nehmen sie nunmehr wegen einer Vielzahl von Baumängeln in Anspruch.

Insgesamt erstreben sie eine Verurteilung der Beklagten zu einer Vorschusszahlung auf die Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 611.273,74 € sowie Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihnen weitere im Zusammenhang mit diversen Installationen erwartete Kosten zu erstatten.

Die Beklagte hat demgegenüber die Verjährungseinrede erhoben, sich im Übrigen aber auch hinsichtlich der einzelnen Mängel verteidigt, indem sie teilweise deren Bestehen in Abrede gestellt, teilweise vorgetragen hat, diese bereits beseitigt zu haben.

Anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 01.12.2005 haben die Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 611.263,74 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass

a) die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern die Kosten zu ersetzen, welche im Zuge der Installation von Rohrbelüftern und der Verlängerung der Zirkulationsleitungen bis in die oberen Geschosse durch erforderliche Fremdleistungen wie Maurer, Maler und Reinigungsarbeiten entstehen,

b) die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern die Kosten zu ersetzen, welche durch das erforderliche fachmännische Nachstellen der Feuerschutztüren entstehen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Teilurteil vom 09.03.2006 hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung eines Teilbetrages von 132.559,58 € nebst Zinsen verurteilt.

Mit Rücksicht auf einen seitens des Beklagten erklärten Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede hat das Landgericht die Gewährleistungsansprüche insgesamt als nicht verjährt angesehen. Fünf der seitens der Klägerin vorgetragenen Mängelpositionen, verbunden mit Mängelbeseitigungskosten in Höhe von insgesamt 132.559,58 €, hat es als nachgewiesen angesehen, hinsichtlich der übrigen Positionen sowie des Feststellungsantrages jedoch noch eine weitere Beweisaufnahme als erforderlich erachtet.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien sowie des angefochtenen Urteils wird gem. § 540 Abs.1 Ziff.1 ZPO auf dieses verwiesen.

Gegen das landgerichtliche Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit welcher sie einerseits die Verjährungseinrede aufrecht erhält, andererseits die Richtigkeit der landgerichtlichen Feststellungen hinsichtlich der zugesprochenen Schadenspositionen angreift.

Sie beantragt, das am 09.03.2006 verkündete Teilurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist zulässig und auch in der Sache selbst erfolgreich.

Eventuelle Mängelgewährleistungsansprüche sind zwischenzeitlich verjährt.

Gegenstand der Klage sind Ansprüche aus einem vor dem 01.01.2002 geschlossenen Vertrag, auf welchen gemäß Artikel 229 § 5 EGBGB das BGB in der seinerzeit gültigen Fassung Anwendung findet. Der Lauf der Verjährungsfrist, welche sich gemäß § 638 BGB a. F. auf 5 Jahre belief, begann mit der Abnahme, welche unstreitig am 23.09.1996 erfolgt ist. Bei ungehindertem Verlauf wäre die Verjährungsfrist am 23.09.2001 verstrichen.

Die Beklagte hatte sich der Klägerin gegenüber jedoch zum Verzicht auf die Verjährungseinrede bis zum 30.06.2002 bereit erklärt. Dieser vor Ablauf der Verjährungsfrist erklärte Verzicht war gemäß § 638 Abs. 2 BGB alter Fassung zulässig und behielt seine Wirkung auch nach In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes.

Da der 30.06.2002 ein Sonntag war, ist der Einredeverzicht der Beklagten auf der Grundlage der Auslegungsregel des § 193 BGB a. F. dahingehend auszulegen, dass an die Stelle des Sonntages der nächste Werktag tritt. Der § 193 BGB alter Fassung bestimmte, dass in dem Falle, in welchem innerhalb einer bestimmten Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken ist, an die Stelle des letzten Tages der Frist der nächste Werktag tritt, wenn es sich bei diesem um einen Sonntag, Sonnabend oder Feiertag handelt. Diese Auslegungsregel findet, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, auch auf eine zeitliche Begrenzung, innerhalb derer auf die Erhebung einer Verjährungseinrede verzichtet wird, Anwendung (BGH MDR 1990, 540). Da allein die Befristung als Solche nicht erkennen lässt, ob die Frist bereits am Sonntag, dem 30.06.2002, oder erst am darauf folgenden Werktag ablaufen sollte, und es an einer darüber hinausgehenden konkreten Übereinkunft mangelt, entfaltete der Verzicht bis zum 01.07.2002 Wirksamkeit. Die auf Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens gerichtete, am 01.07.2002 bei Gericht eingegangene Antragsschrift führte gem. § 204 Abs. 1 Ziff. 1 BGB n. F. mit Rücksicht darauf, dass die Zustellung demnächst, nämlich am 10.07.2002, erfolgte, zur Hemmung der Verjährung.

Ungeachtet dessen ist in der Folgezeit jedoch eine Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche eingetreten.

Das selbstständige Beweisverfahren fand seinen Abschluss im September 2004. Ob die Beendigung des Verfahrens bereits mit Übermittlung der Stellungnahme des Sachverständigen Dipl.Ing. H... vom 21.09.2004 zu den Einwänden der Prozessbevollmächtigten der damaligen Antragsgegnerin und jetzigen Beklagten oder erst mit Zugang einer gerichtlichen Verfügung vom 24.09.2004, in welcher der Abschluss der selbständigen Beweisverfahrens ausdrücklich festgestellt wurde, eingetreten ist, kann dahinstehen. Auch diese Verfügung ist den Prozessbevollmächtigten der jetzigen Kläger noch im September 2004 - am 29.09.2004 - zugegangen. Gem. § 204 Abs. 2 ZPO endete die Hemmung 6 Monate nach Beendigung des Verfahrens, mithin Ende März 2005.

Zu diesem Zeitpunkt war Klage im vorliegenden Verfahren noch nicht erhoben. Zwar war die Klage bereits seit dem 21.02.2005 anhängig, eine Zustellung an die Beklagte erfolgte jedoch erst unter dem 04.05.2005. Zu einer erneuten Hemmung der Verjährungsfrist durch die Klagerhebung gem. § 204 Abs. 1 Ziff. 1 BGB kam es nicht mehr, da die Frist bei Zustellung der Klage bereits abgelaufen war.

Die Voraussetzungen für eine Rückwirkung der Zustellung gem. § 167 ZPO liegen insoweit nicht vor. § 167 ZPO setzt voraus, dass die Zustellung "demnächst" erfolgt. Dies ist vorliegend nicht geschehen.

Entscheidend für die Beurteilung, ob die Klage noch demnächst zugestellt worden ist, ist nicht der zwischen Einreichung der Klage und Zustellung derselben verstrichene Zeitraum, sondern vielmehr derjenige zwischen dem letzten Tage des Laufs der Verjährungsfrist - hier dem 29.03.2005 - und demjenigen der Zustellung - hier dem 04.05.2005 (vgl. BGH NJW 1986, 1347). Auch dieser Zeitraum von ca. 5 Wochen ist jedoch nur insoweit bedeutsam, als die Verzögerung den Klägern zuzurechnen ist (vgl. BGH a.a.O.).

Infolge eines den Klägern zuzurechnenden Verschuldens ist es zu einer Verzögerung von mindestens drei Wochen gekommen. Der Partei sind solche nicht nur ganz geringfügige Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätte vermeiden können.

Bereits mit Verfügung des Vorsitzenden vom 23.02.2005 wurden sie darauf hingewiesen, dass eine Zustellung der Klage ohne vorangegangene Zahlung des Kostenvorschusses nicht erfolgen werde. Diese Verfügung wurde, verbunden mit einer Kostenrechnung, am 28.02.2005 an die Prozessbevollmächtigten übersandt, wo sie am 02.03.2005 einging. Zwar besteht eine Obliegenheit zur Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses erst, wenn eine gerichtliche Anforderung erfolgt, doch hat eine Einzahlung nach der Anforderung unverzüglich, i.d.R. etwa binnen 2 Wochen zu erfolgen (BGH NJW 1986, 1347). Demzufolge wären die Kläger grds. zur Abwendung vermeidbarer Verzögerungen gehalten gewesen, den Kostenvorschusses bis zum letzten Tage der Verjährungsfrist einzuzahlen.

Eine Zahlung erfolgte jedoch nicht. Vielmehr teilten die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schreiben vom 14.04.2005, also ca. 2 Wochen nach Ablauf der Verjährungsfrist mit, dass der Gerichtskostenvorschuss zwar bereits angefordert sei, jedoch noch nicht vorliege, und man aufgrund dessen bitte, die Akte bis zum 05.05.2005 auf Frist zu legen. Eine Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses erfolgte sodann unter dem 25.04.2005.

Dass die Kostenrechnung möglicherweise aufgrund eines Büroversehens einer falschen Akte zugeordnet und dies erst in der Folgezeit - spätestens am 31.03.2005 - bemerkt wurde, vermag die Kläger nicht zu entlasten.

Abgesehen davon, dass sich aus ihrer Darstellung das Fehlen eines ihnen zuzurechnenden anwaltlichen Verschuldens ohnedies nicht ergibt, hätten sie auch zu diesem Zeitpunkt noch eine Einzahlung des Kostenvorschusses binnen einer Zeitspanne bewirken können, welche nur zu einer geringfügigen Verzögerung geführt hätte.

Auch für den Fall, dass eine Einzahlung des Vorschusses am letzten Tag der Verjährungsfrist erfolgt wäre, ist jedoch von einer gewissen, durch den gerichtlichen Geschäftsbetrieb bedingten Verzögerung auszugehen. Vorliegend benötigte das Gericht nach Einzahlung des Vorschusses noch einen Zeitraum von 13 Tagen bis die Zustellung bewirkt war. Zu dieser Verzögerung wäre es auch bei rechtzeitiger Einzahlung gekommen. Der verbleibende Verzögerungszeitraum von weiteren drei Wochen ist jedoch auf die verspätete Einzahlung zurückzuführen und den Klägern mithin zuzurechnen.

Diese dreiwöchige Verzögerung hat zur Folge, dass die Zustellung nicht mehr "demnächst" erfolgt ist.

Eine geringfügige Verzögerung liegt entgegen der Auffassung der Kläger im Regelfall nur bei einer Verzögerung von bis zu zwei Wochen vor (vgl. BGH FamRZ 2004, 21; MKWenzel ZPO 2.Aufl. 2002 § 167 RZ.9; Stein-Jonas-Roth ZPO 22.Aufl.2005 § 167 Rz.11). Gesichtspunkte, welche es rechtfertigen könnten, auch noch die eingetretene, deutlich längere Verzögerung als geringfügig zu bewerten, sind nicht ersichtlich.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2006 (BGH Report 2006, 1052f). Diese Entscheidung befasst sich mit der Frage, wann die Zustellung eines Mahnbescheids noch als "demnächst" i.S.v. § 693 Abs.2 ZPO a.F., § 167 ZPO anzusehen ist. Insoweit hat der BGH in Übereinstimmung mit einer Entscheidung vom 21.03.2002 (BGHZ 150, 221ff), auf welche er ausdrücklich verwiesen hat, festgestellt, dass im Hinblick auf die Regelung in § 691 Abs.2 ZPO nur eine Verzögerung von mehr als einem Monat als nicht mehr geringfügig anzusehen sei.

Hierbei handelt es sich jedoch um einen Gesichtspunkt, der lediglich die Frage der Fristeinhaltung durch Zustellung eines Mahnbescheids betrifft, für welche § 691 Abs.2 ZPO eine spezielle Regelung enthält. Auf die hier entscheidende Bestimmung der Grenze für eine geringfügige Verzögerung der Klagzustellung i.S.d. §§ 270 Abs.3 ZPO a.F./ 167 ZPO n.F. finden diese Erwägungen nach der Rechtsprechung des BGH keine Anwendung, wie dieser mit Beschluss vom 24.09.2003 (BGH FamRZ 2004, 21) klargestellt hat. Anhaltspunkte dahingehend, dass der BGH insoweit von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen beabsichtigt, lassen sich dem Urteil vom 27.04.2006 nicht entnehmen, zumal er sich ausdrücklich auf das Urteil vom 21.03.2002 bezieht, nach dessen Erlass der bereits erwähnte Beschluss ergangen ist, in welchem ausdrücklich bestätigt wurde, dass in der Regel nur eine Frist von bis zu zwei Wochen als geringfügig anzusehen sei.

Das landgerichtliche Teilurteil stellt sich als unzulässig dar, da ein Teilurteil nur erlassen werden darf, wenn es von der Entscheidung über den Rest des Anspruches unabhängig ist, also eine Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Dies ist bereits dann nicht der Fall, wenn eine Frage zu entscheiden ist, welche sich im weiteren Verfahren über die anderen Ansprüche noch einmal stellt (BGH NJWRR 2003, 303; NJW 2000, 3716).

Vorliegend stellt sich die Frage des Verjährungseintrittes in gleicher Weise auch hinsichtlich der durch das Landgericht noch nicht abschließend beschiedenen Klagansprüche. Um der Gefahr divergierender Entscheidungen entgegenzuwirken, erachtet es der Senat jedoch als sachgerecht, den Rechtsstreit in vollem Umfange in zweiter Instanz zu entscheiden. Hierauf sind die Parteien in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden.

Da die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche der Kläger, sofern sie bestanden haben sollten, insgesamt aus dem genannten Gründen verjährt sind, war die Klage abzuweisen.

Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Soweit in der Literatur die Bestimmung einer geringfügigen Verzögerung der Klagzustellung unter Heranziehung des § 691 Abs.2 ZPO vorgenommen wird, handelt es sich um vereinzelte Ansichten, welche, wie der BGH bereits im Beschluss vom 24.09.2003 herausgestellt hat, weder eine Grundsätzlichkeit i.S.d. § 543 Abs.2 Nr. 1 ZPO zu begründen vermögen, noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück