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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 02.08.2005
Aktenzeichen: 3 U 34/05
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 61
1.) Verlässt ein Versicherungsnehmer seine Wohnung über Nacht und zieht er die mit Glasfenstern versehene Wohnungseingangstür nur zu ohne sie abzuschließen, so verursacht er einen Einbruchdiebstahl grob fahrlässig, wenn der Täter eine schlossnahe Scheibe einschlägt, durchgreift und die Tür mit der inneren befindlichen Türklinke öffnet.

2.) Behauptet der Versicherungsnehmer, der Täter hätte den Einbruch auch bei abgeschlossener Tür ausgeführt, so trifft ihn hierfür die Beweislast. Die Annahme eines Anscheinsbeweises kommt insoweit nicht in Betracht.


Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss

3 U 34/05

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 2. August 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 24. Februar 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 29.654,93 € festgesetzt.

Gründe:

Der Kläger macht Ansprüche aus einem mit der Beklagten geschlossenen Hausratversicherungsvertrag geltend.

Am Mittag des 24. Februar 2004 meldete der Kläger bei der Polizei, dass Unbekannte in seine Wohnung eingebrochen seien und eine Vielzahl von Gegenständen entwendet hätten. Die Wohnung liegt innerhalb eines Hofes, der zu drei Seiten von Gebäuden umgeben ist. Die vierte Seite des Hofes ist durch eine ca. 1,70 m hohe Mauer begrenzt. Dahinter liegt ein Spielplatz, von dem ein Trampelpfad zu der Mauer und an ihr entlang führt. Die Eingangstür zur Wohnung des Klägers hat nur innen eine herunterdrückbare Türklinke. Außen befindet sich ein nicht drehbarer Türknauf. Die obere Hälfte der Tür besteht aus vier Einfach-Glasscheiben, die durch ein dünnes Holzkreuz getrennt sind. Bereits am 19. Dezember 2003 hatte der Kläger einen Einbruchdiebstahl gemeldet. Danach soll es zu einem Einbruch in eine im gleichen Gebäudekomplex befindliche Gaststätte gekommen sein, bei dem auf dem Dachboden befindliche Bekleidungsstücke des Klägers entwendet worden sein sollen. Vor etwa zehn Jahren wurde schon einmal in die Wohnung des Klägers eingebrochen. Der Kläger hat behauptet, er habe die Wohnung am Vorabend gegen 23.00 Uhr verlassen, um bei seiner Freundin zu übernachten. Die Tür habe er, wie üblich, nur zugezogen, nicht aber verschlossen. Der Täter habe die schlossnahe untere Glasscheibe eingeschlagen, durchgegriffen und die Tür mit der innen befindlichen Türklinke geöffnet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Die gegen diese Entscheidung frist- und formgerecht eingelegte Berufung hat zur Überzeugung des Senats keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass die Beklagte jedenfalls gemäß § 61 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, weil der Kläger den Versicherungsfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat.

Der Begriff der groben Fahrlässigkeit setzt in objektiver Hinsicht einen schweren Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt und in personaler Hinsicht ein nicht mehr entschuldbares Fehlverhalten des Versicherungsnehmers voraus, das erheblich über das gewöhnliche Maß hinausgeht. Dabei muss die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahe lag, zur Schadensvermeidung ein anderes, als das tatsächlich geübte Verhalten zu zeigen (vgl. Prölss/Kollhosser, VVG, 27. Aufl., § 61 Rn 11 ). Die vom Versicherungsnehmer zu erwartende Sorgfalt ist in objektiver Hinsicht nur dann verletzt, wenn er durch Tun oder Unterlassen den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit deutlich unterschreitet (vgl. BGH VersR 84, 29; 86, 962). Das ist der Fall, wenn der Versicherungsnehmer einfachste, naheliegende Sicherungserwägungen nicht angestellt und das nicht beachtet hat, was unter den gegebenen Umständen jedem vernünftigen Menschen einleuchtet.

Diese Voraussetzungen hat der Kläger erfüllt, indem er seiner Wohnung über Nacht ferngeblieben ist, ohne die gegen Einbruch ohnehin nur völlig unzureichend abgesicherte, nämlich mit einem einfachen Glasfenster ausgestattete, Wohnungstür wenigstens abzuschließen, obwohl sich in der Wohnung - wie aus der Schadensaufstellung ersichtlich ist - erhebliche Sachwerte befanden.

Zwar kann vom Versicherungsnehmer dann, wenn er - anders als hier - über eine Wohnung mit einer durchschnittlichen Sicherheitsanforderungen genügenden Wohnungstür verfügt, nicht bei jeder kurzfristigen Abwesenheit erwartet werden, daß er die Tür zu seiner Wohnung auch verschließt. Von solchen Fällen unterscheidet sich der vorliegende indes maßgeblich dadurch, dass der Kläger die ganze Nacht über abwesend war und dass seine Wohnungstür jedenfalls im nicht abgeschlossenen Zustand für einen Einbrecher überhaupt kein ernsthaftes Hindernis darstellte, weil es nach Einschlagen der Türscheibe ohne weiteres möglich war, die auf der Innenseite befindliche Türklinke zu betätigen und so die Tür zu öffnen.

Es handelt sich auch nicht um ein Augenblicksversagen, dass bei Hinzutreten weiterer Umstände eine mildere Beurteilung nahelegen könnte, denn der Kläger, der in Anbetracht der von ihm angeblich durch Einbruchsdiebstähle bereits früher erlittenen Schäden allen Anlass zur Vorsicht hatte, hat gleichwohl ständig davon abgesehen, seine Wohnungstür abzuschließen.

Das grob fahrlässige Verhalten des Klägers war zumindest mitursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles. Soweit er behauptet, der Täter hätte den Einbruchdiebstahl auch dann ausgeführt, wenn die Tür abgeschlossen gewesen wäre, geht es um die Frage hypothetischer Kausalität. Den ihm hierfür obliegenden Beweis (BGH VersR 1986, 962) hat der Kläger nicht geführt. Die Annahme eines Anscheinsbeweises bezüglich der hypothetischen Entschlussfassung des Einbrechers und dessen Umsetzung in die Tat kommt nicht in Betracht, weil es insoweit an einer durch die Lebenserfahrung gesicherten Typizität menschlichen Verhaltens fehlt.

Da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern, war die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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