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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 28.11.2000
Aktenzeichen: 5 U 84/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 426 |
Urteil
IM NAMEN DES VOLKES!
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2000 durch die Richter , und
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. März 2000 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Osnabrück wird auf Kosten der Klägerin, die auch die Kosten der Streitverkündeten zu tragen hat, zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte und die Streitverkündete vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000, DM.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt als Rechtsnachfolgerin einer Organträgerin einer gewerbesteuerlichen Organschaft Erstattung der von ihr für die Jahre 1985 bis 1988 nachentrichteten Gewerbesteuer.
Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der B...... AG,... (im folgenden: B...AG), die Beklagte Gesamtrechtsnachfolgerin der L...... GmbH, ... (im folgenden: L...GmbH). Deren Geschäftsanteile wurden bis zum 31. Dezember 1988 zu 100 % von der B... K... AG, ... (im folgenden: B... K... AG) gehalten. Zwischen der B... AG und der B... K... AG bestand bis Ende 1988 ein Beherrschungs und Gewinnabführungsvertrag, ebenso zwischen der B... K... AG und der L... GmbH. Mit Wirkung zum 31.12.1998 wurden die bestehenden Beherrschungs und Gewinnabführungsverträge beendet.
Die B... AG entrichtete u.a. für die Jahre 1985 bis 1988 Gewerbesteuer, wobei ein erheblicher Teil dieser Steuern sachlich nicht in ihrem Gewerbebetrieb, sondern in den Betriebsstätten der B... K... AG und der L... GmbH entstanden waren. Der interne Ausgleich zwischen den genannten Gesellschaften erfolgte durch eine Konzernumlage, wobei jede Gesellschaft mit dem durch sie sachlich verursachten Gewerbesteueranteil belastet wurde.
Eine in den Jahren 1990 bis 1992 bei der L... GmbH durchgeführte Betriebsprüfung des Finanzamtes Hannover führte zur Feststellung eines höheren Betriebsergebnisses für die Jahre 1985 bis 1988. Das Finanzamt setzte daraufhin die Gewerbesteuer für die genannten Jahre neu fest und forderte die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der B... AG zur Zahlung des sich aus der Prüfung ergebenden Nachforderungsbetrages auf, der von der Klägerin auch beglichen wurde.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, aus dem Organschaftsverhältnis zwischen der L... GmbH zu der B... K... AG einerseits und der B... K... AG zu der B... AG andererseits folge zwingend, daß auch die L... GmbH eine Organgesellschaft der B... AG selbst gewesen sei. Es ergebe sich daher ein Ausgleichsanspruch direkt gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der L... GmbH. Dieser Ausgleichsanspruch folge aus einer analogen Anwendung des § 426 BGB.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 780.046,51 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 21. März 1998 zu zahlen.
Die Beklagte und die Streitverkündete haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, zwischen den genannten Firmen habe eine mehrstöckige Organschaft vorgelegen. Etwaige Ausgleichsansprüche könne die Klägerin daher allenfalls gegen die B... K... AG geltend machen (deren Rechtsnachfolgerin - die Firma S... AG - dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten ist). Der der steuerrechtlichen Organschaft zugrundeliegende zivilrechtliche Ergebnisabführungsvertrag gewähre dem Organträger einen Anspruch auf den abzuführenden Jahresüberschuß, von dem die Gewerbesteuer vorher abzusetzen sei. Bei korrekter Berechnung der Gewerbesteuer in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen - also ohne Nachforderungen des Finanzamtes - erhalte der Organträger den Jahresüberschuß abzüglich der richtig berechneten Gewerbesteuer. Für den Fall, daß die Gewerbesteuer zu niedrig angesetzt worden sei, habe der Organträger demgemäß einen zu hohen Jahresüberschuß abgeführt erhalten. Wenn ihm, so haben die Beklagte und ihre Streithelferin weiter ausgeführt, nachträglich dieser Überschuß unmittelbar von dem Finanzamt berechnet werde, zahle der Organträger im Ergebnis an das Finanzamt nur, was er bei von vornherein richtiger Berechnung der Gewerbesteuer in jedem Fall auch zu tragen gehabt habe.
Im übrigen, so meint die Streithelferin, setze der von der Klägerin geltend gemachte Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 voraus, daß etwas anderes nicht bestimmt sei. Bei dem Ergebnisabführungsvertrag handele es sich jedoch um eine abweichende Regelung.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei nicht passiv legitimiert. Wegen sämtlicher Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie wiederholt und präzisiert ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 29. März 2000 (Az.: 16 O 191/98) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 780.046,51 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 21. März 1998 zu zahlen.
Die Beklagte und die Streitverkündete beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten und zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nicht begründet.
Mit zutreffender Begründung (§ 543 Abs. 1 ZPO) hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil die Beklagte nicht passiv legitimiert ist. Dagegen bringt die Berufung nichts Erhebliches vor. Im einzelnen:
1) Richtig hat das Landgericht darauf abgestellt, daß die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die L... GmbH, nur in einem zweistufigen Verfahren über die zwischengeschaltete B... K... AG dem weiteren Organkreis der B... AG, der Rechtsvorgängerin der Klägerin, zugeordnet werden kann. Denn Gewinn und Verlustübernahmeverpflichtungen bestanden - unstreitig - nur im Verhältnis zwischen der L... GmbH und der B... K... AG einerseits sowie der B...AG und der B... K... AG andererseits. Gewinnabführungsansprüche gegenüber der L... GmbH hatte die B... AG demgegenüber nicht. Zutreffend hat das Landgericht auch darauf abgestellt, daß diese gestufte steuerrechtliche Zuordnung dem u.a. in dem Betriebsprüfungsbericht für die B... K... AG niedergelegten Ergebnis der steuerlichen Betriebsprüfung und im übrigen auch der Handhabung der Gewerbesteuer zwischen den beteiligten Unternehmen entsprach. Gewerbesteuerumlagen wurden in den hier maßgeblichen Jahren 1985 bis 1988 von der L... GmbH ausschließlich an die B... K... AG und eben nicht an die B... AG geleistet.
Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung einen anderen Standpunkt vertritt, beruht ihre Auffassung auf Vermutungen und auf einer vom Wortlaut nicht gedeckten Auslegung der maßgeblichen steuerlichen Vorschriften. Zutreffend weist in diesem Zusammenhang die Beklagte darauf hin, daß die Klägerin ihre Behauptung, die Rechtsvorgängerin der Beklagten sei wirtschaftlich und organisatorisch in die Rechtsvorgängerin der Klägerin eingegliedert gewesen, nicht näher substantiiert. Dies wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil weder das Finanzamt noch die Wirtschaftsprüfer die von der Klägerin angenommene Konstruktion zugrundegelegt haben.
Auch das von der Klägerin wiederholt erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22.4.1998 rechtfertigt schon deshalb keine andere Bewertung, weil in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall eine nicht gewerblich tätige Gesellschaft zwischengeschaltet war, mit der auch kein Beherrschungsvertrag bestand. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Vielmehr wird vorliegend die organisatorische Eingliederung nur zu der Zwischengesellschaft unwiderlegbar gesetzlich vermutet, § 2 Abs. 2 Satz 2 Gewerbesteuergesetz, § 14 Nr. 2 Satz 2 Körperschaftssteuergesetz.
2) Im übrigen ist auch in der Sache selbst ein Anspruch nicht begründet. Die interne Ausgleichspflicht gilt nach § 426 BGB nur, "soweit nicht ein anderes bestimmt ist". Eine anderweitige Bestimmung kann sich aus dem zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnis ergeben, aber auch aus der Natur der Sache (vgl. PalandtHeinrichs, BGB, 59. Auflage, § 426 Rdnr. 8 m.w.N.). Eine solche Vereinbarung stellt hier der Gewinnabführungsvertrag dar. Dieser Vertrag hat zur Konsequenz, daß eine von der B... AG als Organträgerin für ihre Organgesellschaften zu zahlende Steuer im Ergebnis von der B... AG zu tragen ist, und zwar bei Fehlen einer Konzernumlage durch direkte Zahlung an das Finanzamt, bei Bestehen einer Konzernumlage dergestalt, daß der an die B... AG zu zahlende Jahresüberschuß um die Konzernumlage gemindert ist. Diese Bewertung widerspricht auch nicht der Rechtsprechung des BGH: Denn in der von sämtlichen Prozeßbevollmächtigten wiederholt zitierten Entscheidung vom 23.10.1992 (BGHZ 120, 50 ff.) war gerade kein Gewinnabführungsvertrag geschlossen worden. Vielmehr hat der BGH einen Gesamtschuldnerausgleich ausschließlich mit der Einschränkung bejaht, er gelte nicht in "den Fällen, in denen ..... Unternehmensverträge bestehen" (BGHZ aaO, 55). Mit nach Auffassung des Senats zutreffender Begründung weist die Streitverkündete in ihrem Schriftsatz vom 27.10.2000 darauf hin, daß zwar grundsätzlich dem Untenehmen, das die Gewerbesteuer gezahlt hat, ein Ausgleichsanspruch gegen das Unternehmen, für dessen Geschäftsbetrieb sie gezahlt worden ist, zusteht. Dieser Grundsatz - Gewinnbeeinträchtigungen des Organträgers zugunsten der Organgesellschaft zivilrechtlich auszugleichen - setzt aber voraus, daß es solche Beeinträchtigungen überhaupt geben kann. Dies ist beim Bestehen eines Ergebnisabführungsvertrages ausgeschlossen. Denn der Organträger erhält ohnehin den gesamten abzuführenden Jahresüberschuß der Organgesellschaft. Sein Ergebnis kann also durch eine Zahlung, die er für die Organgesellschaft leistet, nicht beeinträchtigt werden (so auch das LG Berlin im Urteil vom 12.11.1998 (90 O 130/98)).
Letztlich kommt noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu.Von dem abzuführenden Jahresüberschuß - auf den der Organträger einen Anspruch hat - ist die Gewerbesteuer vorher abzusetzen. Bei richtiger Berechnung der Gewerbesteuer in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen - also ohne Nachforderungen des Finanzamtes - erhält der Organträger (die Klägerin) den Jahresüberschuß abzüglich der richtig berechneten Gewerbesteuer. Ist die Gewerbesteuer - wie hier - zu niedrig angesetzt, hat der Organträger einen zu hohen Jahresüberschuß abgeführt erhalten. Wird ihm nunmehr dieser Jahresüberschuß unmittelbar vom Finanzamt berechnet, zahlt der Organträger nachträglich an das Finanzamt nur, was er bei von vornherein richtiger Berechnung der Gewerbesteuer auch getragen hätte. Danach ist nicht ersichtlich, daß der Klägerin hier überhaupt ein Nachteil entstanden ist.
Die Berufung war daher - mit den prozessualen Nebenentscheidungen aus den §§ 91 Abs. 1, 101, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 1 und 2 ZPO - zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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