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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 14.07.2008
Aktenzeichen: 5 U 96/08
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 16 Abs. 1
Erklärt ein Versicherungsnehmer dem Agenten beim Durchgehen der Gesundheitsfragen, er leide unter einem leichten Druck im Kopfbereich und verneint er zugleich eine ärztliche Untersuchung und Behandlung in den letzten 5 Jahren, so besteht für den Agenten kein Anlass zu Rückfragen.
Gründe:

I.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch nicht anfechtbaren einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.

II.

Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Die Beklagte ist gemäß § 16 VVG wirksam vom Versicherungsvertrag der Parteien zurückgetreten, weil entgegen § 16 Abs. 1 VVG die Anzeige eines erheblichen Umstands unterblieben ist.

Füllt - wie offenbar hier - der Versicherungsagent das Antragsformular nach den Angaben der Antragstellerin aus, so muss sich der Versicherer allerdings die dem Agenten zur Kenntnis gebrachten Umstände als bekannt zurechnen lassen. Führen die Angaben der Antragstellerin dem Agenten vor Augen, dass Ersterer seiner Anzeigeobliegenheit noch nicht vollständig genügt hat, so geht es zu Lasten des Versicherers, wenn der Agent nicht für die nach Sachlage gebotene Rückfrage sorgt (Bundesgerichtshof r+s 2008, S. 249). Im vorliegenden Fall mussten die Angaben der Antragstellerin dem Agenten jedoch zu Nachfragen keine Veranlassung geben.

1.) Legt man den - von der Beklagten bestrittenen - Vortrag der Klägerin zugrunde, hat diese dem Versicherungsagenten beim Durchgehen der Gesundheitsfragen zur Kenntnis gegeben, sie leide unter einem leichten Druck im Kopfbereich. Damit hat sie die Frage, ob sie in den letzten fünf Jahren an Krankheiten oder Funktionsstörungen gelitten hat bzw. von einem Arzt untersucht, beraten oder behandelt worden ist, ersichtlich unzutreffend beantwortet. Tatsächlich hat sie ausweislich der Berichtes der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. O... vom 19.6.2002 unter einer Migräne gelitten, die über einen Zeitraum von immerhin 6 Monaten mit einem rezidivierend auftretenden Flimmern vor den Augen, Übelkeit und Erbrechen verbunden gewesen ist (Bl. 46 d.A.). Darüber hinaus war unstreitig im Juni 2004 und damit nur ca. 2 Monate vor der Antragstellung wegen der von der Klägerin beklagten Beschwerden ein neurologisches Konsil und eine MRT-Untersuchung durchgeführt worden, die zu der Diagnose eines Cervicalsyndromes geführt hatten. In dem Zeitraum 14.6.2004 bis 2.7.2004 bestand Arbeitsunfähigkeit wegen Cervicalneuralgie. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass diese Beschwerden oder Behandlungen nicht annähernd mit dem Hinweis der Klägerin auf leichten Druck im Kopf umschrieben sind.

2.) Aufgrund der Äußerung der Klägerin ist der Agent der Beklagten auch nicht etwa zu Nachfragen gehalten gewesen. Nicht jede vermeintliche Unklarheit löst nämlich die Verpflichtung des Versicherers zur Überprüfung der Angaben des Versicherungsnehmers aus. Vielmehr muss die Unvollständigkeit der Angaben so evident sein, dass sich dem Versicherer Zweifel und die Notwendigkeit aufdrängen, zur Abrundung seiner noch unzulänglichen Kenntnisse rückfragen zu müssen (Bundesgerichtshof VersR 1993, S. 871, 871. MüllerFrank, Aktuelle Rechtsprechung zur Berunfsunfähigkeits (Zusatz) Versicherung, 7.A., S. 316). Daran fehlt es hier, weil der Agent aus der Erklärung der Klägerin keine hinreichenden Anhaltspunkte entnehmen konnte, die auf für die Risikoprüfung bedeutsame Beschwerden der Klägerin hindeuten konnten. Abgesehen davon, dass ein leichtes Druckgefühl im Kopf nicht einmal den Schluss auf nennenswerte Kopfschmerzen oder gar auf eine Migräne zulässt, hatte die Klägerin aber weiter die Frage nach Behandlungen, Untersuchungen und Beratungen durch einen Arzt in den letzten fünf Jahren verneint und einen Hausarzt nicht benannt. Danach hatten die von der Klägerin geäußerten Beschwerden jedenfalls nicht einen Umfang erreicht, um ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände durfte der Agent davon ausgehen, dass dem von der Klägerin geäußerten Druckgefühl kein Krankheitswert zukommt und dieses mithin einen gefahrerheblichen Umstand nicht darstellt (vgl. dazu Oberlandesgericht Koblenz, NJWRR 2003, S. 315, 315. Oberlandesgericht Frankfurt/M., r+s 2000, S. 477, 477).

3.) Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung hat auch der Umstand, dass die Klägerin die Frage nach ärztlichen Behandlungen verneint und einen Hausarzt nicht angegeben hat, eine Obliegenheit zur Nachfrage nicht ausgelöst. Denn damit hat die Klägerin nicht etwa behauptet, sich noch nie in ärztliche Behandlung begeben zu haben, schon weil in dem Antragsformular diese Frage lediglich auf die letzten fünf Jahre beschränkt gewesen ist. Dass jemand in einem solchen Zeitraum einen Arzt nicht aufgesucht hat, erscheint nicht derart ungewöhnlich, dass weitere Nachfragen geboten gewesen wären. Aufgrund der Verneinung dieser Frage musste es auch nicht als ungewöhnlich erscheinen, dass die Klägerin einen Hausarzt oder einen Arzt, der am besten über ihre gesundheitlichen Verhältnisse orientiert ist, nicht benannt hat.

Ende der Entscheidung

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