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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 20.03.2002
Aktenzeichen: 5 W 40/02
Rechtsgebiete: AuslG, AsylVerfG


Vorschriften:

AuslG § 57
AsylVerfG § 71
Zu den Auswirkungen eines Asylfolgeantrages nach Ablauf der Zweijahresfrist auf die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht.
Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss

5 W 40/02

In der Freiheitsentziehungssache

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die unterzeichnenden Richter

am 20. März 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluß der 14. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 1.3.2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der sofortigen weiteren Beschwerde - an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Oldenburg hat durch Beschluß vom 15.2.2002 gegen den Betroffenen, der sich bereits im Jahre 1997/1998 einmal illegal in der BR Deutschland aufgehalten hat und Anfang 2002 erneut unerlaubt eingereist ist, die Abschiebungshaft (Sicherungshaft) für die Dauer von 3 Monaten verhängt. Mit der am 15.2.2002 eingereichten sofortigen Beschwerde hat der Betroffene insbesondere geltend gemacht, daß er sich unmittelbar nach seiner Einreise bei den zuständigen Behörden vorgestellt und einen Asylfolgeantrag gestellt habe. Zudem hat er eine eidesstattliche Versicherung des Pfarrers der Katholischen Kirchengemeinde St. M..., Herrn V..., vom 15.2.2002 vorgelegt, wonach dieser bereit ist, den Betroffenen bis zum Ausgang des Verfahrens bei sich unterzubringen und ggf. für eine ordnungsgemäße Rückführung nach Mazedonien zu sorgen. Am 19.2.2002 hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylfolgeantrag des Betroffenen abgelehnt. Durch Beschluß vom 1.3.2002 hat das Landgericht Oldenburg, 14. Zivilkammer, die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen. Der Betroffene ist der Ansicht, das Landgericht habe sich bei seiner Entscheidung ausschließlich auf sein früheres Verhalten gestützt und sein derzeitiges Verhalten nach der neuerlichen Einreise in die BR Deutschland in die Abwägung nicht mit einbezogen. Er habe nach Zugang des Bescheides des Bundesamtes auch niemals zum Ausdruck gebracht, nicht ausreisen zu wollen. Vielmehr werde er diese Entscheidung akzeptieren. Im übrigen habe Pfarrer V... zugesagt, seine Rückreise zu organisieren und zu finanzieren, so daß die Anordnung von Abschiebehaft zumindest unverhältnismäßig sei.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß den §§ 27, 29 FGG, § 103 AuslG, § 3 S. 2, 7 FEVG zulässig; insbesondere hat der Betroffene das Rechtsmittel form und fristgerecht eingelegt. Die sofortige weitere Beschwerde hat auch insoweit Erfolg, als die Sache an das Landgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückzuverweisen war. Denn die Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes im Sinne von § 27 Abs. 1 S. 1 FGG.

Die Verhängung von Sicherungshaft läßt sich hier nicht auf § 57 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 AuslG stützen, weil die unerlaubte Einreise nicht ursächlich für die Ausreisepflicht ist.

Reist ein Ausländer, der nach Ablehnung des ersten Asylantrages ausgereist ist, erneut unerlaubt in die BR Deutschland ein und stellt dieser erst nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 71 Abs. 5 AsylVG einen Aylfolgeantrag, ohne dadurch eine neue Aufenthaltsgestattung zu erlangen, kann Sicherungshaft nicht nach § 57 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 AuslG angeordnet werden, weil es an der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht aufgrund unerlaubter Einreise fehlt: Vor der Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, durch die die Einleitung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wird, stellt sich die Ausreisepflicht gemäß § 71 Abs. 5 S. 2 AsylVG als nicht vollziehbar dar; danach beruht die Vollziehbarkeit nicht auf der unerlaubten Einreise, sondern auf den Nebenentscheidungen des Asylfolgebescheids (LG Berlin, NVwZ Beilage 1999, S. 39; ferner Renner, Ausländerrecht, 7.A., § 57 AuslG Rdnr. 13). So verhält es sich hier: Aus dem Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 19.2.2002 geht hervor, daß die Abschiebungsandrohung aus dem früheren Asylverfahren bereits seit dem 24.10.1995 und damit mehr als 2 Jahre vor Stellung des Folgeantrages vollziehbar gewesen ist. Dementsprechend hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in dem Bescheid auch die Abschiebung des Betroffenen angedroht bzw. diesem für den Fall der Haftentlassung aufgegeben, die BR Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen, verbunden mit der Androhung, den Betroffenen abzuschieben, wenn die Ausreisefrist nicht eingehalten wird.

Soweit das Landgericht weiter die Sicherungshaft auf § 57 Abs. 2 S. 1 Ziff. 5 AuslG gestützt hat, wonach die Anordnung von Sicherungshaft zulässig ist, wenn der begründete Verdacht besteht, daß sich der Ausländer der Abschiebung entziehen will, liegt dieser Entscheidung eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung zugrunde. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 FEVG i.V.m. § 12 FGG ist das Gericht grundsätzlich verpflichtet, den betr. Ausländer vor Anordnung oder Verlängerung von Abschiebungshaft mündlich anzuhören. Diese Pflicht besteht auch in zweiter Instanz; ausnahmsweise kann von einer erneuten mündlichen Anhörung des Betrofffenen abgesehen werden, wenn ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, daß sie zur Sachverhaltsaufklärung nichts beitragen kann (vgl. nur OLG Naumburg, FGPraxis 2000, S. 211, 212; BayObLG NVwZBeilage 1999, S. 64; KG FGPraxis 1998, S. 242, 243 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Abgesehen davon, daß sich nicht feststellen läßt, ob der Betroffene vor dem Amtsgericht zu allen für die Haftentscheidung maßgeblichen Punkten gehört worden ist - die Erklärung des Betroffenen erschöpft sich ausweislich des Anhörungsvermerks vom 15.2.2002 in vier kurzen Sätzen , hat sich die Verfahrenslage nach der Entscheidung des Amtsgerichts erheblich verändert, so daß das Landgericht von einer erneuten mündlichen Anhörung nicht absehen durfte. Denn nach dem Beschluß des Amtsgerichts vom 15.2.2002 hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 19.2.2002 den Asylfolgeantrag des Betroffenen abgelehnt. Überdies hat der Pfarrer der Kath. Kirchengemeinde St. M... danach seine Bereitschaft erklärt, den Betroffenen bis zum Abschluß des Verfahrens bei sich aufzunehmen und dessen ordnungsgemäße Rückführung nach M... zu organisien.

Zudem läßt der Beschluß des Landgerichts nicht erkennen, ob dieses bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 S. 1 Ziff. 5 AuslG das Vorbringen des Betroffenen berücksichtigt hat, daß dieser nach der erneuten unerlaubten Einreise nicht wie 1997/1998 untergetaucht ist und sich illegal in der BR Deutschland aufgehalten hat, sondern - nach den Angaben des Pfarrers V... bereits kurz nach der Einreise - die zuständigen Behörden mehrfach aufgesucht hat, um einen Asylfolgeantrag zu stellen. Denn das Landgericht hat den Verdacht, daß sich der Betroffene der beabsichtigten Abschiebung entziehen wolle, maßgeblich auf dessen früheren unerlaubten Einreisen in das Bundesgebiet und die 1998 erfolgte Abschiebung nach M... gestützt. Dieses Verhalten des Betroffenen mag durchaus den Verdacht als nicht fernliegend erscheinen lassen, daß sich der Betroffene der beabsichtigten Abschiebung entziehen will, kann jedoch nicht ohne Berücksichtigung seines Verhalten nach der erneuten Einreise Anfang 2002 gewürdigt werden. Soweit das Landgericht schließlich weiter darauf abgestellt hat, der Betroffene sei "erklärtermaßen nicht ausreisewillig", geht diese Feststellung offenbar auf die Äußerungen des Betroffenen im Rahmen der amtsgerichtlichen Anhörung zurück, die das Landgericht - wie o.a. - ohne eigene mündliche Anhörung des Betroffenen nicht ohne weiteres zugrunde legen durfte. Im übrigen hat der Betroffene ausweislich des Anhörungsvermerks gleichzeitig darauf hingewiesen, nicht untertauchen zu wollen, was das Landgericht ebenfalls in seine Erwägungen hätte mit einbeziehen müssen.

Ende der Entscheidung

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