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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 08.03.2002
Aktenzeichen: 6 U 198/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 157
Eine Preisanpassungsklausel in einem Stromlieferungsvertrag mit einem Sonderkunden, die eine Umlage von "Abgaben irgendwelcher Art" vorsieht, gewährt keinen Zahlungsanspruch wegen Aufwendungen nach dem Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) oder nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG0).
Oberlandesgericht Oldenburg Im Namen des Volkes! Urteil

Geschäfts-Nr.: 6 U 198/01

Verkündet am: 08.03.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 22.02.2002 durch die Richter am Oberlandesgericht ... und ... sowie den Richter am Landgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Osnbarück vom 21.09.2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin hat der Beklagten als sogenannter Sonderkundin elektrische Energie geliefert. Sie macht für die Zeit von Oktober 2000 bis April 2001 einen Aufschlag für Aufwendungen geltend, die ihr durch das am 01.04.2000 in Kraft getretene Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) und das am 18.05.2000 in Kraft getretene Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) entstanden sind. Bezogen auf die von der Beklagten abge-nommene Strommenge betrugen die zusätzlichen Kosten 12.699,66 DM netto = 14.731,61 DM brutto, was rund 10 % des von der Beklagten zu zahlenden Entgelts ausmacht. Die Höhe des Betrages ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Parteien sind unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die Klägerin zur Umlage der ihr zusätzlich entstandenen Kosten berechtigt ist.

Grundlage der vertraglichen Beziehung der Parteien ist der schriftliche Vertrag vom 28./29.11.1990 unter Einbeziehung der "Allgemeinen und technischen Regelungen der Klägerin" und der "Preisregelung Z". Die allgemeinen Vertragsbedingungen enthalten in Ziff. 2.2 folgende Regelung:

"Soweit künftig eine Kohlensteuer, eine Energiesteuer oder sonstige die Beschaffung, die Übertragung oder die Verteilung von elektrischer Energie belastende Steuern oder Abgaben irgendwelcher Art wirksam werden sollten, trägt diese der Kunde, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt."

Die Klägerin hat mit der am 23.05.2001 zugestellten Klageschrift, die in der Hauptsache über einen Betrag von 12.699,66 DM lautete und mit dem am 11.06.2001 zugestellten klageerweiternden Schriftsatz beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 14.731,61 DM nebst 5 % Zinsen auf 12.699,66 DM seit dem 23.05.2001 und auf weitere 2.031,95 DM seit dem 11.06.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Osnabrück hat die Klage mit Urteil vom 21.09.2001 abgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie beantragt,

das am 21. September 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Osnabrück, Az.: 13 O 273/01, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 14.731,61 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf DM 12.699,66 seit dem 23. Mai 2001 und auf weitere DM 2.031,95 seit dem 11.06.2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Aufgrund der Regelung in Ziff. 2.2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen ergibt sich keine Berechtigung zur Umlage der zusätzlich entstandenen Kosten.

Eine (sog. erläuternde) Auslegung des Begriffs "Abgaben" ergibt, dass damit nur Abgaben im öffentlich-rechtlichen Sinne gemeint sind, was auf die von der Klägerin nach dem EEG und dem KWKG zu zahlenden Entgelte nicht zutrifft. Dies folgt aus der Erwähnung der "Abgaben" im Zusammenhang mit neu eingeführten "Steuern". Aus der maßgeblichen Sicht des Verwendungsempfängers von allgemeinen Geschäftsbedingungen, hier also der Beklagten, ist für öffentlich-rechtliche Abgaben kennzeichnend, dass sie an den Staat oder an sonstige Körperschaften zu zahlen sind (vgl. Creifels, Rechtswörterbuch, 16. Aufl., "Abgaben"). Diese Sichtweise findet in der von der Klägerin verwendeten "Preisregelung Z" ihre Bestätigung. Darin wird in Ziff. 9 ausdrücklich erwähnt, dass die Klägerin die auf die Beklagte umzulegende Ausgleichsabgabe nach dem Dritten Verstromungsgesetz an das Bundesamt für Wirtschaft, also an den Staat, abzuführen habe. Weil es auf die Sicht und den Kenntnisstand der Beklagten ankommt, ist es auch von vornherein unerheblich, ob in der Fachsprache der Energieversorgungswirtschaft "Abgaben" in einem weiteren Sinne verstanden werden. Bei der Beklagten handelt es sich um eine ..., die mit energiewirtschaftlichen Spezialfragen nicht befasst ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Zusatz Abgaben "irgendwelcher Art". Abgaben (i.S.v. Steuern und u.a. Sonderabgaben) werden üblicherweise nach dem Grund ihrer Entstehung bezeichnet. In Ziff. 2.2. werden deshalb die "Kohlen"- bzw. "Energie"steuer erwähnt und in der "Preisregelung Z" ist von einer "Ausgleichs"abgabe die Rede. Bei verständiger Würdigung aus der Sicht der Beklagten wurde mit der Ergänzung "irgendwelcher Art" deshalb lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Grund der (öffentlich-rechtlichen) Abgabe gleichgültig sein sollte.

Auch aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung ergibt sich kein Zahlungsanspruch der Klägerin. Das wäre nur dann der Fall, wenn die getroffene vertragliche Regelung in dem hier interessierenden Punkt eine planwidrige Regelungslücke enthielte und die Parteien bei Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien die Zahlung der Aufwendungen vereinbart hätten, falls ihnen die aufgrund des EEG und des KWKG entstandenen Kosten bekannt gewesen wären. Vorliegend haben die Parteien eben bewußt eine abschließende Regelung zur Erhöhung des Entgelts getroffen, so dass es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt (so auch das von der Klägerin vorgelegte Gutachten v. H..., S. 17). Vorliegend haben sich die Parteien für die Dauer des Vertrages nach der "Preisregelung Z" der Sache nach auf einen Festpreis in Form des um bestimmte Referenzwerte angepassten Arbeitspreises zuzüglich der Übernahme bestimmter Kosten geeinigt. Es liegt damit eine bewußt abschließende Regelung hinsichtlich der Gegenleistung vor. In dem Vertragswerk findet sich gerade keine Regelung, wonach jedwede Kostensteigerung auf die Beklagte umgelegt werden kann, was wegen der ausschließlichen Bindung der Beklagten an die Klägerin auch durchaus Sinn machte. Aus der Sicht der Beklagten hat die Klägerin damit hinsichtlich der nicht aufgeführten Kostenfaktoren festpreistypisch bewußt das Risiko einer Störung des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung in Kauf genommen, wobei von Bedeutung ist, dass auch etwaige Kostensenkungen in Bereichen, die von dem vereinbarten Anpassungsmechanismus nicht erfasst werden, auch nicht weiterzugeben sind. Wenn die Vertragsparteien bei einem Dauerschuldverhältnis aber einen Festpreis vereinbaren, kommt eine Anpassung des Entgelts wegen gestiegener Kosten nach Treu und Glauben nur unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht, was wiederum lediglich dann anzunehmen ist, wenn das Austauschverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung schwerwiegend gestört ist (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 242 Rdn. 135 ff.). Dies ist bei einer Kostensteigerung um lediglich 10 Prozent bei einer nach dem Vertrag maximal gegebenen Bindungsfrist von 15 Monaten regelmäßig und auch vorliegend nicht der Fall.

Aufgrund der getroffenen vertraglichen Regelung scheidet auch ein Zahlungsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 S. 4 KWKG aus. Diese Regelung gewährt dem EVU allenfalls ("können") auf der Grundlage einer bestehenden vertraglichen Zahlungspflicht einen Anspruch. Dadurch werden aber entgegenstehende individualvertragliche Regelungen nicht außer Kraft gesetzt. Auf die zutreffenden Ausführungen in dem von der Klägerin vorgelegten Bericht der Arbeitsgruppe Netznutzung Strom der Kartellbehörden (dort Seite 69) wird verwiesen. Aus der beabsichtigten Neuregelung des KWKG (§ 9 Abs. 7) folgt nichts anderes. Weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Ds. 14/7024 S. 14) ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber entgegen einer (nur im Hinblick auf bestimmte Kostenfaktoren anzupassenden) Festpreisabrede einen gesetzlichen Anspruch gewähren will.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs., 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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