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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 24.04.2002
Aktenzeichen: 6 W 30/02
Rechtsgebiete: BRAGO
Vorschriften:
BRAGO § 15 Abs. 1 |
Oberlandesgericht Oldenburg Beschluß
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ... am 24. April 2002 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Oldenburg vom 11. Januar 2002 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das beklagte Land zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 655,37 € (= 1.281,80 DM).
Gründe:
I.
Der Kläger hat von dem beklagten Land Schadensersatz in Höhe von 27.669,38 DM verlangt. Das Landgericht hat den Anspruch dem Grunde nach aus positiver Vertragsverletzung für gegeben angesehen und ein entsprechendes Grundurteil erlassen. Die dagegen gerichtete Berufung des beklagten Landes hat das Oberlandesgericht als unbegründet zurückgewiesen. Nach Abschluß des Betragsverfahrens begehrt das beklagte Land u.a. die Festsetzung einer (weiteren) Verhandlungsgebühr für die mündliche Verhandlung im Betragsverfahren vor dem Landgericht. Der Rechtspfleger hat in dem Kostenfestsetzungsbeschluß vom 11. Januar 2002 (Bd. I, Bl. 248 d.A.) eine entsprechende Gebühr (1.105, DM zzgl. 16 % Mwst.) berücksichtigt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die nach §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 2 Satz 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Das Landgericht hat sich in dem angefochtenen Beschluß einer nicht veröffentlichten Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg (Beschluß des 2. Zivilsenats vom 30. Juni 1999 - 2 W 67/99) angeschlossen und für das Betragsverfahren eine weitere Verhandlungsgebühr mach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO berücksichtigt. Dem ist nach Auffassung des Senats nicht zu folgen.
Die Frage, ob eine Zurückverweisung i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 BRAGO auch dann vorliegt, wenn die Berufung gegen ein Grundurteil zurückgewiesen wird, ist in Literatur und Rechtsprechung weiterhin umstritten. Überwiegend wird eine Zurückverweisung auch in diesen Fällen angenommen (vgl. OLG Koblenz, JurBüro 1996, 305; OLG Oldenburg, Beschl. vom 30. Juni 1999 - 2 W 67/99 - nicht veröffentlicht, Madert in Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 15 Rdn. 4; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., "Zurückverweisung" Anm. 1.2.; Fraunholz in Riedel/Süßbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 15 Rdn. 3 jeweils m.w.N.). Das wird in erster Linie mit der Entstehungsgeschichte des § 15 BRAGO begründet. Dieser sei an die Stelle des früheren § 27 RAGebO getreten, der u.a. ausdrücklich die Vorschrift des § 538 ZPO erwähnt habe. Zwar sei der Hinweis auf die einschlägigen ZPO-Vorschriften entfallen, der frühere Anwendungsbereich habe nach den Gesetzesmaterialien zu § 15 BRAGO aber nicht eingeengt werden sollen (vgl. Madert in Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, a.a.O.). Im übrigen sei eine weitere Verhandlungsgebühr auch deshalb gerechtfertigt, weil sich der erstinstanzliche Anwalt erneut in die Materie einarbeiten müsse (OLG Oldenburg, Beschl. vom 30. Juni 1999 - 2 W 67/99).
Dieser Auffassung schließt sich der Senat nicht an. § 15 Abs. 1 Satz 1 BRAGO setzt seinem Wortlaut nach eine "Zurückverweisung" voraus. Eine solche liegt prozessual aber nicht vor, wenn (nur) die Berufung gegen ein Grundurteil zurückgewiesen wird. Zurückvereisung im Rechtssinne ist nur gegeben, wenn das Rechtsmittelgericht durch eine den Rechtszug beendende Entscheidung einem in dem Instanzenzug untergeordneten Gericht die abschließende Entscheidung überträgt (Madert in Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 15 Rdn. 2; Fraunholz in Riedel/Süßbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 15 Rdn. 1). Das ist aber nur der Fall, wenn das Rechtsmittelgericht mit der fraglichen Entscheidung - hier über die Höhe des geltend gemachten Anspruchs - befaßt war, von einer eigenen Entscheidung absieht und sie dem untergeordneten Gericht überläßt. Im Falle eines Grundurteils kann das erstinstanzliche Gericht aber unabhängig von einer Anfechtung des Grundurteils sofort über die Höhe des Anspruchs weiter verhandeln (§ 304 Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO). Das Betragsverfahren bleibt also auch dann in erster Instanz anhängig, wenn gegen das Grundurteil Berufung eingelegt wird. Dem steht nicht entgegen, daß das Berufungsgericht nach §§ 540, 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Möglichkeit hat, auch das Betragsverfahren an sich zu ziehen.
Die Entstehungsgeschichte des § 15 BRAGO gebietet nicht, eine Zurückverweisung auch bei der Zurückweisung der Berufung gegen ein Grundurteil anzunehmen. Insoweit nimmt der Senat in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des OLG Oldenburg in dem Beschluß vom 13. Januar 1995 (JurBüro 1996, 305) Bezug. Ein abweichendes Verständnis ist schließlich auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 15 BRAGO nicht geboten. Durch § 15 BRAGO soll die "ganz neue umfangreiche Tätigkeit im Verhandlungs- und Beweisverfahren" honoriert werden (vgl. OLG Oldenburg, JurBüro 1996, 305 m.w.N.). Im Falle einer Zurückweisung der Berufung gegen ein Grundurteil ist das Betragsverfahren aber nicht "erneut" in erster Instanz anhängig, sondern vielmehr dort geblieben. Dieser Fall ist nach Auffassung des Senats deshalb nicht anders zu behandeln, als ob das Landgericht vom Erlaß eines Grundurteils abgesehen und unmittelbar in die Beweisaufnahme über die Höhe des Anspruchs eingetreten wäre. So entspricht es beispielsweise auch einhelliger Auffassung, daß eine zusätzliche Verhandlungsgebühr nicht anfällt, wenn die Berufung gegen ein Grundurteil zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird (vgl. Fraunholz in Riedel/Süßbauer, a.a.O., Rdn. 3; Madert in Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 15 Rdn. 5). Im Vergleich dazu ist der Aufwand des Rechtsanwalts in dem sich anschließenden Betragsverfahren jedoch regelmäßig nicht größer als bei der Zurückweisung der Berufung als unbegründet. Die Zuerkennung einer weiteren Verhandlungsgebühr ist nach alledem nicht gerechtfertigt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Auslegung des Begriffs der Zurückverweisung i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 BRAGO hat grundsätzliche Bedeutung. Da es hierzu bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, war nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1 ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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