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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 09.11.2000
Aktenzeichen: 8 U 120/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 254 Abs. 1 | |
BGB § 823 Abs. 1 | |
BGB § 833 | |
BGB § 847 a.F. |
2) Ein Mitverschulden eines 9 1/2 jährigen Kindes bezüglich der Verletzung durch das Ausschlagen eines Pferdes ist nur gegeben, wenn feststeht, dass das Kind mit dem Umgang mit Pferden erfahren ist und das Ausschlagen provoziert oder sich dem Pferd von hinten genähert hat.
Oberlandesgericht Oldenburg Im Namen des Volkes ! Urteil
Geschäfts-Nr.: 8 U 120/00
Verkündet am: 09. November 2000
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 05. Oktober 2000 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten zu 1) wird das am 5.5.2000 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten zu 2) geändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte zu 2) wird verurteilt an die Klägerin 26.047, DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19.9.1998 zu zahlen.
Es wird festgestellt daß der Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden , der ihr infolge des Unfalls vom 28.6.1997 entsteht, zu ersetzen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Gerichtskosten des ersten Rechtszuges trägt die Klägerin 5/8 und der Beklagte zu 2) 3/8.
Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 2/3 und der Beklagte zu 2) 1/3.
Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1).
Von den im ersten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 2) 3/8 und von den im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 2) 1/3.
Von den im ersten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt die Klägerin 5/8.
Im übrigen tragen die Klägerin und der Beklagte zu 2) ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 60.000, DM.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Unfalls, der sich auf einem von dem Beklagten zu 1) veranstalteten Reitturnier ereignete.
Die am ...1988 geborene Klägerin besuchte am 28.6.1997 in Begleitung ihrer Tante ein ländliches Reitturnier, daß der Beklagte zu 1) auf seinem Vereinsgelände veranstaltete. Auf dem Turniergelände befand sich neben dem eigentlichen Springparcours ein Abreiteplatz. Beide Plätze waren durch eine jeweils einen Meter hohen, aus Stahlrohren - bzw. Holzlatten bestehende Umzäunung von dem übrigen Gelände abgegrenzt. Die Holzlattenumzäunung des Abreiteplatzes schloß dabei nicht direkt an den den Springparcours umzäunenden Stahlrohrzaun an, sondern endete an beiden Seiten jeweils in einer Öffnung, die den Turnierteilnehmern als Eingang bzw. Ausgang zum Abreiteplatz diente. Auf dem Abreiteplatz befand sich nahe dem Ausgang zu dem Springparcours eine Anzeigetafel, auf der die Startreihenfolge der Pferde eingesehen werden konnte. Wegen weiterer Einzelheiten der örtlichen Gegebenheiten, die zwischen den Parteien unstreitig sind, wird auf den in im ersten Rechtszug von dem Beklagten zu 1) vorgelegten Lageplan und die von dem Beklagten zu 2) überreichten Lichtbilder Bezug genommen.
Die Klägerin begab sich im Verlauf des Reitturniers auf den Abreiteplatz, um dort an der Anzeigetafel den Startzeitpunkt des Pferdes ihrer Tante zu erfahren. Zu dieser Zeit befand sich bereits ein Pferd des Beklagten zu 2), das von der Zeugin D... an der Hand geführt wurde, auf dem Abreiteplatz. Ein zweites Pferd wurde von der Zeugin S... auf dem Abreiteplatz in Richtung Anzeigetafel entlang der Absperrung zum Springparcours geritten. Als sich die Klägerin in unmittelbarer Nähe der Anzeigetafel befand, scheute das Pferd des Beklagten zu 2) und traf die Klägerin mit einem Huf im Gesicht. Dabei erlitt die Klägerin ein Schädeltrauma II. und III. Grades mit kleiner Kontusionsblutung und Weichteilverletzungen von Augenbraue und Wange. Des weiteren erlitt sie ein Oberkieferfrontzahntrauma links, wobei sie vier, davon drei bleibende, Zähne verlor, und eine Alveolarfortsatzfraktur der Region 21 - 65. Es bestand ein Long-QT-Syndrom und eine inkomplette linksseitige Halbseitensymptomatik. Die Klägerin mußte drei Wochen stationär behandelt werden, davon fünf Tage auf der Intensivstation. An die stationäre Behandlung schloß sich eine 1 1/2 jährige ambulante Behandlung an. Nunmehr trägt die Klägerin wegen der seit dem Unfall auftretenden Doppelbilder eine Sehhilfe sowie eine Zahnspange, damit die durch den Verlust der bleibenden Zähne entstandenen Zahnlücken geschlossen werden. Bei dem Unfall der Klägerin wurde ihre Kleidung beschädigt, die unstreitig einen Wert von 200, DM hatte. Ferner fielen Kosten für die Sehhilfe in Höhe von 175, DM und Fahrtkosten für medizinisch erforderliche Krankenhausbesuche der Eltern der Klägerin in Höhe von nunmehr unstreitig 672, DM an.
Die Klägerin hat den Beklagten zu 1) mit der Begründung, daß er den Abreiteplatz nicht ausreichend abgesperrt und die Anzeigetafel falsch positioniert habe, wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sowie den Beklagten zu 2) als Tierhalter auf Ersatz der unfallbedingten Schäden in Höhe von 1.407,10 DM sowie auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, mindestens in Höhe von 20.000, DM in Anspruch genommen. Ferner hat sie die Feststellung künftiger Schadensersatz - und Schmerzensgeldverpflichtungen der Beklagten begehrt.
Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt.
Das Landgericht hat nach Beweiserhebung mit Urteil vom 5.5.2000 die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 26.047 DM zu zahlen, sowie darüber hinaus den Beklagten zu 1) verurteilt, an die Klägerin weitere 10.000, DM jeweils nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Weiter hat es der Feststellungsklage entsprochen. Zur Begründung ist in dem Urteil, auf das wegen weiterer Einzelheiten verweisen wird, ausgeführt, daß nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten zu 1) mangels erforderlicher und zumutbarer Absperrmaßnahmen an dem Abreiteplatz feststehe. Er hafte somit nach § 823 Abs. 1 BGB neben dem Beklagten zu 2), der als Halter des den Unfall verursachenden Pferdes der Gefährdungshaftung nach § 833 S. 1 BGB unterliege, auf Ersatz der unfallbedingten Schäden in Höhe von 1.047, DM und auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von 25.000, DM. Der Beklagte zu 1) sei darüber hinaus zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von 10.000, DM verpflichtet, weil angesichts der Verletzungen der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 35.000, DM angemessen sei und der Beklagte zu 1) gegenüber dem Beklagten zu 2) einer schärferen, verschuldensabhängigen Haftung unterliege. Ein Mitverschulden der Klägerin könne nicht festgestellt werden.
Dagegen richten sich die zulässigen Berufungen beider Beklagten.
Der Beklagte zu 1) greift das landgerichtliche Urteil im vollem Umfang an. Er vertritt weiterhin die Auffassung, daß er seine Verkehrssicherungspflicht nicht schuldhaft verletzt habe. Dazu trägt er unter Wiederholung und Ergänzung seines bisherigen Vorbringens trägt, daß er alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Absperrung des Abreiteplatzes getroffen habe. Er habe davon ausgehen können, daß sich die Klägerin auf die für sie erkennbare Gefahrensituation auf dem Abreiteplatz einstellen werde. Hilfsweise wendet er sich gegen die Höhe des ausgeurteilten Schmerzensgeldes und vertritt die Meinung, daß bei der Schmerzensgeldzumessung insbesondere ein mitwirkendes Verschulden der Klägerin in Höhe von mindestens 50 % zu berücksichtigen sei.
Der Beklagte zu 1) beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die gegen ihn gerichtete Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 2) greift das Urteil des Landgerichts nur insoweit an, als ein Mitverschulden der Klägerin verneint und der Schmerzensgeldbetrag ohne Berücksichtigung eines Mitverschuldens auf mehr als 20.000, DM bemessen worden ist. Er vertritt die Ansicht, daß der Klägerin ein Mitverschulden von 1/3 anzulasten sei. Dazu trägt er unter Wiederholung und Ergänzung seines bisherigen Vorbringens vor, daß sich die Klägerin bewußt in die auf dem Abreiteplatz angesichts der dort vorhandenen Pferde gegebene Gefahr begeben und sich unmittelbar vor dem Unfall hinter sein Pferd gestellt habe. Damit habe sie sich in dem für sie als erfahrenen Reiterin erkennbaren Gefahrenbereich aufgehalten.
Der Beklagte zu 2) beantragt,
das angefochtene Urteil, soweit es ihn betrifft, dahin zu ändern, daß er - insoweit als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 1) - verurteilt wird, an die Klägerin (nicht mehr als) 14.050, DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19.9.1998 zu zahlen, und daß festgestellt wird, daß er - insoweit ebenfalls als Gesamtschuldner neben dem Beklagten zu 1) - der Klägerin 2/3 eines zukünftigen materiellen und immateriellen Schadens aus dem Unfall am 28.6.1997 zu ersetzen hat.
Die Klägerin beantragt
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie verteidigt unter Wiederholung und Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens das angefochtene Urteil.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf den von ihnen vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten zu 1) ist begründet, während sich die Berufung des Beklagten zu 2) als erfolglos erweist. Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten zu 1) kein - mangels vertraglicher Beziehungen allein in Betracht kommender - deliktischer Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V. mit § 847 BGB auf Ersatz der unfallbedingten Schäden und auf Zahlung von Schmerzensgeld zu. Denn nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht nicht fest, daß der Unfall aufgrund einer schuldhaften Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten zu 1) entstanden ist. Der Beklagte zu 2) haftet dagegen als Tierhalter gemäß § 833 S. 1 BGB in vollem Umfang auf Ersatz der unfallbedingten Schäden in Höhe von nunmehr unstreitig 1.047, DM und auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von 25.000, DM. Denn ein Mitverschulden der Klägerin ist nicht feststellbar.
I) Entgegen der Meinung des Landgerichts steht nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls nicht fest, daß der Beklagte zu 1) seine Verkehrssicherungspflicht wegen mangelnder Absperrmaßnahmen des Abreiteplatzes schuldhaft verletzt hat.
Der Veranstalter von Sportwettkämpfen ist zwar grundsätzlich verpflichtet, Anordnungen und Maßnahmen zu ergreifen, die den Schutz der Zuschauer vor Gefahren, die typischerweise mit dem Sportbetrieb verbunden sind , gewährleisten (vgl. BGH NJW 1984, 801 ff., 801). Dabei muß aber nicht jeder nur denkbaren Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden. Vielmehr begründet eine Gefahr erst dann eine Haftung, wenn sich für eine sachkundige Einschätzung die naheliegende Verletzung fremder Rechtsgüter ergibt. Außerdem kann eine Gefahrenabwehr in derartigen Fällen nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren verlangt werden (vgl. BGH, a.a.O., 802). Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß der Beklagte zu 1) zwar der durch das Einreiten und Ausreiten der Pferde auf dem Abreiteplatz hervorgerufenen besonderen Gefahr möglicher Verletzungen von Zuschauern durch Maßnahmen Rechnung tragen muß, die ihm zum Schutz der von ihm zum Zuschauen eingeladenen Besucher zugemutet werden können (vgl. BGH VersR 1973, 133 ff., 134 bezüglich des Umfangs der Verkehrssicherungspflicht. die dem Veranstalter eines besuchsoffenen Reitertrainings gegenüber Zuschauern obliegt). Diese Schutzmaßnahmen können aber bei dem hier von dem Beklagten zu 1) veranstalteten ländlichen Reitturnier nicht überspannt und nicht mit dem Sicherheitsstandard bei großen, von Profisportlern besuchten und von größeren Sponsoren unterstützten Reitturnieren, bei denen durch umfangreiche Absperrmaßnahmen jeglicher Kontakt zwischen Zuschauern und Pferden vermieden wird, verglichen werden. Denn ländliche Reitturniere leben von dem Engagement und der ehrenamtlichen Tätigkeit der veranstaltenden Vereinsmitglieder und werden überwiegend nur von Teilnehmern besucht, die den Reitsport als Hobby betreiben. Wollte man unter diesen Umständen auf ländlichen Reitturnieren den Sicherheitsstandard der großen Reitturnier erreichen, müßten für Teilnehmer und Zuschauer größere, vollkommen abgesperrte und überwachte Bereiche vorhanden sein, die Begegnungen zwischen beiden ausschließen. Dies geben aber einmal die örtlichen Verhältnisse wie auch hier nicht her und sind auf ländlichen Reitturnieren nicht üblich. Zum anderen würde das Aufstellen von umfangreichen Absperrgittern und die Organisation eines Ordnerdienstes die ländlichen Reitvereine in finanzieller Sicht überfordern. Dies bedeutet zwar nicht, daß bei ländlichen Reitturnieren auf jegliche Sicherheitsmaßnahmen verzichtet werden kann. Diese Sicherheitsmaßnahmen sind aber im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren den nicht überspannten Sicherheitserwartungen der an dem ländlichen Reitturnier Beteiligten anzupassen.
Unter Beachtung dieser Grundsätze steht nach dem Ergebnis der von dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht fest, daß der Beklagte zu 1) seine Verkehrssicherungspflicht dadurch schuldhaft verletzt hat, daß er den Abreiteplatz nicht genügend gegen das Betreten von Zuschauern, insbesondere Kindern, abgesichert hat. Denn der Beklagte zu 1) hat mit den unstreitig vorhandenen Umzäunungen des eigentlichen Springparcours und des Abreiteplatzes ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen, daß ein unkontrolliertes Zusammentreffen von Zuschauern und Pferden vermieden wurde. Die Umzäunung und die an den Rändern des Abreiteplatzes durch das Führen von Pferden hervorgerufene andersartige Bodenstruktur hat die Abgrenzungen des Abreiteplatzes kenntlich gemacht und erfüllte auch ohne das Vorhandensein eines Verbotsschildes eine ausreichende Warnfunktion gegenüber dem unbefugten Betreten des Abreiteplatzes. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Beklagte zu 1) davon ausgehen konnte, daß zu seinem ländlichen Reitturnier fast ausschließlich Zuschauer kommen, die selbst Reiter sind oder doch einen starken Bezug zum Reitsport haben und die deswegen die damit verbundenen Gefahren kennen. Dies trifft insbesondere auch auf die Klägerin zu. Denn nach dem Ergebnis ihrer Anhörung vor dem Landgericht war sie vor dem Unfall fast jede Woche auf einem Reitturnier und reitet selbst seit ihrem dritten Lebensjahr.
Unter diesen Umständen war es auch nicht erforderlich, den Eingang und den Ausgang zu dem Abreiteplatz besonders zu sichern. Denn der Beklagte zu 1) konnte davon ausgehen, daß den hauptsächlich aus Reitern und Vereinsmitgliedern zusammengesetzten Besucherkreis seines ländlichen Reitturniers bekannt ist, daß das Betreten eines Abreiteplatzes angesichts der dort befindlichen Pferde, die sich auf das Springen vorbereiten oder vom Springen kommen, mit Gefahren verbunden ist. Der Beklagte zu 1) konnte insoweit angesichts der für den Besucherkreis seines ländlichen Reitturniers erkennbaren Gefahren auf weitere Absperrmaßnahmen bezüglich des Abreiteplatzes verzichten. Im übrigen hätte das Anbringen einer beweglichen Schranke am Ein - und Ausgang des Abreiteplatzes oder das Abstellen eines Ordners zur Überwachung des Abreiteplatzes den Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren für einen ländlichen Reitverein überschritten.
Schließlich ist unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht zu beanstanden, daß die Anzeigetafel, auf der die Startzeiten der Pferde bekannt gegeben worden ist, auf dem Abreiteplatz in der Nähe zu seinem Ausgang positioniert war. Denn die auf der Tafel angezeigte Startreihenfolge war, wie auf ländlichen Reitturnieren üblich, nur für die startenden Reiter selbst gedacht. Die Zuschauer wurden unstreitig über Lautsprecher und durch Informationen in den von dem Beklagten zu 1) verteilten Programmheften über die Startreihenfolge informiert. Unter diesen Umständen mußte der Beklagte zu 1) nicht damit rechnen, daß durch die Anzeigetafel Zuschauer angelockt werden und sich bei dem Betreten des Abreiteplatzes unnötig in Gefahr begeben.
II) Die Haftung des Beklagten zu 2 ) als Halter des den Unfall verursachenden Pferdes auf Schadensersatz und in Verbindung mit § 847 BGB auch auf Schmerzensgeld (vgl. BGH MDR 1978, 42 = NJW 1997, 2158 f.) folgt aus § 833 S. 1 BGB. Insoweit wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, die der Beklagte zu 2) nicht angefochten hat, Bezug genommen.
III) Ein Mitverschulden kann der Klägerin nicht angelastet werden. Ein eventuelles Mitverschulden ihrer aufsichtspflichtigen Tante ist dabei auf ihrer Seite nicht zu berücksichtigen, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. die Nachweise bei Grunsky im Münch. Komm zum BGB, Rz. 77 zu § 254 BGB), der sich der Senat anschließt, ein Minderjähriger, der wie hier nur deliktisch und nicht im Rahmen eines Schuldverhältnisses geschädigt worden ist, sich das Verschulden einer Aufsichtsperson nicht anzurechnen lassen braucht.
Zwar ist davon auszugehen, daß die Klägerin, die im Zeitpunkt des Unfalls ca. 9 1/2 Jahre alt war, die im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB erforderliche Einsichtsfähigkeit entsprechend § 828 Abs. 1 S.1 BGB besaß. Denn insoweit ist darauf abzustellen, ob das geschädigte Kind die geistige Reife erlangt hatte, die es befähigte zu erkennen, daß es sich selbst vor Schaden bewahren muß (vgl. OLG Celle NJW 1968, 2146 f.). Diese Reife war - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - bei der Klägerin, insbesondere im Hinblick darauf vorhanden, daß sie - wie selbst bei ihrer Anhörung angegeben hat - seit dem 4. Lebensjahr ein eigenes Pferd besaß und vor dem Unfallereignis bereits regelmäßig Reitturniere besucht hatte, in Bezug auf die Bewahrung vor Schäden durch Pferde vorhanden.
Wie das Landgericht aber weiter zutreffend ausgeführt hat, kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weder festgestellt werden, daß die Klägerin das Ausschlagen des Pferdes des Beklagten zu 2) durch Laufen oder durch das Setzen auf die Umzäunung des Abreiteplatzes provoziert hat, noch daß sie sich dem Pferd so sehr genähert hat, daß sie mit einem Tritt des Pferdes rechnen mußte. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf die zutreffende Beweiswürdigung des Landgerichts verwiesen.
Im übrigen steht entgegen der - nicht unter Beweis gestellten Behauptung - des Beklagten zu 2) nicht fest, daß sich die Klägerin dem Pferd des Beklagten zu 2) von hinten genähert und sich so in einen besonderen Gefahrenbereich begeben hat. Insoweit konnten weder die Zeugin D..., die das Pferd des Beklagten zu 2) auf dem Abreiteplatz an der Hand führte, noch die Zeugin S..., die mit ihrem Pferd hinter der Klägerin ritt, Einzelheiten dazu bekunden, in welcher Weise sich die Klägerin dem Pferd des Beklagten zu 2) genähert hat. Gleiches gilt bezüglich der Aussagen des Zeugen Gellenbeck und der Tante der Klägerin. Unter diesen Umständen ist die Einlassung der Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Landgericht nicht widerlegt, daß das Pferd des Beklagten zu 2) vor dem Unfall zunächst mit dem Kopf zu ihr gewandt, sich danach dann plötzlich umgedreht und sie dabei mit dem Huf getreten habe.
IV) Bezüglich der Höhe der Klageforderung ist der von dem Landgericht zuerkannte materielle Schadensersatz von insgesamt 1.047, DM nunmehr unstreitig.
Hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldes ist der Betrag von 25.000, DM, der vom Landgericht zu Lasten des Beklagten zu 2) angenommen worden ist, nach Meinung des Senats angemessen und ausreichend.
Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, daß in der Klageschrift zwar ein Mindestbetrag von 20.000, DM genannt worden ist. Dies allein ist aber kein Indiz dafür, daß die Klägerin selbst nur ein Schmerzensgeld in dieser Höhe für angemessen erachtet. Zum anderen erscheint auch angesichts der sehr schmerzhaften Gesichts - und Kopfverletzungen, des langwierigen und belastenden Heilungsverlaufs und des Umstandes, daß die Klägerin nach den Feststellungen des medizinischen Sachverständigen in seinem Gutachten vom 7.2.2000 noch an mittelgradigen Beeinträchtigungen ihrer Gedächtnisleistung, an einer Konzentrationsschwäche und einer geringfügigen motorischen linksseitigen Beeinträchtigung leidet, ein Schmerzensgeld von 25.000, DM, das die Mindestvorstellungen der Klägerin maßvoll überschreitet, zum Ausgleich ihrer Gesundheitsbeeinträchtigungen ausreichend. Dabei ist schließlich auch zu beachten, daß den Beklagten zu 2) lediglich eine Gefährdungshaftung als Tierhalter und keine Verschuldenshaftung trifft und daher die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes in den Hintergrund tritt.
VI) Der Feststellungsanspruch ist begründet, da - wie vorstehend ausgeführt worden ist - Dauerschäden vorhanden sind und daher die Möglichkeit eines zukünftigen Schadenseintritts besteht.
Der Schriftsatz der Kläger vom 24.10.2000 bietet keine Veranlassung dafür, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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