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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 03.07.2008
Aktenzeichen: 8 U 233/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 276 Abs. 2 | |
BGB § 280 |
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 3. Juli 2008
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Landgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2008 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26. November 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück teilweise geändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
I.
Die Klägerin macht gemäß § 67 VVG aF übergegangene Schadensersatzansprüche der Stadtwerke P..., ihrer Versicherungsnehmerin, gegen die Beklagte geltend.
Die Stadtwerke P... betreiben in einem Hallenbad drei Blockheizkraftwerke. Zwischen ihnen und der Klägerin besteht gemäß Nachtrag Nr. 8 vom 7. Februar 2005 (Anlage K 1) eine Maschinenversicherung. ausweislich des Verzeichnisses der versicherten Sachen sind Objekt dieser Versicherung drei GasmotorGeneratorAggregate des Baujahrs 1994, Typen-Bezeichnung 3512 GTA, Hersteller C..., Selbstbehalt 2556,00 Euro. Im November 2003 beauftragten die Stadtwerke P... die Beklagte mit der Grundüberholung des Moduls eines Blockheizkraftwerks. Das Aggregat des Typs G 3512 SiTA mit der Nr. 7NJ00030 wurde dafür ausgebaut, und nach Generalüberholung im Betrieb der Beklagten wieder im Hallenbad eingebaut. Bei der Grundüberholung wurden die Befestigungsschrauben der Kontergewichte auf der Kurbelwelle nicht ausgetauscht, sondern wieder verwendet. Für die Grundüberholung stellte die Beklagte den Stadtwerken P... gemäß Rechnung vom 30. Dezember 2003 143.437,70 Euro in Rechnung. Das Aggregat wurde im Januar 2004 wieder in Betrieb genommen. Am 14. Juni 2004 schaltete beim Anfahren des Gasmotors der Klopfsensor der Maschine das Modul automatisch ab. bei einer Drehzahl von 1.400 Umdrehungen je Minute war das Gegengewicht von der Kurbelwelle abgerissen. Die davon in Kenntnis gesetzte Beklagte lehnte jegliche Haftung ab. In Abstimmung mit der Klägerin erteilten die Stadtwerke P... mit Schreiben vom 14. Oktober 2004 der Beklagten einen Reparaturauftrag. Die Beklagte berechnete den Stadtwerken P... für das Instandsetzen des Motors mit Rechnung vom 10. Januar 2005 150.586,71 Euro. Darauf zahlten die Stadtwerke P... einen Betrag von 90.000,00 Euro. im Übrigen rechneten sie gemäß Schreiben vom 8. April 2005 mit weiteren Schadensersatzforderungen gegenüber der Beklagten auf.
Der Klägerin sind für die Einschaltung der Sachverständigen A... und B... (Anlagen K 6 und 9) vorgerichtliche Kosten von 3.923,22 Euro und 893,95 Euro entstanden.
Die Klägerin hat behauptet, das bei der Beklagten generalüberholte Gasaggregat sei Gegenstand der bei ihr seit Jahren bestehenden Maschinenversicherung. Gemäß Abrechnungsschreiben vom 23. März 2005 habe sie eine Versicherungsleistung von 124.000,00 Euro an die Stadtwerke P... erbracht (Anlage K 12). Der am 14. Juni 2004 eingetretene Schaden beruhe darauf, dass die Beklagte bei der Generalüberholung des Aggregats die Gegengewichtsbefestigungsschrauben nicht ausgetauscht habe. Nur dies hätte aber dem Stand der Technik entsprochen. der Schaden sei darauf ursächlich zurückzuführen. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, den unter Vorbehalt der Rückforderung gezahlten Werklohn für die Reparatur in Höhe der Versicherungsleistung zurückzuerstatten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 128.817,17 Euro nebst 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. August 2004 sowie weitere 1.148,63 Euro an vorgerichtlichen Anwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und geltend gemacht, aus dem von der Klägerin vorgelegten Nachtrag zum Versicherungsvertrag lasse sich nicht entnehmen, dass das von ihr generalüberholte Blockheizkraftwerk bei der Klägerin versichert sei und insbesondere zum Schadenszeitpunkt versichert gewesen sei. Die Zahlung von Versicherungsleistungen an die Stadtwerke P... hat sie bestritten.
Des weiteren hat sie die Auffassung vertreten, dass es keine anerkannte Regel der Technik gebe, nach der die Befestigungsschrauben bei einer Grundüberholung zu erneuern seien. Herstelleranweisungen dieses Inhalts habe es zum damaligen Zeitpunkt nicht gegeben. Weiterhin fehle es an der Kausalität zwischen dem Schaden und dem Nichtauswechseln der Befestigungsschrauben. Das Auswechseln der Schrauben hätte Kosten in Höhe von 1.580,40 Euro erfordert. dabei handele es sich um Sowiesokosten. Vorgerichtliche Sachverständigenkosten seien dem Grunde nach nicht erstattungsfähig.
Das Landgericht hat nach Einholen sachverständiger Beratung die Beklagte zur Zahlung von 94.817,17 Euro nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit ihrer Berufung greift die Beklagte die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz an.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie macht geltend, dass die Klägerin nicht belegt habe, dass das fragliche Blockheizkraftwerk bei ihr versichert sei. ebensowenig sei eine Zahlung nachgewiesen. Zum Zeitpunkt der Generalüberholung habe es Wartungsvorschriften des Herstellers, nach denen ein Austausch der Befestigungsschrauben erforderlich gewesen sei, nicht gegeben. Die für Dieselmotoren geltenden Wartungsvorschriften seien auf Gasmotoren nicht übertragbar. Zur Frage der Ursächlichkeit und zur Höhe des Schadens habe das Landgericht ebenso wenig hinreichende Feststellungen getroffen.
Schließlich habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft ohne Anhörung des Sachverständigen entschieden.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie hat auf rechtlichen Hinweis des Senats weitere schriftliche Unterlagen zum Bestehen eines Versicherungsverhältnisses und zu der Zahlung der Versicherungsleistung an die Stadtwerke zu den Akten gereicht. Die von der Berufung erhobenen Verfahrensrügen hält sie für unbegründet. Die erstinstanzliche Beweisaufnahme habe ergeben, dass es zum Zeitpunkt der Generalüberholung dem Stand der Technik entsprach, einmal gelöste Befestigungsschrauben nicht erneut zu verwenden. Der Fehler sei auch ursächlich für den Schaden. es habe sich nämlich ein typisches Risiko verwirklicht, ein Materialfehler scheide als Ursache aus. Der Klägerin sei mindestens der vom Landgericht zuerkannte Betrag zuzusprechen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß prozessleitender Verfügung vom 11. April 2008 durch die mündliche Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing R... und die Vernehmung der Zeugen X... und Y.... Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19. Juni 2008 Bezug genommen
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme in der Sache Erfolg.
Ein Schadensersatzanspruch aus übergegangenem Recht der Stadtwerke P..., §§ 280 Abs. 1 BGB, 67 VVG aF, steht der Klägerin gegen die Beklagte nicht zu. Die Beklagte hat dadurch, dass sie bei der Grundüberholung des Aggregats die Befestigungsschrauben der Kontergewichte auf der Kurbelwelle nicht ausgetauscht hat, Pflichten aus dem Schuldverhältnis nicht verletzt.
1. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kann dahinstehen, ob zwischen der Klägerin, die einen nach § 67 VVG aF auf sie übergegangenen Schadensersatzanspruch ihrer Versicherungsnehmerin geltend macht, und den Stadtwerken P... zum Schadenszeitpunkt am 14. Juni 2004 ein Versicherungsverhältnis hinsichtlich des fraglichen Aggregats bestanden hat. Offen bleiben kann weiterhin, ob die Klägerin gemäß ihrem Abrechnungsschreiben vom 23. März 2005 (Anlage K 12) eine Versicherungsleistung von 124.000,00 Euro an die Stadtwerke P... gezahlt hat. Die Beklagte bestreitet diese Behauptungen der Klägerin.
2. Ein Schadensersatzanspruch besteht nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme nicht.
Der Streit der Parteien geht darum, ob die Beklagte anlässlich der Grundüberholung des GasAggregats im Dezember 2003/Januar 2004 die Befestigungsschrauben der Kontergewichte auf der Kurbelwelle austauschen musste. Der Gerichtsgutachter R... und der vorgerichtlich für die Klägerin tätige Sachverständige B... (Anlage K 9) bejahen diese Frage. nach ihrer Auffassung hätte die Beklagte insbesondere im Hinblick auf die Wartungsvorschriften des Herstellers C... nach der Demontage des Aggregats die alten Kontergewichtsverschraubungen nicht wieder verwenden dürfen und anstatt dessen neue Schrauben einsetzen müssen.
Die von den Parteien und den Sachverständigen umfangreich zusammengetragenen Unterlagen bieten für den Reparaturzeitpunkt das folgende Bild zu der Frage der Wiederverwendung gebrauchter Befestigungsschrauben:
Einem Service Bulletin des Herstellers DW... vom 15. Oktober 2001 lässt sich entnehmen, dass durch unkorrekt befestigte Schrauben erhebliche Schäden an den Aggregaten entstehen können. es wird deshalb empfohlen, sie vor einer Wiederverwendung gründlich zu überprüfen. Der Hersteller M... untersagt in undatierten Serviceanweisungen die Wiederverwendung von Schrauben, wenn diese nach Beanspruchung ihre maximale Länge überschritten haben. Der Hersteller G...verlangt in "Montage bzw. Prüfvorschriften für Dehnschrauben" aus dem Monat Mai 2005 eine Prüfung der Dehnschrauben auf "absolute Vollwertigkeit". nur Gegengewichtsschrauben ohne Beschädigungen - Risse, Einkerbungen, Rostansätze u. ä. - dürfen nach einem Lösen erneut verwendet werden. Der Hersteller MT... schreibt in "Arbeitenbeschreibungen" aus den Jahren 1992 bis 1994 ebenfalls eine sorgfältige Prüfung der Schrauben vor, bevor sie wiederverwendet werden. Danach sind die Gegengewichtsschrauben mit magnetischem Rißprüfverfahren und fluoreszierendem Magnetpulver auf Risse zu prüfen und gegebenenfalls zu ersetzen. vor jeder Wiedermontage ist die maximal zulässige Schraubenlänge zu prüfen.
Ähnliches hat auch der Sachverständige R... herausgefunden (Gutachten Seite 3, 4 sowie Anlagen 3 und 4). Der Hersteller MT... lässt weiterhin eine Wiederverwendung der Gegengewichtsschrauben nach sorgfältiger Prüfung zu. Nach den mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen beruht dies darauf, dass MT... in neuerer Zeit Schrauben der Festigkeitsklasse 10.9 verwendet, bei denen im Fall der Wiederverwendung das Risiko eines Schadenseintritts infolge einer Vorschädigung durch Wasserstoffversprödung deutlich geringer ist als bei Schrauben der größten Festigkeitsklasse 12.9, wie sie MT... früher verwendet hat und der Hersteller C... nach wie vor verwendet. In seinem schriftlichen Gutachten hat der Sachverständige Auskünfte der Hersteller D... und G...wiedergegeben, wonach die Befestigungsschrauben der Gegengewichte nach einer Demontage grundsätzlich zu erneuern sind. nach seinen mündlichen Erläuterungen wird die Wiederverwendung demontierter Schrauben seit dem Zeitpunkt 2003/2004 ausdrücklich ausgeschlossen. Das steht allerdings in einem Widerspruch zu der oben zitierten technischen Anweisung von G...aus dem Monat Mai 2005, die eine Wiederverwendung nach sorgfältiger Prüfung zulässt. Die Mitteilung des Herstellers G..., wonach alle Kurbelwellengegengewichtsschrauben nach der Demontage sofort ausgeschieden werden, eine weitere Verwendung dem Qualitätsstandard von G...nicht entspricht und aus deren Sicht sicherheitstechnisch ein Risiko wäre, datiert erst vom 1. Dezember 2006.
Für den Hersteller C... bestehen folgende Wartungsvorschriften:
Die Information SEBD 9295/00 datiert vom 1. März 2001 und betrifft Dieselaggregate des Typs 3500 (Anlage 7 des Gutachtens R...). Sie enthält den fettgedruckten Hinweis, dass die Befestigungsschrauben der Gegengewichte nicht wiederverwendet werden dürfen. GasAggregate - um ein solches geht es hier - erfasst sie nach ihrem Wortlaut nicht.
Eine weitere ServiceMitteilung mit der Nummer SEBD 9300/00 datiert vom 1. August 2001 (Anlage 8 des Gutachtens R...). Sie gilt für alle Aggregate des Typs 3500 und bezieht sich auf die zuvor genannte ServiceInformation und das dort beschriebene Verfahren zum Befestigen der Schrauben der Gegengewichte. Der Sachverständige R... leitet daraus ab, dass die Forderung nach dem Austausch demontierter Gegengewichtsschrauben auch für Gas-Motoren seit 2001 gilt. Dem Wortlaut dieses Updates, das sich mit anderen Fragen beschäftigt, lässt sich zu dieser Frage jedoch nichts entnehmen.
Die Recherchen des Sachverständigen R... im Archiv der C...Zentrale in den USA haben eine weitere Wartungsvorschrift aus November 2002 mit der Nummer SENR 6411/03 zutage gefördert. Diese Vorschrift gilt für alle (Diesel wie Gas) Aggregate des Typs G 3500. Sie enthält den Hinweis, dass die Befestigungsschrauben der Gegengewichte nicht wiederverwendet werden dürfen.
In der Anlage zum Gutachten des Sachverständigen B... findet sich eine Wartungsvorschrift aus dem Monat Mai 2003 mit der Nummer SENR6562/02, die allerdings nur DieselAggregate betrifft. Auch sie enthält den eben zitierten Hinweis.
Aus den Wartungsvorschriften des Jahres 2004 geht für Gas wie Dieselaggregate eindeutig hervor, dass die Befestigungsschrauben der Gegengewichte nach einer Demontage nicht wieder verwendet werden dürfen. Das ist zum einen die Wartungsvorschrift SENR6411/07 vom 1. Februar 2004 (Anlage 5 zum Gutachten R...) und die Wartungsvorschrift SENR6411/08 vom 1. September 2004 (Anlage zum Gutachten B...). Diese beiden Wartungsvorschriften sind allerdings zeitlich erst nach der von der Beklagten durchgeführten Grundüberholung und der Abnahme der Werkleistung durch die Stadtwerke P... erschienen.
Der Sachverständige R... hat schließlich durch Nachfrage bei der Firma Z... Baumaschinen in Achim, die für größere C...Motoren als einziger Reparaturbetrieb in Deutschland von dem amerikanischen Hersteller C... autorisiert ist, erfahren, dass die Wartungsvorschriften bereits seit 2001 die Wiederverwendung der Gegengewichtsschrauben ausschließen. Der Zeuge X..., Serviceleiter der Firma Z..., hat dies bei seiner Vernehmung insofern bestätigt, als er eine Wartungsvorschrift mit der Nr. SENR641105 vom 1. April 2003 vorgelegt hat, die die Wiederverwendung von Gegengewichtsbefestigungsschrauben ausschließt. diese eher zufällig noch auffindbare Wartungsvorschrift, deren Inhalt in diesem Punkt seinen Angaben zufolge bis heute unverändert fortgilt, hat er durch Nachforschungen im hausinternen Archiv der Firma Z... ermittelt. Wartungsvorschriften im Übrigen konnte er allerdings nicht vorweisen. diese werden auf Anweisung des Herstellers C... bei Erscheinen eines Updates vernichtet bzw. in der Datenverarbeitung gelöscht. Wartungsvorschriften werden weiterhin ausschließlich den Vertragshändlern von C... zur Verfügung gestellt. über ihren Inhalt darf externen Firmen keine Auskunft gegeben werden. Diese strikte Geheimhaltung der Wartungsvorschriften seitens des Herstellers C... hat der Sachverständige R... bestätigt.
Danach kann zwar nicht zweifelhaft sein, dass die Wartungsvorschriften des Herstellers C... jedenfalls seit November 2002 auch bei GasAggregaten den Austausch der Befestigungsschrauben vorsehen. Der Sachverständige R... hat diese Anweisung des Herstellers dahingehend interpretiert, dass bereits verwendete Schrauben vorgeschädigt sein können. werde diese Vorschädigung nicht erkannt, so könne es zu einem Schadensfall - wie er hier eingetreten ist - kommen. Es bestehe insoweit ein Restrisiko. Bei Verwendung neuer Schrauben sei das Risiko des Bruchs deutlich geringer.
Eine Pflichtverletzung in der Schuldform der Fahrlässigkeit kann der Beklagten gleichwohl nicht angelastet werden. Die Beklagte hat dadurch, dass sie bei der Generalüberholung des Aggregats die Befestigungsschrauben entgegen den Wartungsvorschriften des Herstellers C... wieder verwendet hat, nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen (§ 276 Abs. 2 BGB).
Fahrlässigkeit setzt Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit des pflichtwidrigen Erfolgs voraus. Im Hinblick auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse gilt ein objektivabstrakter Sorgfaltsmaßstab. im Rechtsverkehr muss sich jeder darauf verlassen dürfen, dass sein Vertragspartner die für die Erfüllung seiner Pflichten erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 276 RdNr. 15. MünchKommBGB/Grundmann, 5. Aufl., § 276 RdNr. 53 ff.). Bei Aufträgen für eine Reparatur oder eine Generalüberholung darf deshalb der Auftraggeber darauf vertrauen, dass der Auftragnehmer die Beschaffenheit des Reparaturobjekts erforscht und Reparaturbedarf und -umfang ermittelt, weiterhin darauf, dass die anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden und dass für mögliche Störungen Vorsorge getroffen wird.
Der Beklagten, einem Fachunternehmen auf dem Gebiet "Technologie und Service für Motoren und Antriebe" mit Niederlassungen im Bundesgebiet und im benachbarten Ausland, war zum Zeitpunkt der Grundüberholung des Aggregats der Stadtwerke P... grundsätzlich bekannt, dass Befestigungsschrauben nach einem Lösen wegen möglicher Schadensrisiken nicht ohne Weiteres wieder verwendet werden durften. Das folgt aus den Bekundungen ihres im Bereich des Qualitätsmanagements tätigen Mitarbeiters Y.... Im Unternehmen der Beklagten war - so der Zeuge - ein gewisser Prüfungsbedarf geläufig, wie er auch in einigen der oben zitierten Herstelleranweisungen gefordert wird. Das beinhaltete eine Sicht, Längen und Rissprüfung, wobei letztere mit Hilfe eines magnetischen Verfahrens und unter Einsatz fluoreszierenden Pulvers durchgeführt wurde, um Fehlstellen wie Risse sichtbar zu machen. Weiter wurden für derartige Aggregate erstellte Reparaturhandbücher verwandt, die eine Wiederverwendung der Befestigungsschrauben nicht generell ausschlossen. Die Beklagte hatte damit die zum damaligen Zeitpunkt notwendigen Vorkehrungen gegen mögliche Schäden getroffen. Vorkehrungen für alle denkbaren Schadensrisiken können allgemein nicht verlangt werden.
Die Vorgehensweise der Beklagten steht im Einklang mit einem Teil der oben wiedergegebenen Anweisungen verschiedener Hersteller, die nicht generell einen Austausch der Befestigungsschrauben fordern, sondern die Wiederverwendung nach sorgfältiger Prüfung zulassen. Der Umstand, dass der Hersteller des fraglichen Aggregats, die Firma C..., in den Wartungsvorschriften jedenfalls seit November 2002 vor einer Wiederverwendung der Befestigungsschrauben warnt, steht dieser Feststellung nicht entgegen. Diese Wartungsvorschriften enthalten keine allgemein anerkannten Regeln der Technik (vgl. zu diesem Begriff allgemein MünchKommBGB/Busche, 4. Aufl., § 633 RdNr. 17 ff.). Allenfalls handelt es sich dabei um private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Angesichts der oben wiedergegebenen nicht einheitlichen Herstelleranweisungen, die teils einen Austausch empfehlen oder fordern, teils aber auch eine Wiederverwendung nach sorgfältiger Prüfung zulassen, kann nicht festgestellt werden, dass sie zum hier maßgeblichen Zeitpunkt (Januar 2004) in der Wissenschaft keinem Meinungsstreit ausgesetzt und damit als theoretisch richtig anerkannt waren und dass sie in dem Kreis der der für die Anwendung der technischen Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt waren. Eine verfestigte Auffassung, dass einmal gelöste Befestigungsschrauben stets zu erneuern sind, hatte sich im Januar 2004 noch nicht gebildet. dass dies inzwischen nach den Ausführungen des Sachverständigen R... eher - aber immer noch nicht durchweg, so mindestens im Fall des Herstellers MT... - der Fall sein mag, ist für die hier zu treffende Entscheidung nicht erheblich. Aus denselben Gründen kann weiterhin nicht von einem Stand der Technik, der Eingang in die betriebliche Praxis gefunden hätte, ausgegangen werden.
Es kommt hinzu, dass die Wartungsvorschriften des Herstellers C... nach den Angaben des Sachverständigen R... und des Zeugen X... geheim gehalten und anderen als autorisierten Fachwerkstätten nicht bekanntgegeben werden. Zwar kann sich die Beklagte als - vom Hersteller C... nicht autorisiertes - Fachunternehmen im Hinblick auf den gegen sie erhobenen Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht auf unzureichende Fachkenntnisse berufen. der Umstand, dass sie keine Auskünfte über die Wartungsvorschriften des Herstellers C... erhält, ist aber dennoch nicht bedeutungslos. Suchanstrengungen können von ihr nämlich nur im Rahmen des tatsächlich Möglichen gefordert werden. Die Schwierigkeiten der Beschaffung von Wartungsvorschriften des Herstellers C... im Hinblick auf die von diesem betriebene Geheimhaltung haben sich auch in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit gezeigt. der Sachverständige R... hat die Specifications mit der Bezeichnung SENR641103 erst nach umfangreichen Recherchen herausgefunden, der Zeuge X... die Specifications SENR641105 eher zufällig bei Nachforschungen im hausinternen Archiv der Firma Z....
Nach der Bewertung des Sachverständigen R... dient die Forderung nach dem Austausch einmal gelöster Befestigungsschrauben der Vermeidung eines Restrisikos, das aus dem Herstellungsprozess der hochfesten Schrauben herrührt. Diese können infolge Wasserstoffversprödung Schwachstellen aufweisen. dieses Problem betrifft insbesondere Schrauben der Festigkeitsklasse 12.9, wie sie der Hersteller C... verwendet. Derartig vorgeschädigte Befestigungsschrauben können im Fall der Wiederverwendung infolge der auf sie durch das erneute Anziehen über die Streckgrenze hinaus in leicht veränderter Schraubenposition einwirkenden Beanspruchungen eher brechen als neue Schrauben. Auf eine solche Vorschädigung ist nach den Feststellungen des vorgerichtlich tätigen Sachverständigen A... (Gutachten Seite 12) auch der vorliegende Schadensfall zurückzuführen. der Abriss des Gegengewichts wurde durch den Bruch von Gegengewichtsbefestigungsschrauben verursacht, zwei der drei hochfesten Befestigungsschrauben waren durch wasserstoffinduzierte interkristalline Anrisse vorgeschädigt. Es geht aber immer nur um ein verbleibendes Restrisiko. bei den beiden anderen von der Beklagten ebenfalls grundüberholten Aggregaten der Stadtwerke P... ist ein derartiger Schaden offenbar nicht eingetreten (vgl. das Schreiben der die Stadtwerke P... vertretenden Rechtsanwälte O... pp. vom 24. September 2004). Angesichts der Kosten des Austauschs der Befestigungsschrauben ist in einem solchen Fall das Maß der erforderlichen Sorgfalt mit Hilfe einer KostenNutzenAnalyse zu bestimmen. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass eine hochfeste Befestigungsschraube einen Preis von mindestens 50 € hat. erforderlich sind 36 Schrauben pro Aggregat. Durch den generellen Austausch der Befestigungsschrauben entstehen damit nicht unerhebliche Kosten, die bei einer sorgfältigen Prüfung auf sichtbare und nicht sichtbare Schäden nicht anfallen. Nach dem Stand der Technik im Januar 2004, einem Zeitpunkt, zu dem mehrere Hersteller eine Wiederverwendung der Schrauben nach sorgfältiger Prüfung zwecks Vermeidung von Schadensrisiken für zulässig und ausreichend hielten, war für die Beklagte auch aus diesem Grund ein Austausch geprüfter, unbeschädigter Befestigungsschrauben nicht geboten.
Für die Frage der Wiederverwendung der Befestigungsschrauben ist weiterhin von Bedeutung, dass die Grundüberholung ein Gas und nicht ein DieselAggregat betraf. Für GasAggregate bestand jedenfalls schon seit März 2001 eine Anweisung des Herstellers C..., einmal gelöste Befestigungsschrauben nicht wieder zu verwenden. Der Sachverständige R... hat zwar in seinem Ergänzungsgutachten die Auffassung vertreten, dass es für den Hersteller C... keine Veranlassung gegeben habe, zwischen Gas und DieselAggregaten zu unterscheiden. die Beanspruchungen für die Befestigungsschrauben in Diesel oder Gasmotoren unterschieden sich nicht wesentlich, bei der Auslegung der Befestigungsschrauben werde stets dieselbe Überdrehzahl zu Grund gelegt. Bei seiner Anhörung durch den Senat hat er seine Auffassung, dass mit ähnlichen Beschleunigungen und Maximaldrehzahlen bei beiden Motortypen gleiche Belastungen der Schrauben auftreten und dass Dieselmotoren nur dadurch etwas höher belastet werden, weil sie mit wechselnden Drehzahlen laufen und häufiger beschleunigen oder abbremsen, in einem Punkt eingeschränkt. Gasmotoren werden in den USA und in Europa mit unterschiedlichen Drehzahlen gefahren. das ist auf die unterschiedlichen Frequenzen der Stromnetze in den jeweiligen Ländern zurückzuführen. In Europa betriebene GasAggregate sind deshalb wegen niedrigerer Umdrehungszahlen geringeren Fliehkräften ausgesetzt. gleichwohl sind sie für die höchstzulässige Belastung ausgelegt, weil bei der Produktion nicht feststeht, ob und wohin der Motor exportiert wird. Gasmotoren unterliegen damit schon signifikant niedrigeren Beanspruchungen. Das hat zum einen zur Folge, dass die weitergehenden Wartungsvorschriften für DieselAggregate nicht ohne weiteres auf GasAggregate übertragen werden können. es macht auch plausibel, dass die Wiederverwendung der Befestigungsschrauben nach sorgfältiger Prüfung bei in Europa und damit bei niedrigeren Umdrehungszahlen betriebenen GasAggregaten nicht gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen hat.
Die Beklagte konnte und musste schließlich den Eintritt des schädigenden Ereignisses nicht vermeiden. Ursache des Schadens ist ausweislich des Gutachtens A... eine auf den Herstellungsprozess zurückzuführende Wasserstoffversprödung innerhalb einer Befestigungsschraube, die möglicherweise schon vor dem Schaden zu einem Anriss geführt hat. Dass dieser Anriss schon bei der Grundüberholung vorhanden war und entdeckt werden konnte, hat er nicht klären können. dies steht nicht fest. Ein solcher Anriss - wenn er schon im Januar 2004 vorhanden gewesen wäre - wäre jedenfalls unschwer mit der bei der Beklagten üblichen Sichtprüfung festzustellen gewesen, die Schraube wäre dann nach den bei der Beklagten bestehenden betrieblichen Abläufen ausgesondert worden. Mit den in Herstelleranweisungen beschriebenen und bei der Beklagten üblichen magnetischen Prüfverfahren war die Wasserstoffversprödung in der Mitte der Befestigungsschrauben 1 und 2, wie sie sich aus den Lichtbildern des Gutachtens A... ergibt, nach Auffassung des Sachverständigen R... nicht festzustellen.
3. Die weitere zwischen den Parteien streitige Frage der Ursächlichkeit der Wiederverwendung der alten Befestigungsschrauben für den dann eingetretenen Schaden bedarf mangels eines Verschuldens der Beklagten keiner Entscheidung.
4. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Ende der Entscheidung
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