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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 03.05.2007
Aktenzeichen: 8 U 254/06
Rechtsgebiete: VOB/A, VOB/B


Vorschriften:

VOB/A § 9 Nr. 1 S. 2
VOB/B § 2 Nr. 8
1. Auslegung eines Leistungsverzeichnisses.

2. Zulässigkeit von Bedarfspositionen, § 9 Nr. 1 S. 2 VOB/A.

3. Vergütungsanspruch nach § 2 Nr. 8 VOB/B für ohne vorherige Anordnung des Auftraggebers ausgeführte Bedarfspositionen.


OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Im Namen des Volkes Urteil

8 U 254/06

Verkündet am 3. Mai 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 31. Oktober 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin fordert von der Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns für Straßenbauarbeiten im Bauabschnitt II der I... Straße in O....

Die im Straßen und Tiefbau tätige Rechtsvorgängerin der Klägerin, die W... GmbH & Co.KG, beteiligte sich im Jahr 2002 mit einem Angebot an der öffentlichen Ausschreibung der Beklagten für das Bauvorhaben "Straßenbauarbeiten I... Straße in O..., BA II". Der Ausschreibung lag das Leistungsverzeichnis der Beklagten zugrunde. In der Vorbemerkung zu Position 1.2 (Freimachen des Baufelds) heißt es unter anderem wie folgt:

"Für das Aufsuchen von Kabel, Leitungen, Hausanschlüssen und Kanälen finden die nachfolgenden Positionen "Querschläge herstellen" Anwendung. Die Position beinhaltet händisches Arbeiten. .... Die Position händischer Bodenaushub kommt im Regelfall für das o.g. Aufsuchen von Kabeln, Leitungen etc. nicht zur Anwendung und sonst nur nach vorheriger Anordnung durch die Bauleitung."

Die Position 1.2.40 befasst sich mit Bodenaushub in Handschachtung für das Aufsuchen und Freilegen von Einbauten, Fundamenten und dergleichen einschließlich aller Nebenarbeiten in einer Menge von 50 Kubikmetern. Die Position 1.2.180 hat das Lösen und Entfernen des Bodens in einer Menge von 27.100 Kubikmetern zum Gegenstand.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin erhielt auf der Grundlage ihres Angebots vom 5. Juni 2002 den Zuschlag. die Angebotssumme betrug laut Auftragsschreiben der Beklagten vom 14. August 2002 2.661.043,24 €. Weiter wurden die Geltung der VOB/B, der Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) und der Zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB/E) vereinbart. Die Klägerin führte in der Folgezeit die geschuldeten Straßenbauarbeiten durch. die Beklagte nahm die Werkleistung am 21. Juli 2004 förmlich ab. Ihre Schlussrechnung erstellte die Klägerin am 23. Juni 2005.

Bei der Rechnungsprüfung reduzierte die Beklagte die den Bodenaushub in Handschachtung betreffende Position 1.2.40 von 798,039 Kubikmetern auf 581,360 Kubikmeter. Die daraus resultierende Differenz von 10.843,67 € ist die Klageforderung. Gegenstand dieser Position sind Handschachtungsarbeiten in den Bereichen der Häuserfronten zum schadlosen Freilegen von Fundamenten, herausragenden Lichtschächten, historischen Treppenanlagen und sensiblen Eingangsbereichen. Zur Begründung der Kürzung hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 15. November 2005 darauf verwiesen, dass es um Bodenmengen gehe, die die Klägerin als Auftragnehmerin eigenverantwortlich in Handschachtung durchgeführt habe und die nicht von ihr als Auftraggeberin gefordert worden seien. Die unstreitig ausgeführten Bodenaushubarbeiten seien nicht der Position 1.2.40, sondern der Position 1.2.180 zuzuordnen.

Die Klägerin hält die Rechnungskürzung für unberechtigt. Sie ist der Ansicht, dass der Bieterkreis die Leistungsbeschreibung so verstehen durfte, dass Bodenaushub in Handschachtung ausschließlich der Position 1.2.40 zuzuordnen waren. Bei dieser Position handele es sich um eine normale Grundposition, nicht etwa um eine Bedarfsposition. Die das Freimachen des Baufelds betreffenden Vorbemerkungen bezögen sich nach Wortlaut und Zweck nur auf die Positionen 1.2.10 bis 1.2.30. Daraus folge, dass zur Position 1.2.40 ein Anordnungsvorbehalt nicht vereinbart gewesen sei. Sie behauptet, die von ihr unter der Position 1.2.40 abgerechneten Massen seien aufgrund der örtlichen Verhältnisse nur mit größter Vorsicht in Handschachtung abzutragen gewesen. Hilfsweise stützt sie ihren Anspruch auf § 2 Nr. 8 Abs. 2 und 3 VOB/B und behauptet, die Handschachtung sei zum Freilegen der Fundamente notwendig gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.843,67 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. August 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Position 1.2.40 aufgrund der Vorbemerkungen zu Position 1.2 des Leistungsverzeichnisses hinreichend als Bedarfsposition gekennzeichnet sei. Die Auslegung der Leistungsbeschreibung insgesamt ergebe, dass Handschachtungsarbeiten nur nach vorheriger Anordnung durch ihre Bauleitung gemäß Position 1.2.40 zu vergüten seien. Sie behauptet zudem, dass ein Bodenaushub in Handschachtung nicht erforderlich gewesen sei. die Arbeiten hätten auch unter Maschineneinsatz durchgeführt werden können. Die Handschachtungsarbeiten seien im Übrigen keine zusätzliche Leistung.

Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie greift im Einzelnen die Auslegung der Leistungsbeschreibung durch das Landgericht an. Das angefochtene Urteil verletze anerkannte Auslegungsregeln.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und ergänzt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Weiter verweist sie darauf, dass die Bauleitung der Beklagten die Aufmassunterlagen unterschrieben habe. damit stehe fest, dass die Leistungen der Position 1.2.40 in einer Menge von 789,093 Kubikmetern ausgeführt wurden. Der Bodenaushub in Handschachtung sei in diesem Umfang auch technisch notwendig gewesen. Ein Maschineneinsatz sei nicht möglich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 19. April 2007 durch die Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19. April 2007 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Klägerin steht für den Bodenaushub in Handschachtung (Position 1.2.40 der Leistungsbeschreibung) ein Restwerklohnanspruch in der geltend gemachten Höhe zu.

1. Das Landgericht hat nach Auslegung der Leistungsbeschreibung die Klägerin für berechtigt gehalten, Bodenaushub in Handschachtung in einer Menge von 789,093 cbm abzurechnen. Die dem zugrundeliegende Auslegung der Leistungsbeschreibung greift die Berufung zu Recht an.

Die Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen ist Sache des Tatrichters. Der Senat als Berufungsgericht überprüft sie darauf, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt und ob sie bei Abwägung aller Gesichtspunkte inhaltlich überzeugt. Dieser Überprüfung hält das landgerichtliche Urteil nicht stand.

Die Grundsätze der Auslegung einer Leistungsbeschreibung hat das Landgericht (angefochtenes Urteil S. 5) zutreffend wiedergegeben. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. etwa BGH BauR 1999, 897 ff) darf der Bieter die Leistungsbeschreibung im Zweifel so verstehen, dass der Auftraggeber den Anforderungen der VOB/A an die Ausschreibung entsprechen will. das bedeutet unter anderem, dass die Leistung eindeutig zu beschreiben ist. Im Hinblick auf den nur abstrakt bestimmten Empfängerkreis der Erklärung kommt dem Wortlaut der Ausschreibung vergleichsweise große Bedeutung zu. Sind die sprachlichen Formulierungen der Ausschreibung nicht genügend aufeinander abgestimmt, so ist einer Auslegung der Vorzug zu geben, welche die nach der VOB/A geforderte Eindeutigkeit nicht in Frage stellt.

Anerkannt ist weiter, dass es innerhalb der Leistungsbeschreibung keinen grundsätzlichen Vorrang gibt. zur Leistungsbeschreibung gehören sowohl die Vorbemerkungen als auch die einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses. Die Vorbemerkungen enthalten in aller Regel wesentliche Angaben, die zum Verständnis der Bauaufgabe und zur Preisermittlung erforderlich sind. diese Angaben sind in Verbindung mit dem Leistungsverzeichnis als sinnvolles Ganzes auszulegen. Diese Auslegungsregel hat das Landgericht (angefochtenes Urteil S. 8) nicht beachtet.

Im Einzelnen gilt für die Auslegung der Leistungsbeschreibung folgendes:

Die Leistungsbeschreibung verhält sich in der Ziffer 1.2 (Vorbemerkung und nachfolgende Ordnungsziffern) zum Freimachen des Baufelds. Die Vorbemerkung befasst sich zunächst mit den nachfolgenden Positionen "Querschläge" und stellt fest, dass diese pro Stück abzurechnenden Positionen sogenanntes "händisches Arbeiten" beinhalten. Der Bieter hatte deshalb "händischen Bodenaushub" in den Einheitspreis pro Stück einzukalkulieren. Die Begriffe "händisches Arbeiten" und "händischer Bodenaushub" in der Vorbemerkung bedeuten im Übrigen dasselbe wie "Bodenaushub in Handschachtung" gem. Position 1.2.40, was auch die Klägerin nicht in Abrede stellt. Die Vorbemerkung stellt sodann klar, dass die Position "händischer Bodenaushub" - damit kann nur die Position 1.2.40 "Bodenaushub in Handschachtung" gemeint sein, andere Alternativen gibt es in diesem Titel der Leistungsbeschreibung nicht - im Regelfall für das Aufsuchen von Kabeln, Leitungen etc. (also für die im Stückpreis unter Berücksichtigung von Handschachtung herzustellenden Querschläge) nicht zur Anwendung kommt und sonst nur nach vorheriger Anordnung durch die Bauleitung. Mit dem Wort "sonst" können nur Leistungen gemeint sein, die nicht in dem Aufsuchen von Kabeln und Leitungen für die Querschläge gemäß den Positionen 1.2.10 bis 1.2.30 bestehen.

In diesem Punkt ist die Auslegung des Landgerichts widersprüchlich. Das Landgericht (angefochtenes Urteil S. 6) unterstellt zunächst, dass "händischer Bodenaushub" dasselbe ist, wie "Bodenaushub in Handschachtung", was auch auf der Hand liegt. Sodann zieht sich das Landgericht aber wieder darauf zurück, dass es die Position "händischer Bodenaushub" in der Leistungsbeschreibung nicht gebe. Das widerspricht allgemeinen Auslegungsregeln. Die Vorbemerkung nimmt nicht nur allgemein auf "händischen Bodenaushub" Bezug, sondern auf eine "Position händischer Bodenaushub". Damit kann, was zwischen den Parteien auch nicht umstritten ist, nur die Position 1.2.40 gemeint sein, nämlich der Bodenaushub in Handschachtung für das Aufsuchen und Freilegen von Einbauten, Fundamenten und dergleichen. Die Verwendung des Wortes "sonst" wäre sinnlos, wenn die Vorbemerkung sich nur mit den Querschlägen befassen würde. Weiter kann nicht zweifelhaft sein, dass die Vorbemerkung für den gesamten Titel der Leistungsbeschreibung gilt. das folgt hier weiter daraus, dass die nachfolgenden Sätze der Vorbemerkung sich mit Ordnungsziffern der folgenden Seiten - über die Position 1.2.40 hinaus - befassen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts geht es schließlich nicht nur darum, die Positionen, die pro Stück abzurechnen sind, von denjenigen abzugrenzen, für die ein Einheitspreis pro Kubikmeter zu kalkulieren war. Sinn der Regelung war erkennbar, dass die Querschläge für das Aufsuchen von Gas und Wasserleitungen, Strom und Telekommunikationsleitungen sowie Hausanschlussleitungen - alles das erfordert selbstverständlich eine Handschachtung - unter Berücksichtigung dieses Umstandes im Stückpreis richtig kalkuliert wurden, während ansonsten (für das Aufsuchen und Freilegen von Einbauten, Fundamenten und dergleichen) der Bodenaushub nur erforderlichenfalls (grundsätzlich Maschineneinsatz) und nach vorheriger Anordnung des Auftraggebers in Handschachtung zu erfolgen hatte. Das besagt auch der Vergleich mit der Hauptposition dieses Titels, nämlich der Position 1.2.180, die das Lösen und Entfernen des Bodens in einer Größenordnung von 27.100 cbm umfasst. Die Position Bodenaushub in Handschachtung umfasst hingegen lediglich eine Menge von 50 cbm.

Das Landgericht ist weiter grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass der Auftraggeber einer öffentlichen Ausschreibung den Anforderungen der VOB/A entsprechen will. Bei der Auslegung geht das Landgericht aber fehlerhaft davon aus, dass die Ausschreibung von Bedarfs oder Eventualpositionen im Hinblick § 9 Nr. 1 VOB/A grundsätzlich unzulässig ist. Das steht nicht im Einklang mit dem vergaberechtlichen Schrifttum (vgl. Ingenstau/Korbion/Kratzenberg, VOB, 16. Auflage, A § 9 RdNr. 17. Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 10. Auflage, A § 9 RdNr. 134. Beckscher VOBKommentar/Motzke, A § 5 RdNr. 76). Richtig ist, dass in § 9 Nr. 1 Satz 2 VOB/A der Ausnahmecharakter der Zulässigkeit von Bedarfspositionen betont wird. Die Aufnahme von Bedarfspositionen ohne zwingende Notwendigkeit stellt einen Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung dar. Jedoch ist anerkannt, dass Bedarfspositionen unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise in das Leistungsverzeichnis aufgenommen werden können, ohne dass dies vergaberechtlich zu beanstanden wäre. Dabei geht es vor allen Dingen um Leistungen, bei denen bei Fertigstellung der Ausschreibungsunterlagen noch nicht feststeht, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie tatsächlich zur Ausführung kommen. Es muss sich bei der Ausschreibung bzw. beim Beginn der Vertragsverhandlungen noch nicht sagen lassen können, ob zum bisher Vorgesehenen noch eine zusätzliche Leistung erforderlich ist. Weiter dürfen Bedarfspositionen nur ausnahmsweise für Teilleistungen ausgeschrieben werden, die von untergeordneter Art sind und die zusammen nur einen unerheblichen Anteil am Gesamtauftrag haben. Die Notwendigkeit solcher Positionen kann sich beispiels- und typischerweise dann ergeben, wenn bei Tief oder Kanalbauarbeiten die im Bereich der Trasse verlaufenden Leitungen aller Art sich nicht exakt durch Pläne oder sonstige Hilfsmittel angeben lassen und die Notwendigkeit von Handschachtung zur Feststellung, zum Schutz und zur Sicherung denkbar ist (vgl. Ingenstau/Korbion/Kratzenberg a.a.O., A § 9 RdNr. 17).

Die Position 1.2.40 ist danach als Bedarfsposition vergaberechtlich unbedenklich. Ob das Aufsuchen und Freilegen von Einbauten, Fundamenten und dergleichen mit Maschineneinsatz möglich war oder Handschachtung erforderte, ließ sich bei dem mindestens 1,5 km langen Straßenabschnitt (Hausnummern 50 bis 213, darunter zahlreiche gewerbliche Grundstücke) vorher nicht im Einzelnen festlegen. Preislich ist diese Position bei einem Auftragsvolumen von ca. 3.000.000 € von untergeordneter Bedeutung.

Bedarfspositionen müssen grundsätzlich als solche gekennzeichnet sein.

Das hätte hier, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, besser und eindeutiger geschehen können. In der Praxis werden sie üblicherweise mit dem Zusatz "nur auf Anordnung" gekennzeichnet. Ein solcher Zusatz findet sich hier nur in der Vorbemerkung. Wird diese aber wie oben beschrieben ausgelegt, so ist klar erkennbar, dass sich der Vorbehalt der vorherigen Anordnung durch die Bauleitung auf die Position 1.2.40 bezieht. Das reicht aus, um den Bodenaushub in Handschachtung als gesonderte Bedarfsposition, von der nicht bekannt ist, ob und in welchem Umfang sie tatsächlich zur Ausführung kommen wird, für den Bieter zu kennzeichnen. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass sich die Ausschreibung an fachkundige Verkehrskreise wendet, nämlich Tiefbauunternehmer, die mit den eben beschriebenen Verhältnissen vertraut sind.

2. Die Position 1.2.40 ist danach als Bedarfsposition zu qualifizieren. Der Auftrag wird in diesem Fall unter einem Vorbehalt bzw. einer aufschiebenden Bedingung erteilt. die Beauftragung hängt von dem späteren Entschluss des Auftraggebers -aufschiebend bedingt - ab, ob er die entsprechende Position später noch zusätzlich in Auftrag gibt (vgl. insbesondere Ingenstau/Korbion/Kratzenberg a.a.O., A § 9 RdNr. 18). Das bedeutet, dass die Erteilung des Gesamtauftrags noch keinen Auftrag hinsichtlich der Bedarfsposition beinhaltet. dieser ist durch die Anordnung des Auftraggebers aufschiebend bedingt. Das Ausführen einer Bedarfsposition ohne Anordnung des Auftraggebers stellt deshalb eine auftraglose Leistung dar. Unstreitig hat es hier eine Anordnung der Bauleitung der Beklagten nicht gegeben.

Auf das gemeinsame Aufmaß kann sich die Klägerin für ihre Restwerklohnforderung nicht berufen. Ein Aufmaß - beide Parteien haben die Aufmassunterlagen zur Position 1.2.40 unterschrieben - kann zwar ein Anerkenntnis darstellen. eine rechtliche Bindung entsteht dadurch jedoch nur hinsichtlich der von beiden Parteien gemeinschaftlich gemachten tatsächlichen Feststellungen über den Umfang der ausgeführten Arbeiten (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Auflage, Rdn. 1394, 2033 ff). Über die Vertragsgemäßheit der Leistungen besagt das Aufmaß hingegen nichts. aus ihm folgt kein Anerkenntnis des sich aus dem Aufmaß ergebenden Anspruchs. Dem Auftraggeber bleiben die Einwendungen gegen den Werklohnanspruch des Unternehmers erhalten, die nicht die gemeinsam festgestellten Aufmasswerte betreffen (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rdn. 2037). Die Frage, wie der Bodenaushub längs der Fassaden zu vergüten ist, wird von dem Aufmaß nicht berührt.

Eine ohne vorherige Anordnung des Auftraggebers ausgeführte und damit vertraglich nicht geschuldete Bedarfs oder Eventualposition kann jedoch im Einzelfall trotzdem zu vergüten sein (vgl. Ingenstau/Korbion/Kratzenberg a.a.O., A § 9 RdNr. 18. Heiermann/Riedl/Rusam a.a.O., A § 9 RdNr. 134). Hier folgt der Restwerklohnanspruch der Klägerin aus § 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B. Nach dieser Bestimmung werden vertraglich nicht geschuldete Leistungen ausnahmsweise dann vergütet, wenn der Auftraggeber sie nachträglich anerkennt oder wenn sie für die Erfüllung des Vertrages notwendig waren, dem mutmaßlichen Willen des Auftraggeber entsprachen und ihm unverzüglich angezeigt wurden. Diese Voraussetzungen liegen nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme vor.

Die Bauingenieure S... (Bauleiter der Klägerin) und A... (Ausschreibungsverfasser und örtlicher Bauleiter der Beklagten) haben übereinstimmend bekundet, dass im Bereich der Hausfassaden und der Fundamente ein Bodenaushub mit Bagger wegen der Gefahr von Schäden nicht möglich gewesen sei. deswegen sei der Boden in Handschachtung gelöst worden. Streit habe nur über die Frage bestanden, ob dies in einer Breite von 20 cm oder 30 cm erforderlich und abzurechnen gewesen sei. Das entspricht den Angaben des Bauingenieurs W bei seiner Anhörung durch den Senat. dieser war für die Beklagte als Oberbauleiter tätig. Der Zeuge A... hat ausdrücklich bestätigt, dass die Klägerin wirtschaftlich und ordentlich gearbeitet habe und dass der Bodenaushub in Handschachtung in der von dieser entsprechend dem gemeinsamen Aufmaß abgerechneten Menge in einer Breite von 20 cm vor den Fassaden und Fundamenten notwendig gewesen sei. Der Streit darüber, ob diese Leistung unter die Position 1.2.40 falle, sei erst später bei der Abrechnung entstanden.

Der Bodenaushub in Handschachtung war danach notwendig im Sinne des § 2 Nr. 8 VOB/B. er war wegen der bei Maschineneinsatz in erheblichem Umfang drohenden Gefahr von Schäden an den Fassaden und Fundamenten der an der I... Strasse gelegenen Gebäude im wohlverstandenen Interesse der Beklagten geboten und technisch erforderlich, um das mit dem Bauvorhaben verfolgte Ziel der Sanierung von Fahrbahn und Gehweg der I... Straße zu erreichen. Insbesondere ging es nicht darum, der Klägerin die Erfüllung des Vertrages lediglich zu erleichtern.

Der Bodenaushub in Handschachtung entsprach weiter dem mutmaßlichen Willen der Beklagten. Das ist immer dann anzunehmen, wenn der Auftragnehmer sich zwar zur Ausführung der Leistung nicht erklärt hat, sich aber wie jeder verständige Bauherr bei objektiver Beurteilung aller Umstände und bei vernünftiger Überlegung im Sinne der Ausführung erklärt hätte, wenn er die Frage zu entscheiden gehabt hätte. Davon ist hier wiederum wegen der bei Maschineneinsatz drohenden Gefahr von Schäden an den längs der I... Straße gelegenen Gebäuden auszugehen. Die Beklagte hat weit über die ausgeschriebene Menge von 50 Kubikmetern hinaus, nämlich in einer Menge von 581,360 Kubikmetern, die Notwendigkeit von Bodenaushub in Handschachtung und die Abrechnung dieser Leistung nach dem höheren Einheitspreis der Position 1.2.40 anerkannt. In der Beweisaufnahme sind keine Gesichtspunkte hervorgetreten, die eine Differenzierung zwischen den anerkannten Massen und den hier noch streitigen 207,733 Kubikmetern plausibel begründen könnten. Das zeigt deutlich, dass die Beklagte bei wertender Betrachtung auch im Übrigen den Bodenaushub in Handschachtung angeordnet hätte, wenn sie dies zu entscheiden gehabt hätte.

Den Angaben der Zeugen ist weiter zu entnehmen, dass die örtliche Bauleitung und die Oberbauleitung der Beklagten von der Durchführung des - außervertraglichen - Bodenaushubs in Handschachtung rechtzeitig Kenntnis gehabt haben. In einem solchen Fall ist eine unverzügliche Anzeige nach Treu und Glauben nicht erforderlich, weil bei Kenntnis des Auftraggebers oder seines bevollmächtigten Vertreters die mit der Anzeige bezweckte Schutzfunktion entfällt (vgl. Ingenstau/Korbion/Keldungs a.a.O., B § 2 Nr. 8 RdNr. 37. Heiermann/Riedl/Rusam a.a.O., B § 2 RdNr. 168).

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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