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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 29.08.2000
Aktenzeichen: 9 U 23/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 11. Alternative
BGB § 818 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 2

Entscheidung wurde am 09.10.2001 korrigiert: amtlicher Leitsatz und Rechtskraft eingefügt
Wenn ein Dieb mit einem Nachschlüssel einen Einbruch verübt und anschließend mit der entwendeten Eurocheque-Karte unbefugt Geld aus Automaten abhebt, spricht kein Anscheinsbeweis dafür, dass der Kontoinhaber die Eurocheque-Karte zusammen mit der PIN-Nummer aufbewahrt hatte.
Urteil

Im Namen des Volkes !

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2000 durch die Richter , und

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts O... vom 31.01.2000 geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.157,12 DM nebst 4 % Zinsen auf 9.000, DM seit dem 22.05.1996 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 60.000, DM.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, einer Sparkasse, Ausgleich dafür, dass diese ein Konto der Klägerin mit Beträgen belastet hat, die darauf beruhten, dass ein Dritter Bargeld vom Konto der Klägerin mit Hilfe einer EurochequeKarte an Geldautomaten abgehoben hatte.

Während eines Urlaubes der Klägerin brach in der Nacht vom 15. zum 16.09.1995 E... S... mittels eines Nachschlüssels in die Wohnung der Klägerin und ihres Ehemanns in O... ein. Dort entwendete er aus einer Stahlkassette im Schlafzimmer die EurochequeKarte der Klägerin. In der Zeit vom 16.09.1995 bis 26.09.1995 hob S... insgesamt 9.000, DM bei Geldautomaten in O... ab, wobei er die Geheimzahl, den PINCode, verwendete. Diesen PINCode hatte die Klägerin von der Beklagten zu und mitgeteilt bekommen.

Die Beklagte belastete das Konto der Klägerin mit diesen Abhebungen sowie weiteren 1.157,12 DM an Sollzinsen, quartalsmäßig gerechnet, ab dem dritten Quartal 1995 bis zum dritten Quartal 1999. Die Sollzinsen beruhten aus Überziehungen, die ständig unter 9.000, DM lagen. Die Klägerin hat ihr Konto bei der Beklagten mittlerweile aufgelöst.

Die Klägerin fordert von der Beklagten die Zahlung der ihrem Konto zur Last geschriebenen Beträge sowie die Sollzinsen.

Sie hat behauptet, der Dieb müsse die Geheimzahl entweder selber ausspioniert oder mit Hilfe technischer Mittel entschlüsselt haben. Beim Einbruch könne er diese nicht erlangt haben, weil sie, die Klägerin, den Zettel, auf dem der PINCode angegeben war, direkt nach Erhalt vernichtet und sie sich den Code auch nur im Kopf gemerkt habe. Der Dieb könnte insbesondere die Nummer auch ausgespäht haben, weil es möglich gewesen sei, in der Filiale, in der sie, die Klägerin ihr Geld regelmäßig abgehoben habe, durch die Fensterscheiben zuzusehen, welche Zahlen vor der Abhebung eingetippt wurden.

Die Klägerin hat beantragt,

an sie 10.157,12 DM nebst 4 % Zinsen aus 9.000, DM seit dem 22.05.1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klägerin habe die Geldabhebungen grob fahrlässig ermöglicht, indem sie einen Zettel mit der Geheimnummer in der Kassette zusammen mit der EurochequeKarte aufgehoben habe.

Das erstinstanzliche Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliche Aussagen der Zeugen D... und K... zu den Angaben des Zeugen S... in seinem Strafverfahren, der Vernehmung der Zeugen S... und K... S... dazu, ob der Zettel in der Kassette gewesen sei und der Polizeibeamten H... und F... dazu, ob der Zeuge S... gegenüber einem Untersuchungshäftling angegeben habe, er habe die PINNummer in der Kassette gefunden.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Aussagen der Zeugen D..., K..., H... und F... sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 11.01.2000 und 24.01.2000 verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist dabei von einem Anscheinsbeweis dafür ausgegangen, dass die Klägerin den PINCode nicht ausreichend geheim gehalten habe, sondern diesen neben der EurochequeKarte in der Stahlkassette aufbewahrt habe.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren fort.

Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und wendet sich gegen die Beweiswürdigung durch das Landgericht.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und der Klage entsprechend dem erstinstanzlichen Antrag stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung abzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Klägerin habe die Karte und die PINNummer an der gleichen Stelle aufbewahrt. Es sei zudem von einem Anscheinsbeweis zugunsten der Beklagten auszugehen. Ein Ausspähen der Nummer sei praktisch nicht möglich gewesen, da zwischen dem Fenster der Bankfiliale sowie dem Geldautomaten eine Entfernung von 2,50 m bestanden habe.

Der Senat hat erneut die Zeugen K... S... und E... S... vernommen sowie die Klägerin persönlich angehört.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist in der Sache weitgehend begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der 9.000, DM nebst der belasteten Sollzinsen aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative, 818 Absatz 1, 2 BGB.

Für die Abhebungen bestand kein Rechtsgrund, da zwischen den Parteien Vereinbarungen über die jeweiligen Abhebungen nicht getroffen wurden. Die jeweiligen Kontobelastungen hat die Beklagte deshalb ohne Rechtsgrund zu ihren Gunsten erlangt.

Die Beklagte hat demgegenüber keinen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung des Bankvertrages. Sie hat nicht bewiesen, dass die Klägerin die ECKarte zusammen mit der PINNummer aufbewahrt hat.

Zwar hat der Dieb, der Zeuge S..., in erster Instanz angegeben, er habe in der Kassette, die nicht verschlossen gewesen sei, die Scheckkarte und die Nummer gefunden, wobei er nicht mehr angeben konnte, ob die Nummer allein auf einem Zettel oder in einem DINA4Schreiben genannt war. Ausgespäht habe er die Nummer nicht, er habe die Nummer auch nicht aufgrund von Computermanipulationen herausbekommen. Auch bei seiner zweitinstanzlichen Vernehmung hat S... angegeben, er habe im Schlafzimmer in einer nicht verschlossenen Geldkassette die EurochequeKarte gefunden. Irgendwo in der Schublade habe ein kleiner Zettel mit der Nummer gelegen. Es habe sich um einen abgerissenen Spickzettel mit nicht handgeschriebener Nummer gehandelt. Ob dieser Zettel direkt von der Sparkasse gestammt habe, wisse er nicht mehr.

Auf weitere Nachfrage hat der Zeuge S... aber nicht mehr gewusst, ob der Zettel in derselben oder in einer anderen Schublade der Kommode gelegen habe. Zu Computern habe er, der Zeuge, keine näheren Beziehungen. Er habe die Klägerin auch vor der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht gekannt. Den Sohn habe er gekannt, mit dessen Mitbewohnerin sei er gut befreundet gewesen.

Demgegenüber hat die Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat wie bereits in erster Instanz erklärt, am Vorabend vor ihrem Urlaub nach Kanada habe sie die EurochequeKarte in die Kassette gelegt, damit sie unterwegs nicht gestohlen werde. Nach ihrer Hochzeit im Jahre 1991 habe sie die neue Geheimzahl bekommen. Sie habe sich diese eingeprägt und den Zettel gleich vernichtet. Die Nummer habe sich keinesfalls in der Kassette befunden. Sie habe die Nummer auch nie aufgeschrieben.

Der Zeuge K... S..., der Ehemann der Klägerin, hat vor dem Senat ausgesagt, er habe die PINNummer seiner Frau nie gekannt. Nach der Hochzeit im Jahre 1991 habe sie eine neue EurochequeKarte bekommen und den Zettel mit dem PINCode zunächst zerrissen, auf seinen Vorschlag sogar verbrannt. Er habe nie mitbekommen, dass seine Ehefrau sich die PINNummer etwa aufgeschrieben hätte. Auch in der Kassette, in die er vereinzelt gesehen habe, sei ihm ein Zettel mit der Nummer nie aufgefallen. Diese Kassette sei vom Dieb aufgebrochen worden.

Im Hinblick auf die widersprüchlichen Angaben der Zeugen kann der Senat keine Überzeugung davon gewinnen, dass der Zeuge S... hier wahrheitsgemäß ausgesagt hat, die PINNummer zusammen mit der EurochequeKarte gefunden zu haben. Zwar hat S... auch in dem Hauptverhandlungstermin seines Strafverfahrens ausweislich des Sitzungsprotokolles angegeben, der Zettel mit der Geheimnummer habe bei der Scheckkarte gelegen. Ebenso hat der früher zusammen mit S... inhaftierte N... R... gegenüber den Polizeibeamten H... und F... angegeben, der S... habe ihm berichtet, die Geheimnummer sei in der Scheckkartenhülle vorhanden gewesen.

Jedoch variieren die Aussagen des Zeugen S... nicht unerheblich. Insbesondere bekundet S... in der Verhandlung vor dem Senat nicht mehr, die Nummer in der Kassette selber gefunden haben, sondern in derselben oder einer anderen Schublade der Kommode. Auch wenn die Tat nunmehr fünf Jahre zurückliegt, spricht dies als Indiz nicht für eine wahrheitsgemäße Aussage. Auch wird durch die Angabe des R... der Sachverhalt noch anders dargestellt, da in diesem Fall Scheckkartennummer und EurochequeKarte direkt zusammengewesen wären.

Weiterhin kann der Senat letztendlich nicht vollständig ausschließen, dass S... ein Interesse an einer falschen Aussage hat. Zwar ist das Strafverfahren wegen Diebstahls und der anschließenden Betrugstaten abgeschlossen. Denkbar ist es jedoch, dass S... etwa mit seiner Aussage andere Personen decken will, möglicherweise die frühere Mitbewohnerin des Sohnes der Klägerin. Denn diese war früher mit dem Sohn der Klägerin befreundet gewesen. Der Zeuge S... bezeichnet sich selbst als mit ihm gut befreundet. Ein Ermittlungsverfahren gegen diese Mitbewohnerin wegen Diebstahls wurde eingestellt.



Ende der Entscheidung

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