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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 17.01.2005
Aktenzeichen: Ss 428/04
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 69 Abs. 1
Die Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 69 Abs 2 StGB ist für den Zeitpunkt der Hauptverhandlung festzustellen. Dazu muss auch sein Verhalten nach der Tat berücksichtigt werden, zumal wenn er seit dem Tatzeitpunkt mehr als 20 Monate am Straßenverkehr teilgenommen hat.
Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss

Ss 428/04

In dem Strafverfahren

wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 17. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aurich vom 15. September 2004 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen, die auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden hat.

Gründe:

Das Amtsgericht Wittmund hat den Angeklagten am 18. September 2003 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Zugleich hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von neun Monaten für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis festgesetzt.

Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit Urteil vom 15. September 2004 verworfen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Die Rüge einer Verletzung formellen Rechts ist allerdings unbegründet. Das beanstandete Verlesen nur eines Teiles des Urteils erster Instanz entspricht § 324 Abs. 1 Satz 2 StPO. Zudem hat der Angeklagte gegen die dahin gehende Anordnung des Vorsitzenden auch nicht auf Entscheidung des Gerichts nach § 238 Abs. 2 StPO angetragen.

Zwar ist nach den Urteilsfeststellungen nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer den Angeklagten - nach wirksamer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch - zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt hat.

Indessen führt die Sachrüge gleichwohl zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung über die gesamte Rechtsfolgenentscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts. Die Entziehung der Fahrerlaubnis kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen zur Ungeeignetheit des Angeklagten, als Kraftfahrer am Straßenverkehr teilzunehmen, keinen Bestand haben. Zwar hat das Landgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die Tat in einer Kette von nicht unerheblichen Ordnungswidrigkeiten und auch Straftaten steht, die der Angeklagte im Straßenverkehr beging. Dieses Verhalten des Angeklagten - namentlich auch die immer wieder vorgekommenen Geschwindigkeitsüberschreitungen und das ersichtliche vollständige Missachten der Warnfunktion der jeweils früher verhängten Sanktionen - ist in der Tat ein starkes Indiz für einen charakterlichen Mangel des Angeklagten, der eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB rechtfertigt. Allerdings ist, da der Verurteilung keine Anlasstat gemäß § 69 Abs. 2 StGB zugrunde liegt, die Ungeeignetheit zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung festzustellen. Deshalb hätte das Verhalten des Angeklagten nach der Tat berücksichtigt werden müssen. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob das Landgericht dies bedacht hat. Vor allem hätte erörtert werden müssen, dass der Angeklagte in der letzten Zeit verkehrsrechtlich nicht mehr aufgefallen ist. Zwischen dem Tatzeitpunkt und der Berufungshauptverhandlung liegen mehr als 20 Monate, in denen dem Angeklagten die Fahrerlaubnis nicht vorläufig entzogen war. Sofern die Strafkammer dennoch im Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung eine Ungeeignetheit im Sinne von § 69 StGB angenommen hat, die unter anderem voraussetzt, dass die Teilnahme des Angeklagten am Kraftfahrzeugverkehr eine nicht hinnehmbare Gefährdung der Verkehrssicherheit bedeutete, hätte sie sich ferner damit auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit sich die nach der Tat vom Angeklagten wahrgenommenen verkehrspsychologischen Beratungen und Aufbauseminare auf dessen Ungeeignetheit, Kraftfahrzeuge zu führen, ausgewirkt haben.

Falls in der neuen Berufungsverhandlung eine Ungeeignetheit nicht mehr festgestellt werden können sollte, wird zu prüfen sein, ob als Nebenstrafe die Anordnung eines - gegebenenfalls mehrmonatigen - Fahrverbots (§ 44 StGB) in Betracht kommt.

Ende der Entscheidung

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