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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 25.04.2002
Aktenzeichen: 1 U 108/00
Rechtsgebiete: BGB, StGB, HGB, InsO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 31
BGB § 179
BGB § 179 Abs. 1
BGB § 179 Abs. 3
BGB § 366
BGB § 823 Abs. 2
StGB § 266
StGB § 266 Abs. 1
StGB § 14 Abs. 1 Nr. 1
HGB § 15 Abs. 2 Satz 1
InsO § 80 Abs. 1
InsO § 103
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 2 Nr. 1 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 Satz 1 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Az.: 1 U 108/00

Lt. Protokoll verkündet am: 25.04.2002

URTEIL Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H, den Richter am Oberlandesgericht Dr. G und den Richter am Landgericht L im schriftlichen Verfahren nach Schriftsatznachlaß bis 18.04.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das am 28.04.2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Rostock geändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 44.551,09 (DM 87.134,35) nebst 4 % Jahreszinsen seit dem 10.08.1999 zu zahlen. Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision des Beklagten wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte war bis zum Tod des am 18.07.1997 verstorbenen U I (im folgenden: L.) weiterer unecht gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH (im folgenden: W. GmbH), über deren Vermögen auf Antrag vom 04.11.1999 die Gesamtvollstreckung eröffnet wurde.

Da die W. GmbH eine Rechnung der Klägerin vom 27.06.1997 nicht bezahlen konnte, trafen die Parteien am 09.09.1997 folgende Vereinbarung.

"Die von der Firma erbrachten Planungsleistungen in Höhe von DM 137.134,35 für den Neubau eines Mehrfamlienhauses auf dem Grundstück straße 5 in werden durch die Firma und GmbH aus dem mit der Firma P und IV GmbH zu schließenden Kaufvertrag für das Grundstück straße 5 abgetreten."

Der Beklagte erhielt von der Erwerberin mindestens DM 160.000,-. Hiervon leitete er DM 50.000,- an die Klägerin weiter. Der Rest floß in den Geschäftsgang der W. GmbH und ging dort auf.

Die Klägerin wirft dem Beklagten Untreue vor.

Das Landgericht hat gemeint, daß die Abtretungsvereinbarung kein Treueverhältnis begründet habe, und die aus § 823 Abs. 2 BGB hergeleitete Schadensersatzklage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung vertieft die Klägerin ihren gegenteiligen Standpunkt unter Anführung höchstrichterlicher Rechtsprechung.

Sie beantragt,

das am 28.04.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Rostock, Az.: 9 O 538/99, aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie - die Klägerin - DM 87.134,35 nebst 7,5 % Zinsen seit dem 10.08.1999 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Er erachtet die Vereinbarung weiterhin mit der Begründung für unwirksam, daß er nach dem Tod des L. die W. GmbH nicht allein wirksam habe vertreten können. Die Klägerin habe dies erkennen müssen. Ihr Ersatzanspruch sei auch deshalb ausgeschlossen, weil die W. GmbH im Zeitpunkt der Abtretungsvereinbarung materiell insolvent gewesen sei. Schließlich könne die Klägerin nicht ihre volle Vergütung ersetzt verlangen, weil der Grundstückskaufpreis von DM 260.000,- nachträglich um DM 90.000,- herabgesetzt worden sei und die Zession vom 09.09.1997 nicht den Rang erkennen lasse, in dem an die Klägerin die Teilforderung abgetreten worden sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf das landgerichtliche Urteil und die zwischen den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Der Senat hat im Einverständnis der Parteien die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist zulässig und im wesentlichen begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von DM 87.134,35.

I. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Anspruch nicht auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB gestützt.

1. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.07.1995 (NJW-RR 1995, 1369) ist es allerdings nicht zweifelhaft, daß die Abtretungsvereinbarung vom 09.09.1997 nach ihrem Inhalt ein Treueverhältnis im Sinne des § 266 StGB begründete, welches es dem Beklagten gebot, aus dem empfangenen Grundstücksverkaufserlös die volle Vergütung an die Klägerin auszukehren anstatt sie überwiegend im Geschäftsgang der W. GmbH zu verwenden.

a. Selbst wenn die unstreitig stille Zession nur die Sicherung der Architektenvergütung bezweckte - tatsächlich erfolgte sie erkennbar erfüllungshalber -, mußte der Beklagte mit dem eingezogenen Kaufpreis so verfahren, daß er weiterhin die Forderung der Klägerin sicherte. Die Sicherungsvereinbarung stellt sich als ein durch Rechtsgeschäft begründetes Treueverhältnis im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB dar, das den Zedenten und - im Falle einer GmbH - seinen nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB in die Treuepflicht auch persönlich eingebundenen Geschäftsführer zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen des Gläubigers verpflichtet. Die mit ihr vereinbarte fiduziarische Einziehungsermächtigung berechtigt den Zedenten grundsätzlich nur dazu, die abgetretene Forderung für den Zessionar einzuziehen. Das schließt auch ohne besondere Abrede eine Verwendung des Empfangenen im normaleen Geschäftsgang aus, sofern - wie hier - die gesicherte Forderung bereits fällig ist (BGH, a.a.O.).

b. Vom Kaufpreis war selbst dann die volle Vergütung an die Klägerin zu entrichten, wenn dieser nachträglich um DM 90.000,- herabgesetzt worden sein sollte. Die Abtretungsvereinbarung vom 09.09.1997 ging von keinem der Höhe nach bestimmten Kaufpreisanspruch aus. Haftungsmasse war deshalb der aus dem Verkaufsgeschäft tatsächlich realisierte Erlös. Dieser war ausreichend zur Erfüllung der gesicherten Forderung. Damit stellt sich nicht die Frage einer anteiligen Verrechnung nach § 366 BGB. Der Erlös stand der Klägerin in Höhe von DM 137.134,35 und im übrigen der W. GmbH mit gleichem Rang zu. Teilgläubiger können Zahlungen im Verhältnis ihrer Forderungsteile verlangen (BGH, NJW 1991, 2629 [2630]).

2. § 266 StGB ist jedoch nicht erfüllt, weil die Abtretungsvereinbarung vom 09.09.1997 kein wirksames Treueverhältnis begründete (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 266 Rn. 11). Zwar kann auch ein tatsächliches, zivilrechtlich nicht wirksam begründetes Betreuungsverhältnis eine Treuepflicht im Sinne des § 266 StGB entstehen lassen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß nach dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Vermögensinhabers der Dritte gleichwohl seine Tätigkeit aufnehmen bzw. fortführen und so eine entsprechende Einwirkungsmöglichkeit auf das Vermögen des anderen er- bzw. behalten soll (Lencker, in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 266 Rn. 30). Das trifft nicht auf den Fall zu, in dem der zivilrechtliche Mangel des Rechtsgeschäfts - wie bei der Abtretung - nicht nur den Entstehungstatbestand der Treuepflicht berührt, sondern zur weiteren Folge hat, daß in der Person des Dritten erst gar kein Vermögen entsteht.

a. Bei der Abtretungsvereinbarung vom 09.09.1997 wurde die W. GmbH durch den Beklagten nicht wirksam vertreten.

aa. Seine Handlung ist der Zedentin nicht zuzurechnen, weil der Beklagte keine Alleinvertretungsmacht hatte, sondern Gesamtvertretung galt (vgl. BGH, WM 2001, 1515 [1516]). Nach der im Gesellschaftsvertrag getroffenen und im Handelsregister verlautbarten Regelung, welche die Klägerin gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 HGB gegen sich gelten lassen muß, wurde die W. GmbH entweder durch beide Gesellschafter gemeinsam (echte Gesamtvertretung) oder durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen (unechte Gesamtvertretung) vertreten. Gesamtvertretung verlangt die Mitwirkung der dafür bestimmten Gesamtvertreter in der erforderlichen Zahl (Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 17. Aufl., § 35 Rn. 63). Daran fehlte es der Abtretungsvereinbarung vom 09.09.1997. An ihr wirkte weder der zuvor verstorbene Mitgesellschafter L. noch die Prokuristin J S (im folgenden: S) mit.

bb. Mit dem Tod des Mitgeschäftsführers L. erstarkte die Gesamtvertretungsmacht des Beklagten nicht zur Alleinvertretungsmacht. Fällt ein Geschäftsführer weg, dessen Mitwirkung bei der Vertretung der Gesellschaft unentbehrlich ist, so wird dadurch grundsätzlich keine entsprechende Erweiterung des (der) noch vorhandenen Geschäftsführer(s) ausgelöst (Koppensteiner, in: GmbHG, Kommentar, von Heinz Rowedder ..., 3. Aufl., § 35 Rn. 50). Tritt bei einem Wegfall von Geschäftsführern ein Zustand ein, daß nur ein gemeinsam mit einem Prokuristen vertretungsberechtigter Geschäftsführer übrig bleibt, so erstarkt die Gesamtvertretungsmacht des verbleibenden Geschäftsführers grundsätzlich nicht zur Alleinvertretungsmacht. Das ist allgemein anerkannt (Scholz, GmbH-Gesetz, 8. Aufl., § 35 Rn. 72; Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl., § 35 Rn. 86; Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, §§ 35-38 Rn. 45). Auf die streitige Frage, ob der verbleibende Geschäftsführer gemeinsam mit dem Prokuristen die Gesellschaft überhaupt noch gesetzlich vertreten kann (dafür: Scholz, a.a.O.; dagegen: Hachenburg, a.a.O.; Meyer-Landrut/Miller/Niehus, a.a.O.; Koppensteiner, a.a.O.), kommt es hier nicht an. Die Prokuristin S. hat - wie erwähnt - an der Abtretungsvereinbarung vom 09.09.1997 nicht mitgewirkt.

cc. Eine Alleinvertretungsmacht kam dem Beklagten nicht nach der gesellschaftsvertraglich getroffenen Regelung zu, derzufolge dann, wenn nur ein Gesellschafter bestellt ist, dieser die Gesellschaft allein vertritt. Damit ist der Fall gemeint, daß durch Beschluß der Gesellschafterversammlung ein einziger Geschäftsführer bestellt wird, nicht aber derjenige, daß ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer durch Tod des anderen Mitgeschäftsführers als alleiniger Geschäftsführer in der Gesellschaft verbleibt.

dd. Die W. GmbH wurde nicht nach Rechtsscheinsgrundsätzen wirksam durch den Beklagten vertreten. Zwar trifft es zu, daß einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Kenntnis von rechtserheblichen Umständen bereits dann zuzurechnen ist, wenn nur ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer von diesen Umständen Kenntnis erlangt. Für das Entstehen einer Duldungsvollmacht reicht jedoch die alleinige Kenntniserlangung durch den Vertretenen von dem Handeln einer Person als Alleinvertreter nicht aus. Es muß vielmehr noch der Entschluß hinzukommen, gegen die bekannt gewordene Verhaltensweise nicht einzuschreiten. Dieser Entschluß kann jedoch nicht allein durch den seine Vertretungsbefugnis überschreitenden Geschäftsführer gefaßt werden, sondern es muß noch eine entsprechende Willensentschließung des weiteren gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführers hinzukommen (BGH, NJW 1988, 1199 [1200]). Diese ist vorliegend nicht ersichtlich. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß der Mitgeschäftsführer L. von der nach seinem Ableben vereinbarten Abtretung wußte und die Handlung des Beklagten duldete. Ebenso wenig ist eine entsprechende Willensentschließung der Prokuristin S. erkennbar.

b. Die Teilzahlung der W. GmbH an die Klägerin in Höhe von DM 50.000,- enthält keine Genehmigung der schwebend unwirksamen Abtretungsvereinbarung (entsprechend § 177 Abs. 1 BGB).

aa. Wegen der über den Tod des Mitgeschäftsführers L. fortbestehenden Gesamtvertretungsmacht des Beklagten konnte die Genehmigung der W. GmbH nicht durch ihn, sondern allenfalls durch die Prokuristin S. erteilt werden. Daß die Auszahlung an die Klägerin durch diese veranlaßt wurde oder mit ihrem Willen erfolgte (vgl. BGH, WM 2001, 1515 [1516]), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

bb. Eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten setzt regelmäßig voraus, daß sich der Genehmigende der schwebenden Unwirksamkeit bewußt ist oder zumindest mit ihr gerechnet hat und daß in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen (BGH, NJW 1988, 1199 [1200]). Ein derartiges Verhalten der S. ist nicht dargetan. Es ist schon unklar, ob sie von der Abtretungsvereinbarung überhaupt Kenntnis hatte.

c. Der nach § 80 Abs. 1 InsO verwaltungs- und verfügungsberechtigte Insolvenzverwalter hat das Rechtsgeschäft für die W. GmbH unstreitig nicht genehmigt.

d. Dem Beklagten ist es unbenommen, sich auf das Fehlen einer Genehmigung zu berufen. Die Berufung auf die Unwirksamkeit des Vertretergeschäfts kann zwar ausnahmsweise treuwidrig erscheinen, wenn das Geschäft jahrelang als gültig behandelt wurde. Abgeschnitten ist der Einwand jedoch nur dem Vertretenen (vgl. Schramm, in: Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 177 Rn. 30). Der Vertreter handelt nicht treuwidrig, wenn er eine Voraussetzung für seine Haftung nach § 179 Abs. 1 BGB einräumt.

II. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch jedoch aus § 179 Abs. 1 BGB zu.

1. Die Vertreterhaftung ist hier eröffnet, weil die W. GmbH durch die Abtretungsvereinbarung nicht wirksam verpflichtet wurde und deshalb aus dieser nicht vorrangig in Anspruch genommen werden kann (dazu: BGH, NJW 1983, 1308 [1309]).

2. Die Voraussetzungen des § 179 Abs. 1 BGB liegen vor.

a. Die Behauptung des Beklagten, er habe ohne Vertretungsmacht gehandelt, ist als unstreitig zu behandeln. Die Klägerin ist ihr in tatsächlicher Hinsicht nicht entgegengetreten. Die Umstände, welche den Mangel der Vertretungsmacht des Beklagten begründen, hat sie nicht in Zweifel gezogen.

b. Der Insolvenzverwalter der W. GmbH hat die Genehmigung des Vertrages endgültig verweigert. Durch Vorlage seines Schreibens vom 13.03.2002 hat die Klägerin der insoweit ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast genügt (§ 286 ZPO).

3. Der Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB ist nicht gemäß § 179 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Danach scheidet eine Haftung des Vertreters aus, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen mußte. Somit schadet jede Fahrlässigkeit. Gleichwohl ist anerkannt, daß eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nur dann vorliegt, wenn die Umstände des Falles den Vertragspartner veranlassen müssen, sich danach zu erkundigen, ob der Vertreter die zumindest stillschweigend behauptete Vertretungsmacht tatsächlich hat (BGH, NJW 2000, 1407 [1408]; NJW 1990, 387 [388]; Schilker, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl., § 179 Rn. 19; Schramm, a.a.O., § 179 Rn. 40). Ein solcher Umstand ergab sich für die Klägerin nicht daraus, daß nach Behauptung des Beklagten vor dem Ableben des L. beide Geschäftsführer der W. GmbH stets gemeinsam für die Gesellschaft aufgetreten waren. Das mag die Vermutung einer Gesamtvertretungsberechtigung nahegelegt haben. Die Klägerin mußte jedoch nicht annehmen, daß diese nach Versterben des L. als unechte fortbestand und deshalb eine Mitwirkung der S. unerläßlich wurde. Der Gesellschaftsvertrag der W. GmbH hätte für den Fall des Todes eines Mitgeschäftsführers dem verbleibenden Geschäftsführer auch Alleinvertretungsmacht eingeräumt haben können. Eine solche Regelung sehen andere Gesellschaften mit beschränkter Haftung in ihrem Statut durchaus vor. Sie dürfte kaum seltener sein als die unechte Gesamtvertretung. Tritt nach Beendigung der echten Gesamtvertretung durch Tod eines Mitgeschäftsführers der verbleibende Geschäftsführer im Rechtsverkehr alleine auf und behauptet damit konkludent seine Alleinvertretungsmacht, darf deshalb auf deren Bestand der Rechtsverkehr vertrauen, sofern nicht besondere Umstände auf die Anordnung einer unechten Gesamtvertretung hinweisen. Solche Anhaltspunkte gab es für die Klägerin nicht. Sie hatte deshalb keinen Anlaß, das Handelsregister einzusehen.

4. Der Anspruch der Klägerin ist nicht auf den Ersatz des Vertrauensinteresses beschränkt. Voraussetzung hierfür wäre, daß der Beklagte den Mangel seiner Vertretungsmacht nicht kannte (§ 179 Abs. 2 BGB). Dafür hat er nicht den ihm als Vertreter obliegenden Beweis (vgl. Heinrichs, in: Palandt, 60. Aufl., § 179 Rn. 10) angeboten.

5. Da ein Erfüllungsverlangen nach § 179 Abs. 1 BGB ausscheidet, weil die (unwirksam) abgetretene Kaufpreisforderung durch Erfüllung erloschen ist, ist die Klägerin auf den ihr sonst zur Wahl stehenden Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zu verweisen (vgl. Leptien, in: Soergel, BGB, 12. Aufl., § 179 Rn. 15). Danach sind ihr die Vermögensnachteile zu ersetzen, die ihr dadurch entstanden sind, daß die Abtretungsvereinbarung nicht wirksam zustandegekommen ist und die Klägerin deshalb von der W. GmbH weder Erfüllung noch Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann (vgl. BGH, NJW 1988, 1378 [1379]; Leptien, a.a.O.).

a. Hätte der Beklagte mit Vertretungsmacht gehandelt, hätte die Klägerin von der W. GmbH Auszahlung des vereinbarten Kauferlöses in Höhe ihrer vollen Vergütung (Erfüllung) oder, falls der Erlös - wie geschehen - unberechtigt in das Vermögen der W. GmbH gelangt wäre, von dieser gemäß § 31 BGB und vom Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung in gleicher Höhe verlangen können (vgl. BGH, NJW-RR 1995, 1369 [1370]).

aa. Der Senat teilt die - soweit ersichtlich - unwidersprochen gebliebene Ansicht, derzufolge in den Schadensersatzanspruch nach § 179 Abs. 1 BGB einzubeziehen ist, was dem Geschäftspartner an Schaden durch eine Handlung des Vertretenen zugefügt wird, die sich bei wirksamem Zustandekommen des Vertrages als eine positive Forderungsverletzung darstellt (Leptien, a.a.O., § 179 Rn. 17; AG Hamburg, MDR 1964, 512). Dasselbe hat zu gelten, wenn der vollmachtlos handelnde Vertreter erst durch eine unerlaubte Handlung den (Nichterfüllungs-)Schadens endgültig herbeiführt. Es würde dem Zweck der Vertreterhaftung zuwiderlaufen, wenn diese nur deswegen entfiele, weil gerade der Mangel der Vertretungsmacht die Vermögensbetreuungspflicht nicht wirksam zur Entstehung gelangen läßt. Vielmehr hat der Vertreter auch dann zu haften, wenn seine Handlung sonst alle Merkmale der unerlaubten Handlung erfüllt. Denn der Vertragspartner ist so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn ordnungsgemäß erfüllt, mithin der Anspruch gegen den Grundstückserwerber in der von der W. GmbH geschuldeten Höhe wirksam an die Klägerin abgetreten worden wäre.

bb. Dann wäre eine Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB gegeben. Indem dieser die Weiterleitung des Verkaufserlöses in Höhe der von der W. GmbH geschuldeten Vergütung an die Klägerin unterließ, erfüllte er den Tatbestand des § 266 StGB sowohl objektiv (I.1.) als auch in subjektiver Hinsicht. Letzteres ist nicht deshalb zweifelhaft, weil er sich nach eigener Behauptung dazu berechtigt sah, den Verkaufserlös überwiegend dem Vermögen der W. GmbH einzuverleiben. Der Beklagte kannte alle Umstände, welche die Vermögensbetreuungspflicht der W. GmbH begründeten und für die er nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB persönlich einzustehen hatte. Er befand sich also nicht über die tatsächlichen Umstände im Irrtum, die ihm eine vollständige Verwendung des Verkaufserlöses im Geschäftsgang der W. GmbH verboten. Deshalb unterlag er keinem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 Satz 1 StGB), sondern allenfalls einem den Vorsatz nicht ausschließenden Verbotsirrtum (§ 17 Satz 1 StGB) oder einem Subsumtionsirrtum. Auch dieser hätte seinen Vorsatz nicht ausgeschlossen, weil ihm die soziale Tragweite seines Verhaltens und aufgrund einer "Parallelwertung in der Laiensphäre" der unrechtstypisierende Bedeutungsgehalt des Merkmals "Treueverhältnis" bewußt waren (hierzu: Gramer, in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 15 Rn. 43 a). Der Beklagte kann es nicht ernsthaft für rechtens gehalten haben, der Klägerin zunächst das Inkasso für eine ihr abgetretene Forderung anzusinnen - anstatt die Zession offenzulegen und ihr damit die Möglichkeit zur Einziehung zu eröffnen -, um dann die Gelder im Vermögen der in Zahlungsschwierigkeiten geratenen W. GmbH zu vermengen. Die damit einhergehende Vermögensgefährdung, die bereits einen Nachteil im Sinne des § 266 StGB darstellt (Gramer, a.a.O., § 266 Rn. 45) lag angesichts der dem Beklagten bekannten Krisensituation der W. GmbH auf der Hand. Insoweit handelte der Beklagte zumindest mit bedingtem Vorsatz. Das genügt (Gramer, a.a.O., Rn. 49).

b. Der Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten wird durch die Insolvenz der W. GmbH nicht ausgeschlossen.

aa. Es entspricht allerdings einer verbreiteten Ansicht, daß der Vertragspartner aus § 179 Abs. 1 BGB nicht mehr erlangen soll, als er bei einem Vertragsschluß mit dem Vertretenen erhalten hätte. Danach haftet der Vertreter nicht, wenn der Vertretene vermögenslos war und ist und der Dritte deshalb von diesem weder Erfüllung noch Schadensersatz hätte verlangen können (Schilken, a.a.O., § 179 Rn. 15; Leptien, a.a.O., § 179 Rn. 16; Schramm, a.a.O., § 179 Rn. 34). Wird nach Vornahme des Vertretergeschäfts über das Vermögen des Vertretenen das Insolvenzverfahren eröffnet, bevor der Dritte seine Ansprüche hätte durchsetzen können, kann der Vertragspartner nur Schadensersatz in Höhe der fiktiven Insolvenzquote verlangen, sofern nicht der Insolvenzverwalter nach § 103 InsO die Erfüllung wählt.

bb. Die Insolvenz der W. GmbH beschränkt nicht die Haftung des Beklagten. Bei Abschluß der Abtretungsvereinbarung war die Gesellschaft nicht vermögenslos. Sie war Eigentümerin eines werthaltigen Grundstücks. Dessen Surrogat - der später erzielte Verkaufserlös - überstieg die gegenüber der Klägerin bestehenden Verbindlichkeiten der W. GmbH. Zwar erscheint es zweifelhaft, ob die Klägerin auf Vermögen der W. GmbH noch vor der am 04.11.1999 beantragten Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte Zugriff nehmen können, nachdem darin der Großteil des Verkaufserlöses aufgegangen war. Die Frage, ob diese Ungewißheit zu Lasten des Vertragspartners (so wohl Schramm, a.a.O., § 179 Rn. 34) oder des Vertreters geht, stellt sich hier jedoch nicht. Führt gerade eine unerlaubte Handlung des aus § 179 Abs. 1 BGB in Anspruch genommenen Vertreters dazu, daß der durch das Vertretergeschäft dem Vertragspartner zugewiesene, jedoch - bei unterstellter Wirksamkeit des Vertretergeschäfts - in strafbarer Weise dem Vertretenen zugewendete Vermögenswert verloren geht und deshalb dem Zugriff des Vertragspartners entzogen wird, kann sich der Vertreter nicht darauf berufen, der Vertragspartner hätte wegen Vermögenslosigkeit des Vertretenen auch bei Wirksamkeit des Vertretergeschäfts von diesem nichts erhalten. Die Grundsätze, nach denen seine Haftung bei Vermögenslosigkeit des Vertretenen beschränkt oder ausgeschlossen ist, wollen eine dem Zweck des § 179 BGB (Schadloshaltung für das Nichtzustandekommen des Vertrages) widersprechende ungerechtfertigte Besserstellung des Vertragspartners verhindern, nicht aber den Vertreter entlasten, der die Erfüllung des Vertrages seitens des Vertretenen dadurch vereitelt, daß er durch eine weitere Handlung den Vermögensgegenstand entzieht.

III. Der in der Klageforderung enthaltene Umsatzsteuerbetrag ist erstattungsfähig. Der Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) unterliegt eine Schadensersatzleistung nur dann nicht, wenn ihr keine Leistung des Vertragspartners im Austauschverhältnis gegenübersteht. Das ist etwa beim Ausgleich des entgangenen Gewinns der Fall (BGH, NJW-RR 1992, 411). Im Streitfall hat die Klägerin eine entgeltliche Leistung an die W. GmbH erbracht. Die dafür empfangene Vergütung ist deshalb umsatzsteuerpflichtig. Wenn an deren Stelle der vollmachtlose Vertreter den Nichterfüllungsschaden zu ersetzen hat, gilt nichts anderes.

Ob der Beklagte mit Schriftsatz vom 18.04.2002 einen Tatbestand der Umsatzsteuerbefreiung hat behaupten wollen, bedurfte keiner - die Erledigung des Rechtsstreits verzögernden - Aufklärung. Ist seiner Ansicht, die Klägerin könne den in der Klageforderung enthaltenen Umsatzsteuerbetrag nicht geltend machen, ein tatsächliches Vorbringen zu entnehmen, weist der Senat dieses als verspätet zurück (§§ 523, 296 Abs. 2 ZPO a.F.). Es ist grob nachlässig, am Tag, der dem Schluß der mündlichen (Berufungs-) Verhandlung entspricht, erstmals die Höhe der Klageforderung anzugreifen.

IV. Verzugszinsen kann die Klägerin aufgrund ihres Mahnschreibens vom 18.06.1999 seit dem 10.08.1999, jedoch nur in Höhe von 4 % verlangen (§ 288 Abs. 1 BGB a.F.). Einen weitergehenden - vom Beklagten bestrittenen - Verzugsschaden hat sie nicht belegt.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO n.F..

Der Senat hat die Revision des Beklagten gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F. uneingeschränkt zugelassen. Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Frage, ob der vollmachtlose Vertreter auch dann aus § 179 Abs. 1 BGB haftet, wenn der Mangel seiner Vertretungsmacht eine Vermögensbetreuungspflicht nicht entstehen läßt und nur deshalb eine weitere, im übrigen unerlaubte Handlung des Vertreters einen Schadensersatzanspruch nach §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB nicht begründet (A. II. 5. a. aa.), ist - soweit ersichtlich - bislang weder obergerichtlich noch höchstrichterlich entschieden worden. Dasselbe gilt für die Frage, ob sich der vollmachtlose Vertreter auf eine Vermögenslosigkeit des Vertretenen berufen kann, wenn erst eine weitere - unerlaubte - Handlung dazu führt, daß der durch das Vertretergeschäft dem Vertragspartner zugewiesene, jedoch - bei unterstellter Wirksamkeit des Vertretergeschäfts - in strafbarer Weise dem Vertretenen zugewendete Vermögenswert verloren geht (A. II. 5. b. bb.).

Ende der Entscheidung

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