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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 11.02.2008
Aktenzeichen: 1 U 133/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 529
BGB § 766
BGB § 766 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

1 U 133/07

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 11. Februar 2008 beschlossen:

Tenor:

Nach Rücknahme der Berufung wird festgestellt:

Die Berufungsklägerin ist des Rechtsmittels der Berufung verlustig und verpflichtet, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (gemäß § 516 Abs. 3 ZPO).

Der Streitwert für die Berufung beträgt 25.163,84 EUR.

Gründe:

Zum Sachverhalt und den Gründen der Entscheidung:

I.

Die Parteien haben um Ansprüche aus einer Bürgschaft gestritten.

Die Klägerin betreibt eine Gastpiel- und Theaterdirektion und führt bundesweit Tourneen durch. Eine Firma O. T. fungierte hierbei als Transportunternehmen für den Transport der Musik- und Künstlertruppen. Bei der Firma O. T. war der Beklagte als Busfahrer beschäftigt. Nachdem die vorgenannte Firma in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, gewährte ihr die Klägerin ein Darlehen über 30.000,00 € nebst 5% Zinsen p.a.. Die Klägerin setzte zu ihrer Besicherung durch, dass der Beklagte sich als Bürge verpflichtete, alle fehlenden Darlehensrückzahlungsraten innerhalb von fünf Tagen auszugleichen. Sie setzte einen entsprechenden Darlehensvertrag - mit bürgschaftlicher Verpflichtung des Beklagten - auf, der von der Firma O. T. gezeichnet und an die Klägerin zurückgeleitet wurde. Diese war ihrerseits zur Zeichnung erst bereit, wenn der Beklagte den Vertrag unterschrieben hätte. Daraufhin sandte die Firma O. T. dem Beklagten per Telefax den Darslehensvertrag zu, dieser unterschrieb auf dem Fax und übermittelte seinerseits ein Fax mit dem Darlehensvertrag an die Klägerin, die diesen alsdann zeichnete. Die Firma O. T. zahlte insgesamt 8.000,00 € auf ihre Rückzahlungsverpflichtungen aus dem Darlehen, wurde dann jedoch zahlungsunfähig. Die Klägerin verlangte nunmehr den Restbetrag nebst Zinsen von dem Beklagten als Bürgen.

Das Landgericht wies die Klage als nicht begründet ab. Die Bürgschaftserklärung - so die Begründung - sei formunwirksam (§ 766 BGB) und damit nichtig und der Beklagte - entgegen der Ansicht der Klägerin, die eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) geltend machte - nicht gehindert, sich auf den Mangel der Form zu berufen

II.

Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Der Senat beabsichtigte das Rechtsmittel gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen und führte dazu gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO wie folgt aus:

1.

Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Da beides nicht ersichtlich ist, wird das Urteil voraussichtlich den Berufungsangriffen standhalten.

Der Senat folgt den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Die Ausführungen in der Berufungsbegründungsschrift vom 19.11.2007 rechtfertigen eine andere Beurteilung nicht.

a)

Mit Recht geht das Landgericht von der Formnichtigkeit der Bürgschaftserklärung aus, da diese lediglich per Telefax übersandt und damit nicht "schriftlich erteilt" i.S.d. § 766 Satz 1 BGB wurde (BGHZ 121, 224 = NJW 1993, 1126 [Tz. 34 ff.]; aus Staudinger/Horn [1997], § 766 Rn. 29 ergibt sich im Ergebnis nichts anderes). Hiergegen wendet sich die Berufung ersichtlich nicht.

b)

Entgegen der Auffassung der Berufung ist das Landgericht aber auch mit zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Geltendmachung der Formnichtigkeit durch den Beklagten vorliegend keine unzulässige Rechtsausübung und damit keinen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) darstellt.

aa)

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Aufl., § 125 Rn. 16 und MünchKomm/Einsele, BGB, 5. Aufl., § 125 Rn. 57) kann die Berufung auf einen Formmangel - auch bei einer Bürgschaft (BGH, NJW-RR 1991, 757 [Tz. 9]; Palandt/Sprau, a.a.O., § 766 Rn. 5; Staudinger/Horn, BGB [1997], § 766 Rn. 50) - gegen Treu und Glauben verstoßen. Um jedoch einer Aushöhlung der Formvorschriften des bürgerlichen Rechts vorzubeugen, ist der Formmangel eines Rechtsgeschäfts nur ganz ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich (st. Rspr., vgl. BGHZ 121, 224 = NJW 1993, 1126 [Tz. 45]; BGHZ 132, 119 = NJW 1996, 1467 [Tz. 21]; BGH, NJW-RR 1991, 757 [Tz. 9]; OLG Schleswig, OLGR 1997, 185 [186]). Das ist dann der Fall, wenn die Rechtsfolgen der Nichtigkeit nicht nur zu einem harten, sondern zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis für einen Vertragsteil führen würden (vgl. die Nachweise bei Palandt/Heinrichs/Ellenberger und MünchKomm/Einsele, jeweils a.a.O.; Staudinger/Hertel, BGB [2004], § 125 Rn. 111).

Um diese Formel zu konkretisieren, haben Rechtsprechung und Literatur Fallgruppen entwickelt (vgl. dazu Palandt/Heinrichs/Ellenberger, a.a.O., Rn. 21 ff.; MünchKomm/Einsele, a.a.O., Rn. 58 ff.). Danach kann die Unbeachtlichkeit des Formmangels etwa in Betracht kommen, wenn eine Vertragspartei über die Formbedürftigkeit arglistig getäuscht wurde, sonst eine schwere Treuepflichtverletzung oder eine Existenzgefährdung vorliegt oder wenn eine Partei, die längere Zeit aus dem nichtigen Vertrag Vorteile gezogen hat, sich unter Berufung auf den Formmangel ihrer Verpflichtung entziehen will (vgl. zu letzterem Fall: BGHZ 132, 119 = NJW 1996, 1467 [Tz.21]; BGHZ 121, 224 = NJW 1993, 1126 [Tz. 45]; OLG Schleswig a.a.O.).

bb)

Mit Recht hat das Landgericht das Vorliegen dieser Voraussetzungen verneint.

Eine arglistige (d.h. vorsätzliche, vgl. Palandt/Heinrichs/Ellenberger, a.a.O., § 123 Rn. 2, 11) Täuschung durch den Beklagten ergibt sich auch aus der Berufungsbegründung nicht. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Beklagte die Formnichtigkeit seiner per Fax übermittelten Bürgschaftserklärung gekannt hatte. Selbst wenn er um die drohende Insolvenz seines Arbeitgebers, der Fa. O. T., sowie den Umstand gewusst haben sollte, dass für die Klägerin seine - des Beklagten - Bürgschaft Voraussetzung für die Gewährung des Darlehens war, kann daraus nicht der Schluss auf seine Kenntnis von der Unwirksamkeit gezogen werden. Vielmehr gingen nach Ansicht der Berufung beide Parteien von der Wirksamkeit der abgegebenen Bürgschaft aus - wie im Übrigen auch die Eheleute O., die in erster Linie an der Abgabe der Bürgschaftserklärung noch am selben Tag interessiert waren, um unverzüglich das Geld ausbezahlt zu erhalten. Dass der Beklagte möglicherweise geschäftserfahren war, weil er neben seiner Busfahrertätigkeit auch als Tourneebegleiter auftrat und Abrechnungen für die Klägerin vornahm, führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine bewusste Täuschung hinsichtlich der Wirksamkeit seiner Bürgenverpflichtung ergibt sich daraus nicht.

Aus den selben Gründen liegt auch eine besonders schwere Treuepflichtverletzung nicht vor. Insbesondere war der Beklagte - auch nicht aufgrund seiner möglicherweise zuvor übernommenen Tätigkeiten für die Klägerin - nicht verpflichtet, sich darüber zu informieren, ob eine per Fax abgegebene Bürgschaftserklärung formwirksam im Sinne des § 766 BGB ist. Dies gilt umso mehr, als auch die Klägerin von der Wirksamkeit der Bürgschaft ausging und das Darlehen umgehend auszahlte. Es kommt daher weder darauf an, ob der Beklagte wusste, dass ohne seine Unterschrift keine Darlehensgewährung erfolgen und die Fa. O. T. damit insolvent würde, noch darauf, ob zwischen den Parteien ein "besonderes Vertrauensverhältnis" wegen der vorangegangenen Tätigkeiten des Beklagten bestand. Der Beklagte gab die von ihm geforderte Erklärung ab in der Annahme, damit alles Erforderliche getan zu haben - dass dies nicht der Fall war, wusste er nicht. Eine Pflichtverletzung ist darin nicht zu sehen.

Schließlich ist nicht dargetan, dass der Beklagte aus der formnichtigen Bürgschaft derartige Vorteile gezogen hätte, dass die Erfüllungsverweigerung ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich wäre. Zwar mag der Beklagte zunächst davon profitiert haben, dass die Klägerin seinem Arbeitgeber ein Darlehen gewährte, wodurch dessen Insolvenz zumindest hinausgezögert und der Arbeitsplatz des Beklagten gesichert wurde. Entgegen der Ansicht der Berufung kann hierfür jedoch schon nicht der gesamte Zeitraum von ca. 15 Monaten zwischen Darlehensauszahlung (14.07.2004) und Insolvenzeröffnung (17.10.2005) herangezogen werden. Abgesehen davon, dass der Insolvenzantrag ausweislich des Eröffnungsbeschlusses des Amtsgerichts Norderstedt bereits unter dem 29.09.2005 gestellt wurde, ergibt sich aus dem Schreiben der Fa. O. T. an die Klägerin vom 08.08.2005, dass der Beklagte schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Betrieb der Hauptschuldnerin tätig war ("... mussten wir uns auf einen Bus verkleinern, so dass auch G. nicht mehr bei uns in der Firma ist"). Wann der Beklagte tatsächlich ausschied, ist nicht vorgetragen. Auch behauptet die Klägerin nicht, der Beklagte habe bei Insolvenz der Hauptschuldnerin - mangels anderer Angebote - mit Arbeitslosigkeit rechnen müssen. Im Übrigen betreffen die vom BGH und dem OLG Schleswig (jeweils a.a.O.) entschiedenen Fällen jeweils GmbH-Gesellschafter, die sich für Forderungen gegenüber der GmbH verbürgt haben, und können daher nicht ohne weiteres auf einen Arbeitnehmer - wie vorliegend - übertragen werden. Der Beklagte hat demnach aus der Darlehensgewährung keine derartigen Vorteile gezogen, die es rechtfertigen würden, den Grundsatz der Formnichtigkeit ausnahmsweise zu durchbrechen.

cc)

Auf die mit der Berufung gerügte Nichtberücksichtigung verschiedener Tatsachen durch das Landgericht kommt es daher nicht an.

c)

Die Voraussetzungen für mögliche Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten wegen einer Verletzung des Bürgschaftsvertrages hat die Klägerin ebenfalls nicht dargetan. So fehlt es schon nach ihrem Vortrag an einem zurechenbaren Verschulden des Beklagten, der selbst von der Wirksamkeit seiner Bürgenverpflichtung ausging.

Diese vom Senat erteilten Hinweise hatten zum Ergebnis, dass die Klägerin die Berufung zurücknahm, weshalb der Senat - wie erkannt - über die daraus entstehenden Rechtsfolgen (§ 516 Abs. 3 ZPO) durch Beschluss zu entscheiden hatte.

Ende der Entscheidung

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