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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 12.08.2008
Aktenzeichen: 1 U 157/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 118 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 286
ZPO § 529
BGB § 627
BGB § 628
BGB § 628 Abs. 1 Satz 1
BGB § 628 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

1 U 157/08

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 12.08.2008 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin vom 08.07.2008, ihr für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der Antrag der Klägerin vom 08.07.2008, ihr für den zweiten Rechtszug Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist mangels Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zurückzuweisen.

Gemäß § 114 ZPO ist Prozesskostenhilfe nur unter der Voraussetzung einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu bewilligen. Das durch die Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Rostock vom 05.06.2008, Az: 4 O 206/07, geplante Rechtsmittel der Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, da das angefochtene Urteil weder auf einer Rechstverletzung beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

a)

Das erstinstanzliche Urteil weist keine Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts auf.

Zu Recht ist der erstinstanzliche Richter davon ausgegangen, dass der durch die Klägerin mit der Klage verfolgte Vergütungsanspruch aus dem Anwaltsvertrag durch die Kündigung der Beklagten gemäß § 628 Abs. 1 S. 2 BGB entfallen ist.

Alle drei Beklagten haben den mit der Klägerin geschlossenen Anwaltsvertrag über die Rechtsvertretung - in einer Verkehrsrechtssache anlässlich eines Unfalls vom 26.07.2002 mit den Eheleuten P. - am 19.07.2004 gekündigt. Die Kündigung ist durch die Beklagtenvertreter namens aller drei Beklagten gegenüber der Klägerin schriftlich ausgesprochen worden. Infolge der Kündigung richteten sich die Rechtsbeziehungen der Parteien nach den §§ 627, 628 BGB. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz schließt die Anwendung dieser Vorschriften nicht aus (BGH, NJW 1982, 437; WM 1977, 369, 371). Davon ist auch das Landgericht zutreffend ausgegangen.

Wird nach Beginn der Dienstleistung das Dienstverhältnis aufgrund des § 627 BGB gekündigt, so kann der Dienstverpflichtete zwar nach dem in § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltenen Grundsatz einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Hat der Rechtsanwalt aber - was das Landgericht angenommen hat - durch vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Auftraggebers veranlasst, so steht ihm nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Anspruch auf die Vergütung nicht zu, soweit seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse mehr haben.

Eine Leistung ist für den Dienstberechtigten ohne Interesse, wenn er sie nicht mehr wirtschaftlich verwerten kann, sie also für ihn nutzlos geworden ist. Dieser Lage sieht sich der Auftraggeber eines Rechtsanwalts gegenüber, wenn er wegen einer von dem bisherigen Prozessbevollmächtigten durch vertragswidriges Verhalten veranlassten Kündigung einen anderen Prozessbevollmächtigten neu bestellen muss, für den die gleichen Gebühren nochmals entstehen. Die Aufwendungen für den zuerst bestellten Prozessbevollmächtigten sind dann für den Auftraggeber nutzlos geworden. Das führt zum Untergang des Vergütungsanspruchs, ohne dass es einer Aufrechnung des Auftraggebers mit Gegenforderungen bedarf (BGH, VersR 1982, 143; 1984, 985, WM 1977, 369).

So liegt der Fall hier. Das Landgericht ist in nicht zu beanstandender Art und Weise aufgrund der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme (hierzu unter b) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin durch schwerwiegende schuldhafte Verletzung der ihr aus dem Anwaltsvertrag obliegenden Pflichten die Kündigung der Beklagten verursacht hat.

Einem Rechtsanwalt obliegt aus dem Anwaltsvertrag in erster Linie die Pflicht, die Interessen des Mandanten in den Grenzen des erhaltenen Mandats nach jeder Richtung umfassend wahrzunehmen und sein Verhalten so einzurichten, dass Schädigungen des Mandanten möglichst vermieden werden (MüKo/Heermann, BGB, 4. Aufl., § 675 Rn. 28). Zu seinen Pflichten gehört es insbesondere, den Mandanten umfassend zu beraten. Diese allgemeine Beratungs- und Belehrungspflicht besteht innerhalb wie außerhalb des Prozesses (Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 276 Rn. 179). Der Mandant muss über die Rechtslage belehrt werden, um ihn vor möglichen Schäden zu bewahren. Bleibt der Anwalt auf ein Schreiben seines Mandanten mit der Bitte, er möge einen Besprechungstermin vorschlagen, untätig, verletzt er damit bereits seine Pflichten (BGH, VersR 1969, 259; MüKo/Heermann, a.a.O., § 675 Rn. 30).

Vorliegend hatte die Klägerin aufgrund des Anfang Juni durch das Gericht übersandten Gutachtens als auch wegen des zunächst für Juli 2004 anberaumten Verhandlungstermins Anlass einen Besprechungstermin mit den Beklagten zu vereinbaren. Wenigstens war sie verpflichtet, das Gutachten an alle drei Beklagte zu übersenden und ihre eigene Erreichbarkeit für zu erwartenden Rückfragen sicherzustellen. Nach dem Vortrag der Beklagten ist die Klägerin hingegen nicht nur nicht tätig geworden sondern auch über einen Zeitraum von wenigstens fünf Wochen nicht erreichbar gewesen. Wenngleich eine jederzeitige Erreichbarkeit nicht erforderlich ist, so hätte sie doch angesichts des konkreten Gesprächsbedarfs wenigstens die Möglichkeit einer Terminsabsprache gewährleisten müssen. Ihrer Pflicht, die Mandanten optimal auf den Prozess vorzubereiten, ist die Beklagte somit nicht hinreichend nachgekommen.

Die Pflichtverletzung, die sie gegenüber allen drei Beklagten begangen hat, war auch Anlass für die durch den neuen Prozessbevollmächtigten der Beklagten in deren Namen ausgesprochenen Kündigung.

b)

Das erstinstanzliche Urteil weist auch keine Fehler bei der Tatsachenfeststellung auf. Zu Recht hat der erstinstanzliche Richter den - eine Pflichtverletzung der Klägerin begründenden - Vortrag der Beklagten seiner Entscheidung zugrundegelegt.

aa)

Zunächst ist er richtigerweise von der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten bezüglich der Voraussetzungen der zur Kündigung führenden Pflichtverletzung ausgegangen.

Da § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Dienstberechtigten, hier die Beklagten, wenn sie auf Zahlung der nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB geschuldeten Vergütung in Anspruch genommen werden, eine Einwendung darstellt, müssen sie deren Voraussetzungen darlegen und beweisen.

Nach der allgemeinen Regel muss jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Normen darlegen und beweisen, die beklagte Partei also insbesondere diejenigen der rechtsvernichtenden, rechtshindernden und rechtsausschließenden Vorschriften (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., Vor § 284, Rn. 17). Hiervon ausgehend wird im Schrifttum sowohl zum Anwaltsgebührenrecht (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 15 Rn. 75; Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., § 15 Rn. 44) als auch zum allgemeinen Dienstvertragsrecht dem Dienstberechtigten die Darlegungs- und Beweislast dafür auferlegt, dass der Dienstverpflichtete die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten veranlasst hat und dass das Interesse an dessen bisherigen Leistungen entfallen ist (BGH, NJW 1995, 1954; Staudinger/Preis, BGB, 13. Aufl., § 628 Rdn. 65; MüKo/Heussler, a.a.O., § 628 Rn. 26).

Zu derselben Beweislastverteilung führt der Gedanke, dass der Dienstberechtigte, wenn er behauptet, wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Dienstverpflichteten zur Kündigung nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB berechtigt zu sein, ein solches Verhalten behaupten und erforderlichenfalls beweisen muss, wenn er daraus das Recht herleiten will, von einer Vergütung der bisherigen Leistungen abzusehen.

bb)

Im Anschluss hat das erstinstanzliche Gericht rechtsfehlerfrei die Tatsachen festgestellt. An der Richtigkeit und Vollständigkeit der durch das Erstgericht durchgeführten Beweisaufnahme und -würdigung bestehen keine Zweifel.

Der erstinstanzliche Richter hat die Aussagen der vernommenen Zeugen nachvollziehbar gewürdigt, ohne dabei gegen Denkgesetze zu verstoßen. Soweit er im Rahmen der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO zu dem Ergebnis gelangt, dass mit dem Beginn der Prüfungsvorbereitungen der Zeugin B. im Juni 2004 bis zum Ende des Klinikaufenthalts der Klägerin im Juli 2004 der Kanzleibetrieb unzureichend organisiert und eine Erreichbarkeit nicht sichergestellt gewesen ist, deckt sich dies mit dem Inhalt der Zeugenaussagen.

Zu Recht hat der erstinstanzliche Richter im Rahmen der freien Beweiswürdigung auch berücksichtigt, dass die Zeugen B., M. und L. eine von der Klägerin vorgefertigte, falsche Angaben enthaltende eidesstattliche Versicherung unterschrieben haben. Es ist nachvollziehbar und liegt nahe, daraus, dass die Klägerin den Versuch unternommen hat, die Zeugen in ihren Aussagen zu beeinflussen, als auch aus der Tatsache, dass sie im Sommer 2004 tatsächlich schwer erkrankt gewesen ist, den Schluss zu ziehen, dass sie den Kanzleibetrieb während dieser Zeit nicht ordnungsgemäß organisiert hatte.

Kosten werden gemäß § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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