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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 03.05.2001
Aktenzeichen: 1 U 233/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 985 | |
BGB § 556 | |
BGB § 861 | |
BGB § 862 | |
ZPO § 935 | |
ZPO § 940 |
2. Zu den Voraussetzungen, unter denen im Wege einstweiliger Verfügung vorbeugender possessorischer Besitzschutz zu gewähren ist. Dieser kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn im Wege eines vom Verfügungsbeklagten gestellten "Gegenantrages" zugleich über das materielle Besitzrecht des Verfügungsklägers zu befinden ist.
3. Der Erlass einer auf Herausgabe einer Sache gerichteten einstweiligen Verfügung ist dann gerechtfertigt, wenn dem Gläubiger durch die Vorenthaltung des Besitzes unabwendbare Nachteile entstanden sind und weiterhin drohen. Hierzu bedarf es einer Interessenabwägung, die zugunsten des Gläubiger ausfällt, wenn dieser auf die Herausgabe der Sache dringend angewiesen ist und - bei einem erheblichen Ausfall schon bestehender Zahlungsansprüche - auch nicht mit der Realisierung von Nutzungsentschädigungsansprüchen zu rechnen ist.
Az.: 1 U 233/00
verkündet am: 03.05.2001
Urteil im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock auf die mündliche Verhandlung vom 19. 04. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das am 22. November 2000 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stralsund - Az.: 6 O 463/00 - teilweise abgeändert und - unter Zurückweisung der Berufung im übrigen - wie folgt neu gefasst:
Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin ist verpflichtet, das im Hafen von Saßnitz/Rügen liegende Motorschiff "T. D." an die Verfügungsbeklagte herauszugeben.
Der Verfügungsklägerin wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, untersagt, die Verfügungsbeklagte in irgendeiner Weise daran zu hindern, von ihr entsandte Mitarbeiter, Repräsentanten, Besichtiger oder Agenten an Bord des Motorschiffes "T. D." zu entsenden.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin 9/10, die Verfügungsbeklagte 1/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Herausgabe des im Hafen von Saßnitz liegenden Hotelschiffes "T. D." und begehren wechselseitig einstweiligen Rechtsschutz.
Die Verfügungsbeklagte, ein Reedereiunternehmen mit Sitz in Limassol (Zypern), ist Eigentümerin des Schiffes und wird vertreten von dem Präsidenten des Direktorenrates, F. P. M., der die Geschäfte hauptsächlich von dem Büro der Niederlassung in Moskau aus leitet. Die Verfügungsklägerin betreibt auf dem Schiff ein Beherbergungs- und Gaststättengewerbe.
Zwischen den Parteien wurde eine Reihe von Verträgen in russischer und deutscher Sprache über die Nutzung des Schiffes und damit im Zusammenhang stehende Rechtsverhältnisse geschlossen. Der zuletzt geschlossene Vertrag vom 22. 6. 2000, der die Verfügungsklägerin verpflichtete, das Schiff spätestens zum 31. 10. 2000 zurückzugeben, wurde von dieser wegen angeblicher Drohung angefochten. Die Verfügungsklägerin will der Verfügungsbeklagten im Wege einstweiliger Verfügung untersagen lassen, das Schiff aus dem Hafen in Saßnitz zu entfernen. Die Verfügungsbeklagte will ihrerseits im Wege einstweiliger Verfügung sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter und Repräsentanten das Schiff betreten und aus dem Hafen entfernen können.
Die Parteien verband eine Reihe von Verträgen, die die Nutzung des Hotelschiffes durch die Verfügungsklägerin zum Gegenstand hatten. Im Laufe der Jahre 1999 und 2000 kam es zwischen ihnen zu persönlichen Gesprächen über die Fortsetzung eines Chartervertrages und den Ankauf des Schiffes durch die Verfügungsklägerin. Am 22.06.2000 schlossen die Parteien einen Chartervertrag, der rückwirkend zum 01.01.2000 in Kraft treten sollte. Darin ist u.a. festgelegt, dass "das Schiff aus dem Time-Charter am 01.11.2000 zurückgegeben" wird. Mit Schreiben vom 25.09 200 erklärte die Verfügungsklägerin die Anfechtung dieses Vertrages mit der Begründung, sie sei zum Abschluss dieses Vertrages durch Drohungen des Präsidenten der Verfügungsbeklagten bestimmt worden.
Mit einem an die "offiziellen Behörden Deutschlands" adressierten Schreiben vom 3. 10. 2000, das zu einem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt auch der Verfügungsklägerin bekannt wurde, teilte die Verfügungsbeklagte ferner mit, dass das Schiff "T. D.... unser Eigentum ist und laut Chartervertrag vom 22. 6. 2000 von der Firma V gechartert wird". Da diese Firma ihre "Frachtzahlungsverpflichtung verletzt" habe, kündigte die Verfügungsbeklagte die Vertragsbeziehung "ab 2.10.2000" auf. In einem weiteren Schreiben an die frühere Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin vom 11. 10. 2000 machte die Verfügungsbeklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten "nochmals ausdrücklich höchst vorsorglich" das Recht geltend, "unter der unstreitigen Zusatzvereinbarung vom 2. Juli 1999 wegen Ortsverlagerung und durchgreifender Reparatur die Rücklieferung des Schiffes zum 01.03.2001 zu fordern.
Die Verfügungsklägerin hat u.a. die Ansicht vertreten, dass ihr aufgrund der mit der Verfügungsbeklagten abgeschlossenen Verträge über den Monat November 2000 hinaus ein Besitzrecht an dem Schiff zustehe. Der Chartervertrag vom 22.06.200 sei nichtig, weil sie diesen wirksam wegen Drohung durch den Präsidenten der Verfügungsbeklagten angefochten habe. Die Verfügungsbeklagte hat dies in Abrede genommen und sich auf die Wirksamkeit des Vertrages vom 22.06.2000 berufen.
Das Landgericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme den Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und ihr auf den Gegenantrag der Verfügungsbeklagten hin untersagt, die Verfügungsbeklagte daran zu hindern, das MS "T. D." von seinem jetzigen Liegeplatz zu entfernen und an einen anderen von der Verfügungsbeklagten benannten neuen Liegeplatz zu verbringen.
Die dagegen gerichtete Berufung der Verfügungsklägerin hatte nur insoweit Erfolg, als anstelle des vom Landgericht der Verfügungsbeklagten zugestandenen Entfernungsrechts die Verfügungsklägerin zur Herausgabe des Hotelschiffs an die Verfügungsbeklagte verpflichtet wurde.
Entscheidungsgründe:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die form- und fristgemäß eingelegte und begründete Berufung der Verfügungsklägerin ist teilweise begründet.
Gegen das auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten ergangene Urteil des Landgerichts ist die Berufung statthaft. Die Berufung findet gemäß § 511 ZPO gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt. Gemäß §§ 925 Abs. 1, 936 ZPO ist über den Widerspruch gegen den Beschluss, durch den eine einstweilige Verfügung - erlassen wird, durch ein solches Endurteil zu entscheiden (vgl. auch Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 925 Rn. 11).
Das Urteil des Landgerichts unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung, nicht nur in dem Umfang, in dem der frühere Beschluss durch den Widerspruch des Verfügungsbeklagten angegriffen wurde. Aufgrund des Widerspruchs hat das Gericht so zu entscheiden, als ob es erstmals mit dem Antrag auf einstweilige Verfügung befasst wäre (vgl. Wieczorek/Schütze/Thümmel, ZPO, 3. Aufl. 1995, § 925 Rn. 2). Das Verbot der reformatio in peius gilt deshalb in Bezug auf den Widerspruch nicht. Vielmehr kann der Verfügungskläger seinen ursprünglichen Antrag weiterverfolgen, ggf. verstärken (vgl. Wieczorek/Schütze/Thümmel, aaO. Rn. 4) und bei einem zurückweisenden Urteil im zweiten Rechtszug - wie geschehen - in vollem Umfang zur Nachprüfung stellen.
I. Verbot, das Hotelschiff ohne Zustimmung der Berufungsklägerin vor dem 1. 11. 2001 aus dem Hafen von S zu entfernen
1. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung zugunsten der Verfügungs- und Berufungsklägerin gem. §§ 935, 940 ZPO liegen nicht vor. Die Verfügungsklägerin dringt mit ihrem possessorischen Besitzschutzanspruch gemäß § 861 BGB i.V.m. § 935 ZPO im Ergebnis nicht durch, da sie eine konkrete Gefährdung ihres Besitzes nicht glaubhaft gemacht hat.
Bei den possessorischen Besitzschutzansprüchen der §§ 861, 862 BGB kommt es gemäß § 863 BGB grundsätzlich nicht darauf an, ob der Besitzer zum Besitz berechtigt ist". Der Verfügungsklägerin stünde daher ein Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes zu, wenn ihr dieser Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen worden wäre. Dieser Anspruch könnte auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß §§ 935, 940 ZPO durchgesetzt werden, da in solchen Fällen ipso iure vom Bestehen eines Verfügungsgrundes auszugehen ist (vgl. MünchKomm./Joost, BGB, 3. Aufl. 1997, Rn. 2 und 15 f.). Die Besitzschutzansprüche haben gerade den Sinn, den vor der Besitzstörung bestehenden Zustand umgehend wieder herzustellen. Die Tatsache, dass ein Besitzentzug noch nicht stattgefunden hat und die Verfügungsklägerin somit nicht gemäß § 861 BGB "Wiedereinräumung" des Besitzes verlangen kann, würde einen vorbeugenden Besitzschutz nicht ausschließen. Es ist allgemein anerkannt, dass dem Besitzer auch ein vorbeugender Unterlassungsanspruch zusteht und dieser wiederum im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchgesetzt werden kann (sog. "Unterlassungsverfügung", vgl. dazu Zöller/Vollkommer, ZPO, § 940 Rn. 1; MünchKomm./Joost, aaO. Rn. 10). Es muss nicht abgewartet werden, bis sich die drohende Besitzstörung verwirklicht hat. Andernfalls wäre zu befürchten, dass der Besitzschutz leerliefe, weil eine Besitzstörung in Gestalt einer Entfernung des Schiffes aus dem Hafen von Saßnitz nicht wieder rückgängig gemacht werden könnte. Voraussetzung eines vorbeugenden Besitzschutzes ist aber, dass die von der Verfügungsklägerin befürchtete Besitzstörung durch die Verfügungsbeklagte hinreichend wahrscheinlich bevorsteht (MünchKomm./Joost, aaO. § 862 Rn. 3).
Vorbeugende Unterlassung kann verlangen, wer aus konkretem Anlass künftige Störungen zu befürchten hat, weil solche Störungen z.B. in der Vergangenheit vorkamen oder von dem Störer angekündigt wurden (vgl. Staudinger/Bund [1995] § 862 Rn. 6). Die Verfügungsklägerin hat zwar behauptet, dass die Verfügungsbeklagte damit gedroht habe, das Schiff ohne Zustimmung der Verfügungsklägerin aus dem Hafen von S zu verholen, aber dieser Behauptung ist die Verfügungsbeklagte von Anfang an mit eidesstattlichen Versicherungen ihres Präsidenten entgegengetreten. Von einer erneuten Vernehmung des Zeugen O hat der - Senat abgesehen, da dessen Aussagen vom Landgericht im ersten Rechtszug im Ergebnis zu Recht nicht als glaubhaft bewertet worden sind. Es gibt eine Reihe von Indizien, die gegen die vom Zeugen O gemachte Aussage sprechen, dass die Verfügungsklägerin und ihre Familie anlässlich der Unterzeichnung des Chartervertrages vom 22. 6. 2000 in Moskau bedroht worden seien (ausführlich dazu II 2 a der Entscheidungsgründe). Die von der Verfügungsklägerin in ihrer Anfechtungserklärung vom 25. 9. 2000 und in ihrem Schriftsatz vom 23. 10. 2000 erhobene Behauptung, der Repräsentant der Verfügungsbeklagten habe auch damit gedroht, das Schiff notfalls gegen den Willen der Verfügungsklägerin aus dem Hafen von S zu verholen, hat der Zeuge nicht bestätigt. Unerheblich ist insoweit, dass er bei seiner Vernehmung als Zeuge nicht ausdrücklich danach gefragt worden ist. Gegen die Glaubhaftigkeit dieser Behauptung sprechen die gleichen Gesichtspunkte wie gegen die Glaubhaftigkeit der angeblichen gegen Leib und Leben der Verfügungsklägerin und ihrer Familienangehörigen gerichteten Drohung. Gegen eine solche Drohung spricht im Übrigen auch, dass die Verfügungsbeklagte trotz eines im ersten Rechtszug obsiegenden Urteils, in dem ihr - ohne Sicherheitsleistung - sogar die eigenmächtige Inbesitznahme des Schiffes gestattet worden ist, bisher keine Anstalten gemacht hat, von dem ihr zugesprochenen Besitzrecht Gebrauch zu machen.
2. Abgesehen von diesen Zweifeln an einer drohenden Besitzstörung scheitert der Verfügungsanspruch der Verfügungsklägerin auch daran, dass mit Rücksicht auf den von der Verfügungsbeklagten gestellten "Gegenantrag" (vgl. zur Zulässigkeit Zöller/Vollkommer, aaO. § 935 Rn. 4) ausnahmsweise zugleich über das materielle Besitzrecht der Verfügungsklägerin geurteilt werden muss. Gemäß § 863 BGB ist der Besitzstörer gegenüber den possessorischen Besitzschutzansprüchen zwar prinzipiell mit petitorischen, auf sein Recht zum Besitz gestützten Einwendungen ausgeschlossen. Im Falle einer petitorischen Widerklage erkennt der BGH jedoch eine Ausnahme an und fordert zur Vermeidung widersprüchlicher Urteile in Anlehnung an die Regelung des § 864 Abs. 2 BGB die Berücksichtigung entscheidungsreifer Besitzrechte. Danach ist die possessorische Besitzschutzklage bei Entscheidungsreife auch der petitorischen Widerklage abzuweisen und zugleich der Widerklage stattzugeben (BGH NJW 1979, 1358, 1359 und NJW 1979, 1359, 1360). Das gilt nicht nur, wenn das petitorische Urteil rechtskräftig ist - wie § 864 Abs. 2 BGB voraussetzt -, sondern auch bei lediglich vorläufig vollstreckbaren Urteilen. Eine ebensolche Gefahr widersprechender Urteile besteht auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn dem Antrag auf possessorischen Besitzschutz ein entscheidungsreifer, auf das Besitzrecht der Verfügungsbeklagten gestützter petitorischer "Gegenantrag" auf Besitzeinräumung gegenübersteht. Dies ist vorliegend der Fall. Insofern ist auch hier der possessorische Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Rücksicht auf den Erfolg des petitorischen "Gegenantrags" zurückzuweisen.
II. Gegenantrag der Verfügungsbeklagten
Der zulässige "Gegenantrag" der Verfügungsbeklagten auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist teilweise begründet.
1. Gemäß § 937 ZPO ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Im ersten Rechtszug war gemäß §§ 23, 71 GVG das angerufene Landgericht sachlich zuständig, nicht etwa das Amtsgericht. § 23 Ziff. 2 a GVG ist nicht einschlägig, da sich der Streit nicht auf ein Mietverhältnis über Wohnraum bezieht. Nicht als Wohnräume gelten bewegliche Sachen und deren Innenräume, z.B. Schiffsräume, auch wenn das Schiff an einem festen Platz aufgestellt ist (Palandt/Weidenkaff, aaO. Einf v § 535 Rn. 68).
2. Die Verfügungsbeklagte hat gegen die Verfügungsklägerin einen Herausgabeanspruch gemäß §§ 985, 556 BGB und kann diesen gemäß § 940 ZPO zur Abwendung wesentlicher Nachteile im Wege einer Regelungsverfügung vorläufig durchsetzen. Mit Ablauf der vereinbarten Schiffscharter am 1. 11. 2000 steht der Verfügungsklägerin kein Besitzrecht mehr zu.
Soweit der Gegenantrag zum Inhalt hat, der Verfügungsbeklagten die eigenmächtige Entfernung des Schiffes zu gestatten, hat der Antrag allerdings einen ungesetzlichen Inhalt. § 858 BGB verbietet den eigenmächtigen Besitzentzug ohne den Willen des Besitzers und kann daher nicht zulässiger Inhalt einer einstweiligen Verfügung sein. Zulässig ist jedoch, die Verfügungsklägerin zur Herausgabe des Schiffes zu verurteilen.
Diese Verurteilung bildet ein "Weniger" gegenüber der beantragten "verbotenen Eigenmacht", so dass dem Herausgabeanspruch ohne "Klageänderung" gemäß §§ 263, 264 ZPO, die im Übrigen sachdienlich wäre, entsprochen werden kann.
a) Maßgebend für die materiell-rechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien ist der Chartervertrag vom 22.6.2000, der eine Laufzeit vom 1.1.2000 bis zum 1.11.2000 hatte. Nach den unter Ziff. 11 des Vertrages getroffenen Vereinbarungen sollte das Schiff am 1.11.2000 zurückgegeben werden. Die Verfügungsklägerin hat zwar diesen Vertrag mit Schreiben vom 25. 9. 2000 wegen widerrechtlicher Drohung angefochten. Sie hat aber das Bestehen eines Anfechtungsgrundes i.S.v. § 123 Abs. 1 BGB nicht glaubhaft machen können.
Die Verfügungsklägerin hat behauptet, sie sei durch folgende Drohung zum Abschluss des Vertrages genötigt worden: Als sie - die Verfügungsklägerin - sich mit den geänderten Vertragsbedingungen nicht einverstanden erklärte, habe der Präsident der Verfügungsbeklagten M darauf hingewiesen, "man befände sich nicht in Deutschland und wenn sie zurück nach Deutschland zu ihren Kindern kommen wolle, müsse sie einen Vertrag abschließen. Im Übrigen könne man eine Mannschaft nach Deutschland schicken und das Schiff aus dem Hafen von S und dann aus den Hoheitsgewässern der Bundesrepublik Deutschland einfach verschwinden lassen." Die Verfügungsbeklagte ist dem Vorwurf der Drohung von Anfang an entgegengetreten und hat ihrerseits behauptet und durch eidesstattliche Versicherungen des Präsidenten M glaubhaft zu machen versucht, dass der Vertragsschluss aus freien Stücken erfolgt und ohne Drohung zustande gekommen sei. Der zu diesem Beweisthema der mündlichen Verhandlung vom 22. 11. 2000 als Zeuge vernommene Ehemann der Verfügungsklägerin hat zwar die behauptete Drohung zum Teil bestätigt. Aber das Landgericht hielt dessen Aussage im Ergebnis zu Recht nicht für glaubhaft.
Während für die angebliche Drohung kein Indiz ersichtlich ist, sprechen eine Reihe von Gesichtspunkten dagegen. So hat die Verfügungsklägerin erst drei Monate nach ihrer Abreise aus Moskau die Anfechtung wegen Drohung erklärt. Warum diese Anfechtung so spät erfolgt ist, hat sie nicht plausibel gemacht. Die seelische Erschütterung, welche die angebliche Drohung bei ihr ausgelöst hat, wurde nicht durch objektiv nachprüfbare Tatsachen belegt. Das nachfolgende Verhalten der Verfügungsklägerin lässt jedenfalls nicht die behauptete tiefe Verunsicherung erkennen. Wer solchen einschüchternden Drohungen ausgesetzt ist, wie behauptet, handelt jedenfalls ausgesprochen mutig, wenn er dem Drohenden gegenüber ein Hausverbot ausspricht und kurz darauf gerichtliche Schritte einleitet. Auf der anderen Seite steht die Anfechtung vom 25.9.2000 in engem zeitlichen Zusammenhang mit der am 14. 9. 2000 erfolgten Mahnung rückständiger Raten für die Schiffscharter in Höhe von 121.582,08 DM, welche die Verfügungsklägerin bis heute nicht bezahlt hat und offensichtlich nicht bezahlen konnte. Die Verfügungsklägerin hatte also ein ernstzunehmendes Motiv, die Gültigkeit jener vertraglichen Abmachung zu bestreiten, aus der die Verfügungsbeklagte die Zahlungspflicht der Verfügungsklägerin ableitete.
Gegen die behauptete Drohung spricht ferner, dass die Verfügungsbeklagte auf die Anfechtung des Vertrages und das gegenüber ihren Repräsentanten und Mitarbeitern verlangte Hausverbot für sich und ihre Mitarbeiter - soweit ersichtlich - ausschließlich mit rechtsstaatlichen Mitteln reagiert hat. Wenige Tage, bevor die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt hatte, kam es zwischen den Parteien sogar noch zu Verhandlungen über die Fortsetzung des Vertrages im Jahre 2001. Mit den von der Verfügungsklägerin suggerierten Drohungen für Leib und Leben ist dies nur schwer zu vereinbaren. Dies gilt auch für die vom Zeugen bestätigte Version, dass man mit dem Drohenden drei bis vier Stunden lang Abrechnungsfragen besprochen hat, nachdem dieser zu Beginn der Verhandlung angeblich die behauptete Drohung ausgesprochen haben soll. Wer droht, hat keinen Anlass, lange über Details zu verhandeln, sondern diktiert die Bedingungen, denen sich der oder die Bedrohten fügen sollen. Da der Zeuge am Ausgang des Prozesses als Ehemann der Verfügungsklägerin und als deren Angestellter nicht uninteressiert ist, haben diese Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Begründung erhebliches Gewicht. Seine Angaben stehen überdies im Widerspruch zur eidesstattlichen Versicherung des Präsidenten M.
Entscheidend gegen die Annahme einer Drohung spricht schließlich, dass die Verfügungsklägerin selbst in zwei Schreiben vom 8. und 16. 6. Einigungsvorschläge unterbreitet hat, in denen sie von sich aus die Rückgabe des Schiffes zum 1. 11. 2000 anbot. Der Punkt, über den die Parteien nunmehr streiten, war also kurz vor dem Besuch der Verfügungsklägerin in Moskau überhaupt nicht streitig. Die Differenzen beschränkten sich unstreitig auf Fragen der Abrechnung, die auch den Anlass für den Besuch in Moskau bildeten, und die Höhe der Chartermiete. Die Verfügungsbeklagte verlangte statt der von der Verfügungsklägerin gebotenen 350.000.- DM den Betrag von 400.000.- DM. Im übrigen einigte man sich darauf, die Auslagen der Verfügungsklägerin für Lohn und Verpflegung des technischen Personals in Höhe von rund 83.000.- DM mit der ersten Rate zu verrechnen. Angesichts der relativ geringfügigen Differenzen bezüglich der Chartermiete und der für die Verfügungsklägerin günstigen Verrechnungsabrede erscheint es auch aus diesem Grunde nicht glaubhaft, dass der Vertrag unter den behaupteten Drohungen für Leib und Leben der Verfügungsklägerin und ihrer Angehörigen zustande gekommen sein soll.
b) Der sog. Leasingvertrag vom 2. 7. 1999, auf den die Verfügungsklägerin ihr Besitzrecht stützt, ist nicht gültig. Der später abgeschlossene Vertrag vom 22. 6. 2000 tritt nach dem Prinzip "lex posterior derogat legi priori" an die Stelle früherer Vereinbarungen. Da im Vertrag vom 22. 6. 2000 eine Rückgabe des Schiffes zum 1. 11. 2000 vorgesehen ist, ist damit der im Vertrag vom 2. 7. 1999 angeblich vereinbarten sechsjährigen Nutzungsdauer die Grundlage entzogen.
Bei dem sog. Leasingvertrag vom 2.7.1999 handelt es sich - wie die Verfügungsbeklagte glaubhaft macht - um ein Scheingeschäft. Ein solches Rechtsgeschäft ist gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Für den Scheingeschäftscharakter des Leasingvertrages spricht zum einen die undatierte Ergänzungsvereinbarung (Addendum), in deren Kopfzeile ausdrücklich die Fortgeltung der Vereinbarungen im Chartervertrag vom 28. 2.1998 bestätigt wurde. Eine solche Klarstellung macht keinen Sinn, wenn von der Geltung des Leasingvertrages auszugehen war. Zum anderen muss sich die Verfügungsklägerin entgegenhalten lassen, dass sie in ihrer Korrespondenz mit der Verfügungsbeklagten selbst von dem Scheincharakter des Leasingvertrages vom 2. 7.1999 ausgegangen ist. In ihrem Schreiben vom 8. 6. 2000 an den Präsidenten der Verfügungsbeklagten geht die Verfügungsklägerin auch auf den Chartervertrag vom 2. 7. 1999 ein und bestätigt darin, dass dieser Vertrag abgeschlossen worden sei, "um die Zollabfertigung des Schiffes mit minimalen Verlusten auszuführen". In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 22. 11. 2000 wurde vom Beklagtenvertreter zu diesem Passus - unwidersprochen - erklärt, dass die Verfügungsklägerin mit dem in der Übersetzung als "Chartervertrag" bezeichneten Vertrag den sogenannten "Leasingvertrag" gemeint habe. In der russischen Originalfassung des Schreibens (Bl. 149 d. A.) sei tatsächlich der Begriff "Leasingvertrag" verwendet worden. Die in der mündlichen Verhandlung von dem Landgericht beigezogene Dolmetscherin hat bestätigt, dass es in der russischen Originalausfertigung "Leasingvertrag" heißt. Unstreitig wurde der Vertrag vom 2. 7. 1999 gerade auch von der Verfügungsklägerin als "Leasingvertrag" bezeichnet (vgl. z. B. Bl. 6 d. A. im Schriftsatz vom 23. 10. 2000). Dass dieser Vertrag gemeint ist, ergibt sich auch aufgrund der näheren Erläuterung, dass in diesem Vertrag von der Firma V als "einem oekonomischen Direktor des Schiffes" die Rede ist. Damit ist offensichtlich Ziff. 6 des sog. "Leasingvertrages" vom 2. 7. 1999 gemeint, wo hervorgehoben wird, "dass das Vertragsprojekt im wirtschaftlichen Eigentum des Charterers sich befindet" (Bl. 90 d. A.).
Auf der anderen Seite hat die Verfügungsklägerin keine zwingenden Gründe angegeben, warum der Vertrag vom 2. 7. 1999, der sie zur wirtschaftlichen Eigentümerin machen sollte, ernstlich gewollt sein sollte. Der Vertrag enthält nur wenige und darüber hinaus unvollständige Regelungen. So fehlt jeder Hinweis auf den Beginn der in Ziff. 3 genannten Grundmietzeit. Die Höhe der Leasingraten wird nirgends erwähnt. Ein Zusammenhang mit der angeblichen Anlage mit der Überschrift "Darlehens-Amortisation" ist von der Verfügungsbeklagten bestritten worden und lässt sich auch inhaltlich nicht überzeugend herstellen.
c) Aufgrund der Bestimmungen des undatierten Addendums, das nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung am 21. 10. 1999 durch Austausch von Telekopien zustande gekommen ist, ergibt sich ebenfalls kein Besitzrecht der Verfügungsklägerin. In diesem Vertrag, der auf den Zusatzvertrag vom 2. 7. 1999 Bezug nimmt, wurde den Vertragsparteien das Recht eingeräumt, "drei Monate vor Touristensaisonbeginn (genau drei Monate vor dem 1. 3. j. Jahres), den Mietvertrag vom 28. 2. 1998 und alle dazugehörigen Zusätze in schriftlicher Form zu kündigen". Selbst wenn man davon ausgeht, dass die in Ziff. 2 genannten Gründe, die zur "Auflösung" des Vertrages berechtigen, dieses Kündigungsrecht beschränken sollten, läge in Gestalt des von der Verfügungsbeklagten geplanten Ortswechsels des Schiffsbetriebes ein solches Kündigungsrecht vor. Dass es sich bei diesem Ortswechsel um einen solchen handeln muss, der vom "Mieter" dieses Vertrages geplant ist und nicht - wie im vorliegenden Fall - durch den Vermieter, ist dem Vertrag selbst nicht zu entnehmen. Da sich insoweit die eidesstattlichen Erklärungen der Parteien und ihrer Vertreter widersprechen, ist - wie im landgerichtlichen Urteil zu Recht ausgeführt wird - von der Richtigkeit und Vollständigkeit der Vertragsurkunde auszugehen.
Eine fristgemäße Kündigung durch die Verfügungsbeklagte liegt vor. Zwar weist die Verfügungsklägerin zu Recht darauf hin, dass das an die "offiziellen Behörden Deutschlands" gerichtete Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 3. 10. 2000 möglicherweise nicht den Anforderungen an eine empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der Verfügungsklägerin genügt. Denn die Erklärung muss an den Erklärungsempfänger gerichtet werden. Fehlt es hieran, bleibt die Erklärung auch dann wirkungslos, wenn sie dem richtigen Empfänger zugeht (Palandt/Heinrichs, aaO. § 130 Rn. 4). Im Ergebnis kann dies freilich dahinstehen, da die Verfügungsbeklagte in einem an die frühere Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin gerichteten Schreiben vom 11. 10. 2000 klargestellt hat, dass der Vertrag "beendet" sei. Diese gemäß § 164 Abs. 3 BGB an den richtigen Adressaten gerichtete Erklärung ist aus der Sicht eines verständigen Empfängers gemäß § 133, 157 BGB als Kündigungserklärung aufzufassen. Der Wille, das Vertragsverhältnis zu beenden, ist eindeutig zum Ausdruck gekommen. Im Übrigen bezieht sich die Verfügungsbeklagte auf ihr Recht gemäß Ziff. 2 c des undatierten "Addendums", da diese in Ziff. 3 des Schreibens ausdrücklich von dem in der Zusatzvereinbarung "vom 2. 7. 1999" enthaltenen Recht Gebrauch macht, "wegen Ortsverlagerung und durchgreifender Reparatur des Schiffes die Rücklieferung zum 1. 3. 2001 zu fordern". Dieses Recht hätte im Übrigen auch bestanden, wenn der Vertrag vom 22. 6. 2000 rechtswirksam angefochten worden wäre.
3. Hat die Verfügungsklägerin kein Besitzrecht mehr, ist sie der Verfügungsbeklagten gemäß § 985 BGB und § 556 BGB seit 1. 11. 2000, jedenfalls aber seit 1. 3. 2001 zur Herausgabe des Schiffes verpflichtet. Die Verfügungsbeklagte hat also einen Verfügungsanspruch. Sie hat auch einen Verfügungsgrund, da ihr durch die Vorenthaltung des Besitzes unabwendbare Nachteile entstanden sind und weiterhin drohen.
Bei der Verpflichtung zur Herausgabe des Schiffes handelt es sich um eine Leistungsverfügung, die gemäß § 940 ZPO dann zulässig ist, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile für den Gläubiger erforderlich ist (Zöller/Vollkommer, § 940 Rn. 1 und 6). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben.
Da mit der Leistungsverfügung ein Zustand erstrebt wird, welcher der Erfüllung gleich kommt, sind an die Erforderlichkeit strenge Anforderungen zu stellen. Die bloße Weiterbenutzung einer Sache nach Beendigung des Nutzungsverhältnisses genügt für sich betrachtet nicht (Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl. 2000, § 940 Rn. 6 und 8 Herausgabe und Sequestration, Räumung und Besitzschutz; OLG Düsseldorf, MDR 1995, 635; OLG Köln, ZIP 1988, 445 f.; LG Berlin, MDR 1968, 1018; OLG Dresden, MDR 1998, 305). Herausgabe wurde z.B. angeordnet, wenn der Gläubiger auf die jeweiligen Sachen dringend angewiesen ist oder wenn eine über die bloße Nutzung der fremden Sache hinausgehende zusätzliche Gefährdung seiner Interessen - etwa durch übermäßige Benutzung oder wegen bestehender Veräußerungsabsichten seitens der Verfügungskläger - zu besorgen ist (Zöller/Vollkommer aaO.; dies., § 936 Rn. 13 sowie die vorstehend zitierten Urteile der Instanzgerichte). Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Senats, der im Rahmen einer Interessenabwägung eine Leistungsverfügung dann für geboten hält, wenn einerseits der Gläubiger auf die Herausgabe der Sache dringend angewiesen und andererseits dem Schuldner der vorläufige Besitzverlust zuzumuten ist (Urteile vom 18.11.1999 - 1 U 188/99 [bejahend] - und vom 04.12.1997 - 1 U 147/97 [verneinend]). Im vorliegenden Fall fällt die Interessenabwägung zugunsten der Verfügungsbeklagten aus, weil ihr über die bloße Vorenthaltung des Besitzes hinausgehende, gravierende Schäden entstanden sind und weiterhin entstehen werden.
a) Zwischen den Parteien war zunächst unstreitig (zuletzt Bl. 340 d. A.), dass die Verfügungsbeklagte das Schiff im November und Dezember 2000 für etwa sechs Wochen als Unterkunft für Werftarbeiter der Hamburger Werft B zur Verfügung stellen wollte. Aus diesem Grunde hat ein Mitarbeiter der Werft das Schiff im Oktober 2000 besichtigt (eidestattliche Versicherung M ). Soweit die Verfügungsklägerin erstmalig im Verfügungsschriftsatz vom 22. 12. 2000 (Bl. 381 d. A.) und später erneut in der Verfügungsbegründung vom 12. 2. 2001 bestreitet, dass das Schiff Werftarbeitern im Hamburger Hafen als Unterbringung dienen sollte und darauf verweist, dass eine Reparatur des Kreuzfahrtschiffs "A " im Hamburger Hafen zu keiner Zeit geplant gewesen sei (Bl. 405 und 410 d. A.), ist ihr Bestreiten in sich widersprüchlich und unsubstantiiert. So räumt die Verfügungsklägerin selbst ein, dass tatsächlich eine einschlägige Anfrage von Mitarbeitern der "A " vorgelegen habe und diese den Plan verfolgt hätten, das Schiff als Unterkunft für Werftarbeiter für sechs Wochen im November zu nutzen. In dem von der Verfügungsklägerin eingereichten Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11.10.2000 bestätigt diese ausdrücklich, dass ein Vertreter der Firma B und V ihr versichert habe, dass das Schiff allein für die Unterbringung von Werftarbeitern zur Durchführung von Reparaturarbeiten an einem anderen Schiff nach Hamburg verholt werden sollte. Dass dem Oberhafenamt in Hamburg nichts von einer geplanten Reparatur der "A " bekannt gewesen sein sollte - wie die Verfügungsklägerin behauptet -, ist insoweit kein durchschlagender Einwand gegen die geplante Verwendung der "T. D.", zumal es dafür eine plausible Erklärung gibt. Nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Verfügungsbeklagten im Schriftsatz vom 22. 03. 2001 war nicht die Reparatur der "A ", sondern der MS "AR " geplant.
Ob die Nutzung des Schiffes als Übernachtungsmöglichkeit für Werftarbeiter den Vorschriften des Hamburger Hafenentwicklungsgesetzes sowie des Hamburger Wassergesetzes entspricht, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, da das Verwendungsrisiko den Gläubiger träfe. Im Übrigen ergibt sich aus den von der Verfügungsklägerin bezeichneten gesetzlichen Vorschriften nicht, dass die Nutzung des Schiffs als Unterkunft ausgeschlossen sein soll. Das Verbot gem. § 63 b Hamburgisches Wassergesetz, in Außendeichgebieten zu wohnen, bezieht sich auf Landflächen und nicht auf Schiffe. Und die Nutzung des Schiffes als Unterkunft für Werftarbeiter lässt sich ohne weiteres unter den Begriff "Hafenzwecke" i.S.v. §§ 1 Abs. 4, 6 Abs. 1 des Hafenentwicklungsgesetzes subsumieren (Bl. 458 d. A.).
Soweit die Verfügungsklägerin schließlich geltend macht, dass die Verbringung der "T. D." technisch unmöglich gewesen sei, ist ihr Vortrag nicht ausreichend substantiert. Es ist nicht ersichtlich und wurde von der Verfügungsklägerin auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass auch eine Verschleppung des Schiffes unmöglich gewesen sein soll. Das in Bezug genommene Gutachten des Dipl.-Ing. B vom 23. 09.1999 ist insoweit nicht aussagekräftig, da sich dessen Vorbehalte gegen die Einsatzfähigkeit des Schiffes auf seine Funktion als "Passagierschiff" in ungeschützten Gewässern beziehen und nichts über die Verschleppungsmöglichkeiten des Schiffes besagen.
Entgangene Geschäfte, für die der Antragsteller die herauszugebende Sache benötigt, können wesentliche Nachteile - darstellen, die eine einstweilige Regelung der Rechtsverhältnisse in Gestalt einer Befriedigungs- oder Leistungsverfügung rechtfertigen (MünchKomm./Joost, aaO. § 861 Rn. 15 Fn. 35; OLG Saarbrücken NJW 1967, 1813). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich - wie hier - um erhebliche Nachteile in der Größenordnung eines sechsstelligen DM-Betrages handelt. Die Tatsache, dass das Geschäft in der Zwischenzeit nicht mehr durchgeführt werden kann, weil der Geschäftspartner das Schiff zu einer bestimmten Zeit benötigt hätte, führt nicht etwa zur Erledigung des Antrags, sondern unterstreicht im Gegenteil die Dringlichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes mit Rücksicht auf den Abschluss und die Durchführung solcher oder ähnlicher Geschäfte in der Zukunft. Wenn bereits Nachteile entstanden sind, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht rechtzeitig abgewendet werden konnten, besteht erst recht Veranlassung, eine Wiederholung solcher Vermögensbeeinträchtigungen in der Zukunft durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu vermeiden.
b) Ein weiterer, wesentlicher Nachteil besteht darin, dass die Verfügungbeklagte ihren Anspruch auf Nutzungsentschädigung gemäß §§ 987 ff BGB mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht realisieren kann. Die Verfügungsklägerin war im Jahre 2000 mit über 120.000,- DM im Zahlungsrückstand. Inzwischen verlangt die Verfügungsbeklagte mindestens 440.000,00 DM für die Nutzung des Schiffes, ohne dass die Verfügungsklägerin der Abrechnung substantiierte Einwendungen entgegengesetzt hat. Unter diesen Umständen kann die Verfügungsbeklagte nicht darauf verwiesen werden, diese Ansprüche im regulären Verfahren geltend zu machen und der Verfügungsklägerin weiterhin die dieser nicht zustellende Nutzung des Schiffes zu ermöglichen. Soweit in einzelnen Gerichtsentscheidungen ausgeführt wird, dass das bloße Bestehen von Ansprüchen auf Herausgabe gezogener Nutzungen für sich allein nicht genügen soll, um den Herausgabeanspruch im Wege einstweiliger Verfügung durchzusetzen (vgl. die Nachweise oben 3 a), steht dies der Leistungsverfügung im vorliegenden Fall nicht entgegen. Im vorliegenden Fall kommt nämlich hinzu, dass die Verfügungsklägerin mit dem vereinbarten Mietzins für die bisherige Nutzung in der Größenordnung von über 400.000,00 DM im Rückstand ist und die Verfügungsbeklagte befürchten muss und tatsächlich auch befürchtet (Schriftsatz vom 20. 11. 2000, Bl. 269 d. A.), dass sie ihre Ansprüche auf Herausgabe der Nutzungen auch in Zukunft nicht realisieren kann. In der mündlichen Verhandlung hat die Verfügungsklägerin erneut deutlich gemacht, dass sie die von der Verfügungsbeklagten geforderten rückständigen Charterraten nicht aufzubringen vermag, woran nicht zuletzt die von der Verfügungsbeklagten erneut angebotenen gütliche Einigung scheiterte. Ein schutzwürdiges Interesse der Verfügungsklägerin, das Schiff ohne Nutzungsentgelt behalten zu können, bis die Verfügungsbeklagte ihren Herausgabeanspruch im Hauptsacheverfahren durchgesetzt hat, vermag der Senat in Fällen wie diesen nicht anzuerkennen.
c) § 940 a ZPO steht dem Herausgabeanspruch der Verfügungsbeklagten nicht entgegen, da es sich nicht um die Räumung von "Wohnraum" handelt (vgl. dazu schon oben im Text unter II 1.).
III. Betretungsrecht für Mitarbeiter und Repräsentanten
Soweit die Verfügungsbeklagte das Recht geltend macht, das Schiff durch ihre Mitarbeiter oder Repräsentanten betreten zu können, ist ihrem Antrag ebenfalls stattzugeben. Mit dem Antrag verfolgt die Verfügungsbeklagte ihr Recht aus dem Mietvertrag, die Mieträume betreten zu können. Ein solcher Anspruch besteht auch ohne Vereinbarung als mietvertragliche Nebenpflicht, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Besichtigung hat, z. B. um den Zustand der Räume festzustellen, bei Verdacht vertragswidrigen Gebrauchs oder vor einem Verkauf oder einer Neuvermietung bei bevorstehender Beendigung des Mietverhältnisses (Palandt/Weidenkaff, BGB, § 535 Rn. 39). Das Betretungsrecht besteht nach vorhergehender Ankündigung und darf nicht zur Unzeit ausgeübt werden (Palandt/Weidenkaff, aaO. Rn. 39). Die Chartermiete ist zwar zwischenzeitlich beendet, doch besteht in diesem Falle des nicht mehr berechtigten Besitzes erst recht ein - nachvertragliches - Betretungsrecht.
Auch Nebenpflichten können im Wege einer Leistungsverfügung durchgesetzt werden (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 940 Rn. 6), wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist. Solche Nachteile hat die Verfügungsbeklagte glaubhaft gemacht. Die Entsendung von Mitarbeitern soll die technische Sicherheit des Schiffes gewährleisten und die Überführung des Schiffes an einen anderen Überführungsort vorbereiten. Außerdem hat die Verfügungsbeklagte glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsklägerin im Oktober 2000 einem Mitarbeiter der Firma B den Zutritt zu dem Schiff verweigert hat (vgl. die eidesstattliche Versicherung M ). Durch die ausgesprochene Unterlassungsverfügung wird der Wiederholung künftiger Rechtsverletzungen vorgebeugt.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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