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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 21.05.2008
Aktenzeichen: 1 U 87/08
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

1 U 87/08

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 21.05.2008 beschlossen:

Tenor:

I. Der Antrag der Klägerin vom 09.05.2008, ihr zur Versäumung der Frist für den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.

II. Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.01.2008 verkündete Urteil des Landgerichts Rostock (Az.: 3 0 482/06) wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO).

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

IV. Streitwert des Berufungsverfahrens: 177.930,08 €.

Gründe:

I.

1.

Mit Verfügung vom 28.04.2008 hat der stellvertretende Vorsitzende des Senats daraufhingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin als unzulässig zu verwerfen, da das Rechtsmittel nicht innerhalb der am 11.04.2008 abgelaufenen Frist begründet worden ist. Zugleich ist der Antrag vom 11.04.2008, eingegangen bei Gericht am 16.04.2008, auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat, zurückgewiesen worden, da die Fristverlängerung nicht innerhalb der laufenden (Berufungsbegründungs-) Frist dem Senat vorgelegt wurde.

Dagegen gerichtet beantragt die Klägerin nunmehr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trägt sie durch ihren Prozessbevollmächtigten vor, er, der Bevollmächtigte, sei erst aufgrund der Verfügung vom 28.04.2008 darauf aufmerksam geworden, dass ein Fax zum Schriftsatz vom 11.04.2008 nicht bei Gericht eingegangen sei und dass es die Rechtsanwalts- und Notarangestellte Frau M. "wohl unterließ, das Schreiben vorab per Telefax zuzustellen". In der zur Glaubhaftmachung beigebrachten eidesstattlichen Versicherung bestätigt Frau M., dass sie trotz einer gegenteiligen Verfügung des Prozessbevollmächtigten und der allgemeinen Arbeitsanweisung den streitgegenständlichen Schriftsatz vom 11.04.2008 "anscheinend nicht gefaxt" habe. "Warum mir dieser Fehler unterlief", könne sie nicht sagen: "Derartiges ist mir bislang nicht passiert". Zu dieser Verfügung und Arbeitsanweisung stellt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dar, der Schriftsatz vom 11.04.2008 mit dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei von ihm am gleichen Tage unterzeichnet worden. Es sei verfügt worden, diesen unverzüglich noch an diesem Tage dem Oberlandesgericht vorab per Telefax zuzuleiten. Außerdem habe die allgemeine Arbeitsanweisung an die Angestellte bestanden, dass sämtliche Schreiben, auf denen - wie hier - der Vermerk "vorab per Fax" vorhanden sei, auch am gleichen Tage zu faxen seien. Da das Kanzleifaxgerät stets einwandfrei funktioniert habe, sei davon auszugehen gewesen, dass der Fristverlängerungsantrag fristgemäß bei Gericht eingehen werde.

2.

Der zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet.

a)

Zwar ist ein Verschulden Dritter - wie es hier in der Person der Rechtsanwalts- und Notarangestellten Frau M. vorgebracht wird (= fehlende Vor-Ab-Übermittlung per Telefax des Fristverlängerungsantrags aus "unerklärbaren" Gründen) - grundsätzlich der Partei nicht zurechenbar, da es sich nicht um einen Vertreter dieser Partei (§§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 ZPO) handelt. Anders ist es hingegen zu beurteilen, wenn ein eigenes Versuchulden der Partei oder ihres Vertreters, insbesondere ihres Prozessbevollmächtigten gerade darin liegt, dass sie bzw. der Vertreter die gebotene Aufsicht - über das Büropersonal - verletzt, eigene erforderliche Tätigkeiten versäumt, notwendige Anweisungen unterlässt oder einen Organisationsmangel duldet (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., § 233 Rn. 41 m.w.N.).

b)

So liegt es eben hier.

aa)

Grundsätzlich zuzustimmen ist der Klägerin, bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten als ihrem Vertreter, dass dieser sich in der Regel auf die Ausführung bestimmt erteilter Anweisungen - wie hier die Vor-Ab-Übermittlung (eines entsprechend kenntlich gemachten Schriftstückes) per Telefax - verlassen darf und er die Ausführung nicht anschließend überprüfen muss (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O., § 233 Rn. 43 m.w.N.).

bb)

Darin erschöpft sich indes allein die Verpflichtung des Rechtsanwalts, für eine zuverlässige Auswahl des Büropersonals und einen einwand- und fehlerfreien Ablauf der Büroorganisation (dazu allgemein Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 233 Rn. 23, Stichwort: "Büropersonal und -organisation") zu sorgen, nicht.

aaa)

Zu den vornehmsten Aufgaben bei der Organisation des Büroablaufs rechnet nämlich hierbei, die Fristwahrung durch Führen eines Fristenkalenders und der Notierung von Fristen auf den Handakten zu sichern (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rn. 23, Stichwort: "Fristwahrung"; KGR 2004,63). Not- und Rechtsmittelbegründungsfristen sind in diesem Zusammenhang deutlich hervorzuheben (vgl. BGH, NJW 1989, 2393). Die Führung des Fristenkalenders kann der Rechtsanwalt unter den vorgenannten Voraussetzungen (Büropersonal und -organisation) auf sein Büro übertragen (vgl. BGH, VersR 1983,753; NJW-RR 1995, 58; Zöller/Greger, a.a.O.). Der Anwalt darf sich auch darauf verlassen, dass die Einhaltung der im Fristenkalender notierten Fristen von seinem Büropersonal überwacht wird (vgl. BGH, NJW 1995, 1682; Zöller/Greger, a.a.O.). Er muss aber durch eine wirksame Ausgangskontrolle (dazu allgemein Zöller/Greger, a.a.O., Stichwort: "Ausgangskontrolle"; Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O., § 233 Rn. 19) sicherstellen, dass - etwa - der Fristenkalender am Abend eines jeden Arbeitstages von einer damit beauftragten Kraft kontrolliert wird (vgl. BGH, VersR 1999,1303; NJW-RR 1992,1277; 1998, 1604; NJW 1996,1540; Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O., § 233 Rn. 19 m.w.N.; Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rn. 23, Stichwort: "Ausgangskontrolle"). Ferner hat der Rechtsanwalt dafür einzustehen, dass Fristen erst mit Erledigung der die Frist wahrenden Handlung gelöscht werden (vgl. Zöller/Greger, a.a.O.). Dies bedeutet bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftstücken per Telefax, dass die Streichung im Fristenkalender nur und ausschließlich dann erfolgen darf, wenn eine schriftliche oder telefonische Eingangsbestätigung des Empfängers (dazu BGH, NJW-RR 2002, 60) oder ein vom Absendegerät ausgedruckter Einzelnachweis vorliegt (vgl. BGH, NJW 1993, 732; VersR 1992, 638; 1993, 719; 1996, 778; Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rn. 23, Stichwort: "Übermittlung" m. w.N .). Die Pflicht des Rechtsanwalts zur Ausgangskontrolle bei per Telefax übermittelten Schriftsätzen endet somit erst dann, wenn feststeht, dass der Schriftsatz wirklich übermittelt wurde (vgl. BGH, NJW 2004, 3490; Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O., Rn. 19).

bbb)

Diese ihn treffenden Pflichten zur Einhaltung eines ordnungsgemäßen Büroablaufes bei der Sicherung der Fristenkontrolle hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dessen Verhalten wiederum ihr zurechenbar ist (§ 85 Abs. 2 ZPO), verletzt.

Denn nach den vorstehend benannten Grundsätzen hätte der Rechtsanwalts- und Notarangestellten Frau M. - entgegen ihrer eidesstattlichen Versicherung zur "Unerklärbarkeit" der unterbliebenen Faxübermittelung des Fristverlängerungsantrages vom 11.04.2008 - noch am gleichen Tage - bei Einhaltung der Fristenüberwachungskontrolle der begangene Fehler aufallen müssen.

Zur Beachtung dieser Kontrolle bringt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin überhaupt rein gar nichts vor. Wenn - wie geboten - die Fristenkontrolle organisiert worden wäre, dann hätte es nicht zum verspätet eingereichten Antrag auf Fristverlängerung zur Berufungsbegründung kommen können. Denn dann hätte die Büroangestellte des Prozessbevollmächtigten anhand des ihr zur Aufgabe übertragenen Fristenkontrollkalenders keine Löschung einer - einzustellenden - Frist für den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vornehmen dürfen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil nach dem Vorbringen der Klägerin bzw. ihres Prozessbevollmächtigten und der abgegebenen eidesstattlichen Versicherung der Angestellten überhaupt kein Telefax übermittelt wurde, also auch kein Sendebericht erstellt worden sein kann. Um diesen Fehler zu vermeiden, wäre es dem Prozessbevollmächtigten zur Aufgabenstellung gewesen, entsprechende Anweisungen an sein Büropersonal zu erteilen. Der ganze - von ihm geschilderte - Handlungsablauf deutet indessen darauf hin, dass Solches - schuldhaft - unterblieben ist. Anders lässt sich nämlich nicht erklären, warum ihm, dem Bevollmächtigten, die unterbliebene Telefax-Übermittlung erst mit der Verfügung des Senats vom 28.04.2008 erkennbar geworden sein will. Hätte er indes für einen adäquaten Ablauf der Büroorganisation Sorge getragen, dann wäre zu erwarten gewesen, dass die unterlassene Telefax-Übermittlung noch am gleichen Tage, dem 11.04.2008, bei Arbeitsschluss der Büroangestellten, auffällig geworden wäre und hätte behoben werden können. Dieses - schuldhafte - Versäumnis des Prozessbevollmächtigten in der Gestaltung der Büroabläufe ist der Klägerin zuzurechnen, so dass dem Wiedereinsetzungsgesuch kein Erfolg beschieden sein kann.

II.

Aufgrund des ohne Erfolg bleibenden Wiedereinsetzungsgesuchs ist die Berufung der Klägerin - aus den angekündigten Gründen (vgl. Verfügung vom 28.04.2008) - als unzulässig zu verwerfen.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Weder kommt der Sache grundsätzliche Bedeutung zu, noch gebieten die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

IV.

Die Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 97 Abs. 1 ZPO; die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 47,48 GKG, § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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