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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 31.03.2008
Aktenzeichen: 1 W 22/08
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 118 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 269 Abs. 3
ZPO § 269 Abs. 4
GKG § 21
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

1 W 22/08

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 31.03.2008 beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1. vom 18.03.2008 gegen den Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 07.03.2008 (Az.: 7 O 88/05) wird auf ihre Kosten nach einem Beschwerdewert von 2.000,00 € zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

1. Zweifel daran könnten sich zwar begründen, wenn der Auffassung des Landgerichts, der Antragsgegnerin zu 1. - wie auch der Antragsgegnerin zu 2. (die allerdings [bisher] keine Beschwerde eingelegt hat) - stünde kein - so wie mit ihren Anträgen vom 07.01.2008 und vom 22.01.2008 geltend gemacht - Anspruch auf Kostenerstattung zu, da § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO ausdrücklich bestimme, dass die dem Gegner (der Antragsstellerin im Prozesskostenhilfeverfahren) entstandenen Kosten nicht zu erstatten sind, auch in Bezug auf die der Antragsgegnerin zu 1. aus der ablehnenden und angefochtenen Entscheidung des Landgerichts vom 07.03.2008 erwachsene Beschwer gelten würde. Denn läge der Wert des Beschwerdegegenstandes unter 200 Euro und eine Beschwerde wäre unzulässig (§ 567 Abs. 2 ZPO).

2. Solches kann jedoch nicht angenommen werden. Denn mit ihren (bezeichneten) Kostenanträgen haben die Antragsgegnerinnen nicht eine Erstattung der Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens begehrt - insoweit erweist sich die angefochtene Entscheidung des Landgerichts als falsch - , sondern sie haben einen Kostenantrag nach § 269 Abs. 4 ZPO gestellt, um eine Entscheidung des Gerichts nach § 269 Abs. 3 ZPO zu erreichen, nachdem auf den Antrag der Antragstellerin vom 21.02.2005, mit dem sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die von ihr beabsichtigte Klage begehrt hatte,

- zunächst das Landgericht mit Beschluss vom 21.11.2007 der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligte und ihren Verfahrensbevollmächtigten "zu den Bedingungen eines beim Landgericht Stralsund zugelassenen Rechtsanwalts beigeordnet" hat;

wogegen dieser (im Auftrage der Antragstellerin)

- mit Schriftsatz vom 17.12.2007 sofortige Beschwerde einlegte, um (so das Beschwerdeziel) die Beiordnung eines Rechtsanwalts "ohne weitere Einschränkungen" zu erreichen (da seiner Ansicht nach, die Einschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts" seit Inkrafttreten des RVG entfallen sei [so auch OLG Oldenburg, NJW 2006, 851-852]),

und zwischenzeitlich

- das Landgericht mit Verfügung vom 21.11.2007 die Zustellung einer von ihr so bezeichneten "Klage" an die "Beklagte zu 1." (mit Zustellungsurkunde) und "an den Beklagtenvertreter zu 2." (mit Empfangsbekenntnis) bewirkte (wobei die Zustellung gegenüber der Antragsgegnerin zu 2. am 26.11.2007 erfolgte und gegenüber der Antragsgegnerin zu 1. ebenfalls zu diesem Zeitpunkt), das schriftliche Vorverfahren anordnete und die Antragsgegnerinnen aufforderte, binnen einer Notfrist von 2 Wochen mitzuteilen, ob sie sich gegen die "Klage verteidigen wollen",

wobei anschließend

- sich für die die Antragsgegnerin zu 2. ihr Verfahrensbevollmächtigter meldete, Verteidigungsbereitschaft anzeigte und einen Klagabweisungsantrag stellte, und gleiches sodann durch den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu 1. geschah,

indes für die Antragstellerin ihr Verfahrensbevollmächtigter

- nunmehr mitteilte, "dass nach Rücksprache mit der Antragstellerin trotz des positiven PKH-Beschlusses kein Klageverfahren durchgeführt werden soll",

was wiederum

- von der Antragsgegnerin zu 1. als konkludente Klagerücknahme und von der Antragsgegnerin zu 2. als "Rücknahme der ... zugestellten Klage" gewertet wurde und die gestellten Kostenanträge auslöste,

die mit der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen worden sind.

3.

Die Beschwer dieser Entscheidung ist also darin zu erkennen, dass die Rechtsmittelführerin (die Antragsgegnerin zu 1.) sich eines Kostenerstattungsanspruch nach § 269 Abs. 3 ZPO über die ihr nach "Klagezustellung" (an sie) und die Aufnahme des Rechtsstreits durch sie entstandenen anwaltlichen Gebührenansprüche, von denen sie meint, dass sie der Antragstellerin (aus ihrer Sicht: der Klägerin) nach erfolgter "Klagerücknahme" zur Last fallen (§ 269 Abs. 3 Satz 2, erster Halbsatz ZPO) und durch gerichtlichen Beschluss (§ 269 Abs. 4 ZPO) aufzuerlegen sind. Damit aber liegt der Beschwerdewert - wie sich aus der entsprechenden Festsetzung (siehe Tenor und zur Begründung nachstehend) ergibt - über dem Wert von 200 Euro, so dass die Beschwerde aus diesem Grunde - und auch im übrigen - zulässig ist.

II.

In der Sache kann der sofortigen Beschwerde jedoch kein Erfolg beschieden sein. Dazu gilt das Nachstehende.

1.

Bei gleichzeitiger Einreichung von Prozesskostenhilfegesuch und Klage wird neben dem PKH-Verfahren auch der Rechtsstreit als solcher anhängig (vgl. BGH, FamRZ 1996, 1142f.; OLG München, Rpfleger 1989, 70 m.w.N.; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 117 Rn. 7). Anders verhält es sich hingegen, wenn der Antragsteller eindeutig klarstellt, dass er den Klageantrag nur bedingt für den Fall der PKH-Bewilligung stellen will (BGHZ 4, 328, 334; 7, 268, 270; BGH, FamRZ 1996, 1142f.; Zöller/Philippi, a.a.O., m.w.N. a.d.Rspr.). Eine solche Klarstellung geschieht etwa dadurch, dass die Klageschrift als "Entwurf" oder als "beabsichtigte Klage" bezeichnet (vgl. BGH, NJW-RR 2000, 879f.), oder dass sie nicht unterzeichnet wird (Zöller/Philippi, a.a.O.). Die Klarstellung kann auch durch die Erklärung erreicht werden, über die PKH solle vorab entschieden werden oder die Klage solle erst nach Bewilligung der PKH erhoben werden (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1989, 512; OLG Dresden, MDR 1998,181f.; zu allem auch Zöller/Philippi, a.a.O.). Stellt die Partei klar, dass sie die Klage nur bedingt für den Fall der PKH-Bewilligung erheben will, so ist die Klage auch dann nicht beim Gericht anhängig geworden, wenn der Schriftsatz inhaltlich den Anforderungen einer Klageschrift entspricht (vgl. BGH, MDR 2003, 1314).

So liegt es auch hier. Denn der Verfahrensbevollmächtigte hat für die Antragstellerin klargestellt, dass ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe "ohne Klageerhebung" gestellt werde. Damit hat er - so zutreffend das Vordergericht - eindeutig dargetan, dass zunächst nur über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entschieden werden soll. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass im weiteren Verfahren der dem Prozesskostenhilfeantrag vom 21.02.2005 beigefügte Klageentwurf geändert wurde. Indiz für die aufschiebend bedingt (für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe) angebrachte Klage ist auch, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin sich zuletzt im Verfahren nach dem Sachstand "hinsichtlich der beantragten PKH" erkundigte.

2.

Ist eindeutig - wie im vorliegenden Fall - nur ein PKH-Gesuch gestellt worden, dann wird dieses auch nicht dadurch zur Klageschrift, dass das Gericht es als Klage behandelt, denn nur der Kläger ist befugt, den Streitgegenstand zu bestimmen (vgl. OLG Hamm, FamRZ 1980, 1127; OLG Köln, NJW 1994, 3360f.; OLG Dresden, a.a.O.; Zöller/Philippi, a.a.O., § 117 Rn. 8). Verkennt das Gericht diese Rechtslage, so kann es geboten sein, die Kosten gem. § 21 GKG niederzuschlagen (vgl. OVG Hamburg, Rpfleger 1996, 68; Zöller/Philippi, a.a.O.). Die Klage wird in diesem Fall nur anhängig (BGH, WM 1989, 970 = VersR 1989, 62), nicht rechtshängig (vgl. BGH, NJW 1972, 1373). Falls der Kläger die nicht rechtshängige Klage zurücknimmt, hat der Gegner keinen Anspruch auf Kostenerstattung (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O.; Zöller/Greger, a.a.O., § 269 Rn. 8).

3.

Diese Voraussetzungen der Zurücknahme einer Klage, die ohne kostenrechtliche, ihn belastende Folgen für den Kläger bleibt, sind auch im vorliegenden Fall erfüllt.

a)

Zwar hat das Gericht erster Instanz - wie es regelmäßig auch von ihm verlangt ist (und wie die Antragsgegnerin zu 1. mit der Beschwerde geltend macht - nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe sogleich die von ihm, dem Gericht, so bezeichnete "Klage" an die Antragsgegnerin zu 1. (wie auch an die Antragsgegnerin zu 2.) zustellen lassen und das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Weiterhin erfolgte - wie dargestellt - die "Klage"zustellung am 26.11.2007, also vor Rücknahme der "Klage", ebenso wie sowohl die Antragsgegnerin zu 1. wie die zu 2. den Rechtsstreit vor der Erklärung der Antragstellerin vom 21.12.2007, dass kein Klageverfahren durchgeführt werden soll, aufgenommen und Anträge auf Abweisung der Klage gestellt haben.

b)

Gleichwohl ist es nicht - anders als es der sofortigen Beschwerde der Antragsgegnerin zugrunde liegt - zur Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses zwischen der Antragstellerin (als zur Klage gewillter Partei) und der Antragsgegnerin (als zur Verteidigung bereiter Partei) und damit zur Rechtshängigkeit einer Klage gekommen, aus deren Rücknahme die Antragsgegnerin zu 1. kostenrechtliche Folgen zu ihren Gunsten (auf Erstattung der ihr entstandenen anwaltlichen Gebührenansprüche) herleiten könnte.

Fehlerhaft hat zwar das Landgericht den der Antragsschrift (zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe) beigefügten Klageentwurf als "Klage" gewertet. Falsch war dies deshalb, weil diese vom Gericht zugestellte Schrift (wie die Antragsgegnerin zu 1. selbst zugesteht) gar nicht vom Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin unterzeichnet worden war (womit dieser wieder "klargestellt" [s.o.] hatte, dass es sich eben nur um eine "bedingt erhobene Klage" handeln sollte). Die rechtsfehlerhafte Behandlung des Klageentwurfs als "Klage" machte diese jedoch - wie ausgeführt - nicht in der Sache zur Klage, führte lediglich dazu, dass die Klage "anhängig", aber nicht "rechtshängig" wurde und die Antragstellerin deshalb aus der Rücknahme der nicht rechtshängigen Klage - entgegen dem Verlangen der Antragsgegnerinnen - keine kostenrechtlichen Folgen zu treffen vermögen.

Der Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1. ist deshalb der Erfolg zu versagen.

III.

1.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Festsetzung des Beschwerdewertes hat ihre Rechtsgrundlage in § 3 ZPO, wobei der Senat das von der Antragsgegnerin beanspruchte Kostenerstattungsinteresse seinem Wert nach zugrunde gelegt hat.

2.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist nicht gegeben. Weder kommt der Sache grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Ende der Entscheidung

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