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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 16.04.2008
Aktenzeichen: 1 W 26/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 19 a
ZPO § 767
ZPO § 767 Abs. 1
ZPO § 767 Abs. 2
ZPO § 769
ZPO § 769 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 802
ZPO § 937 Abs. 1
ZPO § 943 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

1 W 26/08

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 16.04.2008 beschlossen:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 03.04.2008 gegen den Beschluss des Landgerichts Schwerin vom 28.03.2008 (Az.: 3 O 128/08) in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung vom 07.04.2008 wird auf ihre Kosten nach einem Beschwerdewert von bis zu 22.000,00 Euro zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die antragstellende Bank begehrt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, sie - die Bank - aus einer Vorauszahlungsbürgschaft auf erstes Anfordern auf Zahlung in Anspruch zu nehmen.

Die Antragstellerin hatte diese Bürgschaft am 10.04.2006 im Rahmen eines Bauvorhabens für eine (inzwischen insolvente) Fa. ............................. GmbH (im Folgenden: Hauptschuldnerin) zur Sicherung einer Forderung der Fa. ............ GmbH (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) übernommen.

Die Gemeinschuldnerin hat die Antragstellerin aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 29.01.2008 verurteilte das Landgericht Cottbus - 11 O 24/07 - die Antragstellerin zur Zahlung des Bürgschaftsbetrages von 60.000,00 Euro. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

Die Antragstellerin reichte sodann mit Schriftsatz vom 12.02.2008 beim Landgericht Cottbus - 11 O 18/08 - Klage gegen die Gemeinschuldnerin ein mit dem Antrag auf Feststellung, dass der Gemeinschuldnerin keine weiteren Ansprüche aus der Bürgschaft zustünden. Dazu machte sie geltend, die mit der Bürgschaft gesicherten Forderungen der Gemeinschuldnerin seien untergegangen, da die Hauptschuldnerin ihre Leistungen erbracht habe.

Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Schwerin - ........... - vom 01.03.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsgegner zum Insolvenzverwalter ernannt.

Die Antragstellerin bringt nunmehr vor, der Antragsgegner habe die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 29.01.2008 angedroht. Die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft sei jedoch rechtsmissbräuchlich. Es sei nämlich liquide beweisbar und offenkundig, dass sie als in Anspruch genommene Bürgin aufgrund des zwischenzeitlich eingetretenen vollständigen Vermögensverfalls des Bürgschaftsgläubigers nicht mehr in der Lage sein werde, ihr im Rückforderungsprozess materiell erstrittenes Recht auch wirtschaftlich durchzusetzen. Außerdem beruft sich die Antragstellerin unter Bezugnahme auf ihre Klage vom 12.02.2008 auf das Fehlen der mit der Bürgschaft gesicherten Ansprüche der Gemeinschuldnerin.

Mit dem jetzt angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Schwerin den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung abgelehnt und dazu ausgeführt, der Antrag sei weder statthaft noch begründet. So stehe dem begehrten Unterlassungsanspruch bereits der rechtskräftige Titel vom 29.01.2008 entgegen. Soweit sich die Antragstellerin auf eine rechtsmissbräuchliche Vollstreckung berufe, betreffe dies nicht die Unrichtigkeit des Titels. Die Antragstellerin wolle vielmehr die Zwangsvollstreckung verhindern aufgrund von nach Urteilsverkündung eingetretener Umstände. Dafür sei jedoch das Verfahren nach §§ 767, 769 ZPO gegeben, für eine einstweilige Verfügung sei daneben kein Raum. Zuständig sei damit das Prozessgericht. Soweit sie die Erfüllung der durch die Bürgschaft gesicherten Forderung geltend mache, sei sie - da es sich um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern handele - grundsätzlich auf den Rückforderungsprozess zu verweisen. Zwar seien im Fall der unzulässigen Rechtsausübung Ausnahmen denkbar. Nicht ausreichend sei dabei jedoch, dass der Rückforderungsprozess voraussichtlich aussichtslos sein werde, weil der Bürge auf erstes Anfordern auch die Gefahr übernommen habe, eine zu Unrecht vorgenommene Leistung später nicht mehr kondizieren zu können. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn der Gläubiger insolvent geworden sei und der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt habe. Diese Voraussetzung habe die Antragstellerin nicht dargelegt und glaubhaft gemacht.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr ursprüngliches Begehren weiter verfolgt und zusätzlich beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Cottbus vom 29.01.2008 einstweilen einzustellen, hilfsweise, die Einstellung so lange aufrecht zu erhalten, bis das vor dem Landgericht Cottbus anhängige Hauptverfahren 11 O 18/08 beendet ist. Aufgrund des allgemeinen Gerichtsstandes des Antragsgegners gemäß § 19 a ZPO habe der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht beim Hauptsachegericht gestellt werden können. Im Übrigen habe der Antragsgegner die Masseunzulänglichkeit angezeigt.

Mit Beschluss vom 07.04.2008 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dazu verweist das Landgericht auf den ausschließlichen Gerichtsstand des § 802 ZPO. Auch habe die Antragstellerein nach wie vor nicht glaubhaft gemacht, dass die Masselosigkeit angezeigt worden sei.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

1.

Zwar weist die Antragstellerin zutreffend darauf hin, dass dem Zahlungsanspruch des Bürgschaftsgläubigers auf erstes Anfordern unter bestimmten Voraussetzungen bereits bei der Geltendmachung - und nicht erst im Regressprozess - der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegen gehalten werden kann (vgl. Palandt/ Sprau, BGB, 67. Aufl., Einf. vor § 765 Rn. 14 b; Schmitz/Wassermann/Nobbe in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 91 Rn. 233, jeweils m.w.N.). Soweit hier von Interesse, ist dies auch dann der Fall, wenn sich der Gläubiger in masseloser Insolvenz befindet oder der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, weil der Gläubiger dann mangels weiterer wirtschaftlicher Tätigkeit nicht mehr auf Liquidität angewiesen ist und deshalb kein schützenswertes Interesse an einer Leistung auf erstes Anfordern hat (BGHZ 151, 236 = NJW 2002, 3170 = WM 2002, 1794; Schmitz/ Wassermann/Nobbe, a.a.O., Rn. 230; vgl. auch - z.T. weiter gehend - OLG Brandenburg, OLGR 2002, 304 = ZInsO 2002, 882 = InVo 2002, 289). Dem Gläubiger stehen dann allerdings die Rechte aus einer gewöhnlichen Bürgschaft zu (BGH, a.a.O.).

2.

Darauf kommt es vorliegend jedoch - ebensowenig wie auf die vom Landgericht mit guten Gründen verneinte Frage, ob die Tatsachen zur Begründung dieses Einwandes hier ausreichend dargetan und glaubhaft gemacht worden sind - nicht an. Die Antragstellerin hat ihre behaupteten Ansprüche vielmehr im Verfahren nach §§ 767, 769 ZPO vor dem Landgericht Cottbus geltend zu machen, ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch das hier angerufene Gericht ist nicht statthaft.

a)

Die Antragstellerin möchte erreichen, von der Gemeinschuldnerin bzw. jetzt deren Insolvenzverwalter trotz des rechtskräftigen Titels vom 29.01.2008 nicht (mehr) aus der Bürgschaft vom 10.04.2006 in Anspruch genommen zu werden. Sie wendet sich damit auch gegen die beabsichtigte Vollstreckung aus diesem Titel - deren Verhinderung ist das tatsächliche Ziel des vorliegenden Verfahrens. Dabei stützt sie sich nicht nur auf den materiell-rechtlichen Einwand der Tilgung der gesicherten Forderung, sondern auch - und in erster Linie - auf den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs durch den Gläubiger nach der Insolvenz der Gemeinschuldnerin.

Damit bringt die Antragstellerin Einwendungen vor, die den durch das Urteil vom 29.01.2008 festgestellten Anspruch selbst betreffen und deshalb mit der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 Abs. 1 ZPO geltend zu machen sind. Zulässige Einwendungen im Sinne dieser Vorschrift sind solche, die zur endgültigen oder zeitweisen Entkräftung des titulierten Anspruchs führen, also den durch den Titel rechtskräftig zuerkannten sachlich-rechtlichen Anspruch nachträglich vernichten oder in seiner Durchsetzbarkeit hemmen (vgl. Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 767 Rn. 17; Münzberg in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 767 Rn. 21; Herget in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 767 Rn. 1, jeweils m.w.N.). Dies gilt auch für den Einwand des Rechtsmissbrauchs, sofern dieser den Bestand des titulierten Anspruchs betrifft und nicht nur einzelne Vollstreckungsmaßnahmen (Hartmann, a.a.O., Rn. 28 "Rechtsmissbrauch"; Münzberg, a.a.O. und vor § 704 Rn. 45; Herget, a.a.O., Rn. 12 "Rechtsmissbrauch"; Lackmann in: Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 767 Rn. 26, jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall.

b)

Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin wegen der drohenden Zwangsvollstreckung an einer schnellen Entscheidung interessiert ist und daher zunächst um vorläufigen Rechtsschutz nachsucht. Dieser kann im Verfahren nach §§ 767 ff. ZPO durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 769 ZPO gewährleistet werden.

Für eine einstweilige Verfügung, mit der im Ergebnis das selbe Ziel - Verhinderung der Inanspruchnahme der Antragstellerin durch Einstellung der Zwangsvollstreckung - erreicht werden soll, ist damit kein Raum (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2002, 618; OLG Köln, NJW-RR 1995, 576 = JZ 1996, 313 m.Anm. Münzberg; OLG Koblenz, OLGR 2003, 289; Münzberg a.a.O., vor § 704 Rn. 96; Vollkommer in: Zöller, a.a.O., § 940 Rn. 8 "Zwangsvollstreckung" a.E. und § 935 Rn. 3; Hartmann a.a.O., § 938 Rn. 20; Schuschke in: Schuschke/Walker, ZPO, vor § 935 Rn. 7, jeweils m.w.N.).

c)

Sachlich und örtlich zuständig ist damit das Landgericht Cottbus als Gericht des Vorprozesses, §§ 767 Abs. 1, 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Diese Vorschriften begründen eine ausschließliche Zuständigkeit (§ 802 ZPO), so dass es auf den mit der Beschwerde geltend gemachten allgemeinen Gerichtsstand des Insolvenzverwalters (§ 19 a ZPO) nicht ankommt.

3.

Der Umstand, dass die Antragstellerin bereits eine negative Feststellungsklage gegen die Gemeinschuldnerin erhoben hat, führt ebenso wenig zu einem anderen Ergebnis wie die inzwischen eingetretene Insolvenz der Gemeinschuldnerin.

a)

Bei der Klage vom 12.02.2008 handelt es sich ersichtlich nicht um eine solche nach § 767 Abs. 1 ZPO, zumal die Antragstellerin mit ihrem dort erhobenen Einwand - Untergang der gesicherten Forderung der Gemeinschuldnerin durch entsprechende Leistungen der Hauptschuldnerin - nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert wäre.

Die Antragstellerin will mit dieser Klage vielmehr offensichtlich einen Rückforderungsprozess vermeiden bzw. vorweg nehmen. Ob sie damit Erfolg haben kann, ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht zu prüfen.

Soweit die Antragstellerin mit dem vorliegenden Verfügungsverfahren lediglich um einstweiligen Rechtsschutz im Rahmen ihrer Klage vom 12.02.2008 nachsuchen sollte, wäre hierfür ebenfalls das Landgericht Cottbus als Gericht der Hauptsache zuständig, §§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO. Die Klage gegen die Gemeinschuldnerin ist - nach dem Vortrag der Antragstellerin - dort bereits rechtshängig (§ 261 Abs. 1 ZPO) geworden. Im Interesse der Prozesswirtschaftlichkeit ist dieses Gericht dann auch für die Entscheidung über die einstweilige Verfügung zuständig (vgl. Hartmann, a.a.O., § 937 Rn. 2).

b)

Diese Zuständigkeit des Gerichts der Hauptsache ist ausschließlich, § 802 ZPO. Auf den allgemeinen Gerichtsstand des Insolvenzverwalters nach § 19 a ZPO kommt es daher nicht an.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes hat ihre Rechtsgrundlage in § 3 ZPO, wobei der Senat - dem Landgericht folgend - von einem Drittel der Bürgschaftssumme ausgegangen ist.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, ist nicht gegeben. Weder kommt der Sache grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Ende der Entscheidung

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